129 Auff Herrn Johann Heermanns berühmbte Postill

129 Auff Herrn Johann Heermanns berühmbte Postill

1631 Dü 126 Sz 135

Johann Heermann: Laborum Sacrorum Continuatio. Geistlicher Kirchen Arbeit Fortstellung. Das ist Ferner Erklärung der Sontags Evangelien Darinnen auff ein Jedes etliche Predigten gerichtet […]. Breslau: David Müller 1631, Fol. *A1r–*A1v. (a). (VD17 23:631978Q).

Wieder abgedruckt in:

1. Unter dem Titel: Auff Herrn Johann Heermanns berühmte Postill. In: Johann Heermann: Laborum Sacrorum Continuatio. Geistlicher Kirchen Arbeit Fortstellung Das ist Ferner Erklärung der Sontags Evangelien Darinnen auff ein Jedes etliche Predigten gerichtet […]. Lübeck: Johann Jung 1636, Fol. A1v. (*B). (VD17 23:622897R).

2. Johann Heermann: Laborum Sacrorum Continuatio Festivalis Dritter Theyl der Fortstellung Gejstljcher Kirchen-Arbeit. Das ist: Fernere Erklärung Aller Fest-Evangelien ⧸ darinnen auff ein jedes etliche Predigten […]. Breslau: David Müller Erben / Leipzig: Henning Köhler 1639. (*D). (VD17 23:631983H).1

3. Unter dem Titel: Auff H. Johan Hermanns berühmte Postil. In: Martin Opitz: Florilegivm Variorvm Epigrammmatvm. [Danzig?: Andreas Hünefeld?] 1640, Fol. B2v f. (VD17 23:241347Z) (Raubdruck, s. Dü 186.I.3).

4. Unter dem Titel: Auff H. Johann Heermannes berühmte Postil. In: Martin Opitz: Deutscher Poematum Ander Theil […]. Danzig: Andreas Hünefeld 1641, S. 667 f. (E). (VD17 23:240619G).

5. Martin Opitz: Teutsche Gedichte, in vier Bände aufgetheilet […]. Bd. 2. Hrsg. v. Daniel Wilhelm Triller. Frankfurt am Main 1746, S. 395.

Opitz’ Geleitgedicht bildet mit dem Kupferstichporträt Johann Heermanns (1585–1647) und lateinischen Distichen, ebenfalls aus Opitz’ Feder, eine dreiteilige emblematische Anordnung. Das Porträt ist überschrieben: »Eigendtlich Bildtnuß. Deß Ehrwürdigen vnnd Wolgelehrten Herrn Johann: Heermanni P. L. C. Pfarrn zu Köben ⧸ an der Oder ⧸ seines Alters 45. Jahr«. Der Köbener Pfarrer und Kirchenlieddichter Heermann ist als Halbfigur nach links gerichtet dargestellt. Seine Hände liegen auf einer Brüstung, in die sein Motto »Mihi Omnia. Iesus.« (»Jesus ist alles für mich«) eingeschrieben ist, während seine rechte Hand ein Buch hält (vgl. LW 3, 328). Das Porträt wird umrundet von einem ovalen Band mit der Inschrift: »Iohannes Heermannus, Rautenas SIL. P. L. C. Eccles. Koebenianae Pastor: Aetat. XLV. Ann. MDCXXXI.« Während die lateinischen Verse mit dem Bild eine Einheit formen, da beide durch eine Rahmung gefasst sind, stehen die deutschen Verse separiert unterhalb des Ensembles. Diese Trennung wird im erneuten Abdruck der Übersetzung in Deutsche Poemata (1641) beibehalten. In der Erweiterung Laborum sacrorum continuatio festivalis (1639, abweichend vom Titelblatt mit dem Jahr 1638) findet sich nicht Opitz’ Übersetzung, sondern Verse Christoph Kölers. Außerdem kommt ein weiteres Geleitgedicht Opitzens (Qvos aevi dederas, vgl. LW 3, 282) hinzu. Bei der erweiterten Fortsetzung der Labores sacri (1624) handelt es sich um eine nun zweibändige Postille, die »alle Sonn- und Festtage des Kirchenjahres« (Liess 2003, 59) mit Perikopen und Predigten umfasst und in einem ersten Teil die Zeit vom ersten Advent bis zum Sonntag Exaudi, in einem zweiten Teil die Zeit von Pfingsten bis zum 26. Sonntag nach Trinitatis behandelt. Neben dem hier vorliegenden Predigtwerk ist Johann Heermann bekannt als Kirchenlieddichter, der sich früh der Opitz’schen Sprach- und Versreform angeschlossen hat (vgl. Meid 2009, 226).

