98
Sz 92
Dü 50. II
1628
Über das Leiden unseres Heilandes
Einzeldruck X: Martin Opitz | Vber das Leiden | vnd Sterben |
Vnseres Heilandes. | Hiebevor durch Ihn Lateinisch | herauß gege- ben.
| [Linie, 6,8 cm] | Gedruckt zum Brieg/ | In
Verlegung David Müllers/ Buch-| händlers in Breßlaw/1628.
12°: A–B Exemplare: Breslau: 8 V 1123a und 4 E 515/30 (= 355
092)
Gliederung: [A1] Titelblatt, Rückseite
unbedruckt. [A2a] Wid- mungsgedicht an Diederich von dem Werder. [A2b] Anfang des Tex- tes; größeres Initial-W; B8b Ende der Oratio, Spitzkolumne bis zur Hälfte des Blattes,
darunter kleines Ornament aus 3 Eicheln um (o) gruppiert. B9a bis B11b die drei Empfehlungsgedichte; B11b enthält nur die letzten drei Zeilen von Bundschuhs Sonett; unter dem Na- men ein rechteckiges Ornament von 1
× 2,7 cm. Bl. B12 ist unbe- druckt. Weder Seitenzählung noch
Kolumnentitel.
Ungewöhnlich ist die Plazierung der Empfehlungsgedichte am Ende. Vielleicht wollte
der Dichter auf diese Weise die Aufmerksam- keit des Lesers stärker auf das eigene
Widmungsgedicht lenken: Opitz hoffte auf von dem Werders Unterstützung bei der
Aufnahme in die Fruchtbringende Gesellschaft. Zincgrefs Gedicht wurde mit einer ganz geringen Änderung in Z. 1 aus
Nr. 41 übernommen, aber Venators wurde um 10 Zeilen gekürzt. Bundschuhs Sonett kam neu
[Druckausgabe S. 221]
hinzu
. Die
carmina commendaticia wurden in E nicht aufgenom- men. Druck Z enthält nur
Bundschuhs Sonett. Das Widmungsge- dicht dagegen nahm Opitz in C und
F auf und ließ es nochmals in E abdrucken.
Die Übersetzung paßte Opitz den veränderten Verhältnissen an, besonders am Ende.
Der Hinweis auf Friedrich V. wurde getilgt. Auch sonst wurden Änderungen vorgenommen:
das Ganze – 1620 noch ohne Paragrapheneinteilung – wurde nun auf 8 Absätze ver-
teilt.
Ein zweiter Druck, Y (Sz 90,3; Dü 50. II a), findet sich als S. 87–118 von Die Episteln der Sontage ..., Leipzig 1628, Werk Nr. 100. Gliederung wie folgt: Bl. H4a (= S. [87])
ganzseitiger Son- dertitel Martin Opitz | Vber das Leyden | vnd
Sterben | Vnsers Heylandes.; H4b (= S. [88]) unter einer Kopfleiste, 0,9
× 5,0 cm, mit Überschrift wie in X, das Widmungsgedicht an Werder; S. 89, unter einer Kopfleiste, 0,3 × 5,1 cm, und einer
Linie von 5 cm darunter, Kopftitel und Textbeginn. Der Text endet unten auf
Bl. L1a (= S. [118]) in Spitzkolumne. Bl. [L2] ist
unbedruckt. Keine Empfehlungsgedichte. Von S. 90/91 an lauten die aus einem
kleineren Schriftgrad gesetzten Kolumnentitel Vber das Leyden vnd Sterben ||
vnseres HErrn JEsu Christi. Von S. 92 an wird Leiden buchstabiert. Unter dem
Kolumnentitel jeweils eine Linie, 5 cm; Kolumnentitel und Linie fehlen auf der
letzten Seite, 118. Die Seitenzahlen stehen von S. 90 bis 117 l. und r. am oberen
Außen- rand; in der Mitte oben auf 89; sonst fehlen die Zahlen, doch sind die
Seiten in der Zählung berücksichtigt. Die Blattsignaturen stim- men; Kustoden
halten sich im Rahmen des handwerklich Üblichen; sie fehlen S. 87 und 88. Die
Schrift ist Garmond Fraktur, als Zitier- type dient der Schwabacher Schnitt
derselben. Vom unteren Drittel der S. 114 bis Ende ist für den Text ein kleinerer
Schriftgrad (Petit Fraktur) verwendet worden, dennoch lief der Text über den Bogen
K hinaus. Es fehlen in Y alle marginalen Angaben zu den Bibelstel-
[Druckausgabe S. 222]
len. Zu Anfang hat der Setzer den Kleinbuchstaben ü vermieden und v gesetzt;
später folgt er der Vorlage. Setzervarianten sind nicht im Apparat berücksichtigt
worden, z. B. Groß- gegenüber Klein- schreibung; Endungen wie geh(e)t;
gleichwertige Formen wie ge- nug: genung etc. Der so gut wie unveränderte Text ist
jetzt auf 11 Absätze verteilt worden.
