Hercinie

116
  • Sz 111
  • Dü 112
  • 1630

    Hercinie

    Einzeldruck X: Von X existiert nur eine Ausgabe, die aber in zwei Ausführungen vorkommt. Der Unterschied besteht einzig im Wort- laut des Titelblattes.

    Ausführung a: Martin Opitzen | Schäfferey | Von der Nimfen Her- cinie.

    Ausführung b: Martin Opitzen | Schäfferey | Von der Nimfen Her- cinie. | Gedruckt zum Brieg/ | In verlegung David Müllers Buch- | handlers in Breßlaw. 1630. [Kolophon auf Bl. [I2a], identisch in beiden Ausführungen] Gedruckt in der Fürst- | lichen Stadt Brieg/ durch | Augustinum Gründern. | A. C. 1630.

    4°: A–I2. Exemplare: Ausführung a – Genève BB; Ausführung b – Genève BB; Breslau (drei); Göttingen UB; Yale UL, FdF 218

    Gliederung: Bl. [A1] Titelblatt, Rückseite unbedruckt. A2a (= S. 3) bis A3b (= S. 6) Widmung an Hans Ulrich, SchaffGotsch ge- nannt. S. 7 (= Bl. A4a) bis S. 66 (= I1b) der Text des Werkes, Prosa mit eingelegten Versen. Bl. I2a (= S. [67]) Kolophon; I2b unbe- druckt.

    Der Druck ist einfach und relativ sorgfältig hergestellt. Die ver- wendete Schrift ist die Mittelfraktur; die Gedichte sind fast alle (au- ßer S. 37) aus der Cicerofraktur gesetzt. Die normale Prosakolumne enthält 29 Zeilen, doch kommen Seiten zu 28 und 30 Zeilen vor. Das Büchlein weist nur drei Verzierungen auf: ein kleines Ornament am

    [Druckausgabe S. 509]
    Ende, S. 66, aus 8 Röslein, 1,0 × 2,5 cm; eine zusammengesetzte Zierleiste, 1,1 × 10,6 cm, über den vier Zeilen des Kolophons und eine Arabeske, 5,8 × 7,1 cm, darunter: Widderköpfe l. und r. oben, in der Mitte ein weibliches Gesicht. Keine Kolumnentitel, keine Zei- lenzählung, kein wechselseitiger Einzug von Reimpaaren bei den Alexandrinergedichten. Das Manuskript scheint auf zwei Setzer verteilt worden zu sein: auf S. 37 wird der Anschluß der zweiten Partie erst durch die Verwendung einer kleineren Type für die Prosa und einer noch kleineren für die ersten sechs Zeilen des Ge- dichts ermöglicht.

    Bei den Kustoden kommt es sechsmal vor, daß das Merkwort in größerem Typengrad gesetzt worden ist als das dann folgende An- schlußwort; außerdem erscheinen folgende Unregelmäßigkeiten: S. 20 dann 21 Dann; 23 Dkf rrzehl- 24 erzehlten; 26 erwehnte 27 erwehnete; 43 Dkf Der 44 Den; 54 Wann 55 wann. Kustoden fehlen S. 14 u. 55. Die Seitenziffern stehen 1. und r. an den oberen Außen- rändern; keine Zahlenangaben auf S. 1 und 2 sowie 67. Alle zu er- wartenden Blattsignaturen sind fehlerfrei vorhanden; Titel- und Kolophonblatt sind unsigniert.

    Das weniger häufige Vorkommen von Fassung a läßt sich vielleicht so erklären: während der Arbeit an Bogen A bemerkte man in der Druckerei Gründer, daß der Verleger nicht genannt war. Die Kor- rektur wurde vorgenommen und die restlichen Bogen ausgedruckt, ohne daß die schon fertigen eingestampft wurden.

    Von Xb liegt ein im Format leicht verkleinerter Reprint vor: Mar- tin Opitz, Die Schäfferey ... herausgegeben und eingeleitet von Karl F. Otto, jr. (Nachdrucke dt. Lit. des 17. Jh.s, Bd. 8), Herbert Lang, Bern 1976.

    Der zweite authentische Druck befindet sich in der Sammlung F II (1644). Die Hercinie steht dort als letztes Werk des Vierten Buches der Poetischen Wälder von S. [397] bis 464 wie folgt: [397] der Son- dertitel MARTINI | OPITII | Schäfferey/ | Von der Nimfen Herci- nie. [Kleines Ornament, 3 Eicheln um (o) gruppiert]Sachanmerkung. Die Kolum- nentitel beginnen auf S. 398 und laufen bis 463: Mart. Opitij Vierd- tes Buch || Der Poetischen Wälder. Nur auf S. 464: M. Op. IV.

    [Druckausgabe S. 510]
    Buch/ der Poet. Wälder. Druckfehler: S. 419 Dtr statt Der. Auf S. 398, unter einer zusammengesetzten Kopfleiste, 0,7 × 7,4 cm, die Widmung bis S. 401. Von 402 an, unter einer einheitlichen Kopflei- ste, 1,9 × 7,0 cm, das eigentliche Werk. Pro Seite 32 Zeilen Prosa; die Gedichte auch hier meist aus einer kleineren Schrift gesetzt. Auf S. 464, etwas oberhalb der Mitte, das auf den Band II zielende Wort ENDE. Darunter ein Dreiecksornament, 3,9 × 5,1 cm, mit schraf- fierten Bestandteilen. Dieser Abdruck ist in dem von Erich Trunz betreuten Reprint von F II leicht zugänglich.

    Die Herstellung des Druckes F geschah weniger sorgfältig als die des Erstdruckes. In F wimmelt es von Setzerfehlern, Schlimmbesse- rungen und Versehen. Andererseits finden sich aber auch Beispiele für auktorielle Änderungen, wovon hier einige erwähnt seien (Anga- ben nach der Seitenzählung von X aber zumeist in der Schreibung von F; Hervorhebung durch Kursivschrift): S. 25 dein erschöpfftes Vatterland [Zusatz] Buntzlaw ist ...; 27 Historien mit [getilgt] klei- nen Muscheln ...; 36 Herr Caspar [statt zue Trachenberg] / so das Lähnhauß gehalten; ibid. eine hochverständige [statt hoffverstän- dige] Gemahlinn; 54 die zarten Rinden [statt birken] hier | Die Bir- cken [statt fichten] lassen ... u.s.w.

    Weitere Abdrucke der Hercinie finden sich in den Werk-Ausga- ben von 1645 und 1689 (1690); diese halten sich an den Wortlaut von F II. Bei Bodmer und Breitinger (1745) geht dem Werk selbst eine längere kritische Untersuchung voraus, S. 519–29, in der die Schweizer das Wunderbare der Hexenszene herausstellen und be- dauern, daß Opitz sich nicht eingehender mit der Gestalt des Berg- geistes Rübezahl befaßt habe. Die spärlichen Anmerkungen regi- strieren die Abweichungen in F und bringen einige Erklärungen zu Personen und Sachen.

    Triller (1746) erwähnt in seiner charakteristisch gönnerhaften Weise mancherlei Quellen und Vorlagen, besonders aus der klassi- schen Literatur. Tittmann (1869) wie Oesterley in der DNL (1889) läßt die Widmung weg. Für die Ausgabe bei Reclam, Stuttgart 1969, ist Peter Rusterholz verantwortlich; sein Nachwort verdient beach- tet zu werden. Der schon erwähnte photomechanische Reprint von Karl F. Otto jr. (1976) stellt die bisher umfangreichste Ausgabe dar; sie enthält u. a. eine Einleitung, die auch die Nachwirkung der Her- cinie berücksichtigt, ferner Erläuterungen, Gedichtanfänge, ein Verzeichnis der Druckfehler u. s.w. In der Anthologie Die deutsche

    [Druckausgabe S. 511]
    Literatur, Texte und Zeugnisse, Bd. III: Barock, Beck, München 1968, S. 704, bringt Albrecht Schöne nur das Schlußgedicht »Auff jhr klugen Pierinnen«.

    In der erhaltenen Korrespondenz des Dichters findet sich nur spärliche Auskunft über dies Werk. In einem von Breslau aus an Buchner gerichteten Briefe vom 31. Dezember 1629 überrascht Opitz den Wittenberger Freund durch diese Mitteilung: »Nunc au- daciam meam vide, qui clarissimum nomen tuum meis schedis adji- cere ausus fuit.« Die Rolle eines Sprechers in der Hercinie werde Buchner nun nicht mehr ablegen können. Der andere Gesprächs- partner, Nüßler, lasse grüßen. (Venator wird nicht erwähnt.) Opitz hofft auf Buchners Verständnis: »aut enim minus recte vales, aut minus me amas. Res est solliciti plena timoris amor«. Ende Februar werde er über Leipzig und Hamburg nach Paris reisen. Vor dem Tore stehe im Augenblick schon das Pferd, das ihn nach Glatz beför- dern solle (Geiger 57).

    Die Entfernung Breslau–Glatz beträgt in Luftlinie etwa 80 km, war also zur Not und bei gutem Wetter in einem längeren Tagesritt zu bewältigen. In der Tat ist die Widmung der Hercinie »zue auß- gange des 1629. Jhares«, d.h., den 31. Dezember, datiert. Opitz kann sich also ohne dichterische Freiheit dieses hervorstechenden Datums bedient haben. Wir sind leider nicht über Tätigkeit und Reisen von Hans Ulrich von Schaffgotsch in genügend Detail unter- richtet, daß ein Aufenthalt in Glatz an diesem Tage verifiziert wer- den könnte. Falls er sich in Glatz befand, hielt er sich gewiß in der dortigen Residenz des Fürsten Heinrich Wenzel von Münsterberg auf; dieser war gut kaiserlich gesinnt und stand auf freundschaftli- chem Fuße mit Karl Hannibal von Dohna. Wahrscheinlich über- reichte Opitz dort also Hans Ulrich eine Abschrift, wenn nicht schon ein gedrucktes Exemplar der Schäfferey, wie zu Ende der Widmung angegeben.

    Bibliographische Angaben der Sekundärliteratur finden sich bei Trunz’ Reprint von Opitz Geistliche Poemata 1638, Niemeyer, Tü- bingen 1975, S. 36*, bei Rusterholz und Otto. Ferner zu beachten sind: Eine Analyse von Klaus Garber in Der Locus amoenus und der locus terribilis, Böhlau, Köln 1974, S. 111–16, auch 18, 28 etc.; ders. »Martin Opitz’ ›Schäferei von den Nymphe Hercinie‹ [als] Ursprung der Prosaekloge und des Schäferromans in Deutsch- land«, Daphnis 11 (1982), 547–603, mit außergewöhnlich vollstän-

    [Druckausgabe S. 512]
    digen bibliographischen Hinweisen in den Anmerkungen; Leonard Forster, »Martin Opitzens ›Schäfferey von der Nimfen Hercinie‹, eine nicht nur arkadische Pionierarbeit« in Theatrum Europaeum, Festschrift für Elida Szarota, Fink, München 1982, S. 241–51. Siehe auch Gel 166–75. Einen weiteren Bericht zur Nachwirkung liefert Anthony J. Harpers Artikel »Zur Opitz-Rezeption in Leipzig: Eine frühe Leipziger Schäferei in der Nachfolge der ›Schäfferey von der Nimfen Hercinie‹«, Dafnis 11 (1982), 605–12.

    Die Rückseite des Titelblattes – unbeziffert – zählt als S. [2].

    [3]

    Dem HochwolgebornenSachanmerkung Herrn/ Herrn Hansen Vlrichen/ Schaff- Gotsch genant/ des Heiligen Römischen Reiches Semper-Freyen/ von vnd auff Kinast/ Greif- fenstein vnd Kemnitz/ FreyHerrn auff Trachenberg/ Herrn zur Praußnitz vnd Schmiedeberg/ auff Gierßdorff/ Hertwigswalde vnd Rauschke; Röm. Kays. auch zue Hungarn vnd Böhaimb Kön. Mäy. Cammerern/ Kriegesrhate/ vnd ObristenSachanmerkung/ meinem Gnädigen Herren.

    HOchwolgeborner Herr/ Gnädiger Herr vndt Obrister; Die Deut- sche sprache/ von welcher etzliche jhare her hoffnung gewesen/ daß sie/ sonderlich durch vermittelung Poetischer schrifften/ des eingemengten wesens der außländer ehist möchte befreyet/ vnd in jhre alte ziehr vnd reinigkeit wiederumb eingesetzt werden/ hatt zu jhrem vnglücke gleich eine solche zeit angetroffen/ da nicht die gewalt der waffen/ die auff landt vndt leute vndt nicht auff bestrei- tung der wißenschafft angesehen/ sondern die menschen aller tu- gendt dermaßen gehäßig sindt/ daß guete gemüter/ so hierbey das +

    [Druckausgabe S. 513]
    jhrige zue thun sich vnterwunden/ nichts anders als einen theils verachtung/ andern theils mißgunst darvon getragen haben. Die- sem schreibet man zu tunckel/ jenem gar zue deutsch: welche be- dencken möchten/ daß der/ den die warheit in die augen sticht/ seynes wandels vnd lebens wegen jhm nicht muße wol bewußt sein; die andern aber/ sich nicht vber die vnverständtligkeit derer die schreiben/ sondern vber den vnverstandt beklagen solten/ daß sie nichts gelernet haben. Mitt denen/ welche für geben/ man [4] könne gleichwol der frembden wörter/ bey hofe vndt anderer ge- legenheit/ in satzschrifften/ vnterredungen vndt auffwarten/ übel entberen/ wil ich es fast darumb halten/ daß sich zue besorgen/ solte man die Welschen vndt Frantzösischen sachen alle außmu- stern/ so würden beydes jhre hochgefährliche reisen zue lande vndt see/ die zue erlernung der sprachen fürnemlich gerichtet ge- wesen/ den grössesten theil jhres nutzens nicht erlangen/ vndt dann jhr ansehen/ daß nemlich auff einwerffung solcher höfflig- keiten nicht wenig beruhet/ vmb ein merckliches geschmälert werden.

    Etzliche vernichten die Poeterey gar miteinander: die als leute von keiner vernunfft/ auch keiner antwort würdig sindt. Etzliche/ vndt diese die klügesten/ gestehen zwar/ daß hierdurch die spra- che mercklich verbeßert/ die beredtsamkeit in schwang gebracht/ vndt viel guetes herfür gesucht werde; sagen aber/ es geschehe doch nicht ohn verletzung der alten einfalt/ vndt deutschen fro- men sitten: weil in dieser art büchern gleichwol nicht wenig zue finden sey/ daß ärgerniß zue vermeiden wol köndte nach bleiben. Wie nun freylich zue wündtschen were/ daß edele gemüter jhre stattliche beschaffenheiten lieber an sonst etwas/ als eine vndt an- dere außschreitung verwenden vndt anlegen wolten/ so mußen wir doch auch gestehen/ daß eben in solchen weltlichen schrifften + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 514]
    (der heiligen lobgesänge/ der bücher von Kriegesthaten vndt frie- denskünsten/ der glückwündtschungen/ der trostgetichte/ der na- turbeschreibungen/ vndt was dergleichen ist/ zue geschweigen) viel herrliche exempel/ lehren vndt vnterweisungen herfür leuch- ten/ vmb derer willen – man wol ein auge zuedrucken/ vndt einen solchen dornstrauch/ angesehen daß er viel liebliche rosen tregt/ vnaußgerottet laßen kan. Dieses Buch/ Gnädiger Herr/ wie es dem ersten ansehen nach auch mitt einer vberbleibung der jugendt be- kleidet zue sein scheinet; also [5] wirdt es in der that viel ein an ders erweisen/ wann es jhm zuevor durch erwehnung einer liebe/ die ich füglicher mir/ wiewol sie mir niemals in den sinn ist kom- men/ als einem andern antichten wollen/ die liebe des lesers (weil man ie heutiges tages der eitelkeit so gern augen vndt hertze gön- net) wirdt erbuhlet haben. Der jnnhalt beruhet kürtzlich darauff: Es befinden sich bey anbrechen der morgenröthe drey gelehrte Poeten/ von denen der eine dem Hochfürstlichen Hause Lignitz vndt Briegk nicht weniger als ich verbunden/ vndt E. Gn. wol be- kandt ist/ nebenst mir/ der ich mehr den namen als das verdienst habe/ vmb die lustigen berge/ wälder vndt wiesen so E. Gn. gehö- rig sindt/ reden vnter gestalt der hirten (wie vorzeiten TheocritusSachanmerkung/ VirgiliusSachanmerkung/ NemesianusSachanmerkung/ CalpurniusSachanmerkung/ heutiges tages SannazarSachanmerkung/ + + +
    [Druckausgabe S. 515]
    Balthasar CastilionSachanmerkung/ Laurentz GambaraSachanmerkung/ Ritter SidneySachanmerkung/ Der von VrfeSachanmerkung vndt andere/ gethan haben) von tugendt/ von rei- sen vndt dergleichen so lange/ biß sie vnter dem Riesengefilde vndt Flintzberge an der lustigen bach des Zackens auff die werthe Nimfe HercinieSachanmerkung treffen/ welche jhnen in den hölen vnd klüfften der erden die vrsprünge der flüße hiesiger gegendt/ jhre vndt jhrer schwestern gemächer vndt lustige grotten höfflich zeiget/ für allen dingen aber E. Gn. vndt derselbten hochrhümlichen Vor- fahren thaten vndt gedächtniß entwirfft vnd zeiget. Hierauff sie nach enturlaubung sich selbiger orten weiter vmbsehen/ vndt nechst anderem verlauffe/ auch betrachtung des Warmen Brun- nens/ welchen E. Gn. newlicher zeit durch jhren artlichen baw noch angenemer gemacht hatt/ mitt dem tage vndt abschiede der Sonnen jhre vnterredung beschließen. Wie ich die erfindung an seinem ort/ vndt dem vrtheile des Lesers anheimgestellet sein laße; also wirdt sie doch zum wenigsten anderen/ denen beßere gaben vndt mehr zeit als mir verlihen sindt/ hoffentlich anlaß rei- chen/ vnsere sprache/ [6] darinnen sich vormals keiner derglei- chen zue erdencken/ bemühet hatt/ auch mit dieser nicht weniger nutzbaren als lustigen art schriften mehr vndt mehr zue berei- chern. E. Gn. belangendt/ Gnädiger Herr/ halte ich mich wol ver- sichert/ wie von Deroselbten eine geraume zeit her ich allen gnädi- gen willen vndt wolmeinen gespüret: also werde E. Gn. auch mei- ner Hercinien vorwitze verzeihen/ vndt hiesige Schrifft/ so zue E. + + + +
    [Druckausgabe S. 516]
    Gn. wolverdientem lobe vndt vnsterbligkeit angesehen ist/ Ihrer gnädigen augen würdigen/ solche auch zum wenigsten ein geringes pfandt vndt anzeigung sein laßen/ daß/ Gnädiger Herr/ ich jeder- zeit sey vndt verbleibe

    E. Gn.

    Glatz/ zue außgange des 1629 Jhares.

    gehorsamber Diener Martin Opitz.