Im anschließenden deutschen Gedicht beschreibt der Sprecher, dass der Text aufgrund des Kriegstreibens ein Opfer der Flammen geworden sei. Lediglich ein Buch Heermanns habe geschützt in einem Keller den Brand überstanden. Das Gedicht beginnt mit der zeitlichen Verortung im Krieg, der sich wie ein Krebsgeschwür ausbreite. Es folgt die räumliche Situierung in Leipzig, der Stadt des Geldgewerbes, Handels und der Literatur, die in Folge einer Belagerung im September 1631 brannte. Die Bewohner der Stadt hätten diesen Brand selbst gelegt, um dem Aggressor zuvorzukommen. Der zweite Teil des Gedichts beschäftigt sich mit einer Schrift Heermanns, die den Brand überstanden hat. Autor und Werk seien die einzigen Trostspender für die Leipziger und für kommende Generationen.

Liess, Bernhard: Johann Heermann (1585–1647). Prediger in Schlesien zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Münster 2003.

Meid, Volker: Die deutsche Literatur im Zeitalter des Barock. Vom Späthumanismus zur Frühaufklärung 1570–1740. München 2009.

Münkler, Herfried: Der Dreißigjährige Krieg. Europäische Katastrophe, deutsches Trauma 1618–1648. Berlin 2017.

[[A1]r]

Dum patriam Musae, pietas dum deserit orbem, Heermannus docta sistit Vtrasque manu,Hic quem, Lector habes; quas si non sistere posset, Scriptis quae legimus redderet ille suis.

1

Mart. Opitius.

1

Die Andacht leßt die Welt⧸ die Musen vnser Landt⧸Herr Heermann helt sie auff mit der gelehrten Handt.Der hier steht: wann sie dann auch solten schon verschwinden⧸So würden wir sie doch in seinen Schrifften finden.

M. O.

[A1v]

Auff Herrn Johann Heermanns berühmb- | te Postill.

JN dem der wilde Krieg das edle Vaterland Der Deutschen Nation verheert durch Mord vnd Brand⧸Frisst vmb sich wie der Krebs⧸ durchkreucht jhm alle Glieder⧸Vnd führt die grimme Gifft der Waffen auff vnd nieder⧸Wird Leibzig auch berannt die edle werthe Stadt⧸Die jhres gleichen kaum in diesen Landen hat.Der Musen lieber Ort⧸ jhr Grund vnd eignes Erbe⧸Die grosse Wechselbanck vnd Schawplatz der Gewerbe⧸Die stets sich noch bißher mit stiller Ruh ergetzt⧸Muß sehn daß auch auff sie jetzt wird das Schwerdt gewetzt⧸Muß jhrer Vorstadt Zier mit eigner Hand verbrennen⧸Dem Heere so sich naht den Vortheil ab zue rennen⧸Das doch mit heller Macht jhr vnter Augen dringt⧸Vnd sie auff kurtze Zeit ein Wort zue sprechen zwingt⧸Das nicht von Hertzen geht. Der Vorstadt schöne Gassen⧸Die Städten gleiche sind⧸ die müssen Flammen fassen;Der Häuser feste Baw geht biß zue boden ein⧸Vnd in den Kellern selbst kan nichts versichert seyn⧸Jn derer einem auch diß Buch hier ligt verborgen⧸Das vns ein frommer Mann gibt so mit trewen SorgenFür die gedrückte Schaar die jetzt in vieler PeinWil mehr als sonst gelehrt⧸ als sonst getröstet seyn. Der Ort ist lauter Glut⧸ der Zorn der heissen Flammen Kehrt alles was er kriegt mit schneller Glut zusammen;Diß Buch das new gedruckt in seinen Ballen ligt⧸Und vmb vnd über sich mit Brande wird bekriegt⧸Bleibt dennoch vnversehrt. Herr Herrmann⧸ ewre Sachen⧸Die vns in Glück vnd Noth zu guten Christen machen⧸Die viel begehrte Schrifft⧸ das Jahrbuch Trostes vollGläubt nicht daß es den Rost der Jahre fühlen soll.Das Werck so vnverletzt im Fewer können stehen⧸Wird auch durch keine Zeit noch Alter nicht vergehen.

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10

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M. O. V. B.

1 Die Fassungen *B und *D waren uns leider nicht greifbar.

1 DJe E 1 Land E 2 Heerman E 2 Sich E 2 Hand E 5 Autor: Fehlt in E

Titel: Auff H. Johann Heermannes berühmte Postil. E 3 Frißt E 5 listig E 10 Schwert sehn/ E 11 vorstadt E

12 abzurennen E 14 zu E 15 der Vorstädt E 16 mussen E 17 zu Boden E 19 liegt E 20 giebt E 21 gedrückter Schar/ E Pein/ E 23 die E 25 liegt E 27 Heerman E 29 vielbegehrte E 29 das Jahrbuch E 30 sol E 31 in E 33 Im Druck: M. B. V. O. Korr. nach E

Gedichtüberschrift Postill] Eine Postille ist eine Predigtsammlung oder ein Predigtbuch, das zur häuslichen Andacht und privaten Erbauung gedacht ist. Ursprünglich meint Postille eine Auslegung des Bibeltextes oder einen auslegenden Teil der Predigt.

