Der 104. Psalm

122
  • Sz 114
  • Dü 115
  • 1630

    Der 104. Psalm

    Einzeldruck X: Martin Opitz | Vber | Den CIIII. Psalm. | [Linie, 9,1 cm] | Gedruckt zum Brieg/ durch Augustinum | Gründern. 1630.

    4°: A Exemplare: Breslau; Göttingen UB; Berlin, SB (PK), Yh 9321R

    Die dritte Zeile des Titels ist insofern ungewöhnlich, als über der römischen Ziffer eine dünne, leicht geschweifte Linie von 2,35 cm gesetzt worden ist. Der Druck ist recht einfach. Wechselseitige Ein- züge der Alexandriner sind zwar vorhanden, doch fehlen Zeilen- oder Strophenziffern; Strophen sind nicht angedeutet. Am Schluß, Bl. A4b, findet sich ein in den Hauptlinien dreieckiges Zierstück von 5,9 × 6,7 cm Größe.

    Einzeldruck Y (Sz 115 Dü 115a): Martin Opitz | Vber | Den CIIII. Psalm | [Linie, 8,4 cm] | Gedruckt zu Leipzig/ bey Johan Albrecht | Mintzeln. 1630.

    4°: A Exemplare: Wolfenbüttel HAB, 65.6 Poet (5); Göttingen UB

    Zeilenfall der Widmung anders: 10 Zz. Y, 11 X; andere Verteilung der Gedichtzeilen auf die Kolumnen; meist Großschreibung der Substantive, doppelte Großbuchstaben bei Gott, Herr; Kopfleiste (1,5 × 10,7 cm) oben auf A2a; dann Kopftitel wie X; großes Initial-E von 3 × 3 cm; Andeutung der Strophen, aber weder Zeilen- noch Strophenzählung; Schlußornament (5,2 × 5 cm) anders als X.

    [Druckausgabe S. 591]

    Druck Ze (in Sz 164, Dü 153): Zehen Psalmen Davids ... Breßlaw 1634, als eine Art Anhang mit separatem Titelblatt: Martin Opitz | Vber | den CIV. Psalm | [Typenornament] | Gedruckt im Jahr 1634.; S. [53]–63; [54] unbedruckt.

    Näheres über Zehen Psalmen unter den Werken des Jahres 1634. Das Gedicht beginnt auf S. 55 wie folgt: unter einem fünffa- chen horizontalen Arrangement (aus zwei Paaren von Eicheln, je- des Paar mit einer nach rechts und einer nach links weisenden Ei- chel, dazwischen ein Sternchen) findet sich eine Linie, über deren rechtem Ende die Seitenzahl 55 steht. Es folgt eine Kopfleiste und dann der Kopftitel: Der CIV. Psalm. Die Initiale E mißt zwei Zeilen im Geviert. Musiknoten, bei allen andern Gedichten des Druckes vorhanden, fehlen hier; keine Angabe der Singweise. Die 140 Zeilen des Gedichtes sind wie bei Y gesetzt. Zuletzt, Bl. A4b, ENDE.; darunter ein mittelgroßes Zierstück. Die Widmung fehlt Ze. Bemer- kenswert ist, daß von den sechs in X (fünf in Y) vorkommenden Apostrophen Ze nicht einen einzigen nachdruckt.

    Abdruck in E, Geistliche Poemata 1638: Hier findet sich der 104. Psalm zwischen dem 103. und 148. in der Gruppe MART. OPI- TII Geistliche Oden/ oder Gesänge: Bevorauß/ Vnderschiedene Psalmen Davids ..., S. 224–27. Es handelt sich um eine Wiederho- lung der Zehen Psalmen von 1634. Siehe dazu die Beschreibung der Sammlung E unter den Werken des Jahres 1638. Der 104. Psalm ist aus einer kleineren Schrift gesetzt und wie schon in Y Ze in Strophen abgeteilt worden, aber hier sind die Vierzeiler zum erstenmal nume- riert worden. Dabei ist bei Str. 24 ein Fehler unterlaufen (Str. 25 kommt schon nach zwei Zeilen), der sich bis Ende fortsetzt.