In der Sammlung E, Geistliche Poëmata, 1638, nimmt das Werk
S. 313 (verdruckt als 314) bis 333 ein. Ganzseitiger Sondertitel: In der Mitte
über der ersten Zeile die falsche Seitenziffer 314, dann Martin
Opitz | Vber das Leyden vnd Ster- | ben vnsers Heylan- des: | In vngebundener
Rede. S. 314 bringt das Widmungsgedicht unter einer Kopfleiste von 0,7
× 7,3 cm. Auf S. 315, unter einer Kopfleiste, 0,3 × 7,4 cm, und dem
Kopftitel Vber das Leyden vnd Ster- | ben vnsers Heylands.
fängt der Text an; er endet im oberen Drittel der S. 333 in Spitzkolumne; darunter
ein Ornament: Engel- kopf mit Flügeln und Girlande, 3,0 × 3,6 cm.
Kolumnentitel von S. 316 bis 333 Vber das Leyden vnd Sterben || vnsers HErrn Jesu
Christi. Die Buchstabierung HErrn nur S. 317, 331 und 333, sonst Herrn.
An diesem Druck fällt die leicht veränderte Druckersprache auf: vermehrte
Interpunktion, andere Großschreibung, häufigere Be- nutzung von Großbuchstaben für
Bezeichnungen der Gottheit usw. Unterteilung des Textes ist auf 18 Absätze
angestiegen. Zincgrefs
und Venators Empfehlungsgedichte fehlen. Enttäuschend ist, daß die
biblischen Zitate nicht durch Zitiertype hervorgehoben noch am Rande identifiziert
wurden. Der Satz wurde nach Y hergestellt.
Beim dritten Einzeldruck, Z, handelt es sich um Sz 220/21; Dü 50.II b: Martin Opitz | Vber das Leiden | vnd Sterben | Vnseres Heylandes.
| Hiebevor durch Ihn Lateinisch | herauß gegeben/ vnd | anfänglich | Gedruckt zum
Brieg/ | [Linie] | M. DC. XXXIX.
12°: A–B Exemplar: Breslau
Das Titelblatt nennt weder Drucker noch Verleger noch Verlags- ort, sucht aber den
Eindruck zu erwecken, Z sei eine vollwertige
[Druckausgabe S. 223]
Neuauflage von X. Allerdings ist der Druck nach X hergestellt – der Leitfehler
(X Bl. A5
b)
gesegnet XZ:
begegnet YE beweist es –, nichtsdestoweniger ist Z ein
Raubdruck ohne jegliche Autorität. Eine kurze Beschreibung sollte genügen:
Widmungsgedicht auf der Rückseite des Titelblatts;
Zincgrefs und
Venators Empfehlungsge- dichte fehlen;
Bundschuhs steht auf Bl. 12
b; alle Angaben am
Rande wie X; durchgehend derselbe Schriftgrad; keine Auszeichnung der
Bibelzitate; alte Druckfehler beibehalten, neue kommen hinzu; Spitzkolumne mit
kleiner Verzierung am Ende des Textes, wie X; hinter Bundschuhs Sonett ein
horizontal betontes Kreuz statt des rechteckigen Ornaments in X. Wie bei X fehlen
Seitenzählung und Kolumnentitel.