1 f. das edle Vaterland | Der Deutschen Nation] Während Schlesien zur Abfassungszeit der Labores sacri 1624 noch vergleichsweise wenig vom Krieg getroffen worden war, ändert sich diese Ausgangssituation bis zur Drucklegung 1631. Mit dem Einzug des Krieges nach Schlesien 1626 und der katholischen Dominanz in diesem Landstrich waren neben der Stadt Köben nur noch zwei weitere Städte mit evangelischen Pfarrstellen ausgestattet, da die Protestanten häufig vertrieben und ihre Kirchen katholisiert wurden (vgl. Liess 2003, 47 f.). Entsprechend ändert sich der Ton der Postille 1631 grundlegend, indem nun die katholische Kirche schärfer kritisiert wird. Besonders in den Jahren 1630 / 31 litt Köben unter dem Krieg und der grassierenden Pest. Heermann begründet daher auch das verspätete Erscheinen des dritten Teils (Festivalis) mit den Unruhen des Krieges (vgl. Liess 2003, 64), während der Todesfall David Müllers und die finanzielle Lage der Verlegerfamilie in der jüngsten Forschung (vgl. LW 3, 579 f.) unter Berufung auf Opitz’ Briefwechsel mit Tscherning als Grund für die Verspätung angeführt wird (vgl. BW 2, ep 381205).

5 Wird Leibzig auch berannt die edle werthe Stadt] Es geht um die Ereignisse im Zusammenhang mit der Eroberung Leipzigs durch Tilly und dessen Niederlage im September 1631. Damit ist auch ein Terminus post quem des Geleitgedichts gegeben. Noch unter dem Eindruck der Verwüstung Magdeburgs wird Leipzig, genauer Breitenfeld, Mitte September zum Schauplatz der blutigsten Schlacht des Dreißigjährigen Kriegs.

6–8 Die jhres gleichen kaum … vnd Schawplatz der Gewerbe] Bereits 1497 und 1507 verlieh König Maximilian I., später römisch-deutscher Kaiser, weitere bedeutende Privilegien für Leipzigs Märkte. In der Folge entwickelte sich die Stadt zum führenden deutschen Messeplatz von internationaler Bedeutung, der im Ruf stand, als einzige Messe im Besitz einer Stadt zu sein.

8 Wechselbanck] Seit dem 13. Jahrhundert belegt als »tisch, geschäftshaus eines wechslers«. Im bildlichen Gebrauch bei Opitz: »das wort wird gewählt als bezeichnend für die unruhe der groszstadt, die überkultur«. DWb 27, 2708.

11–15 Muß jhrer Vorstadt … von Hertzen geht] Im Zuge der zuvor (v. 5) erwähnten Schlacht von Breitenfeld, in der der Schwedenkönig Gustav Adolf die schwer bedrängten Protestanten bei Leipzig befreite, kam es zu ähnlichen Reaktionen der belagerten Bevölkerung wie wenige Monate zuvor in Magdeburg (20. Mai 1631). Die zuvor durch die kaiserlichen Generäle Tilly und Wallenstein besetzte Stadt Leipzig wurde von der neu vereinten Armee aus dem sächsischen und dem schwedischen Heer zurückerobert. Am 17. September 1631 schlug Gustav Adolf Tilly und dessen nie zuvor besiegte kaiserliche 32 000-Mann-

­Armee vernichtend, nachdem auf kaiserlicher Seite schwere strategische Fehler begangen wurden (vgl. Münkler 2017, 499 ff.). Der Vormarsch des Schwedenkönigs nach Süddeutschland war nun nicht mehr aufzuhalten. Die Folge dieses Sieges war die Eroberung Leipzigs. Aus Verzweiflung oder um die Angreifer in die Flucht zu schlagen, legten die Bewohner selbst Feuer. Bis zum Abend brannten annähernd alle Häuser, und von der reichen Stadt blieb kaum etwas übrig. Die Kriegsereignisse in Magdeburg ähnelten denen in Leipzig, allerdings war der Untergang Magdeburgs medial präsenter.

18 versichert] Im Sinn von sicher, abgesichert. Vgl. DWb 25, 1300.

19 Jn derer einem auch diß Buch hier ligt verborgen] Das Buch, das in einem der Keller geschützt vor den Flammen liegt, soll den belagerten und bedrohten Protestanten beistehen.

25 Ballen] Gemeint sind Papierballen, die noch nicht für die Bindung des Buches zurechtgeschnitten sind.

29 Die viel begehrte Schrifft⧸ das Jahrbuch Trostes voll] Die Postille eignet sich zur Erbauung in schweren Kriegszeiten. Wie im kurzen lateinischen Widmungsgedicht ist es auch hier die Literatur, die zu helfen und zu stützen vermag (vgl. LW 3, 329).

29 Jahrbuch] Die Postille, die als Perikopenbuch durch das Kirchenjahr führt.




Zitierempfehlung:

, , in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

, , in: und (Hrsg.),