    Ein weiterer Einzeldruck aus dem Jahre 1644 (Oesterley 213, Sz 254, Dü 115b) wird zwar genannt, ist aber verschollen. Er dürfte kaum authentisch sein.

    Der 104. Psalm. in Zwölf Psalmen Davids ... Breßlaw [1636], Sz 187, Dü 173, ist eine Überarbeitung der ursprünglichen Version: bisher Alexandriner, 1636 vers commun. Abdruck unter den Werken des Jahres 1636. Für die vollständigen Psalmen Davids 1637 (Sz 194, Dü 176) überarbeitete Opitz den Psalm dann noch- mals.

    Über die genauere Entstehungszeit dieser Bearbeitung des 104. Psalms erfahren wir nichts: in den Briefen wird sie nicht er-

    [Druckausgabe S. 592]
    wähnt und die beigedruckte Widmung blieb undatiert. Daß sie dem frommen Herzog Georg Rudolf gewidmet wurde, paßt zur Absicht des Dichters, sich die Gunst der protestantischen Machthaber Schlesiens zu erhalten, trotzdem er zur Zeit im Dienste v. Dohnas stand.

    Oesterley druckt Ps. 104 im Rahmen der »Geistl. Oden oder Ge- sänge« nach E in KDN Bd. 27, S. 179–83 ab.

    Kurzer Hinweis bei Geiger 13f.: der Psalm 104 sei ganz in Opitz’ Manier und zeige viel Gekünsteltes neben manchem poetisch Schö- nem; dazu bringt Geiger einige Beispiele; in derselben Art fortge- führt bei H. Max 120f.

    Auf den Artikel »Psalmendichtung« von A. Hübner 1928 (ergänzt von E. Trunz 1977) in beiden Auflagen des Reallex. d. dt. Lit. gesch. sei hingewiesen.

    [A1b]Widmung nur XY

    Dem Durchlauchten/ Hochgebornen Fürsten vndt Herrn/ Herrn Georgen Rudolphen/

    Hertzoge in Schlesien zue Liegnitz/ Briegk vnd Goldberg/ Röm. Kays. May. gehaimben Rhate/ etc. schreibet vnterthänig diesen new vmbgesetzten Psalm zue Ihr Fürstl. Gnaden

    gehorsamber Diener Martin Opitz.

    [Druckausgabe S. 593]
    [A2a]

    Der CIIII. Psalm.

    Erwache meine seel’/ vndt sage lob dem Herren.
    O Gott/ wie bist du doch so rhümlich für vndt für!
    Dein großer schein bestralt den weltkreiß weit vndt ferren/
    Dein schmuck in dem du gehst ist lauter schmuck vnd ziehr.


    5 Dein Kleidt ist reiniglich vndt sauber zuebereitet/
    Ist auff den glantz gemacht/ vndt liechter schönheit voll:
    Du hast das blawe tuch des himmels außgebreitet
    Dir zur tapezerey/ als wie ein könig soll.


    Die decke welche dir diß hohe hauß muß tragen/
    10 Vndt du hast auffgewölbt/ ist vnerschöpfftes meer;
    Das waßer ist dein hoff; die wolcken sindt dein wagen;
    Die winde flügelst du/ vndt jagst sie für die her.


    Die winde flügelst du/ vndt schickst sie allzuesammen
    Wie trewe boten auß; dein heroldt ist die lufft;
    15 Der donner höret dich; der sturm vndt schnelle flammen
    Erzeigen jhren dienst wann deine stimme rufft.


    Du hast des himmels fuß/ die große last der erden/
    Dein weises meisterwerck/ in starcken grundt gelegt/
    Den baw jhm laßen selbst zur gegenwage werden/
    20 So daß er weder sinckt/ noch auff die seite schlegt.


    Du hattest jhm vorhin zum mantel vmbgegeben
    Die bodenloße see/ jhr schaum gieng überher;
    Die felsen so jhr haupt dermaßen hoch erheben
    Die stunden zuegedeckt/ vndt waren lauter meer.