    + +
    [7]

    Martin Opitzen SchäffereySachanmerkung von der Nimfen Hercinie.Sachanmerkung

    ES lieget dißeits dem Sudetischen gefilde/ welches Böhaimb von Schlesien trennet/ vnter dem anmutigen Riesenberge ein thal/ de- ßen weitschweiffiger vmbkreiß einem halben zirckel gleichet/ vndt mitt vielen hohen warten/ schönen bächen/ dörffern/ maier- höfen vndt schäffereyen erfüllet ist. Du köndtest es einen wohn- platz aller frewden/ eine fröliche einsamkeit/ ein lusthauß der Nimfen vndt Feldtgötter/ ein meisterstücke der Natur nennen. Daselbst befandt ich mich/ nach dem ich die zeit zue vertreiben/ vndt meinen gedancken desto freyer nach zue hengen/ vor zweyen tagen von einem andern orte/ welcher eben mitt diesem gebirge gräntzet/ vndt des außgestandenen vbels wegen bey jtzo schwe- benden jämmerlichen kriegen/ nicht vnbekandt ist/ entwiechen war.

    Sachanmerkung
    [Druckausgabe S. 517]

    Der Monde machte gleich mehr stunden zue den träwmen/ Der stock stundt ohne wein/ das obst war von den bäwmen/ Der strenge Nortwindt nam den püschen jhre ziehr/ Vndt auff die WageSachanmerkung tratt der ScorpionSachanmerkung herfür;

    Mitt einem worte: Es war zue ende des Weinmonats/ als die hirten im felde ein fewer zue machen/ vndt der ackersmann/ welcher nun vber winter außgeseet/ seinen rock herfür zue suchen begundte. Ich war vorige nacht auß müdigkeit beydes von sorgen vndt dem wege so harte entschlaffen/ daß ich nicht erwachte/ biß die muter der gestirne die Nacht verruckt war/ vndt die schöne Morgenröthe anfieng sich vndt zuegleich alles mitt jhr zue zeigen.

    Vndt kanst du dennoch/ fieng ich wieder mich selbst an/ der- [8] maßen auff guetes vertrawen ruhen/ nach dem du zu gehor- samben dem jenigenSachanmerkung/ dem du freylich das beste theil deiner wol- farth zuedancken hast/ der dich singen letßt was du wilt/ von der- selbten gewiechen bist/ ohn welche dich keine fröligkeit ergetzte/ vndt mitt welcher dich kein vnfall betrübete? Oder/ schläffest du darumb/ damit sie dir/ weil du jhrer gegenwart nicht genießen kanst/ zum minsten durch die wolthaten eines trawmes könne ge- zeiget werden? Vnter dieser rede sprang ich auff/ vnd grüßete die lieblichen stralen der Sonnen/ welche von den spitzen der berge herab blincketen/ vndt mich gleichsam zue trösten schienen; wor- über ich dann in meinung mir selber ein hertze zue machen/ auff diese worte gerhiete:

    Weil mein Verhengniß wil/ vndt lest mir nicht das glücke
    Bey dir/ mein Augen trost/ zue leben nur allein/
    So giebet zwar mein sinn sich mitt gedult darein/
    Doch sehnt vndt wündschet er auch stündtlich sich zuerücke.

    + + + + + +
    [Druckausgabe S. 518]

    5 Es ist ja lauter nichts wo diese schöne blicke/
    Diß liecht das mich verblendt/ des güldnen haares schein
    Das mein gemüte bindt/ diß lachen nicht kan sein/
    Der mundt/ vndt alles das wormit ich mich erquicke.
    Die Sonne macht mir kalt/ der tag verfinstert mich;
    10 Ich geh’/ vndt weiß nicht wie; ich geh’ vndt suche dich
    Wohin du nie gedenckst. was macht mein trewes lieben?
    Ich seh’ vndt finde nichts; der mangel deiner ziehr
    Hatt alles weg geraubt: zwey dinge sindt noch hier:
    Das elendt nur/ vndt ich der ich darein vertrieben.

    Aber/ sagte ich weiter/ was beschuldige ich mein Verhengniß?
    fliehe ich nicht auß eigener wahl für jhr/ vndt für mir selbst? Wo-
    ferren du mir meine augen/ so durch die deinigen geraubet sindt/
    wiedergiebest/ verhoffe ich/ mein Liecht/ dich zue sehen/ ehe
    5 noch das auge der welt die Sonne in das herzuerückende jhar se-
    [9]hen wirdt. Was für ein Verhengniß aber wil ich kurtz hernach
    anklagen? was für eine hülle werde ich finden/ zue bedeckung de-
    ßen verbrechens/ daß ich mein Vaterlandt mitt so weit entlegenen
    Provinzen vertauschen/ die meinigen sampt dem größeren theile
    10 meines hertzens hinter laßen/ vndt mich in ein freywilliges elendt
    verjagen wil? Es ist eine böse gewohnheit/ das wir menschen ge-
    meiniglich auff das glück schelten/ welches wir vns doch auff dem
    eigenen amboß unserer boßheit geschmiedet haben:Sachanmerkung oder wollen
    die zeit für gerichte laden/ die/ wann sie ie was böses begehen kan/
    15 nichts ärgers thut/ alß daß sie sich uns so reichlich vndt milte ver-
    leihet. Armer schäffer! Wilt du lieben/ warumb bleibst du nicht wo
    du wirst geliebet? Oder gedenckest du der liebe zue entfliehen/ so
    entfleuch erstlich deiner eigenen person/ vndt laß das gemüte zue
    lieben daheimbe; wo du anders nicht einen krancken mitt dir füh-
    20 ren/ vndt seine siecheit durch die bewegung mehr erwecken wilt.
    Soll dir ie die freyheit/ welche dir von kindtheit an gefallen/ zue
    theile werden/ so sey nicht allein anderswo/ sondern auch anders/
    vndt segele mitt gebundenen augen vndt verstopfften ohren zue

    Sachanmerkung + + + + +
    [Druckausgabe S. 519]

    der gedult dem hafen des kummers/ welche dich sampt jhrer mu-
    ter der zeit in gewündtschte sicherheit setzen kan.
    Mitt solchen vndt dergleichen gedancken schlug ich mich eine
    lange weile/ biß ich in dem hin vndt wieder gehen nahe bey einem
    5 klaren quelle/ das mitt anmutigem rauschen vndt murmeln von
    einer klippen herab fiel/ zue einer glatten vndt hohen tannen kam
    die mir dann bequem zue sein schiene/ ein gedächtnüß meiner
    sorgen zue verwahren. Schnitte ich also auff jhre rinde nachfol-
    gendts

    Sonnet.

    [10]

    Es ist gewagt; ich bin doch gantz entschloßen
    Jetzt noch ein mal zue laßen vnser landt/
    Vndt hin zue ziehn wo auch ist mordt vndt brandt/
    Wo auch das feldt mitt blute wirdt begoßen.
    5 Es ist gewagt; heißt aber diß genoßen
    Der liebe frucht? ist diß das feste bandt
    Der waren gunst? schläfft deine trewe handt?
    Ist deiner lust gedächtniß gantz verfloßen?
    Wo bleibet dann der mundt/ die augen/ dieses haar/
    10 Vndt was sonst mehr dein trost vndt kummer war?
    Was thue ich dann? ich bin selbselbst verlohren
    Verlier ich sie: verbleib’ ich dann allhier
    So ist doch nichts als wanckelmuth an mir:
    Ich habe recht den wolff jetzt bey den ohren.

    Sachanmerkung

    Ich schnitzte noch über dem letzten worte/ als mir ein liebliches gethöne vnterschiedener querpfeiffen vndt wolldingender music zue ohren kam. Wiewol ich mich nun besorgete/ daß durch solche ankunfft anderer mir meine einsamkeit/ bey der ich mir jetziger beschaffenheit nach nicht ließ übel sein/ möchte abgestrickt wer- den: so zwang mich doch die begiehr die jenigen zue erkennen/ welche der schönen einstimmung wegen entweder der Musen söhne/ oder auch die Musen selbst zue sein schienen/ daß ich Sachanmerkung + + + +

    [Druckausgabe S. 520]
    jhrer/ weil sie sonderlich gerichts auff mich zue giengen/ erwar- tete. Wie ein plötzliches vndt großes liecht die augen für seinem schimmern nicht sehen leßt/ also blendete vndt verwirrete mir die unverhoffte doch gewündtschte gegenwart der berhümbten hir- ten/ vndt meiner vor diesem liebsten mitgesellen/ Nüßlers/ Buch- ners vndt Venators/ hertze vndt sinnen. Seidt jhr es/ sagte ich; oder muß auch ewer schaten mein fast erliegendes gemüte auff zue richten an diesen ort kommen/ dahin ich nicht allein von allen menschen/ sondern [11] auch von allen geschäfften entwiechen bin? Ja/ wir sindt es/ hub Venator an/ vndt ich für meine person/ habe endtlich zue wercke gerichtet/ was ich dir längst gedrewet; auch vnserem Buchner/ wiewol er kümmerlich einen gefunden/ dem er seine herde indeßen vertrawen können/ dennoch anlaß gegeben/ dich vndt deinen Nüßler/ der sich dir zue gefallen auch mitt vns hieherwerts erhaben hatt/ heim zue suchen.

    Hierüber empfingen wir einander sämptlich. Vndt du Bruder/ fieng ich wieder Buchnern an/ bist mir ein angenemer gast in die- sen orten. Ich zweiffele nicht/ sagte er; aber du mir ein flüchtiger wirth. Jetzt habe ich erfahren/ daß der jenige niergendt sey/ der allenthalben ist.Sachanmerkung Es hatt seinen ort/ sagte Nüßler/ daß du dem/ der es so gnädig mitt dir meinet/ folge zue leisten/ von den grünen wiesen vndt fruchtbaren feldern vnserer Hauptstadt dahin gewie- chen bist/ wo wir dich ehegestern gesucht/ vndt von dannen wir der trifft nach hieherwerts gegangen sindt. Welche notwendigkeit aber leget dir auff/ die zeit dermaßen absonderlich zue verschlie- ßen/ vndt in solcher einsamkeit herumb zue wandern? Du weißest wol/ gab ich zur antwort/ daß ein mensch der gedancken hatt/ nie- mals weniger allein ist/ als wann er allein ist.Sachanmerkung Vnd was sindt es für + + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 521]
    gedancken? sprach Venator: solten sie wol an jener tannen ste- hen? (dann sie hatten mir von ferren zuegesehen. ) Wie gern ich sie auff was anders leiten wollen/ traten sie dennoch hinan/ vndt la- sen. Zwey wiederwertige dinge/ sagte eben er Venator; lieben/ vndt reisen. Ich habe freylich gehöret/ daß du deinem Vaterlande auff etzliche monat guete nacht geben/ vndt in dem königreiche darauß ich newlich abgereiset binSachanmerkung/ die ziehr der städte/ die schule der leutseligkeit/ die muter der gueten sitten auff der insel der Seyne begrüßen wilt. Es wirdt dich aber der strenge dienst/ in dem du dich befindest/ [12] nicht weit kommen laßen. Der jenige gab ich zur antwort/ dem ich getrewlich auff zue warten verbun- den bin/ ist so gar mitt mir zue frieden/ daß er mir nicht allein diesen spatzierweg zue erlauben/ sondern auch allen gnädigen vorschub zu thun auß gewöhnlicher leutseligkeit vndt liebe gegen mir verheißen hatt. Hieran ist kein zweiffel/ sagte er; wann ich aber dem bawme gegenüber glauben soll/ so steckest du in einer solchen dienstbarkeit/ welche dir dem bedüncken nach so ange- nem ist/ daß du jhr deine freyheit/ wie hoch du sie/ vndt billich von jugendt an gehalten hast/ willig auffopfferst. Ich lachte/ vndt Die warheit zue bekennen/ gab ich zur antwort/ du kömpst fast auff die meinung meines nechsten liedes. Ey laß es uns doch auch hören/ sprach er; gefelt vns der innhalt nicht/ so ergetzen vns doch die worte. Vieleicht auch diese schwerlich/ sagte ich; dann sie nicht wenig von der einfalt an sich haben/ welche sie loben. So ist es auch jetzundt nicht zeit zue singen/ weil vns Gott vndt das geneigte Glück erst zuesammen fügen. Doch dein weiteres guetachten her- auß zue locken/ soll mich die mühe nicht rewen. Sang ich derowe- gen/ so guet ich es gelernet/ folgender maßen:

    + + + + +
    [Druckausgabe S. 522]

    Ist mein hertze gleich verliebet
    In ein schlechtes mägdelein/
    Die mich tröstet vndt betrübet/
    Soll ich darumb vnrecht sein?
    5 Liebste/ deiner Schönheit liecht
    Mindert sich durch einfalt nicht.
    Was das Glücke dir nicht schencket/
    Das verdient doch deine ziehr/
    Vndt worauff mein hertze dencket
    10 Solches hast du gantz bey dir;
    Was mein hertze denckt hast du/
    Vndt das hertze selbst darzue.

    [13]
    Ein bestendiges gemüte/
    Das auß keiner furchte weicht/
    15 Sucht jhm gleichfalls ein geblüte/
    Eine seele die jhm gleicht/
    Sieht für allen dingen an
    Trew auff die es bawen kan.
    Niemandt wirdt mir vnrecht geben;
    20 Hohe brunst bringt furcht vndt neid;
    Deiner liebe frucht/ mein Leben/
    Ist begabt mitt sicherheit/
    Die ich einig mir erkiest/
    Vndt mein reiches armutt ist.
    25 Dich mitt rhue besitzen können
    Ist mein trost vndt gantze lust:
    Bleib auff deinen trewen sinnen/
    Liebste/ wie du jetzundt thust;
    Meine freyheit soll allein
    30 Deiner liebe dienstbar sein.

    Der liebe dienstbar sein/ hub Venator anSachanmerkung/ heißet die liebe zum herren haben: dann welcher dienet/ muß einen herren haben dem er dienet. Ist jhm nicht also? Ja sagte ich. Ein herr/ redte er wei- ter/ ist der jenige/ der das was er wil/ oder nicht wil/ zue thun oder zue laßen macht hatt. Wirdt dich nun die liebe zue halten begeh- ren/ die mehr einem tyrannen als einem herren ähnlich siehet/ weil sie nicht allein den leib/ sondern auch das freye theil des men- schen das gemüte zum sclaven macht/ so schawe du/ wie es vmb Sachanmerkung +

    [Druckausgabe S. 523]
    deinen vorsatz stehen wirdt. Gehe aber in dich/ vndt bedencke/ ob du mehr vrsache hast/ diesem vnbarmhertzigen herren zue die- nen; oder mehr vermögen/ jhn selbst dienstbar zue machen. Wann die liebe dergleichen beschaffenheit an sich hette/ wie wir vns ein- bilden/ vndt nicht unter jhrem scheinbaren glantze ein greifflicher betrug steckte/ [14] so köndten wir sie für einen regenten paßiren laßen; angesehen/ daß sie über alle furcht vndt notwendigkeit sit- zen/ vndt jhre freyheit vnbeleidigt wißen wil. Sie verwundert sich über kein reichthumb/ sie fürchtet keinen könig/ schewet kein ge- richte/ vndt pfleget keinen todt zue fliehen. Sie leßt sich durch kein fewer/ kein waßer/ keinen degen/ kein thier noch menschen / keine hoffnung des glückes/ noch verlust der wolfarth von jhrem vorsatze bringen. Was andere meiden das verachtet sie; vndt was andern schwer fürkompt/ das macht sie jhr leichte. Sie schwimmet durch die teuffe der flüße/ segelt im vngewitter/ vndt klettert über alle berge. Sie hatt alles in jhrer gewalt/ vndt macht jhr alle gewalt vnterwürffig. Ein herrliches wesen/ wann diß alles auß einem muthe der tugendt/ vndt nicht auß verwegenheit/ offtmals auch auß verzweiffelung/ herrhürete; wann jhre endtursache mitt den vmbständen überein stimmete/ ja wann sie nicht eben die jenige were/darüber so viel hirtengetichte schreyen/welche auff allen schawplätzen gezeiget/vndt in allen fabeln verklaget wirdt; voll wü- tens/voll vngedult/voll weinens vndt jammers ist. Wordurch wirdt sie dann darzue verursacht? Durch die schönheit; wirst du sagen. Wol; es ist natürlich/ daß ein mensch sich an natürlichen sachen erlustige. Ich zweiffele aber sehr/ ob es mitt einer solchen Schön- heit/ die von denen welche mitt der rechten Schönheit vnbekandt sindt dermaßen gepriesen wirdt/ nicht eben bewandt sey wie mitt den Egyptischen tempeln vorzeiten; die zwar an sich selber kost- bar vndt prächtig erbawt gewesen: hettest du aber einen gott dar- innen gesucht/ so würdest du an stat seiner etwan einen bock/ ei- nen affen/ oder eine katze gefunden haben. Wilt du sehen was schönheit ist/ so mußt du die augen der vernunfft zue rhate ne- men/ vndt jhr die vnbändige begiehr der liebe/ wie das pferdt dem zaume/ den bogen dem schützen/ das schiff dem stewerruder/ das + + +
    [Druckausgabe S. 524]
    werckzeug end-[15]lich dem meister vnterwürffig machen. Dann wie die vernunfft ohn die liebe vnvollkommen ist; also ist die liebe fast vnbesonnen/ wann sie der vernunfft nicht gehorchet. Dieser gehorsamb nun ist nichts anders als der vernunfft vndt liebe ver- mählung/ die zuegleich vndt mitteinander hitzig vnd in einem ren- nen auff die Schönheit zue eilen. Welcher nun dieselbte in dem leibe/ in den vmbschweiffenden augen/ gebleichten haaren/ ge- mahlten wangen/ vndt was dem anhengig ist/ suchen wil/ der findet eußerlich eine schnöde vergengligkeit/ ein zerbrechliches guet/ einen stündtlichen raub/ einen plitz der zuegleich leuchtet vndt vergehet; inwendig aber offtmals wanckelmuth/ betrug/ vndt wie etwan vnsere Poeten am besten hiervon zue reden wißen. Von de- nen ich gleichwol einen/ deßen name aber nicht verhanden ist/ kaum loben kan/ der ein wenig zue sehr vber die schnur häwet/ vnd gar sagen darff;

