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Wie wol doch wiederfehret
Trawer- vnd TrostGetichte Vber dem Christlichen vnd Seligen Ab- schiedt Der ... Fürstin vnd ... Frawen Annen Magdalenen/ Hert- zogin zu Münsterberg ... zur Oelssen vnd Bernstadt/ geborner Pfaltzgräfin bey Rhein ... Gedruckt zu Breßlaw/ durch Georgium Baumann.
4°: 436 S. Exemplar: Breslau 4 F 1245
Anna Magdalena war die Tochter von Georg Gustav, Pfalzgrafen bei Rhein zu Zweibrücken. Sie war am 19. März 1602 zu Lauterek- ken (Pfalz) geboren, die Hochzeit mit Herzog Heinrich Wenzel (1592–1639) hatte am 7. Nov. 1617 stattgefunden und am 19. März 1631 war sie zu Bernstadt gestorben; die Beisetzung geschah am 22. Oktober. Martin Kirstenius hielt die Leichenpredigt. Die um- fangreiche Leichenschrift enthält weitere poetische Beiträge von N. Henelius, E. Major, C. Colerus, Roman Schmid, dem Leibarzt Georg Rumbaum, J. Schickfuß et al. Daten bei Grotefend, Tafel XIV.
In dem oben genannten Druck steht dies Gedicht (ohne Über- schrift aber mit der Ziffer II.) auf Bl. B1b bis B4b. In F II findet es sich als viertes im Dritten Buch der Poetischen Wälder: Über Leich- begängnisse.
Hoffmann von Fallersleben (Weimar. Jb. III [1855], 140–42) be- spricht das Gedicht in positiver Weise und druckt neun der dreizehn Strophen ab. Gellinek 249/50 zitiert vier Strophen und weist u. a. darauf hin, daß auch in einem nichtalexandrinischen Gedicht Er- sparungsreihen auftreten können.
WIe wol doch wiederfehret
Dem dem zu solcher Zeit
Sein Stündlein ist bescheret/
Wann er der Völcker Streit/
5 Den Lauff der Welt betrachtet/
Vnd härtet seinen Sinn
Daß er den Todt nicht achtet/
Läufft jhm entgegen hin.
Der zu dem Städte-Brande
10 Ein Christenhertze bringt/
Vnd nach dem Vaterlande
Da kein Feind einkömpt ringt;
Der deß Gebethes stücke
Pflantzt für die Himmelßstadt/
15 Vnd weichet nicht zurücke
Biß er das Jawort hat.
Er ist schon hier im Hertzen
Der Lust vnd Frewden voll
Darzu kein Leyd noch Schmertzen
20 Sich jemals dringen soll:
Vnd wann es so weit kommen
Daß nun die Vhr ist auß/
So wird er auffgenommen
In seines GOttes Hauß.
25 Da weidet sein Gemüte
Sich mit der Göttligkeit/
An derer Huld vnd Güte
Es schon hieng für der Zeit:
Da sieht er wie die Kronen
30 Vnd Zepter mißlich sind/
Wie dieses wo wir wohnen
Nichts sey als Rauch vnd Wind.
Du auch/ du Licht der Frawen/
O Heldinn/ Bild der zucht/
35 Wann du hast müssen schawen
Der Freyheit schnöde flucht/
Die zeit in der wir leben/
Der dinge blinden schein/
So hast du dich ergeben
40 Deß Lebens saat zu seyn.
Du auch bist hin versetzet
In eine solche Schar
Die sich mit dem ergetzet
Der bleibt/ vnd ist/ vnd war/
45 Der dir hat angeleget
Den Rock der Ewigkeit
Der keine Hitze träget/
Vnd den kein Trost beschneyt.
Du darffst nun nicht mehr fragen
50 Was vmb den schönen Rheyn
Sich etwan zugetragen/
Der jetzt muß dienstbar seyn/
Ob deinem Vaterlande
Was newes ist bestimmt/
55 Ob an der Mosel strande
Ein frembdes Fewer glimmt.
Du darffst nicht weiter sehen
Wie auff diß arme Land
So wilde Stürme wehen/
60 Vnd drewen Mord vnd Brand/
Wie so viel werthe Fürsten
Im Streiten vntergehn/
Wie wir nach Blute dürsten
Nach Feind’ vnd Freunde stehn.
65 Wo durch deß Himmels schwellen
Ein Kummer jemals dringt/
So jammert dich der Wellen/
Der Flut die vns vmbringt/
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Deß Reiches das vertirbet
70 Durch Mistrew/ Haß vnd Wahn/
Der Welt die allzeit stirbet
Vnd nie ersterben kan.
Das du bist weggenommen
In jene grosse Stadt/
Ist von der Vnschuld kommen
75 Die dich begleitet hat/
Von Frömmigkeit/ von Gaben
Der Demut vnd Geduldt/
Die dir verliehen haben
Der Leuth’ vnd Götter Huldt.
80 Du vnerschöpfftes Wesen/
Du Anfang ohne Zeit/
Du hast dir außerlesen
Der Fürstin Frömigkeit/
Sie in der Jugend Jharen
85 Geführet zu dir ein/
Das Leid nicht zuerfahren
Das wir verdient allein.
O Vater/ laß doch schwinden
Der Waffen Vngemach;
90 Du zürnest mit den Sünden/
Vnd giebst doch güttig nach:
Nihm an der Fromen Flehen/
Setz’ außer der Gefahr
Vnd laß in Frieden sehen
95 Stadt/ Feldt/ Herdt vnd Altar.
Gieb daß der Trost deß Landes/
Der Held den du gesetzt
In Leidt deß Witwerstandes/
Doch werde sonst ergetzt/
100 Laß gnädig vmb Ihn schweben
Der Wolfarth süsse Rhue/
Vnd setze seinem Leben
Der Fürstinn Jahre zue.
Martin Opitz.
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