    [A2b]

    Jedoch so baldt dir nur geliebet hatt zue wincken/
    26 Hatt auch die wilde flut jhr einen weg gesucht;
    Auff deiner stimme plitz fieng alles an zue sincken/
    Die wellen worden schew/ vndt eilten in die flucht.

    Sachanmerkung Sachanmerkung + + +
    [Druckausgabe S. 594]

    Die berge mengten sich der lufft mitt jhren spitzen/
    30 Vndt ragten stoltz herfür; das feldt wardt abgesenckt;
    Die klippen mußten stehn/ die tieffen thäler sitzen/
    Da wo du jeglichem hast seinen ort geschenckt.


    Du hast der breiten see den gräntzestein gezeiget/
    So daß jhr kühner lauff nun seine schwelle weiß/
    35 Vndt nicht mehr vnbepfält an frembdes vfer steiget/
    Vndt nicht mehr überfellt den müden erdenkreiß.


    Die flachen gründe sindt der brunnen kühle stelle/
    Worein sie hatt gepflantzt dein vnerschöpffter sinn;
    Hier sucht jhr freyen gang die flut der reichen quelle/
    40 Hier rauscht der flüße strom an rawen bergen hin.


    Diß hast du für die thier’ auch also haben wollen/
    Damit kein mangel sey auff jhrer grünen bahn/
    Vndt sie den heißen durst genüglich stillen sollen/
    So daß des wildes heer sich frölich letzen kan.


    45 Hier hört man vmb den strandt auff hohen ästen singen
    Die schöngemahlte schar der weiten himmelslufft:
    Hier hört man sie mit lust die tageweise schwingen/
    Daß thal/ vndt feldt/ vndt waldt/ vndt vfer wieder rufft.


    Du machst die berge naß/ schickst angenemen regen
    50 Auß deinen wolcken her mitt einer milten handt;
    Die lufft muß schwanger sein/ gebehren deinen segen/
    Dein süßer perlentaw befrüchten alles landt.


    [A3a]

    Du leßest für das vieh entsprießen feiste weide/
    Du giebst jhm weiches graß/ vndt schaffest futter ein:
    55 Das volck der sterblichen hatt kräuter vndt getreide/
    Damit es beydes saat/ vndt auch gesundt kan sein.


    + + + + + + +
    [Druckausgabe S. 595]

    Der menschen hertz’ vndt blut wirdt durch das blut der erden
    Den wein/ den sorgentrost/ zur fröligkeit gebracht;
    Sein antlitz kan vom öl erquickt vndt schöner werden/
    60 Die glieder von der krafft des brodtes starck gemacht.


    Daß so viel bäwme sich durch thal vndt berg erhöhen/
    Vndt wachsen vngepropfft/ vndt haben vollen safft/
    Daß auff dem Libanon die festen cedern stehen/
    Das wolgeschmacke holtz/ diß hast du auch geschafft.


    65 Hier pflegt in stiller rhu der sperling auff zue rüsten/
    Sucht für sein leichtes nest jhm einen kleinen raum;
    Hier sieht man hoch empor den stoltzen reiger nisten/
    Fast vmb ein dickes see/ auff einem tannebaum.


    Die zarte hindinn kennt daß berge für sie dienen;
    70 Die gemse schwinget sich auff klippen in die lufft;
    Die samenreiche zucht der flüchtigen kaninen
    Hatt jhren auffenthalt in wilder felsen klufft.


    Damit das jhar von vns kan eingetheilet werden/
    So muß des Mondens radt jetzt leer/ jetzt trächtig stehn:
    75 Es weiß des tages ziehr/ die kertze dieser erden
    Die Sonne/ welche zeit sie soll zue bette gehn.


    Du heißest alles landt durch finsterniß verbleichen/
    Vndt giebst den wolcken vmb das braune kleidt der nacht;
    Dann hört man wie die thier’ auß jhren löchern weichen/
    80 Vndt wie das schewe wildt sich durch die püsche macht.


    [A3b]

    Der wälder furcht vndt krafft/ die jungen löwen/ wißen
    Wo raub zue suchen sey in jhrer hungersnoth/
    Dieweil sie einig dich/ nur einig dich/ begrüßen/
    Vndt brüllen auff zue dir/ du auch der thiere Gott.