    Vertrawe dich der see/ dem Frawenzimmer nicht; Dieweil kein glaß so baldt als jhre gunst zerbricht. Kein weib ist guet/ vndt ist ja eines oder zwey/ So weiß ich nicht wie guet auß bösem worden sey.Sachanmerkung

    Andere sprechen:

    Wer jhnen glaubt fengt windt auff mitt der handt/ Pflügt in das meer/ vndt seet in den sandt;

    welche worte ich sie dann verfechten laße. Wiewol auch eine stoltze abgeführte Dame/ (dann also nennen sie vnsere auffwar- ter) die niergendt schöner ist als in jhrem eigenen spiegel/ offtmals mit gleicher müntze bezahlt wirdt/ als in welcher kundtschafft sich einheimbische vndt frembde zue spielen pflegen/ nicht liebe zue suchen/ welche bey einem vnbestendigen weihe nur übel angeleget + + + +

    [Druckausgabe S. 525]
    ist/ sondern sich mitt jhrem anmutigen gespreche vndt buhleri- schen sitten zue erlüstigen. Diese aber wie klug sie auch ist/ mer- cket doch nicht/ [16] daß jhr solche höffligkeit mehr der erget- zung/ als liebe wegen erzeigt werde. Darumb wie sie durch jhr tägliches auffnemen vndt tägliches verstoßen andere schertzet/ also wirdt sie von andern wieder geschertzt. Ein mal ist es gewiß/ daß eine solche liebe gemeiniglich eine arbeit des müßigganges/ eine hoffnung der vnbedachtsamkeit/ vndt darumb eine beherr- scherinn eines knechtischen hertzens ist/ weil diese flüchtige schönheit mehrmals mitt so vielem auffwarten/ flehen/ weinen vndt fußfallen/ dergleichen zue thun ein edeles gemüte in reiffes bedencken nimpt/ wil bedienet werden. Soll aber je die liebe recht antreffen/ so muß sie die vernunfft zum gefehrten haben/ muß den eußerlichen sinnen/ sonderlich aber den augen/ welche als zwey vnachtsame thürhüter zum offtern allerhandt falsche meinungen zue dem gemüte einlaßen/ den muth brechen/ vndt durch vrtheil vndt verstandt von der außwendigen schönheit zue der inwendi- gen/ welche durch diese angenemer gemacht wirdt/ dringen kön- nen. Wie die blumen so an sich selber schöne sindt/ dennoch an- mutiger zue sein scheinen/ wann sie vnter einem klaren waßer her- für leuchten: also ist die blüte des gemütes/ wann sie mitt einem schönen leibe vmbhüllet ist.Sachanmerkung So soll nun die schönheit des leibes nichts anders sein als ein fürfechter der blüte der tugendt/ vndt als ein heroldt einer größeren schönheit weder sie nicht ist: als wie der glantz/ welcher sich diesen morgen von hiesigem gefilde bli- cken ließ/ ein vorbote der güldenen Sonnen war. Wie ferner Py- thagoras die Sonne für einen gottSachanmerkung/ Anaxagoras für einen steinSachanmerkung ansahe; also wirdt die schönheit anders von den begierden/ anders von der vernunfft angesehen/ welche auch von dieser jnnerlichen schönheit allgemach zue der jenigen steigen lernet/ die dem was + + + + +
    [Druckausgabe S. 526]
    allenthalben ist seine schönheit verliehen hatt. Alß dann wieder- fehret vns wie etwan menschen/ welche jhre gantze lebenszeit in [17] einer finsteren hölen zuegebracht/ vndt an stat des liechtes nur einen schatten der cörper vndt dinge die bey vns auff erden sindt erkieset/ dieselbten auch für die rechten vndt warhafftigen gehalten haben. Dann wie es vermuthlich ist/ wann sie auß dem tunckelen an das klare liecht kommen solten/ daß sie nicht allein alles was sie zuevor gesehen/ sondern auch sich selbst als betro- gene leute verachten würden: also auch vnsere gemüter/ wann sie der vergenglichen schönheit entronnen/ vndt durch die schönheit der tugendt einen weg zue der göttlichen gefunden haben/ so fan- gen sie jhren eitelen wahn vndt vorige thorheit von hertzen an zue verdammen. Wie nun ein mensch in einem bilde die kunst/ vndt nicht das bildt/ in einer pflantze die frucht/ vndt nicht die pflantze/ liebet: also mußen wir in einem schönen frawenzimmer nicht die gestalt/ sondern/ wo sie verhanden ist/ die schönheit des gemütes/ vndt in dem gemüte die schönheit deßen von dem sie hergerhüret/ erheben vndt hochhalten. Vndt hergegen/ wie wir den vrsprung aller schönheit über alles zue ehren schuldig sindt/ also sollen wir seinenthalben auch die schönheit des gemütes/ vndt dieser wegen die schönheit des leibes lieben; weil sie sich nicht weniger zuewei- len darinnen blicken leßt/ als die edelsten flüße/ die wann sie sich in das meer außgießen/ den vorigen süßen geschmack vndt lautere farbe in dem gesaltzenen waßer dennoch nicht baldt verlieren. Das übrige/ was von eitelen gedancken gesucht wirdt/ ist nicht eine liebe/ sondern eine begier: dann die liebe siehet auff die Schön- heit/ die begier auff die wollust/ welche wann sie herr/ vndt die vernunfft knecht ist/ so mußt du jhr folgen/ sie befehle was sie wolle. Kanst du aber der wollust ie nicht entberen/ so wiße daß keine größere als ein bestendiges gemüte ist/ das mitt einem gue- ten gewißen begleitet wirdt. Daßelbige leßt sich keine liebe/ keine falsche lust/ keine betrübende fröligkeit/ keine [18] furchte noch hoffnung von seinem ehrlichen vorsatze dringen. Was wilt du doch der jenigen dienen/ welcher du zue gebieten hast? welche du mitt dem zaume der vernunfft anhalten/ mitt der schärffe einer freyen entschließung als eine leibeigene magdt von dir verstoßen kanst? + +
    [Druckausgabe S. 527]
    Die frucht der Schönheit/ die im gemüte bestehet/ die nicht zue- gleich mitt den zähnen wurmstichig/ mitt den haaren greiß/ mitt der Stirnen geruntzelt/ mitt den wangen bleich/ mitt den augen trieffendt vndt tunckel wirdt/ die mitt der zeit gewalt nichts zue thun hatt/ dieselbte wirdt dich über landt vnd see/ durch waßer vndt waffen/ in glück vndt wiederwertigkeit begleiten. Ist dir aber vnmöglich der jenigen liebe zue hinterlaßen/ die vieleicht in dei- nen augen schöner ist/ als in anderer leute/ vndt die wir drey auch nur nicht zue kennen begehren; so kanst du bey glauben sicherer hier bleiben; dann eine solche lust wird nur übel sein fort zue brin- gen.

    Eine stattliche rede/ mein Bruder/ sagte ich/ vndt die leichtlich zue erkennen giebt/ in was für einer schulen/ bey was du für einem manneSachanmerkung (der allein exempels genung ist/ daß ein weißer mann dem glücke die wage halten/ vndt dem vngestirne der zeiten gebie- ten kan) an den trechtigen feldern des Reines/ wo die Elle vndt BreuscheSachanmerkung von jhm verschluckt werden/ vorwiechener zeit gele- bet hast: deiner eigenen geschickligkeit/ welcher Apollo vndt der himmel nichts versaget/ zue geschweigen. Es leßt sich aber der- gleichen viel behertzter reden/ als in das werck richten. Doch ver- hoffe ich eine solche mäßigkeit in der liebe zue treffen/ daß sie mich an meinem fürhaben dennoch nicht verhindern soll. Wer sei- + + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 528]
    nem laster/ gab Venator zur antwort/ eine maße sucht/ ist eben als wolle er glauben/ einer der sich von jenem gähen felsen stürtzete/ könne sich wann es jhm geliebte im herab fallen besinnen vndt wiederhalten. Dann wie diß zue thun vnmöglich; also kan ein ver- wirrtes [19] vndt erhitztes gemüte sich weder hinterziehen/ noch an dem orte wo es wil verbleiben. Es weiß auch derjenige/ welcher allbereit liebet/ so wenig mitt was maße er lieben soll; als wenig einer/ dem man die augen außgestochen hatt/ weiß wo er hin soll gehen.

    Ich muß jhm gleichwol nicht gar hülffloß laßen/ fieng Nüßler an/ vndt bilde mir gäntzlich ein/ daß er jhm auff der Poeten art/ wel- che/ der Natur nichts nach zue geben/ offtmals sachen erdencken/ die nie gewesen sindt/ noch sein werden/ eine liebe mache/ die er nie in den sinn gebracht/ vndt zum theile anderer leute buhlschaff- ten/ eitelkeiten vndt müßige vnrhue durch seine ertichtete fürbil- den/ zum theile die einsamkeit/ darinnen er sich dieser zeit befin- det/ lieber mitt diesem/ als mitt nichts thun erleichtern wolle. Steckt aber auch etwas von dem anmutigen übel bey jhm/ das vnseren standes leuten nicht vngemein ist/ so schätze ich jhn frei- lich weniger glückselig als die jenige/ welcher er mitt seiner Poete- rey ein vnsterbliches lob vndt gerächte vervrsachen wirdt; wiewol das Frawenzimmer dergleichen offtmals entweder nicht verste- het/ oder vnsere getichte lieber als vns hatt. Ich hoffe aber gäntz- lich/ das reisen/ darzue mir bißher niemals der wille/ sondern das glück vndt die umbstände meiner gantzen wolfahrt gemangelt ha- ben/ werde jhm in kürtzen was anders an die handt geben.

    Vndt ob ich wol/ liebster mittgeselle/ sagte er zue mir/ deine abwesenheit kaum mitt gedultigem hertzen werde ertragen kön- nen/ so finde ich doch nicht/ wann ich meine ergetzligkeit deinem fromen nachsetzen wil/ was ich dir aller beschaffenheit nach beß- sers rhaten/ oder auch wündtschen solle. Wie ein waßer das nie- mals gereget wirdt/ endtlich anfengt zue faulen vndt stincken: also werden auch vnsere gemüter durch vbermäßige rhue träge vndt + + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 529]
    verdroßen gemacht;Sachanmerkung welche weil sie etwas himmlisches sindt/ so [20] sollen sie auch billich dem himmel/ der ohn vnterlaß in bewe- gung ist/ nachfolgen. Vndt wann du diesen großen menschen die welt ansiehest/ was leßt darinnen vngereiset? Die Sonne vmbwan- dert den erdenkreiß alle tage: der Monde/ vndt der gantze pöfel des gestirnes/ haben jhre wanderschafft/ trösten durch jhr liebli- ches anblicken die vmbschweiffenden/ vndt zeigen den jrrenden häusern den schiffen wo sie hin sollen. Hast du nie gesehen/ wie die see von jhrem vfer zue rechter zeit hinweg geflohen/ vndt auff gewiße stunde allzeit ist zuerück gekehret? Die vierfüßigen thiere lauffen von einer wildtniß in die andere; die fische steigen auß der see in die flüße; die vögel/ welche jetzundt hauffen weise in jhr winterquartir geflogen sindt/ werden mitt dem anbrechenden frü- linge wieder hieher vndt zue felde kommen. Ja die gantze Natur giebt vns anlaß zum reisen/ vndt wil vns gleichsam zeigen/ daß wir auff ein vaterlandt gedencken sollen/ welches nicht krieget noch bekrieget wirdt/ vndt die stete herbrige aller fromen wandersleute ist. Zwar wir pflegen von Natur das jenige landt zue lieben/ deßen athem wir erstlich geschöpfft/ das wir zum ersten getreten/ dem wir vnsere kindtheit vndt aufferziehung zue dancken haben/ vndt darinnen vns lufft/ waßer/ flüße/ äcker vndt alle gelegenheit am besten bekandt sindt. wir reisen aber darumb/ daß wir jhm nach vnserer zuerückkunfft/ vndt erlernung frembder völcker spra- chen vndt sitten/ desto rhümlicher sein mögen/ vndt mitt dem was wir auff gemerckt zue staten kommen. Dann mitt diesem bedinge/ mein Bruder/ wirst du hinweg gelaßen/ daß du/ wann der außgang dem vorsatze überein stimmet/ vns deiner über die zeit nicht ent- beren laßest. Anderwerts den fuß ein zue setzen/ verursacht ein stetes verlangen nach den seinigen/ vndt gemeiniglich einen neidt + + + + + + + + +
    [Druckausgabe S. 530]
    bey denen/ wohin wir vnseren zuestandt gepflantzt haben. Wiewol auch nicht ohn vrsach: [21] Dann durch beföderung frembder bleiben die einheimischen dahinden stehen; vndt wann solches nicht mäßig geschiehet/ muß endtlich mißvertrawen/ vnrhue/ auch wol gar verenderung des allgemeinen wesens darauß erwach- sen: welches die alten Römer wol wußtenSachanmerkung/ vndt heutiges tages die klugen fischer in der Adriatischen see zimlich in acht nemen.Sachanmerkung Zur Pestzeit/ wann die todtengräber in ein hauß gehen/ so kan man leicht gedencken/ daß jemandt darinnen gestorben sey: also zei- get die einnemung der außländer (welches aber allein von der überhäufften menge zue verstehen ist) daß nur der gemeine nutz in letzten zügen liegt.

    Von dir wil ich mir nicht einbilden/ daß du dich eines vndt ande- res trübes wölcklein vnsers Vaterlandes vertreiben laßest; dann du ja auß der aschen in das fewer/ vndt an die jenigen orte geden- ckest/ wohin das freßende wüten der waffen/ vndt die rache der gesuchten beleidigung/ sich auß hiesigen winckeln erst recht zue wenden/ vndt alles auff eine merckliche verenderung angesehen zue sein scheinet.Sachanmerkung Ich mache mir viel mehr rechnung/ daß die liebe der deinigen/ vndt die rhue welche dir bißher so gnädig ist verliehen worden/ deinen fuß offtermals zuerücke ziehen/ vndt deiner entschließung dieses vndt jenes in den weg wollen werffen. Wie nun freylich ein freundt ein lebendiger schatz ist/ der lange gesucht/ kaum gefunden/ vndt schwerlich verwahret wirdt: so ist doch die vngefärbte liebe an keinen ort gebunden/ vndt jhre abwe- senheit wirdt zum theil durch das gedächtnis voriger gesellschafft/ zum theil durch schreiben/ welches die rechten fußstapffen vndt kennezeichen trewer gemüter sindt/ nicht wenig erträglicher ge- + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 531]
    macht. So weiß ich auch nicht/ wie gar zue stete gemeinschafft vns gemeiniglich zart/ vndt auch deßen überdrüßig macht/ was [22] im leben das beste ist. Zue geschweigen/ was du auch an jenem orte entweder allbereit für grosse berhümbte leute zu freunden hast/ oder doch bekommen wirst: welche nur zue sehen ich für ein theil meiner glückseligkeit schätzen wolte. Ist ferner etwas dergleichen/ weßen dich Venator beschuldiget/ vndt liebest der schönheit we- gen/ so wirdt auch solches verlangen eher verschwinden als du jetzt vermeinen magst. Eines fuchsschwäntzers freundtschafft besteht nicht lange/ weil die heucheley vndt anmaßung der falschen warheit durch die zeit verzehret wirdt: wer nun der schönheit oder ziehr wegen liebet/ der giebet nur einen schmarotzer bey dem welchen er liebet/ vndt sindt also seine guete worte auff kein ewiges angesehen. So mußt du auch wißen/ ob du wieder geliebet wirst/ oder nicht: dann ich wil nicht hoffen/ daß du auß der jenigen zahl seyest/ welche sich selbst einer gegenliebe bereden wo sie nirgendt ist/ vndt wie jener sindt/ der jhm in seiner frölichen blödigkeit einbildete/ alle schiffe die auß Indien segelten weren seine; gieng an den port/ frewete sich über jhrer gueten ankunfft/ hieß außladen/ und was der narrheit mehr war: auch über diß mit seinem bruder zürnte/ daß er jhm durch die ärtzte von solcher reichen thorheit abhelffen lassen/ vndt jhn seiner besten lust beraubet hette.Sachanmerkung

    So bist du in aller zeiten historien vndt exempeln dermaßen durchtrieben/ daß du wol weißest/ wie das frawenzimmer nicht allein offtmals die wangen/ sondern auch die worte zue färben pfleget/ vndt daß kein waßer geschwinder eintrucknet als weiber- threnen.Sachanmerkung Wie ich dir ferner mitt trawrigen augen nachschawe/ so bin ich der hoffnung/ der wahren welche du zue holen außzeuchst/ die kein Zöllner anhalten/ kein seerauber versencken/ kein fewer verzehren kan/ ehist durch dich zue genießen. Du bist in dem al- ter/ da die besten reisegesellen/ wahl vndt vrtheil/ mitt dir ziehen/ + + + + + +

    [Druckausgabe S. 532]
    vndt [23] wirst nicht nach art etlicher jungen leute/ an stat der tugendt eine nichtige wißenschafft/ einen leichten schatten der höffligkeit vndt gueter übungen ertappen; weßen die außländer/ welchen man jhre leichtfertigkeit/ laster vndt gauckeley thewer genung bezahlen muß/ in die faust hinein lachen. Von welcher jun- gen purß newlich einer sagte; sie kämen jhm für/ wie wann man etwan eine wandt ansiehet/ vndt auß tunckelen striechen vndt zü- gen vermeinet/ als ob köpffe von thieren/ waßer vndt wälder daran stünden/ da doch nichts dergleichen verhanden were: dann alle gebrechen mußten in jhren augen eine tugendt sein/ also daß sie einen hoffertigen Spanier anders nicht als ehrbahr/ einen vnver- schämten Welschen freundtlich/ einen leichtsinnigen Frantzosen behertzt/ einen springerischen Engelländer hurtig/ vndt einen versoffenen Deutschen lustig vnd verträwlich zue nennen pflege- ten. Du hast die sitten der höfe/ da so viel rauch vndt schmincke verkaufft wirdt/ zimlich erfahren; vndt wirst wißen/ daß wie da- selbst/ also auch auff reisen eine sparsame Zunge/ vndt ein ver- schloßenes hertz hoch von nöthen sindt. Letzlich wann dich der fuhrmann des leibes das gemüte/ durch so viel festungen/ städte vndt Länder führen wirdt/ wann du augen vndt sinnen zum genü- gen füllen/ vndt die müdigkeit des weges mitt ergetzung/ diese mitt jener vermengen wirst/ so schawe zue/ daß du die segel deines lebens nach dem leitsterne der vnvergängligkeit allzeit wendest/ vndt die weltlichen dinge also ansehest/ daß du betrachtest/ es be- herrsche sie keiner nicht beßer/ als der jenige welcher sie verach- ten kan.