In der Sammlung Opera Poetica, Breslau 1690, steht Über das Leiden Jesu Christi (mit dem
Widmungsgedicht an Werder) im 3. Teile (Geistliche Gedichte) S. 249–62.
Das Werk ist bei Bodmer und Breitinger auf S. 113–32 abge- druckt. In der Einleitung weisen die
Schweizer darauf hin, daß Opitz möglicherweise durch eine von Daniel
Heinsius gehaltene Rede zu seiner Oratio angeregt worden war. Es
handelt sich um die Homilia In cruentem Christi sacrificium sive
Domini Passsionem, gedruckt zu Leiden i. J. 1613, 36 S. in 4°, im selben
Jahr noch ins Französische, fünf Jahre später ins Englische übersetzt, und selbst-
verständlich in die gesammelten Orationes aufgenommen. In
der Tat lassen sich Parallelen zu Heinsius’ Rede feststellen, sowohl in der
Form wie in den Gedankengängen, doch loben Bodmer und Breitin- ger vor allem
Opitz’ originelle Behandlung des Stoffes.
Hugo Max hat sich S. 194–202 eingehender mit dieser Rede be- faßt,
ohne doch zu einem tieferen Verständnis durchzudringen. Er nennt sie »ein
Schulstück geistlicher Prosarede« (199) und vermißt darin »wahre Tiefe« und »echte
Innerlichkeit« (120). Der Proble- matik von Opitz’ Verhältnis zum christlichen
Offenbarungsglauben und deren sprachlicher Bewältigung mit humanistischen Mitteln
geht Paul
Böckmann nach in seinem wichtigen Aufsatz »Der Lobge- sang auf die
Geburt Jesu Christi ...«, Archiv für Religionsge- schichte
57 (1966), 182–207. Böckmann sieht in der Oratio Über das Leiden
und Sterben ... ein Gegenstück zum Lobgesang (1621)
und schließt (da er die lat. Urform nicht kannte, mit chronologi- scher
Verzerrung) Leiden und Sterben in seine Betrachtungen ein
(188f.).
[A2b]
[.2] Vber das Leiden vnd sterben vnseres
Heylandes.
WEnn die pein vnd schmertzen/ welche JEsus Christus Gottes Sohn
vnd GOtt selber/ Gott von sich/ Sohn vom Vater/ Gott für der zeit/ Mensch in der
zeit/ vmb vns vnd vmb vnserer seligkeit willen hat leiden wollen/ nicht mehr eine
andacht vnd danckbarkeit/ als
[Druckausgabe S. 225]
beredtsamkeit vnnd ziehrliche worte erforderten; so würde
ich durch meine wenigkeit vnd geringe übung im reden von meinem vorsatze
nicht vnbillich zurück gehalten. Bevorauß weil so viel hohe gemüter/ so viel
göttliche Helden/ so viel Lehrer vnd Liech- ter der Kirchen jhre gelehrte
frömigkeit allhier dermassen haben sehen lassen/ das allen denen so jhnen solches
nach zu thun ge- [A3a] dencken/ an stat ebenmässiger
geschickligkeit nichts als ein Christlicher eyfer übrig verblieben ist. Angesehen
aber das durch das geheimniß dieser vnerschöpfften liebe die Menschliche klug- heit allenthalben/ die Demut aber niemals verworffen wird: so wollen
wir/ weil wir dieser sache hoheit mit gedancken zue errei- chen nicht vermögen/
dennoch jhre ordnung mit Danckbarem hertzen betrachten/ vnd die Ehrerbietung an
stat der geschicklig- keit/ die Gottesfürchtige betrachtung an stat künstlicher
worte zu dem Leiden vnseres Heilandes bringen. Solches Leiden aber
ist weiter her zu suchen als von dem Kreutze/ welches viel mehr des- selben
ende/ als sein innhalt sol genennet werden: weil das gantze Leben Christi nichts
als Trübsal/ Elend/ armut vnd ein stetes leiden ist. Er verleßt erstlich den
Königlichen [A3b] Thron des Himmels/ vnd gehet
in das Elend ehe er gebohren wird.