    + + + + + + + +
    [Druckausgabe S. 596]

    85 Wann dann der Sonnen gunst mitt einem güldnen blicke
    Den erden kreiß erweckt von seiner langen rhu/
    Da nemen sie den weg in voller schar zuerücke/
    Vnd leufft ein jegliches auff seine höle zue.


    Dann legt der mensch sich an/ verbringt auff seinem grunde
    90 Vndt äckern den beruff worzue er ist bestimmt/
    Vndt wirdt der erden artzt/ biß daß die abendt stunde
    Die arbeit vndt den tag zuegleiche von jhm nimpt.


    O Herr/ wie wunderbar vnd groß sindt deine wercke!
    Wer ist es der sie kennt/ vnd alle nennen soll?
    95 Du/ du hast diß gethan durch deine weise stärcke;
    Das gantze weite rundt ist deiner güte voll.


    Was dann die see betrifft/ wer wil ergründen können
    Das vieh der reichen flut/ vnd kalte schuppen heer?
    Dann die gestalt an jhm ist nimmer auß zue sinnen/
    100 Die anzahl nur allein so groß nicht als sein meer.


    Hier laufft das kühne schiff die wette mit dem winde/
    Vndt eilt geflügelt fort durch seine naße bahn:
    Hier hast du eingesetzt den walfisch in die gründe/
    Damit er lustig sein vndt frölich schertzen kan.


    105 Es schawt vndt wartet/ Herr/ mitt gläubigem verlangen
    Diß was hier schwebt vndt lebt auff deine gütigkeit;
    Es dient dir sehnlich auff/ vndt hoffet zue empfangen
    Die speise so du schaffst zue rechter eßenszeit.


    [A4a]

    Sie kommen alle sampt/ vndt heißen ihnen geben/
    110 Vndt kriegen vnterhalt/ das keines mangel hatt:
    Sie kommen alle sampt/ vndt du erquickst jhr leben;
    Thust du die handt nur auff/ so sindt sie gäntzlich saat.

    + + + + + + +
    [Druckausgabe S. 597]

    Woferren aber du verbirgest dein gesichte/
    Vndt jhnen jhren geist erzürnet wilt entziehn/
    115 So zittern sie für angst/ so werden sie zue nichte/
    Vndt sindt ein leichter staub vndt asche wie vorhin


    Wirdt nachmals vber sie dein athem außgelaßen/
    So lebt was jetzundt schon vom leben nicht mehr weiß/
    Vndt kan jhm newe lufft vndt frische kräfften faßen;
    120 Ja du verjüngest auch den gantzen erdenkreiß.


    Des Herren werthes lob soll ewig bey vns wallen/
    Wir wollen allezeit erheben seine krafft:
    Der Herr der Herren hatt ein großes wolgefallen/
    Hatt seines hertzens lust an wercken die er schafft.


    125 Wann er die erde nur ergrimmet an wil blicken/
    So zittert vndt erbebt die gantze schwere last:
    Die felsen geben dampff/ der starcken berge rücken
    Die rauchen/ wann er sie mit einem finger faßt.


    Ich wil auß aller krafft des Herren rhum erheben/
    130 Wil preisen meinen Gott mein gantzes lebenlang/
    Wil/ also weit er mir auff erden frist wirdt geben/
    Erhöhen seine macht durch meinen lobgesang.


    Hergegen dieses sey er auch von mir gebeten/
    Er laße meine stimm’ auß gnaden zue sich ein/
    135 Vndt gebe daß sie kan in sein gesichte treten/
    So wirdt mein gantzer sinn zum singen frewdig sein.


    [A4b]

    Der sünder böse schar muß außgerottet werden/
    Muß sehn nach dem sie ringt den wolverdienten todt;
    Das gott verhaßte volck muß nicht mehr sein auff erden:
    140 Du wache/ meine seel’/ vndt lobe deinen Gott.

    + + + + + + +



    Zitierempfehlung:

    Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

    Zitierempfehlung der Druckausgabe:

    Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),