    Aber/ sagte Nüßler/ was halten wir vnsere gäste mitt anderen reden auff/ weil jhnen vielleicht lieber were/ in diesen plätzen vndt gefilden sich vmb zue schawen? Sie lißen es jhnen belieben/ satz- ten sich zuvor etwas vnter den schatten der hohen bäwme/ vndt [24] erzehlten von diesem vndt jenem/ was es theils in eines jegli- chen seinem vaterlande/ theils mitt jhrem eigenen zuestande für + + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 533]
    beschaffenheit hette. Als sie nachmals vermeinten weiter zue ge- hen/ vndt die gelegenheit selbiger orte zue besichtigen/ kamen sie ohn gefehr an eine schöne bach/ die mitt jhrem silbergläntzenden waßer die augen/ vndt mitt dem lieblichen geräusche ohren vnd sinnen ergetzete. Ein edeles flüßlein/ fieng Venator an/ vndt weil die berge dermassen nahe sindt/ so muß es nicht weit hiervon ent- springen. Laßt vns/ sagte Buchner/ ein wenig daran hinauff spat- zieren. Wir waren fast an den wurtzeln des schneegebirges/ als wir einer NimfeSachanmerkung/ die an einer frischen grotte oder höle auff den lin- cken arm gelehnet lag/ gewahr worden/ welche mitt einem subti- len durch scheinenden schleyer bekleidet war/ die haare/ so mitt einem grünen krantze geziehret/ auff eine frembde art auffgebun- den hatte/ vnd vnter der rechten handt ein geschirr von dem wei- ßesten marmor hielte/ darauß das quell des bächleins geronnen kam. Wiewol wir nun über dem plötzlichen anschawen nicht allein erschracken/ sondern auch im zweiffel stunden/ ob wir stehen sol- ten oder lauffen/ fieng doch die schöneste creatur/ oder viel mehr göttinn/ mitt anmutiger stimme also an zue singen:

    Ihr hirten/ die jhr kompt zue schawen
    Die quelle/ diese berg’ vndt awen/
    Ihr hirten/ lauffet nicht vor mir/
    Ich bin des ortes Nimfe hier.
    Sachanmerkung 5 Der Zacken den jhr mich seht gießen/
    Der minste von den kleinen flüßen/
    Führt oben silber klare flut/
    Sein reiner sandt tregt goldt vndt guet.
    Warumb sich freundt vndt feinde neiden/
    10 Darbey könnt jhr die schaffe weiden.

    + + +
    [Druckausgabe S. 534]

    [25]
    Wer goldt zue waschen erst gelehrt/
    Hatt ja die menschen hoch versehrt!
    Sachanmerkung Die götter lieben solche sinnen/
    Die güldinn’ einfalt lieben können;
    15 So kompt/ jhr hirten/ schawet an/
    Was ich/ vndt kein mensch zeigen kan.

    Wir stunden verwundert vnd bestürtzt/ weren auch auß schre- cken zuerück gelauffen/ wann sie mich nicht mit höfflicher demut bey der handt genommen/ vndt die andern zue folgen vermahnet hette. Als wir in die höle hinein kamen/ sahen wir nichts für vns als ein lauteres waßer/ das sich gegen jhr wie ein berg aufflehnete/ vnd wir also trucken hindurch giengen. Von dannen befunden wir vns in einer fast kühlen grotte/ auß welcher nicht allein dieses wa- ßer sämptlich gefloßen kam/ sondern auch andere ströme durch verborgene gänge vndt adern der felsen hinauß drungen. Diß ist/ sagte sie/ die Springkammer der flüße/ darvon so viel felder be- feuchtet/ so viel flecken vndt städte versorget werden. Diese klei- nere bach (darauff sie dann mit jhren schneeweißen fingern zei- gete) ist auch ein theil des Zackens an dem jhr hieher gegangen seidt/ vndt wirdt nicht ferren von dem gebirge mitt dem andern vermenget. Hier zur seiten sehet jhr den vrsprung des fischrei- chen klaren BobersSachanmerkung/ der jhm in einem schattichten walde sein thor gesucht hatt/ darauß er sich durch berg vndt thal zwinget vndt windet/ vndt/ nach dem er bey Hirschberg den Zacken in sich ge- schluckt/ auch etzliche städte/ darunter/ sagte sie zue mir/ dein nicht allein dir sondern auch vns Nimfen liebes/ aber erschöpfftes Vaterlandt ist/ begrüßet hatt/ endtlich an dem ende des landes Schlesien seinen strom vndt namen der Oder/ dem haupte vndt regentinn der Schlesischen flüße/ zuegleich einantwortet. Wie dann die goldt-[26]führende wilde Katzbach/ derer brunnen + + + + + +

    [Druckausgabe S. 535]
    nechst darbey herauß quillet/ nicht weit von Parchwitz derglei- chen thut. Stracks oberhalb dieser krieget der durchbrechende Queiß/ da zur seiten die hochfallende Aupe/ vndt/ wo jhr den glat- ten kieß sehet/ die Iser jhren vrsprung; welcher wir zwar wenig waßer/ dennoch aber so viel andere reiche gaben verliehen/ daß sie den mangel des gewässers darmit wol ersetzen kan. Ich hette aus begiehr fast angefangen zue fragen: sie aber/ die es mir am gesichte ansahe; dieser große strom/ sprach sie/ der gerichts für euch mitt solchem strudeln vndt prausen herauff steiget/ ist die Elbe/ so von jhrer geburtsstat den hohen Alben die wir über vns haben den namen bekommen hatt.

    Wie wir vns nun über den seltzamen dingen der Natur verwun- derten/ vndt den vnerschöpfften lauff der gewäßer bestürtzt in augenschein genommen/ auch von wegen des großen gethönes vndt rauschens der auffspringenden fluten fast das gehör verloh- ren hatten/ gieng sie durch ein weißes thor/ welches vns von mar- morstein zue sein bedünckte/ für vns her/ vndt; Beschawet nun/ sagte sie/ das ort/ welches für mannes augen zwar sonst verschlos- sen ist. In diesem Erdengemache pflege ich sampt meinen schwe- stern der Thalien/ Arethusen/ Cydippen/ OpisSachanmerkung vndt den andern die zeit zue vertreiben. Diese anmutige höle war nach art der alten tempel zirckelrundt/ vndt in zimlicher höhe. Ringes vmbher stun- den gefrorene cristallen säulen/ welche von der grünen bewachse- nen erden biß an die decke reichten/ vndt mitt jhrem durchsichti- gen glantze das gantze zimmer erleuchteten. Mitten innen saßen die Nimfen/ alle blüende vndt jung von antlitz/ auff grünen teppi- chen in einem kreiße vmbher/ sponnen/ stickten vndt neheten an der subtilesten leinwadt/ hatten allerhandt liebliche gespreche/ vndt [27] erwehnete gleich damals eine/ wie die stoltze weberinn ArachneSachanmerkung der Minerven kampff angeboten; weil aber jhre arbeit der himmlischen nicht zuegesagt/ sich selbst erhenckt habe/ vndt nachmals in eine spinne verwandelt worden sey: daß sie nunmehr +

    [Druckausgabe S. 536]
    als ein beyspiel der vermeßenheit für den augen aller welt wircken vndt weben muße. Wer seine hoffart an den vnsterblichen außla- ßen wil/ fieng eine bräunlichte an/ so Lycorias sein solte (vnsere begleiterinn aber hieße HercinieSachanmerkung) dem bekömpt es ja allzeit übel; vndt erzehlte wie der närrische MidasSachanmerkung mitt seiner block- pfeiffen den Apollo außgefodert/ vndt endtlich nicht allein nicht den danck/ sondern auch gar eselsohren davon bekommen habe: welches er zwar/ gemeinem gebrauche der menschen nach/ ver- bergen wollen/ solches auch seinem diener zue offenbahren ver- boten habe. Dieser aber/ dem gäntzlich zue schweigen vnmöglich gewesen/ were zue einem schilffichten orte gegangen/ hette seine heimligkeit den rhoren vertrawet/ die/ wann der windt daran ge- schlagen/ nachmals alle zue schreyen angefangen: Midas hatt eselsohren. Sie lachten/ vndt; Es mögen wol rhore sein/ fieng eine andere an/ darmit gelehrte leute schreiben/ vndt die jenigen für der gantzen welt zue schanden machen/ welche mitt jhrem vnbesonnenen vrtheile von hurtigen vndt gelehrten gemütern wol zue erkennen geben/ daß sie Midas gleichen sindt.

    Nicht weit von jhnen lagen etzliche lauten/ geigen vndt andere musicalische instrumente; auch köcher vndt pfeile/ die sie/ wann sie nebenst den Waldtgötinnen vndt Bergnimfen sich mitt dem ge- jägdte ergetzen/ zue gebrauchen pflegen. An der wandt waren vnterschiedene historien mitt kleinen muschelnSachanmerkung vndt kleinen steinlein/ vndt zwar so künstlich/ eingelegt/ daß wir hinzu giengen/ [28] vndt es mehr für eines ApellensSachanmerkung werck als für sonst etwas + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 537]
    ansahen. Vnter andern stundt die geschichte/ wie der Jupiter/ wel- chen sein Vater Saturn freßen wollen/ dem aber die Muter Rhea einen stein in die windeln gewickelt/ vndt zue verschlucken gege- ben habe/ von jhren der Nimfen schwestern sey erhalten/ vndt durch einen adler bedienet worden.Sachanmerkung Baldt darneben/ wie andere auß jhnen den Bacchus bey Nisa in Asien erzogen/ welche Jupiter nachmals zur danckbarkeit hinauff genommen/ vndt zue den Hya- den/ dem schönen gestirne/ das vns gemeiniglich regen ankündi- get/ gemacht habe. An einem andern orte/ wie die Nimfen Erato/ Pemfredo vndt Dino dem Perseus flügel vndt tasche (welche jhm gleichwol von den mahlern der himmlischen bilder abgestrickt wirdt) geliehen/ durch derer hülffe er der Medusen das haupt ab- geschlagen/ vndt endtlich die Andromeden/ der stoltzen Caßio- peen tochter/ von dem grawsamen meerwunder erlöset.Sachanmerkung Ferner wie die Syrinx/ als sie für dem Pan geflohen/ in die pfeiffe so Mer- curius nachmals gebrauchtSachanmerkung wie andere Flußnimfen von dem er- zürnten Achelous in die Echinadischen inseln verwandelt wor- den;Sachanmerkung vndt was allhier zue erzehlen nicht gelegenheit ist.

    Kompt weiter/ sagte Hercinie/ vndt beschawet die wohnung ThetisSachanmerkung der vnsterblichen muter der Nimfen/ wann sie durch die verborgenen gänge des erdtreichs mitt jhren seeroßen hieher zue fahren/ vndt vns zue besuchen pfleget. Wir giengen in begleitung aller anderen Najaden/ denen die gelben haare vmb den zarten halß vndt brüste/ vndt die dünnegewebten mäntel vmb jhre bloße leiber flogen/ durch eine ärtzinne pforte/ vndt kamen in einen köstlichen saal von großer länge vndt breite. Der boden war an + + + + +

    [Druckausgabe S. 538]
    sich selbst cristallinn/ vndt mitt allerhandt schlangen/ fischen vndt meer wundern von anderer art berhümbten steinen dermaßen eingefü-[29]get/ daß wir im ersten anschawen fast nicht trawen vndt aufftreten wolten; deßen dann die Nimfen mitt einem süßen anblicke sämptlich lachten. An der gewölbeten decke/ die mitt blawen lazursteinen über vnd über belegt war/ vnd durch welche auß zweyen runden cristallinnen fenstern der anmutige tag den gantzen platz von oben her beleuchtete/ schiene nicht weniger von eben dieser köstlichen arbeit das geflügel als in den wolcken her- umb schweben/ vndt mangelte/ vnsers bedünckens/ nichts als die stimme. Auff beyden seiten stunden in gleicher zahl vndt abthei- lung seßel von agsteine/ deren einer vmb den andern roth oder gelbe war. Hinten/ wie auch gegen der föderthür zue/ waren zwey vergüldete altare/ auff deren einem dem großen Ocean/ auff dem andern der Thetis geopffert wardt. Nicht weit von einem jeglichen sprungen auß zweien weiten silbernen becken oder schalen/ so ingleichen von silbernen Sirenen gehalten worden/ sehr anmutige quelle/ die eine blancke metalline kugel in die höhe trieben/ vndt darmit spieleten; auch gleich wieder herab fielen/ vndt von sich selbst verschluckt vndt stets wiederumb auffgestoßen worden. In der mitten war eine lange tafel von polirtem steine/ an welche The- tis mitt jhnen speise vndt tranck zue nemen pfleget.

    Ihr hirten/ fieng Hercinie an/ wir wißen was der himmel vndt die Musen euch verliehen/ vndt mitt was für begiehr der wissenschafft jhr behafftet seidt. So laßet euch nun/ indeßen das meine Schwe- stern den Vnsterblichen jhren dienst erzeigen/ vnd jhr gebürliches opffer fürtragen/ von mir zeigen/ was die gemelde vnd schrifften an den wänden allhier in sich halten. Wißet/ sagte sie ferner/ daß alles was jhr biß anher gesehen vndt noch sehen werdet/ inheimi- sche außbeute/ in diesen gründen geseiffetSachanmerkung/ in diesen wäßern + + + + +

    [Druckausgabe S. 539]
    gewaschen/ hier gefunden vndt gearbeitet sey. Der weiße [30] chalcedonier/ der schwartze cristall/ der violbraune amethist/ der blawe saffir/ der striemichte jaspis/ die tunckelrothen granaten/ der fleischfarbene carniol/ der rothgelbe gifftfeindtSachanmerkung der hya- cinth/ der gelbichte beryll/ der vielfärbichte achat/ der gelbe topa- zier/ welchen jhr in der handt jenes adlers (vndt zeigte einen adler an der decken darauff Ganymedes saß) als einen plitz fünckeln sehet/ der helle demant/ sindt alle hier zue hause. Diese perlen/ dieses silber/ diß goldt ist in flötzen vndt quärtzen/ flämmicht vndt körnicht in hiesigen reichen gefilden vndt gegenden an zue tref- fen; des zinnes/ kupffers/ eisens/ glases vndt allen deßen was die magdt des höchsten Gottes vndt die gütige muter der menschen die Natur sonst gebiehret/ zue geschweigen. Hiermit führte sie vns erstlich wiederumb der pforten zue/ darüber folgende reime stun- den:

    Ihr blinden sterblichen/ was zieht jhr vndt verreist
    In beydes Indien? was wagt jhr seel vndt geist
    Für jhren knecht den leib? jhr holet krieg vndt streit/
    Bringt auß der newen welt auch eine weltvoll leidt.
    5 Ihr pflügt die wilde see/ vergeßet ewer landt/
    Sucht goldt das eisern macht/ vndt habt es bey der handt.
    Den demant findet kaum der schwartze Moor so weiß/
    Der jaspis ist vns schlecht/ die perlen tregt der Queiß.
    Hieher mensch/ die Natur/ die Erde ruffet dir:
    10 Wohin? nach guete: bleib: warumb? du hast es hier.


    Nechst diesen Versen/ die in eine schwartze steinerne platten gehawen waren/ folgeten auff der einen seiten viel historien vndt bilder von erschaffung der welt; von der güldenen/ silbernen/ irr- denen vndt letzlich eisernen zeit; von den himmelstürmerischen + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 540]
    Giganten; der überschwemmung des erdtbodens; alles in der ord- nung wie es HesiodusSachanmerkung/ ApollodorusSachanmerkung/ HyginusSachanmerkung vndt andere/ sonderlich der sinnreicheste vnter allen Poeten in seinen verwan- delungsbüch-[31]ernSachanmerkung (darumb es allhier zue wiederholen vnnö- tig ist) verzeichnet haben. Auff der andern seiten stundt erstlich eine landttafel/ darinnen vnterschiedene berge/ schlößer/ flüße vndt felder zue sehen waren. Dieses/ sagte sie/ ist die gelegenheit hiesiger orte/ deren größestes theil von langer zeit her die edelen Schaffgotschen/ weßen geschlechtes verlauff jhr in folgenden ge- melden vndt schrifften biß auff jetzigen werthen helden vernemen sollet/ beherrschen. Ihr vhraltes geblüte/ jhre tugendt/ jhre löbli- che thaten/ vndt sonderlich die stille rhue/ welcher wir vnter jhnen als gleichsam schutzgöttern bißanhero genoßen/ hatt verdienet/ jhnen bey vns allhier diß gedächtniß auff zue richten. Damit ich aber euch/ als denen so zue nachsuchung der alten zeiten sonderli- che lust tragen/ etwas außführung thue/ so wißet daß wie hiesiges hohe risengefilde/ hiesiger flintzbergSachanmerkung vndt schneegebirge an- fänglich von natürlichen erbursprünglichen deutschen/ den Mar- comannenSachanmerkung/ MarsingernSachanmerkung vndt dergleichen bewohnt/ also auch von jhnen zueweilen der Hartz oder Hercinische waldtSachanmerkung/ darvon ich heiße/ zueweilen das Sudeten oder SudödenSachanmerkung gebirge sey ge- + + +
    [Druckausgabe S. 541]
    nennt worden: biß die Sarmatischen WindenSachanmerkung (nicht die Wandali- schen Völcker) jhre Vistul oder Weixel überschritten/ vndt sich dieser vndt anderer lande bemächtigt haben. Daß aber dennoch allzeit etwas von Deutschen übrig verblieben sey/ könnet jhr dan- nenher von euch selbst schließen/ daß der name BömenSachanmerkung/ wel- cher allbereit vor anderthalb tausendt jharen vndt viel zeiten vor der Winden einfall berhümbt gewesen/ noch heutiges tages nicht verloschen ist; wie dann auch ein theil dieser berge die AlpeSachanmerkung oder Elbe vndt dergleichen/ bey jhren ältern wörtern biß anjetzo ver- blieben sindt. Hetten ewere Deutschen mit solchem fleiße denck- würdige große thaten auffschreiben/ als verrichten können/ oder die blutigen kriege für etzlichen hundert jharen [32] mitt den leu- ten nicht auch zuegleich das gedächtniß derselbten vndt alle ge- schickligkeit außgerottetSachanmerkung/ so köndte der edelen Schoffe (dann also worden sie vormals genennet) werther name/ vndt die tapffer- keit welche sie zue beschützung des vaterlandes angewendet/ euch mehr vor augen gestellet werden: bey vns haben wir jhren rhum allein von der zeit auffgemercket/ seidt vnsere bäche vnter jhrem schirme ruhig gefloßen/ vndt sie besitzer der orte/ die zum theile hier entworffen stehen/ gewesen sindt.

    Hierüber trat sie fort/ vndt; Dieser/ sagte sie/ welchen jhr in gantzem küriß stehen sehet/ ist der frey werthe heldt Gothardt/ oder/ wie damals den alten zue reden beliebet hatt/ Gotsche + + + +

    [Druckausgabe S. 542]
    SchoffSachanmerkung/ der seinen kindeskindern mitt dem größeren lobe vndt auffnemen auch seinen namen/ deßen sie sich sämptlich rhümen/ übergeben hatt. Wir wißen nicht anders/ als daß sein vater Vlrich Schoff geheißen/ vndt fast für dreyhundert jharen Burggraff zue KinsbergSachanmerkung gewesen sey. Edele Nimfe/ fieng ich an/ wann ein mensch eine göttin zue fragen macht hatt/ warumb daß seine rechte faust gleichsam blutig abgebildet ist? Vor ErfurtSachanmerkung/ gab sie zur antwort/ hielte er sich bey gelegenheit eines außfalles so wol/ das jhn der Feldherr/ keyser Carl der vierdte/ alßbaldt für sich fodern ließ/ jhm seine wolverdiente gnade persönlich an zue tra- gen/ vndt die handt zue bieten. Er aber/ der vom würgen der feinde erst zurück gekehret/ hatt die blutigen finger an seine blancke rüstung gewischt/ vndt also den Keyser mitt dieser wer- then faust geehret; welcher jhn dann zum ritter geschlagen/ vndt das hochadliche wapen mit vier rothen striechen deßentwegen ge- ziehret hattSachanmerkung/ daß seine nachkommenen nicht allein wißen möch- ten/ wie jhr adel/ der vor alter von trefflichen thaten hergerhüret/ ingleichen von trefflichen thaten vermehrt worden sey: sondern auch durch dieses zeichen als einen leb-[33]hafftigen zunder zue dergleichen solten angeregt/ vndt auffgemuntert werden. Wan- nenher aber ist der grüne bawmSachanmerkung in eben diesem wapen? fragte + + + +
    [Druckausgabe S. 543]
    ich. Der sieghaffte BolcoSachanmerkung/ sagte sie/ Hertzog zur Schweidnitz vndt Jawer/ deßen bruders tochter Carl der vierdte zur ehe hatte/ liebte jetzt erwehnten Gothardt Schoff seinen waffenträger des löblichen verhaltens vndt vieler hohen tugenden wegen derma- ßen/ daß er jhm hiesigen riesenberg/ die trächtige Iser sampt an- gräntzenden böhaimbischen walde/ das birgguet SchmiedebergSachanmerkung neben aller zuegehör/ wie auch das feste schloß oder berghauß KinastSachanmerkung/ auß fürstlicher miltigkeit zue erbeigen übergab vndt ver- ehrete; darumb dann der Kieferbawm oder Kinast zue dem vhral- ten wapen ist gezogen worden. Mitt Friedeberg aber/ das jhr in der tafel gegen dem gebirge zue am Queiße liegen sehet/ wie auch mitt der stadt GreiffenbergSachanmerkung/ welche der himmlischen weberinn Mi- nerven dermaßen lieb ist/ vndt der festung oder dem berghause Greiffenstein/ so hertzog Boleslaus der Heiligen Hedwigen Sohnes Sohn erbawet/ hatt jhn vorbemeldeter Keyser beschencket; daß also die besitzung hiesiger orte ein lauteres verdienst der tugendt ist.Sachanmerkung

    Allerschöneste NimfeSachanmerkung/ sagte Nüßler/ wir müßen gleichwol die reime darbey vngelesen nicht laßen. Sie stellete es vns anheim/ vndt gab so viel zueverstehen/ sie weren darumb eingehawen. Rit- ters Gotschen überschifft war diese:

    + +
    [Druckausgabe S. 544]

    Ich werde recht von dir mein werther stamm geehret/ Weil ich dir namen/ rhum vndt wapen hoch vermehret; Die roten striche hatt kein geldt noch gunst erdacht/ Der Keyser hatt sie nur gelobt/ der feindt gemacht.

    Vnter dem wapen neben seiner tafel:

    [34]
    Schaw hier den edlen schildt als ie der tag beschienen: Was zeigt der frische bawm? die tugendt muß stets grünen: Vndt was das schaff? ein mensch soll guet vndt guetig sein; Das blut? wo guet nicht hilfft/ schlag mitt der faust darein.

    Nachfolgende drey/ redte Hercinie ferner/ sindt ritter Got- hardts Söhne. Der erste zur rechten handt eben des namens; de- ßen drey Söhne/ Vlrich/ Gotsche vndt Hans/ welcher fast für an- derthalb hundert jharen gestorben/ gleich vnter jhm sindt. Der dritte/ so zur lincken/ Henrich oder Hentze Schoff auff Kemnitz/ deßen zwey Söhne/ Henrich vndt Peter/ auch vnter jhm stehen. Der andere/ in der mitten/ ist Hans Schoffgotsche auff Kinast/ den wir in seinen nachkommenen noch anietzo blühen vnd wachsen sehen. Die sechse/ wie jhr sie ordentlich nacheinander allhier ge- setzt findet/ sindt seine Söhne. Der ältere ist Christoff/ den ein anderer edelmann wenig adelich vnversehens erschossen hatt. Der andere Ernst des namens/ welcher darumb ein zuesammen gerolltes schreiben in der faust hatt/ weil er der Fürstenthümber Schweidnitz vndt Jawer Cantzler gewesen; wie dann solche Cant- zelley nebenst dem ampte des HoffrichtersSachanmerkung zur Schweidnitz/ von etzlichen hundert jharen an den Herren Schaffgotschen eigen- thümblich hatt zuegehört. Der dritte ist Jeronymus der blödtsin- nige. Der vierdte Antonius. Er siehet schwartz auß; sagte einer von vns. Man hatt jhn auch/ gab Hercinie zur antwort/ wie er sich dann selbst/ den ReppelgotschenSachanmerkung geheißen/ ist ein statlicher mann/ vndt mitt einer gebornen Freyinn von Schumburg vermählt gewesen. Der fünffte Caspar. Der letzte Vlrich/ ein streitbarer mann/ der mitt seiner strengen faust die ritterschafft auff der +

    [Druckausgabe S. 545]
    Buntzlischen heidenSachanmerkung gewonnen; wie auff seinem schwerdte/ das noch verhanden/ zu lesen ist. Doch besagt es auch die über- schrifft:

    [35]

    Des ritters rhüm ich mich/ dieweil ich obgesieget: Ich bin kein kriegesmann der niemals hatt gekrieget/ Kein ritter ohne feindt/ kein reuter ohne pferdt; Wer von mir wißen wil/ der frage noch mein schwerdt.

    Wie nun Christoff/ Jeronymus vndt Ernst leibeserben nicht ge- laßen; also sehet jhr vnter einem ieglichen der andern jhre Söhne. Des Antons sindt Friedrich/ Ernst/ Vlrich/ Ritter Anton/ welcher mitt einer ketten vmb die armen abgebildet/ weil er von den Sara- cenen gefangen/ an den pflug gespannet vndt sehr übel gehalten worden/ wiewol er endtlich in seinem Vaterlande verschieden; Rit- ter Hans Kayserlicher Rhat vnd Cämmerer/ vndt Bernhard auff Rurlach; deren kindeskinder theils noch bey leben. Vber dem An- ton waren diese worte eingegraben:

    Ich wardt gefangen zwar/ vndt habe viel erlitten/ Du wilder Saracen/ nach dem ich dich bestritten: Doch was dann hast du jetzt von mir in deiner handt? Der himmel hatt den geist/ den leib das Vaterlandt.

    Caspar/ redete Hercinie weiter/ wie jhr sehet/ hatt fünff Söhne hinterlaßen: Watzlawen/ der jhm durch reisen vndt geschicklig- keit großes ansehen gemacht/ Hansen/ Christoffen/ Casparn (de- ßen einiger Sohn Adam/ Freyherr auff Trachenberg vndt Prauß- nitz/ wiewol er zwey gemahlinn/ deren die letzte eine Gräffinn war/ gehabt/ ohn erben gestorben ist) vndt Balthasern/ der vier Söhne erzeuget: wie dann der letzte ritterliche heldt Vlrich der fast vier- zig jhar über die Fürstenthümber Schweidtnitz vndt Jawer Haupt- mann gewesen/ vndt in die neunzig jhar alt worden/ Wolffen vndt Hansen erzeuget/ deßen Wolffens Sohnes Sohn Vlrich oder Vdal- + + + + +

    [Druckausgabe S. 546]
    rich (vielmehr Adelreich) zu seiner Vorfahren thaten auch die liebe der weißheit gebracht/ vndt einen artli-[36] chen Poeten ge- geben hatt; wie er selbst von sich redendt allhier eingeführt wirdt:

    Soll ich mich schämen dann des namens der Poeten? Ist kunst vndt wißenschafft dem adel nicht von nöthen? Standt blüet durch verstandt: hett ich nicht standt gehabt/ So hette mich verstandt mitt adel doch begabt.

    Obberhürte vier des Herrn Balthasars Söhne/ Freyherren/ sindt der zur rechten Herr Balthasar auff Langenaw/ der zur lin- cken handt Herr Caspar zue Trachenberg/ der neben diesem Herr Watzlaw auff Bernßdorff/ vndt der in der mitten oben an der in krieges vndt friedens tugenden erfahrene Herr/ Herr ChristoffSachanmerkung/ vnter deßen Sohne/ dem Hoch wolgebornen Herrn/ Herrn Han- sen Vlrichen/ dem freyen vnverzagten helden/ dieses vorgebirge/ diese wälder vndt brunnen/ vndt wir Nimfen solcher rhue/ solchen friedens genießen/ daß wir die angräntzenden fewer der blutigen Bellonen/ dieses klägliche getümel der waffen biß anhero zwar von ferren angeschawet haben vndt gehöret/ aber (welches zue einer gueten stunden geredet sey) nie erfahren dürffen.

    Hierauff schwiege die leutselige Hercinie etwas stille; ich aber lase die reimen/ so bey Herren Christoffen seliger gedächtniß ver- zeichnet waren:

    An tugendt bin ich recht/ vndt linckisch auch/ gewesen: Warumb? dieweil ich diß geschrieben vndt gelesen Was thaten würdig ist/ vndt gleichfals diß gethan Was der so thaten lobt gar wol beschreiben kan.Sachanmerkung

    Indeßen fragen die andern wegen der sachen die nach jhm stun- den. Hier zue nechste/ fieng sie an/ ist seine tapffere/ hochverstän- + + + +

    [Druckausgabe S. 547]
    dige gemahlinnSachanmerkung/ des vhralten geschlechtes der Freyherren von Promnitz/ welcher vnsterbligkeit vndt verdienst eine größere zeit [37] bedörffen/ als daß sie allhier können erzehlt werden. Sehet aber jhre überschrifft:

    5 Ich bin in diese welt von heldenstamme kommen/ Die ziehr der helden hatt zur ehe mich genommen/ Ein heldt der kam auß mir an dieses liechtes schein/ Wie solte dann nicht ich auch eine heldinn sein?

    Von jetzigem erst gemeldeten regenten/ sagte die Nimfe/ könnet jhr den jnhalt folgender tafeln weitleufftig vernemen. Seine hohe beschaffenheiten/ sein verstandt in anschlägen/ sein muth im strei- ten/ seine ritterliche thaten verdienten zwar von allen edelen ge- mütern sinnreicher Poeten in das register der ewigkeit eingetra- gen zue werden/ er aber/ als ein vollkommener Heldt/ ist auch mitt solcher demut begabet/ daß er nicht gern von jhm rhümen leßt/ was doch die that vndt warheit selber redet. Was jhr aber allhier sehet/ haben die Parcen/ Clotho/ Lachesis vndt Atropos/ als sie jhm auff befehl des himmels die faden des lebens gesponnen/ ein- helliglich gesungen/ vndt mitt buchstaben von demant dem roste der zeit zuegegen in diesen schwartzen cristall versetzt. Wir ver- wunderten vns nicht so sehr über der menge der edelen gesteine/ als über der fürtrefflichen arbeit/ welche von solcher kunst vndt schönheit war/ das wir wol abnemen kundten/ menschen hände würden dergleichen nach zue thun sich vmbsunst bemühet haben. Das getichte aber vndt weißagung der Parcen waren von worte zue worte diese:

    Brich an/ du schöner tag/ vndt komm/ du edles kindt/
    Dem götter/ vndt das hauß der götter günstig sindt/
    Der himmel/ vndt auch wir. wir haben zwar gewunden
    Ein garn/ ein weißes garn zue seines lebens stunden;
    5 Wo ist die farbe hin? die faden werden goldt.
    Brich an tag/ komm o kindt! die götter sindt dir holdt/

    [38]
    Ihr himmel/ vndt wir auch: sie wollen dich begaben/
    Dir schencken diß was viel wol wündtschen/ wenig haben;

    + + + Sachanmerkung
    [Druckausgabe S. 548]

    Mars seinen großen muth/ vndt Jupiter verstandt.
    10 Komm an/ dein güldnes garn das wächst vns in der handt/
    Vndt spinnt sich selber auff. schaw hier die schönen blicke
    Der heldinn welche dich mitt solchem gueten glücke
    Der liechten Sonnen zeigt/ der heldinn die jetzt dir
    Das leben/ vndt hernach des lebens beste ziehr
    15 Die tugendt geben wirdt. du wirst zwar waise werden
    Durch deines Vatern todt/ der kürtzlich dieser erden
    Soll geben guete nacht/ wie vnser buch vermag;
    Doch die durch welche du gebracht wirst an den tag
    Wirdt nicht nur muter sein/ wirdt auch mitt vatersinnen
    20 Zur waren tugendt lust dich baldt gewehnen können/
    Dir zeigen einen weg wohin der gehen soll/
    Stracks wann er gehen lernt/ der edlen lobes voll
    Will brechen durch die zeit. du wirst für allen dingen
    Auff jhrem arme noch am liebsten hören klingen
    25 Die trummel vndt trompet/ wirst reißen mitt der handt
    Auff einen degen zue/ der etwan an der wandt
    Mag auffgehencket sein. das mittel dich zue schweigen
    Wirdt sein ein blanckes helm/ ein schönes roß zue zeigen/
    Die lantz’ vndt rennebahn. ein solches tocken spiel
    30 Liebt erstlich baldt ein kindt das nicht versawern wil
    In seiner muter schoß. wann dann zue deinen tagen
    Die sprache kommen wirdt/ wo wirst du lernen fragen
    Nach dem was ritterschaft vndt lob der ahnen ziehrt;
    Wirst werden zue der lust der weißheit angeführt/
    35 Kein feindt der bücher sein. wirst Rom begierig hören
    In jhrer sprache selbst/ dich laßen von jhr lehren
    Durch was für witz/ vndt krafft sie jhr die gantze welt/
    Was Titan überscheint/ zun fußen hatt gefellt.

    [39]
    Es wirdt von tapfferkeit/ von strengem kriegeswesen
    40 Dir Leipzig/ Tübingen vndt AltorffSachanmerkung weiter lesen/

    + + + + + + + + + + +
    [Druckausgabe S. 549]

    Vndt sagen/ daß ein heldt der große thaten liebt/
    Den thaten noch mehr schein durch kunst vndt klugheit giebt.
    Biß daß der hohe sinn dich vber berge treget/
    Wo freyheit jhren grundt tieff in die see geleget
    45 Von langen zeiten an/ vndt NereusSachanmerkung eine Stadt/
    Die aber länder zwingt/ zue seinem weibe hatt.
    Dann wirst du nechst darbey ein gast AntenorsSachanmerkung werden/
    So lange CynthiaSachanmerkung sechs mal den kreiß der erden
    Mitt gantzem liechte füllt: du wirst hier deinen standt/
    50 Dein edles ritterblut/ auch zeigen mitt der handt/
    Die offtmals sagen muß was mancher führt im hertzen;
    Wirst kunst zur mannheit thun/ vndt mitt dem degen schertzen/
    Inkünfftig ernst zue sein; wirst legen deine zeit/
    Die zeit so güldinn ist/ an güldne tapfferkeit/
    55 An sprachen vndt verstandt. wirst hin nach Rom verreisen/
    Vndt an den Tiberstrom daselbst dir laßen weisen
    Wo Rom gewesen sey: hier stundt die ziehr der welt/
    Wirdt sprechen wer dich führt;Sachanmerkung hier war der tugendt feldt/
    Das ort von dem sich ließ der erdenkreiß beschönen.
    60 Auff dieses solt du sehn die muter der Sirenen/
    Der welt Sirene selbst;Sachanmerkung vndt BajasSachanmerkung/ vndt jhr badt/
    Was CumaSachanmerkung/ was PuzolSachanmerkung für lust vndt wunder hatt/
    Der schawplatz der natur. dich wirdt zue roße setzen
    Sachanmerkung Das blüende Florentz; es soll sich selbst ergetzen
    65 Der weißen Nimfen schar am hohen Apennin/
    Wann deine freye faust des pferdes stoltzen sinn

    + + + + + +
    [Druckausgabe S. 550]

    Wirdt brechen durch den zaum/ baldt sicher laßen fliegen
    Mitt schäumender begier/ den winden ob zue siegen.
    Dann leßest du die flut der see dich nach MeßanSachanmerkung/
    70 Von hier nach Malta zue/ von Malta auff Drapan

    [40]
    Den Lilibeer port mitt vollem segel tragen/
    Darffst gegen Africa nach Tunis zue dich wagen/
    Machst die Tyrrhener see dir weit vndt breit bekandt/
    Biß Napolis dich setzt noch ein mal an sein landt/
    75 Das reiche Napolis/ vndt dann auff Pisa sendet/
    Diß wieder nach Florentz/ wo zwar der weg sich endet/
    Nicht aber auch der fleiß; du wirst auffs newe hier
    Die gantze sommers zeit vermehren deine ziehr
    Durch sprachen vndt verstandt. hierauff nach Luca ziehen/
    80 Von dar nach Genua wo krieg vndt friede blühen/
    Vndt auff Minerven Stadt das künstliche MilanSachanmerkung/
    Vndt was die tafel hier sonst mehr nicht faßen kan:
    Biß endtlich Spanien dir in den sinn wirdt kommenSachanmerkung/
    Das nunmehr beydes hauß der SonnenSachanmerkung eingenommen/
    85 Vndt jhm verbunden hatt: dein weg soll Franckreich sein/
    Der sitten meisterinn/ der künste liecht vndt schein/
    An vieh vndt leuten reich/ das weit vndt breit beschloßen
    Mitt starcken klippen steht/ mitt wäßern gantz vmbfloßen;
    Verwahret mitt der see. du wirst durch Delfinat

    Sachanmerkung 90 Hin auff MarsilienSachanmerkung/ von da auff ArelatSachanmerkung/
    Vndt ferner an den fuß der schneeichten Pirenen/
    Die jhre spitzen fast biß an die wolcken lehnen/
    Wo du begrüßen solt zum ersten Arragon/
    Vndt dann nicht ohn gefahr das stoltze Barcelon/
    +
    [Druckausgabe S. 551]

    95 Tortosa vndt Sagunt berhümbt vom hungerleidenSachanmerkung/
    Die Königinn Valentz/ wo DuriaSachanmerkung viel weiden/
    Viel blumen/ graß vndt waldt umb seine ströme hegt/
    Biß dich ein langer weg hin nach ToledoSachanmerkung/ tregt/
    Von dannen nach MadridSachanmerkung/ auß denen jenes eisen
    100 Vndt stahl/ diß weißheit hatt. dann wirst du rückwerts reisen
    Da wo der Iber fleußt auff Saragosa hin/
    Vndt auß der Sonnen brunst in beßer wetter ziehn.

    [41]
    Wie nun dir Spanien gegeben witz zue hören
    Vndt schweigen/ also wirdt dich Franckreich reden lehren/
    105 Der außzug aller lust/ der edlen demut landt/
    In welcher jederman geehrt wirdt vndt bekandt
    Der tugendt leiden kan. die erste rhue vndt wonne
    Das wirdt TolosaSachanmerkung sein am strande der Garonne;
    Auff diese Bordeaux; RoschelleSachanmerkung nechst nach jhr/
    110 Das Mars liebt vndt Neptun; hierauff der Musen ziehr [flüßenSachanmerkung
    Vndt künstmarcktSachanmerkung Poictiers: dann wirst du sampt den
    Der gelben Loir Angiers/ vndt Tours/ vndt Blois begrüßen/
    Nicht minder Orleans das BacchusSachanmerkung also liebt/
    Vndt dem MercurSachanmerkung das lob der reinen sprache giebt.
    115 Wo laßen wir Paris? hier wirst du auch verbleibenSachanmerkung/
    Wo alle weißheit wohnt/ wirst deine zeit vertreiben

    + + +
    [Druckausgabe S. 552]

    Mitt übung die ein heldt vndt ritter haben muß.
    Nach Franckreich/ wann du nun der stoltzen Seyne fluß/
    Den faulen gang der ArSachanmerkung/ des Rhodans schnelles fliehen
    120 Gesehn hast/ wirst du dann auch an die Temse ziehen
    Dem wolgebawten strom/ beschawen Engellandt/
    Das durch den Ocean von vns ist abgetranntSachanmerkung/
    Dein rückweg sollen sein die starcken NiederlandeSachanmerkung/
    Ostende/ Brug vndt Schluys/ vndt Gendt am Scheldestrande/
    125 Vndt Brüßel/ vndt was mehr des Zepters willen hört
    Das gegen Ost vndt West gehorsamb wirdt geehrt/
    Nicht nur von einer welt: dann seine gegen werckeSachanmerkung/
    Die nun so lange zeit mitt großer list vndt stärcke
    Sich wieder jhn gesetzt. hier halt die flügel an;
    130 Hier schawe wieder heim; es ist genung gethan;
    Die deinen ruffen dich/ du blum vndt ziehr der jugendt;
    Sie wollen nunmehr sehn das reichthumb deiner tugendt/
    Der reise newe frucht. was wirdt für wonne hier
    Bey deinen quellen sein/ wann du/ jhr trost vndt ziehr/

    [42]
    An beute reicher noch als Jason heim wirst kommenSachanmerkung/
    136 Nach dem du alles das in augenschein genommen
    Was sehens würdig ist/ vndt nicht nur feldt vndt landt
    Vndt städte/ sondern auch die leute hast erkandtSachanmerkung
    Die Phebus oder Mars begreifft in seinem orden;
    140 Wann dir der Musen volck zue freunde wirdt sein worden/
    Zue Londen CasaubonSachanmerkung/ vndt zue Paris ThuanSachanmerkung/
    Zue Leiden ScaligerSachanmerkung/ vndt was man nennen kan

    + + +
    [Druckausgabe S. 553]

    Für etwan einen geist der nicht auß schlechter erden
    Vom Titan ist gedreht.Sachanmerkung die grünen wiesen werden
    145 Sich frewen vmb vndt vmb/ es wirdt thal/ pusch vndt feldt
    Ein grünes kleidt anziehn/ es werden dir/ o heldt/
    Die klaren bäche hier mitt lust entgegen fließen/
    Die felsen höher stehn/ der Nimfen schar dich grüßen/
    Der zarten Nimfen schar von dreyerley gestaltSachanmerkung/
    150 Als denen heilig sindt die flüße/ berg vndt waldt/
    Bey welchen wir diß liedt in demant einverleiben/
    Damit es von der zeit mag vnbetastet bleiben/
    Mag sein ein stetes pfandt des himmels der dich liebt/
    Vndt vns noch mehr befehl also zue setzen giebt:
    155 Ihr schönes himmel volck/ jhr glatten Oreaden/
    Du der Napeen heer/ jhr flüchtigen Dryaden/
    Vndt jhr Najaden auch/ du Echo die du nicht
    Was anders sagen kanst als was man zue dir spricht/
    Ihr süßen Gratien/ du PalesSachanmerkung/ du Diane/
    160 Seidt günstig wann er hier auff einem grünen plane/
    Auff ewre püsche zue/ vmb ewer edles feldt/
    Bey dieser einsamkeit nach schnellem wilde stellt/
    Vndt sucht ergetzt zue sein. er wirdt die wälder ziehren
    Mitt seiner gegenwart/ wirdt an den wilden thieren/
    165 Ein newer Hercules/ versuchen seine krafft/
    Vndt diß nach dem er hatt die sorgen abgeschafft

    [43]
    Für seine leut’ vndt landt.Sachanmerkung man muß die arbeit mengen
    Mitt einer freyen lust/ vndt auch der rhue verhengen/

    + + + +
    [Druckausgabe S. 554]

    Wie selbst thut die Natur/ die nie stets winter macht/
    170 Stets sommer/ oder lentz; stets regen/ oder nacht.
    Dein bogen/ DeliaSachanmerkung/ wirdt gleichfalls abgelaßen;
    Es pfleget Jupiter den becher an zue faßen
    Mitt eben dieser handt in der er donner tregt:
    So wirdt der heldt auch thun nach dem er abgelegt
    175 Des Vaterlandes last/ für welches er soll streiten
    Mitt ritterlicher faust/ wann gar in kurtzen zeiten
    Auch diß ort/ welches jetzt der werthe friede ziehrt/
    Auff krieg ohn alle schuldt wirdt werden angeführt.Sachanmerkung
    Als wie des windes zorn die eiche nicht kan spalten/
    180 Wie eine klippe pflegt die wellen auff zue halten/
    So wirdt er vnverzagt auch eine kecke schar
    Den kürtzern lehren ziehn/ wirdt suchen die gefahr
    Durch die er wachsen soll: jhmSachanmerkung wirdt der hauffe weichen/
    Als wie das schöne volck der sternen muß verbleichen
    185 Wann etwan Cynthia das gantze liecht bekömpt/
    Vndt einen vollen glantz von jhrem bruder nimpt
    Der gegenüber steht; der starcke löwe zeiget
    Vmbsonst die gelbe mahn/ die Thracer leyerSachanmerkung schweiget/
    Orion drewet schwach/ das groß’ vndt kleine thierSachanmerkung
    190 Schawt tunckel vmb sich her/ vndt blickt kaum halb herfür
    Auß einer hellen lufft. er wirdt dem feinde weisen
    Wie schlechtes glücke hatt wer hunger/ glut vndt eisen
    Zue frembden leuten tregt/ vndt bringt ein armes landt
    Vmb freyheit/ recht vndt heil ohn vrsach vndt verstandt.
    195 Damitt er rhümlich auch mag nach dem tode leben/
    So wirdt der himmel jhm viel edle zweige geben
    Durch einen werthen stamm/ den du/ o heldt PiastSachanmerkung/
    Mitt Zepter vndt gewalt so weit erhaben hast;

    + + +
    [Druckausgabe S. 555]

    [44]
    Den eine göttinSachanmerkung selbst zum himmel auffgeführet
    200 Mitt jhrer frömigkeit; den HenrichSachanmerkung hoch geziehret
    Mitt blute für sein landt; dem seine grüne frucht
    Kein wetter dieser zeit/ vndt keiner jhare flucht
    Wirdt legen vnter sich. auch dieser heldt soll schawen
    Sich selbst in seiner art/ soll schöne pflantzen bawen
    205 Von aller tugendt ziehr/ die lust vndt fröligkeit
    Vndt rhum jhm machen wirdt die gantze lebenszeit.
    Genung; was sonst allhier ist vnverzeichnet blieben/
    Das ist mitt golde doch in vnser buchSachanmerkung geschrieben.


    Wir hatten vns an der schönen tafel die augen/ an der weißagung aber/ welche wir nun mehrentheils erfüllet zue sein wußten/ auch das hertze erquickt/ vnd wünschten dem Helden solche ersprößli- che wolfarth/ wie jhm allhier zue ende angekündigt würde. Die andern Nimfen hatten sich vnter dem lesen alle hinauß verlohren/ Hercinie aber; Ihr hirten/ sagte sie/ so viel ist menschlichen augen allhier zue besichtigen erlaubet/ vndt jhr werdet mitt meiner vndt meiner schwestern anjetzo erzeigten gunst vergnüget sein. Also führte sie vns durch ein anderes thor in eine newe höleSachanmerkung/ die zue weilen so enge war daß wir fast nach der seiten durch gehen muß- ten/ zueweilen aber viel thäler vndt berge in sich zue halten schiene. Nach dem wir eine guete weile also gegangen waren/ ka- men wir an einen fast heißen ort/ voll schweffelichten dampffes/ zue deßen beyden seiten ein knallen vndt prausen gleichsam eines auffkochenden waßers/ vndt ich wußte nicht was für ein gethöne gehöret wardt. Vns war nicht aller maßen wol bey der sache; Ich habe/ fieng aber die Nimfe an/ euch nicht ohn vrsach an dieses ort + +

    [Druckausgabe S. 556]
    geführet. Wißet daß Sicilien nicht allein Cyclopen/ vndt Theßalien Titanen getragen hatt; es liegen allhier zweene mächtige Gigan- ten/ welche sich eben wie jene an dem himmel zue vergreiffen vnter-[45] standen/ vndt von den göttern vnter diese klüfften sindt verstoßen worden. Sie haben den geschmack des schwefels noch anjetzo nicht verlohren/ vndt riechen nach dem plitze vndt don- ner/ darmit sie Jupiter hatt herab gestürtzt. Auß jhren rachen lauffen starcke vndt hitzige ströme/ die dennoch auß gnädiger ver- ordnung der Vnsterblichen zum besten der menschen gereichen/ vndt nicht weit von hier mitt zweyen heilsamen quellen in dem gebiete jetztgemeldeten Heldens entspringen mußen. Es solte mir auch vnschwer sein/ euch zue jhren vngehewren cörpern zue füh- ren/ wann ewere blöde augen vndt ohren das scheutzliche anscha- wen vndt brüllen vertragen könten. Lernet aber gleichwol/ daß die jenigen die sich den himmel an zue tasten vermeßen/ von dem himmel verstoßen/ vndt von der erden verschlungen werden.

    Als wir nun vnter wehrendem gespreche gleichsam bergan ge- gangen waren/ kamen wir an den außgang einer höle/ darein der tag seine stralen mitt vollem scheine fallen ließ; Hercinie aber ver- schwandt ehe wir es gewar worden/ vndt kam vns weiter nicht zue gesichte. Wir wendeten vns gegen der grotten/ vndt ehrten die Nimfe vndt den ort/ darinnen wir so/ merckliche vndt wunderbare lachen gesehen vndt erfahren. Ob vns auch zwar die gelegenheit des gefildes da wir herauß gegangen etwas seltzam fürkam/ so kun- ten wir doch aller Beschaffenheit nach fast erkennen/ daß wir eben an der andern seiten des berges/ wo wir zuevor hinein gelaßen worden/ sein mußten/ stiegen also gemach vndt gemach gegen der spitzen zue. Wir waren noch zimlich ferren von der höhe/ als sich bey so lieblichem wetter dennoch ein dünner schnee sehen ließ/ der aber auff der erden alsobaldt zue tawe vndt waßer wardt. Wei- ter hinauff war es gantz heiter vndt stille; da wir dann nachfolgen- des gelubde in einen lindenbawm eingeschnitten funden:

    [46]

    Du geist der du allhier bewohnst den öden plan/
    Du seist auch wer du wilt/ wann ich vollbringen kan
    Was mein gemüte sucht durch deine kunst vndt rhat/
    So wil ich dir allhier an dieser grünen stat

    + + +
    [Druckausgabe S. 557]

    5 Erhöhen ein altar/ darauff zur danckbarkeit
    Ein opffer das du liebst soll brennen iederzeit.
    Du riesenherr/ du artzt/ du berggott/ komm herfür;
    Der jene so dich ehrt erwartet deiner hier.


    Dieser/ fieng Nüßler an/ hatt sich auch bereden laßen/ es sey ein RübezalSachanmerkung allhier/ wie jhn die jenigen nennen/ die jhn nie gesehen haben. Wir sindt eben auff dem rechten orte/ gab ich zur antwort/ da er sein soll/ vndt nicht ist. Ich habe gleichwol vernommen/ jhr Schlesier/ sagte Venator/ es solle nicht gar richtig bey euch sein. Freylich nicht/ fieng ich an; dann es liegt einer hier oben begraben der nicht mehr lebet. Ich weiß wol/ redte Buchner darzwischen/ daß jhr alle drey dem hauffen zuegethan seidt der nichts übrigs glaubet: was aber durch lange erfahrung bestetigt ist/ vndt die au- gen selbst sehen/ das kan das hertze ja glauben. Mitt einem stin- ckenden aaße/ sagt Nüßler/ ist wol sonst wenig an zue fangen. Dar- wieder bin ich auch nicht/ spricht Buchner; wiewol manches ehe verdirbet als ein anders. Ich habe viel mal gehöret/ wann einen der donner erschlagen hatt/ daß sein cörper nicht verfaulen; vndt wann einem mitt giffte vergeben ist/ daß das hertze vnvertorben bleiben soll. Ein mensch der mäßig gelebet hat/ wirdt nicht so baldt verwesen/ als einer so durch schwelgen vndt vollbretigkeit seinen leib zue einer pfützen gemacht hatt/ da alle feuchtigkeit vndt flüße hinein geronnen. Habt jhr nie gesehen/ daß den todten + + +

    [Druckausgabe S. 558]
    die haare vndt nägel gewachsen sindt/ sonderlich den jenigen die Jupiter abwäscht/ Apollo salbet vndt trucknet. Welchen/ fragt Ve- nator? Den gehangenen/ meine ich/ spricht [47] Buchner/ denen die geister plötzlich vmbzwenget vndt zuegeknüpfft werden. Hier- von nun kan man mehrentheils natürliche vrsachen geben: daß aber der menschen seelen sich in gestalt der verblichenen leiber sehen laßen/ ist dermaßen klar/ daß es keiner laugnen kan/ der gleich noch weniger als jhr glaubet. Doch wollen wir den birg- mann Rübezal in diese zahl nicht setzen: dann angesehen daß er durch zauberey geruffen wirdt/ so muß er weder eine frome/ noch eine verdammte seele sein; weil sie beyde biß zue seiner zeit vnter der handt des Gottes aller götter sindt/ der sich mitt beschwerun- gen nicht zwingen leßt. So muß es dann der teuffel sein/ fang ich an. Recht so; sagt Buchner: er ists leibhafftig; wiewol nicht alles baldt der teuffel ist/ worfür man sich sonderlich bey nachte zue entsetzen pfleget. Natürlich sindt die flammen oder irrwische vmb die gesümpffe; natürlich die dünste/ so offtmals in der höhe wie menschen/ wie thiere vndt andere sachen herumb wandern; na- türlich in den leibern/ sonderlich gewißen frawenzimmers/ das seltzame kurren/ zischen/ krehen/ bellen/ das nach gestalt der sa- chen vndt gänge von der durchdringenden lufft also geartet wirdt/ vndt vnerfahrenen ärtzten eine nase zue drehen pflegt; vndt was dergleichen mehr ist.

    Wo bleiben dann die säuffer/ sagt Venator/ die so vngewisser augen/ vnstetigen ganges/ vndt seltzamer einbildungen sindt? Wann sie den kopff fallen laßen/ so kömpt es jhnen bißweilen für sie versincken; vndt wann die stube ein radt mitt jhnen macht/ so legen sie sich nieder/ vndt erwischen mitt beyden händen den bo- den: baldt erhebt sich ein sturm in jhren ohren/ daß sie meinen sie sindt zur see/ vndt schawen wie weit es noch zue lande ist; springen wol über jhren eigenen schatten/ vndt sehen jhn für einen graben/ eine katze für einen löwen an; in summa/ schlaffen wachende/ + + + + +

    [Druckausgabe S. 559]
    vndt [48] fechten schlaffende; schreyen nach pflastern/ vndt wol- len sich verbinden laßen.Sachanmerkung

    Auff diese weise wirdt mancher bezaubert/ sagt Buchner: aber ohn schertz/ jhr brüder/ von andern gespenstern redet die gantze welt/ vndt von diesem viel leute die hierumb wohnen; die jhn zue weilen in form eines schönen roßes/ einer kröten/ eines rabens/ einer nachteule/ eines bergmännlins/ eines mönches vndt derglei- chen gesehen haben. Eines mönches? sagt Venator. Warumb nicht/ giebt Buchner zur antwort? Pflegt sich nicht der teuffel in einen engel des liechts zue verkehren/ vndt hast du nie gehört/ daß er dem heiligen Martin in gestalt des Heilandes der welt erschie- nen sey?Sachanmerkung Muß er dann eben/ spricht Nüßler/ vmb diese felsen vnd tunckele hölen seinen wohnplatz haben? Er ist/ antwortet Buchner/ ein Vater der trawrigkeit/ vndt bezeuget solches mitt den einöden trawrigen örtern/ da er zue nisten pfleget. Vieleicht wil er jhm hierdurch ein größer ansehen machen/ fange ich an/ weil jhm nicht vnwißendt/ daß der so über vns ist an den stillen vndt einfaltigen orten mitt einfaltigem hertzen vndt ruhigem gewi- ßen von allen zeiten her hatt wollen geehret sein. Solches begehr- ten die vngöttlichen götter/ Rübezales gleichen/ daß man jhnen nicht weniger erzeigen solte; wie dann die alten nicht so sehr hel- ffenbeinerne vndt güldene bilder/ als dicke püsche vndt das ge- heime stillschweigen darinnen angebetet/ ja wälder/ wiesen vndt see geheiliget/ vndt sie mitt namen der götter genennt haben. Die Dacier auch berge/ hebt Buchner an. Freylich/ sage ich/ berge/ vndt die jenigen so einen schein der göttligkeit zue erlangen sich darein verborgen/ als ZamolxesSachanmerkung vndt andere. Ich meinte/ sagt Venator/ du würdest vns dergleichen in deinen weitleufftigen be- richten von den DaciernSachanmerkung außführlich machen. Zwar ich weiß [49] nicht/ ob es mir wie jenen bergen gehen möchte/ gebe ich zur + + + +

    [Druckausgabe S. 560]
    antwort/ die nach langem geberen eine mauß zur welt brachten:Sachanmerkung wie ich mich aber anietzo mitt meinem zuestande vndt der zeit gelegenheit genungsam geschützt zue sein befinde/ so hoffe ich/ soll ich leben/ ich wil erweisen/ daß ein hirte mehr als weiden/ vndt ein Poet mehr als lügen kan.

    Vnter wehrendem reden/ als wir zwischen der trennung zweyer hügel/ dahin wir vns durch hecken vndt gestäude mehr einen weg gemacht/ als gefunden hatten/ gerichts eingiengen/ erblickten wir hinter den birckenbäwmen vnd eichen eine grüne wiese/ auff wel- cher von einem andern orte her ein altes weib/ mitt grawem haupte/ zitterndem gange/ krummen rücken vndt einem korbe darauff/ fast gekrochen kam. Wir winckten einander/ vndt legten vns vnvermerckt in die sträuche nieder/ zue erfahren was die red- liche muter guetes machen würde. Sie war fast in die mitten an einen Scheideweg zweyer engen stege kommen/ da ließ sie jhre geflickte schauben fallen/ striech die hägeren armen auff/ vndt fieng mitt klingender stimme also an zue ruffen:

    Ist dann kein mittel nicht zue zwingen den gesellen
    Der eine jungfraw fleucht? soll dann das heil der höllen
    Erst sein herfür gesucht? es muß ja sonsten mir
    Gehorchen was die welt in see/ in lufft vndt hier
    5 In jhrer schoß verbirgt: die sternen mußen schwitzen;
    Der monde stille stehn/ vndt seinen wagen stützen;
    Der Nortwindt legt den sturm zue meinen füßen hin;
    Der sommer schneyet mir: es machen wo ich bin
    Die todten sich herzue; auff mein geheiße gehen
    10 Die starcken eichen fort; die flüße bleiben stehen;
    Die klippen sencken sich; die saate reiffet nicht;
    Die thäler steigen auff; der schlangen leib zerbricht;

    [50]
    Die löwen werden zahm. was gilt ich wil was finden/
    Den wilden tigersinn genungsam zue entzünden!

    Sachanmerkung +
    [Druckausgabe S. 561]

    15 Du dreykopff/ HecateSachanmerkung/ die älter ist als ich;
    Du geist der diesen berg beherrschet höre mich;
    O Pluto/ komm herauff; ich achte nicht der sachen
    Die meines alters volck zue langsam reicher machen;
    Ich suche nicht metall/ nicht jaspis/ nicht demant;
    20 Ein fester hertz’ als er soll werden vmbgewandt.
    Dieweil kein krötenblut/ noch drummel in den rhoren/
    Noch federn so die eul hatt vmb ein grab verlohren/
    Noch heiße pferdebrunst/ kein westerhembde nicht/
    Kein nagelSachanmerkung von der handt/ kein haar/ kein blut/ kein liecht
    25 Zue rhaten deiner trew/ o jungfraw/ derer schmertzen/
    Wie hart’ vndt raw ich bin/ mir dringen selbst zue hertzen/
    Bey jhm verfangen wil/ vndt ich vmbsonst gethan
    Was menschen klugheit weiß/ so helffe was da kan.


    Der glantz des himmels die Sonne/ welche/ wie wir auß vnserem schatten abnemen kundten/ den tag biß über die helffte gebracht hatte/ schiene für schrecken zue erbleichen/ kein geflügel hörte man singen/ es regte sich nichts als das zittern der bäwme/ vndt wir selber zweiffelten welches sicherer were/ zue lauffen oder zue bleiben. Sie zohe den lincken schuch auß/ nam ein tuch über den kopff/ kehrte sich zwey mal gegen morgen/ vndt zwey mal gegen Niedergang/ grub mitt einer sichel ein loch in die erden/ vndt machte darauff einen zirckel vmb sich her/ murmelte auch eine gute weile eines vndt anders was wir nicht verstehen kundten. Hiernach brachte sie auß jhrem korbe allerhandt kräuter/ welche Sachanmerkung +

    [Druckausgabe S. 562]
    sie vermutlich bey vollem mondenscheine vndt für auffgange der Sonnen/ auch sonst zue gewißen jhareszeiten mitt der lincken handt eingelesen hatte/ mengete etzliche steinlein/ wie auch ge- beine von den todten darzue/ vndt rhürete mitt einer ruten alles durch [51] einander. Also legte sie es auff wacholterholtz vndt ei- senkraut/ darbey vngebrauchter schwefel vndt weyrauch war/ zündete es auff/ vndt wie der loh in die höhe schlug/ redete sie folgende worte:

    So mußen gleichfalls auch deßelbten sinnen brennen/ Der von sich selbst nicht wil den trewen sinn erkennen.Sachanmerkung

    Ferner knüpffte sie einen haarlocken vmb drey federn von vngleicher farben/ vndt sprach:

    Diß sindt die federn hier so ich zue diesem wesen/ Auß dreyen nestern zwar/ vmb mitternacht erlesen Vom vogel den ich weiß; diß ist sein eignes haar Das bey dem lincken ohr’ ein falsches zeichen war Der liebe die er fleucht: die feder leßt das fliegen; Sein haar wirdt jetzt ein bandt; er soll mir auch erliegen.

    Auff diß sprützete sie drey mal in jhre schoß/ nam ein bildlein von jungfrawenwachse in die handt/ beraucherte daßelbte/ bandt jhm drey wöllene faden von dreyerley farben vmb den halß/ vndt sagte:

    Vngrad’ ist den göttern lieb; dreymal ist er auch gebunden; Dreyer farben faden sindt vmb den harten halß gewunden.

    Vnter solcher rede stach sie mitt einer langen nadel drey mal hinein/ vndt fieng an:

    Also geh’ es auch dem hertzen Das ein weibes bildt darff schertzen.
    + + + + +
    [Druckausgabe S. 563]

    warff es hierüber in das fewer mitt diesem worte:

    Wie das reine wachs muß rinnen/ Soll jhm schmeltzen muth vndt sinnen.

    Nach dem nun alles nieder gebrennet war/ grieff sie auff die erden/ warff die asche drey mal über den kopff/ sahe nicht hinter sich/ vndt hub wie erstlich mitt verbrochenen worten an zue mur- meln. Sie hatte jhre schreckliche beschwerungen in dem maule herumb zue werffen nicht recht angefangen/ als sich ein mächtiges [52] wetter/ schloß/ hagel vndt krachen erregete.Sachanmerkung

    Das liecht wardt schwartze nacht; der himmel lieff zuesammen In dickes finsterniß; die wolcken gaben flammen Vndt eilten hefftig fort; man sahe keinen tag Als wann der grimme plitz durch einen donnerschlag Vorher gesendet kam; der winde starckes prausen Bewegte waldt vndt berg mitt seinem wilden sausen; Die lufft wardt lauter see; der höllen gantzes reich Erregte seine krafft; die bäwme wurden bleich;

    vndt was mich das schrecken noch jetzo nicht erzehlen leßt. Ich/ wie ich zuevor am letzten mich niederlegen/ vndt dieser vierdten Furie zuehören wollen; also war ich der erste so von dannen vndt auff die nechste straße zue lieff. Die andern kamen hernach ge- rennet/ vndt hatten mitt dem athem auch fast die sprache verloh- ren/ wolten den blättern der espen so vmbher stunden am zittern nichts bevor geben. Eine seltzame sache: es stundt der hügel/ auff dem wir vns damals befunden/ so ferren nicht von dem vorigen orte/ dennoch blickte vns die Sonne mitt so einem gnädigen auge an/ vndt das graß vmbher war dermaßen trucken/ daß wir leicht verstehen kundten/ wie der teuffel nicht allenthalben zue gebieten + + + + + + Sachanmerkung + +

    [Druckausgabe S. 564]
    hatt; vndt also in dem grünen ein wenig rhue zue nemen veranlaßt worden.

    Als wir nun beydes von dem verlauffe ietziger schrecklichen künste/ vndt sonsten diesem vndt jenem vnterredung hielten/ ge- fiel vns die landtart gegenüber liegenden KönigreichesSachanmerkung sonder- lich/ als deßen ebene von dem gemach vndt gemach auffsteigen- den gebirge gleich wie von einem krantze vmbgeben ist/ vndt daß außsehen eines künstlichen schawplatzes hatt/ darinnen etwan die alten jhre spiele zue zeigen gewohnt gewesen. Hierüber dann meine drey mitgesellen/ in erwegung ietziger betrübter läufften/ auff folgendes hirtenliedt oder gesprecheSachanmerkung geriehten.

    [53]

    Venator.

    Ist jenes dann das feldt/ liegt dahinein das landt/
    Wo vnlengst eine glut so hoch ist auffgebrandt/
    Darvon wir schäffer auch bey vnserm klaren Reine/
    Sindt worden angesteckt? wir saßen vor im weine/
    5 Das vieh gieng in das graß biß an den bauch hinein;
    Jetzt sehen wir den krieg für schaffe/ blut für wein.


    Buchner.

    Hatt diß gebirge dann den namen von den riesen?
    Entspringt mein LandesstromSachanmerkung vmb diese schöne wiesen?
    Du suchst dir ja den weg zur MuldeSachanmerkung gar zur weit/
    10 Vndt hast auß jhr geschöpfft/ o Elbe/ noth vndt streit.


    Nüßler.

    Diß ist der Böhmerwaldt/ das heißen die Sudeten;
    Wie hoch sie aber gehn/ so sindt doch angst vndt nöthen
    Geflogen vber sie. du hast nur vnser landt
    Vergebens/ o natur/ von diesem abgetrannt.


    + Sachanmerkung
    [Druckausgabe S. 565]

    Venator.

    15 Wer hette diß gedacht! noch ist es so weit kommen/
    Ein frembdes glücke hatt den Neckar eingenommen/
    Sampt vnser hirtentrifft/ vndt mich hinweg gejagt
    Von deßen bühels rhue wo JetteSachanmerkung wargesagt.


    Buchner.

    Ich hette doch vermeint/ es solte ja dein singen/
    15 Dein edler schäffer thon/ dir gunst vndt liebe bringen/
    Vndt freye sicherheit.


    Nüßler.

    der Musen seiten spiel/
    Es sey so guet es kan/ schafft eben also viel
    Bey einer heereskrafft/ als etwan eine taube
    Für einem adler gilt der außfleugt nach dem raube.Sachanmerkung


    Venator.

    [54]

    Es istSachanmerkung ein berg bey vns/ vom Neckar nicht sehr weit/
    26 Der heißt der königstul/ da hatt zue mancher zeit/
    Von einer eichen her/ die schildtkraeSachanmerkung angekündet
    Was eben ietzt mein landt (nicht ietzt mein landt) empfindet:
    Sie hatt vns wol gesagt: jhr schäffer/ seht euch für:
    30 Nun milckt man vnser vieh auff eine stunde zwier;Sachanmerkung
    Die euter werden schlaff.


    Buchner.

    es bleibet nichts bestehen
    In dieser gantzen welt: muß doch zue rüste gehen/
    So offt es abendt wirdt/ der schöne himmelsschildt.

    + + + + +
    [Druckausgabe S. 566]

    Nüßler.

    Wo häuser sindt war feldt: es leufft viel mal ein wildt/
    35 Da etwan für der zeit ist eine Stadt gewesen.


    Venator.

    Das obst ist abgerupfft/ der reiffe wein gelesen;
    Die eicheln fallen selbst; die zarten bircken hier/
    Die fichten laßen gehn jhr laub die grüne ziehr.


    Buchner.

    Die blumen werden welck/ die weide muß verterben.


    Nüßler.

    40 Man schlacht’ es oder nicht/ so muß das vieh doch sterben.


    Venator.

    Den leichten vögeln wirdt jhr leben gar nicht schwer;
    Sie fischen in der lufft gesichert hin vndt her/
    Vndt können stets daheim vndt in dem jhren reisen;
    Ein quell giebt jhnen tranck/ der pusch vndt acker speisen;
    45 Doch mußen sie dar von.


    Buchner.

    der rawen kälte zeit
    Die dringt vns auff den halß


    Nüßler.

    [55]

    wann alles überschneyt
    Vndt zuegewintert ist/ so kömpt der früling wieder.

    Venator.

    Dann hört man durch die lufft der vögel schöne lieder.


    Buchner.

    Das vieh verleßt den stall.


    Nüßler.

    die weide wirdt verjüngt:


    + + + +
    [Druckausgabe S. 567]

    Venator.

    50 Die blumen finden sich.


    Buchner.

    Cibelens fichteSachanmerkung bringt
    Ein newes laub herfür.


    Nüßler.

    die frome birckeSachanmerkung blühet.


    Venator.

    Die eiche schlaget auß.

    Buchner.

    der süße weinstock siehet
    Sich nach den augenSachanmerkung vmb


    Nüßler.

    der obstbawm zeucht sein kleidt
    Die blätter wieder an.

    Venator.

    das stadtvolck ist erfrewt.


    Buchner.

    55 Das dorff geht auff das feldt.


    Nüßler.

    so laßt vns dem vertrawen
    Der dorff stadt/ obst vndt wein/ der bäwme/ feldt vndt awen/
    Der vieh vndt vögel hegt; sein werther Sonnenschein
    Wirdt nach der strengen lufft vns desto lieber sein.

    [Druckausgabe S. 568]

    [56] Diß hirtengetichte ermunterte mich/ nicht gar leer auß zue gehen: damit ich aber nicht auß meiner alten gewohnheit schritte/ fieng ich also an zue singen:

    Meine frewde die mich bindet
    Ist der list vndt kräuter frey:
    Zwar sie hatt mich angezündet/
    Doch ohn all Zauberey:
    5 Daß mein sinn sich jhr ergiebt/
    Kömpt daher weil sie mich liebt.


    Diese Circe hatt beysammen
    Ihrer augen plitz vndt glantz/
    Des gesichtes helle flammen
    10 Das mir meines nicht leßt gantz;
    Ihre wörter die sie weiß
    Nemen aller kunst den preiß.


    Ihre ziehr darff nichts begehren
    Was man sonst zue hülffe rufft/
    15 Darff den monden nicht beschweren/
    Rhat nicht suchen bey der lufft:
    Lufft vndt monden darff nicht sein/
    Wo schon ist jhr tageschein.


    Welchem nicht zue hertzen steigen
    20 Dieser wangen milch vndt blut/
    Dieses reden/ dieses schweigen/
    Diese jugendt/ dieser muth
    Der mir meinen muth zerbricht/
    Den bekehrt kein Zaubern nicht.


    Hiernach stunden wir auff/ vndt wanderten allgemach durch die gefilde vndt wiesen dißeits vndt nach mitternacht zue/ wo wir erst- lich hiesiger orte einander angetroffen. Im herunter steigen sahen wir zwischen den felsen vndt hügeln drey tieffe thäler/ darin- [57] nen der schnee/ welcher niemals ab zue gehen pflegt/ vns der- massen in die augen gläntzte/ daß wir gleichsam darvon geblendet wurden. Wir gerhieten auch an einem heckichten vndt wüsten orte zue einem see/ deßen schwartzes vndt finsteres waßer/ darin- nen weder fisch noch geflügel gespüret wardt/ vns fast ein grausen + + +

    [Druckausgabe S. 569]
    verursachte. Kurtz darauff giengen wir durch ein lustiges püsch- lein/ deßen gelegenheit/ wegen der nähe noch eines andern kleine- ren sees/ der grünen bäwme/ berg ab rauschenden bäche/ vndt sonderlichen anmutigkeit eine herbrige der Waldtnimfen/ eine rhue der hirten/ eine gelehrte entweichung der Poeten/ ein spat- zierplatz der liebhabenden gemüter zue sein schiene: wie wir dann an den stämmen der hohen bäwme vnterschiedene gedancken vndt tichtungen sinnreicher geister eingeschnitten funden. Wir kundten vns mitt lesen kaum sättigen/ vndt zwar schiene sich nichts beßer zue reimen als die vngereimte folgende

    Sechstine.Sachanmerkung

    Wo ist mein auffenthalt/ mein trost vndt schönes liecht?
    Der trübe winter kömpt/ die nacht verkürtzt den tag:
    Ich irre gantz betrübt vmb diesen öden waldt:
    Doch were gleich ietzt lentz/ vndt tag ohn alle nacht/
    5 Vndt hett’ ich für den waldt die lust der gantzen welt/
    Was ist welt tag vndt lentz/ wo nicht ist meine ziehr?

    Ein schönes frisches quell giebt blumen jhre ziehr/
    Dem starcken adler ist nichts liebers als das liecht/
    Die süße nachtigal singt frölich auff den tag/
    10 Die lerche suchet korn/ die ringeltaube waldt/
    Der reiger einen teich/ die eule trübe nacht;
    Mein Lieb/ ich suche dich für allem auff der welt.

    So lange bist du mir das liebste von der welt/
    So lange Pales hegt der grünen weide ziehr/

    [58]
    So lange Lucifer entdeckt das klare liecht/
    16 So lange Titans glantz bescheint den hellen tag/
    So lange Bacchus liebt den wein/ vndt Pan den waldt/
    So lange Cynthia vns leuchtet bey der nacht.

    Die schnelle hindinnSachanmerkung sucht den hirschen in der nacht/
    20 Was schwimmt/ vndt geht/ vndt kreucht liebt durch die gantze welt/
    Die grimme wölffinn schätzt den wolff für jhre ziehr/
    Die sternen leihen vns zum lieben selbst jhr liecht;

    + + +
    [Druckausgabe S. 570]

    Ich aber gehe nun allhier schon manchen tag/
    O Schwester/ ohne dich durch berge/ wildt vndt waldt.

    25 Was ist wo du nicht bist? so viel der kühle waldt
    Ein sandtfeldt übertrifft/ der morgen für der nacht
    Vns angenemer ist/ der mahler dieser welt
    Der lentz für winterlufft/ so viel ist deine ziehr/
    Die Schönheit/ diese lust mir lieber/ o mein liecht/
    30 Als das so weit vndt breit bestralt wirdt durch den tag.

    Der trost erquickt mich doch es komme fast der tag/
    Da ich nicht werde mehr bewohnen berg vndt waldt/
    Da deine gegenwart/ vndt die gewündtschte nacht
    Der trew noch lohnen soll: in deßen wirdt die welt
    35 Vergeßen jhrer selbst/ eh’ als ich deiner ziehr/
    Mein höchster auffenthalt/ mein trost vndt schönes liecht.

    Laß wachsen/ edler waldt/ mitt dir mein trewes liecht/
    Die liebste von der welt; es schade deiner ziehr/
    O bawm/ kein heißer tag/ vndt keine kalte nacht.


    Die andern drey lobten das

    Sonnet
    über die augen der Astree.
    Sachanmerkung

    Diß sindt die augen: was? die götter; sie gewinnen
    Der helden krafft vndt muth mitt jhrer schönheit macht:
    Nicht götter; himmel mehr; dann jhrer farbe pracht
    4 Ist himmelblaw/ jhr lauff ist über menschen sinnen:

    [59]
    Nicht himmel; sonnen selbst/ die also blenden können
    Daß wir vmb mittagszeit nur sehen lauter nacht:
    Nicht sonnen; sondern plitz/ der schnell vndt vnbedacht
    Herab schlegt wann es ie zue donnern wil beginnen.
    Doch keines: götter nicht/ die böses nie begehen;
    10 Nicht himmel/ dann der lauff des himmels wancket nicht;
    Nicht sonnen/ dann es ist nur einer Sonne liecht;
    Plitz auch nicht/ weil kein plitz so lange kan bestehen:
    Jedennoch siehet sie des volckes blinder wahn
    Für himmel/ sonnen/ plitz vndt götter selber an.

    [Druckausgabe S. 571]

    Die vnterschrifft war: Der vnwürdig GekrönteSachanmerkung zue ehren dem Nutzbaren.Sachanmerkung Daher wir abnemen kundten/ daß es auff personen auß dem edelen mittel der vnsterblichen Fruchtbringenden Ge- sellschafft gemeinet were. Ob wir nun gleich des kletterns vndt steigens halben fast müde waren/ schätzten wir doch den gang von dieser lust wol bezahlt zue sein; namen vns aber für/ nunmehr ohn vmbschweiff gerichts ein zue gehen/ vndt den tag mitt besichti- gung des warmen brunnens/ deßen vrsprung vns von der holdtseli- gen Hercinie erzehlt worden/ zue beschließen. Vnter weges hiel- ten wir allerhandt gespreche/ von der miltreichen versehung vndt güte Gottes/ deßen gnädigste außtheilung ein landt mitt dieser/ das andere mitt jener eigenschafft vndt güte begabet hatt.

    Hier wächset gerne korn/ da obst/ vndt dorte wein/ Sabéa schickt geruch/ der Inde helffenbein;Sachanmerkung

    sagte Nüßler. Sonderlich/ fieng Buchner an/ hatt sich die magdt des Höchsten/ die gütige natur/ an der see/ den flüßen vnd quellen außgelaßen/ vndt ihr bestes meisterstück erwiesen. Das meer ist ein stetswehrender gefährte des Mondens/ wächst mitt ihm auff/ vndt wirdt auch mitt jhm alt: des waßers gaben aber sindt so viel- fältig/ daß es vom Thales das stärckste element/ aller [60] dinge vrsprung/ eine geseelete welt/ die voller geister sey/ ist genennt worden.Sachanmerkung In Beotien sollen zwey flüße sein/ deren einer alle schaffe so darauß trincken schwartz/ der andere weiß macht.Sachanmerkung In + + + + + + +

    [Druckausgabe S. 572]
    der stadt Garamant soll der brunnen DubrisSachanmerkung des tages zehen mal eißkalt/ vndt des nachts zehen mal siedendt heiß sein. In der Lari- nensischen gegendtSachanmerkung sindt zwey brunnen nahe beysammen/ von denen der eine alles in sich schluckt/ der andere alles außwirfft. Welcher auß dem Clitorischen brunnenSachanmerkung trincket/ soll auch den wein nur nicht riechen können. In Teno ist ein quellSachanmerkung/ deßen was- ser sich vnter keinen wein mengen leßt; vndt ich möchte leiden/ daß alle wäßer dieser art weren.

    Man sagt von einem brunnen in vnserm Deutschlande/ daß wann iemandt eine henne hinein steckt die er mitt guetem titul bekommen/ so sollen jhr die federn stracks gebrühet werden vndt abgehen; hatt er sie aber gestolen/ so bleibt sie wie sie zuevor ge- wesen.Sachanmerkung Vnsere reiseleute auß Italien wißen von den zweyen brunnen zue sagen/ in deren einem ein hundt stracks sterben/ in dem andern baldt wiederumb lebendig werden soll.Sachanmerkung In Schott- landt soll sich ein waßer in stein verwandeln. Das habe ich/ fieng ich an/ im ZipsSachanmerkung an etlichen brunnen mitt meinen augen gesehen. Doch ist mir noch seltzamer fürkommen die pfütze oder das see bey ThordaSachanmerkung in Siebenbürgen/ welches/ ob es zwar von vnglaubli- + + + +

    [Druckausgabe S. 573]
    cher tieffe ist/ dennoch keinen menschen vntersincken leßt/ er kan schwimmen oder nicht.

    Dieses sindt kunstwäßer/ sagte Nüßler/ derer eigenschafften auch jhrer natürlichen vrsachen sonder zweiffel nicht mangeln/ wiewol sie bey einem leichter zue ergründen sindt als bey dem andern; aber dennoch kommen sie der fabel des elendes dem menschen also nicht zue staten wie andere/ denen die Göttinn Hi- giaSachanmerkung vndt die [61] heilsamen Nimfen eine solche krafft vndt art eingepflantzet/ welche nutzbarkeit vndt fromen bringt. Auß denen auch ist das liebliche augenquell bey Cicerons Mayerguete so Aca- demie geheißen/ darvon sein frey gelaßener Laurea Tullius fast deßen innhalts geschrieben:Sachanmerkung

    Du Hochberedter mann/ dem Rom muß schuldig sein
    Die freyheit/ vndt sich selbst/ vndt alle sein Latein/
    Der waldt hier der durch dich in newen baw ist kommen/
    Diß Vorwerg wo du dir zue schreiben fürgenommen/
    5 Zue suchen deine rhue/ ist schöner als zuevor:
    Vndt diß noch nicht genug; es springt ein quell empor/
    Ein newes wunderquell/ das vnter andern sachen
    Ein blödes angesicht kan klar vndt lauter machen.
    Der ort/ o Cicero/ thut dieses alles dir/
    10 Der edle brunnen quillt nur wegen dein herfür:
    Dann weil man weit vndt breit dich lesen wirdt auff erden/
    So muß das waßer auch der augen artzney werden.


    Zur Schmelnitz/ fieng ich an/ etzliche meilen von CaschawSachanmerkung wirdt das eisen durch ein quell innerhalb wenig stunden in schlich/ vndt dieser in kupffer verwandelt. Aber wir haben fast gewonnen; redte ich weiter. Schawet das feste schloß zur rechten handt auff dem hohen berge ist vorgemeldeter Kinast; dort hinein zur link- ken liegt die Kemnitz/ welche Ihr Gn. Herr Obrister Schaffgotsch mitt einem herrlichen hause vndt lustigen gebäwden nicht wenig geziehret hatt. Gleich für vns ist der Warme brunnen/ den wir vns + Sachanmerkung + +

    [Druckausgabe S. 574]
    zue besuchen fürgenommen. Ihr könnet auß der lustigen gelegen- heit des ortes/ wo nicht ferren so fruchtbare berge vndt hügel rin- ges herumb/ da zue nechst der ZackenSachanmerkung/ hier die grünen wiesen sich anmutig zeigen/ leichtlich absehen/ daß die natur diß heil- same waßer in so ein köstliches landt/ als einen fürnemen stein in [62] einen güldenen ring/ habe versetzen wollen. Von seiner art vndt eigenschafft laße ich die jenigen reden/ denen der geneigte Phebus die geschickligkeit solcher dinge verliehen hatt: es komme auch gleich diese wärme entweder von einem verborge- nen kalcksteine/ oder von dem durchdringenden zwange der winde/ oder von bestralung der Sonnen vndt des gestirnes/ oder von der schnellen fortschiessung vndt gähem abfall/ oder von dem heimlichen fewer des erdtreichs darüber das waßer lauffen muß/ oder von andern vrsachen her; so geben doch die kräfftigen vndt heilsamen wirckungen/ daß es der gesundtheit des menschen (wel- cher wegen auch so viel blumen vndt kräuter wachsen mußen/ da wir jhr doch mitt einem einigen gewächseSachanmerkung am meisten schaden) fürnemlich zum besten geschehe. Taug diß waßer wol zue trincken/ sagte Venator. Des erdtbeches/ saltzes vndt schwefels halben den es führet/ ist der geschmack etwas wiederwertig/ gab ich zur antwort/ auch den augen nicht allermaßen dienstlich. Die jenigen aber/ welche sich etwan an vnreinen weibesbildern verbrennt ha- ben/ wil es gar nicht leiden: vndt melancholischen oder choleri- schen leuten bringt es mehr schaden als fromen.

    Du bist/ fieng Buchner zue mir an/ dieser orten nicht vnbekandt. Freylich nicht/ sagte ich; ich habe mich vor etzlichen jharen bey einer hochansehlichen gesellschafft zwey monat vber allhier zim- lich wol befundenSachanmerkung/ vndt nicht allein das leben des stattli- + + +

    [Druckausgabe S. 575]
    chen kriegesheldens Seyfriedens von Promnitz/ darvon Venator ein vrtheil zue fellen pfleget deßen meine wißenschafft nicht wür- dig istSachanmerkung/ sondern auch vnterschiedene getichte/ mehrentheils aber in dem wäldichinn an dem vfer dort oben/ das nechst dem stege ist/ auffgesetzt:Sachanmerkung daß ich also erfahren/ wie auch vnsere Musen bey den zarten Najaden nicht vnangenem sindt.

    [63] Vnter wehrendem gespreche kamen wir durch daß dorff an den brunnen von dem wir reden; betrachteten die newe art des bawes/ der seiner runde vndt anderer weise halben einem heidni- schen tempelSachanmerkung nicht vngleich sahe/ inwendig aber mitt gemä- chern vndt stuben also eingetheilet war/ daß jhrer mehr zue sein schienen/ weder fast der raum des ortes solte leiden können. Mit- ten innen nun war das berhümbte quell selbstSachanmerkung/ daß im auffschie- ßen viel kleine blasen empor warff/ an der farbe aber helle/ durch- scheinendt vndt auff art eines weißen saffirs etwas bläwlicht an zue schawen war. Nach dem wir vns nun genungsam ersehen/ vndt an dem wunderwercke der natur augen vndt gemüte gesättigt hatten/ ehreten wir des glückseligen quelles halben die einheimischen Nimfen vndt waßergöttinnen dieses ortes/ des schönen bawes we- gen aber den Hochwolgebornen vndt werthen Helden Hansen Vlrichen von Schaffgotsch; zue deßen billichem lobe wir folgen- den innhalts tafelnSachanmerkung an die eußere wandt des edelen bawes auff + + + +

    [Druckausgabe S. 576]
    zue hencken/ bey vnserem abschiede/ welchen die nunmehr an- brechende Nacht verursachte/ sämptlich gelobeten.

    I.
    Nüßler.

    Hier wo das klare quell mitt einfalt war vmbringet/
    Das seiner adern krafft in vnsern adern regt/
    Vndt beydes sinnen trost vndt leibes wolfarth hegt/
    Hier wo jhr Najades in schlechter einfalt gienget/
    5 Vndt ewren jägerzeug an faule wände hienget/
    Ist worden vmb euch her ein newer grundt gelegt/
    Der jetzt das edle hauß zue ewren ehren tregt/
    Vndt der Natur auch selbst nicht wenig Schönheit bringet.

    [64]
    Diß hatt der heldt gethan dem dieses ort gehöret/
    10 Der seinen namen zwar mitt großen thaten mehret/
    Doch gleichwol wirdt von jhm nicht minder auff die noth
    Vndt lust der lebens zeit durch dieses werck geschawet.
    Fragt jhr/ warumb er es nach tempelsart gebawet?
    Er meint gesundtheit sey der siechen leute Gott.


    II.
    An Ihr Fürstliche Gnaden/
    Ihr Gn. Gemahlinn.
    Buchner.

    Solt ich das große lob/ den Königlichen schein/
    Die thaten vndt verdienst/ so von dem werthen stande/
    Der dich erzeuget hatt/ durch alle ferne lande
    Am liechten tage sindt/ recht preisen können? nein;
    5 Mir sey die faust dann stahl/ die feder demantstein/
    Die tinte hergeholt von dem gelehrten strande
    Der beym Parnaß entspringt: mein schiff bleibt an dem rande/
    Vndt leßt sich kühnlich nicht in solche wellen ein.
    Wann einer ferner auch die sitten/ den verstandt/
    10 Die tugendt so du hast/ der edlen gaben pfandt
    Die dir der himmel schenckt/ der gantzen welt wil zeigen/
    Muß höher gehn als ich/ wiewol Apollo mir
    Mitt milden handen reicht die leyer meine ziehr/
    Muß/ heldinn/ überauß wol singen oder schweigen.

    Sachanmerkung
    [Druckausgabe S. 577]

    III.
    Venator.

    Ihr Schwestern/ derer geist auff vns Poeten schwebet/
    Anietzt begehr ich nicht zue ewrem Helicon;

    [65]
    Ihr Waßernimfen kompt/ sucht einen süßen thon/
    Damit jhr deßen rhum der euch auch ziehrt erhebet.
    5 Ihm dancket daß jhr ietzt das quell noch schöner gebet/
    Seht jung auß wie jhr seidt/ besitzet einen thron
    Der schawens würdig ist/ da Venus vndt jhr Sohn/
    Vndt alle Gratien/ vndt rhue/ vndt frewde lebet.
    Du heldt/ dem dieses Badt von alters zuegehört/
    10 Du hast jhm seine ziehr durch deinen baw vermehrt/
    Drumb hebt ein weiser sinn dich billich hoch auff erden.
    Nach dem durch dein verdienst/ durch thaten/ durch verstandt/
    Dein Schuldner worden ist das gantze Vaterlandt/
    So muß das waßer auch von dir begabet werden.


    IIII.
    Opitz.

    Auff jhr klugen Pierinnen+/
    Laßet vns ein liedt beginnen
    Einem Helden der euch liebt/
    Der bey seinen schönen flüßen/
    5 Welche sich herumb ergießen/
    Vns auch eine stelle giebt.


    Weiß er gleich mitt rittersachen
    Ihm ein solches lob zue machen
    Das der alten namen gleicht/
    10 So erkennt er doch daß thaten
    In die lange nacht gerathen/
    Wann jhr nicht die hände reicht.


    Keine heereskrafft kan streiten
    Wieder die gewalt der zeiten;
    15

    [66]
    Das metall vndt eisen bricht;
    Kron vndt Zepter legt sich nieder;
    Aber ewre schöne lieder
    Wißen von dem tode nicht.


    Sachanmerkung
    [Druckausgabe S. 578]

    Herr/ wo sindt die strengen kriege
    20 Deiner Ahnen? jhre siege/
    Ihr verdienst liegt vnbeklagt.
    Was schon bleibet vnbesungen
    Von der schwestern weiser zungen/
    Wirdt nicht lange nachgesagt.


    25 Vnser Phebus muß es bringen/
    Vndt mitt grüner jugendt dringen
    Durch der eitelkeiten wahn/
    Phebus der mich angetrieben
    Daß ich diß von dir geschrieben
    30 Was des grabes lachen kan.

    Deine blüte/ deine wercke/
    Diese ritterliche stärcke
    Fühlet endtlich doch die zeit:
    Komm/ heldt/ friste dir das leben/
    35 Komm/ Thalia wirdt dir geben
    Einen krantz der ewigkeit.

    Sachanmerkung Sachanmerkung



    Zitierempfehlung:

    Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

    Zitierempfehlung der Druckausgabe:

    Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),