Er wird gebohren in einer Hüten/ gelegt in eine Krippen/ wel-
chem doch die gantze Welt zugehörig ist. Das Vieh kömpt eher zu dem Kinde/ als
die jenigen vmb derer willen es kömpt.
Vnd nach dem er im stalle threnen vergossen/ so vergeußt er bald hernach blut im Tempel. Er ist noch ein Kind/ vnnd hat schon
Könige zu feinden. Als er aber anfengt zu Lehren/ was für wüten/ was für schmach
vnd neid erweckt er nicht wieder sich? Er zeiget den weg zum Himmel/ vnd wird ein
verführer geheissen; er/ GOtt selber/ pflantzet die erkendtniß Gottes/ vnnd ist
jhnen ein veräch- ter des Heiligthumbs. Er lehret die Gottesfurcht/ vnnd
ist ein Got- teslästerer; er verkündigt den Frieden/ vnnd muß ein [A4a] auff- wiegeler des Krieges sein: er nimpt weg die
Sünden der Welt/ vnd wird ein Sünder gescholten: er hilfft den wütenden/ vnd wird
für vnsinnig gehalten; treibet Teuffel auß/ vnd wird ein Teuffel genen- net: endlich worvon er andere erlöset/ dessen wird er bezüchtiget. Er
überhäuffet ein Wunderwerck mit dem andern: verwandelt
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[Druckausgabe S. 226]
Wasser in Wein/ zähmet die Winde/ zwinget seinen eigenen
hun- ger/ vnd damit er anderer Leute hunger erwehre so leßt er das Brodt
vnter den Zähnen wachsen vnnd die überbleibung grösser sein als das gantze
gewesen war. Er härtet die Wellen/ vnd geht mit truckenen Füssen überhin;
er fodert die Fische auß der See das sie für jhn Zolen müssen; er benimpt den
grünen Bäwmen jhren safft/ vnd giebt jhn den dürren händen wieder; er hilfft
denen die ge- fährlich siech liegen [A4b] mit einem
worte; er öffnet den Blinden jhre Augen/ den stummen jhre Zungen/ den Tauben jhre
Ohren; vnnd nach dem er Himmel/ Erde vnd See zu Zeugen seiner
Göttlig- keit gebraucht hat/ so geht er auch vnter die Erde/ vnd erweckt die
Todten/ damit nicht den Lebendigen allein von jhm geholffen würde. Er erweiset
allenthalben das er GOttes Sohn/ das er GOtt/ das er Messias sey/ auff welchen
sein erwehltes Volck von so langer zeit gewartet habe. Eben dieses
bezeuget die Natur auß allen din- gen.
Was thun sie aber? Das vnbefleckte Lamb dessen gedechtniß sie
so lange gefeyret/ den stern auß Jacob darvon Balaam verkündi- get/ die rute
Jesse/ welche mit der wurtzel an den abgrund der Erden/ mit dem wipffel an
den Himmel reichet/ den Vater seines Volckes kennen jhrer ein [A5a] grosses theil nicht; viel kennen jhn/ wollen jhn aber
nicht bekennen; die meisten aber sind williger jhm schmach/ spot vnd alles übel
an zu thun/ jhn endlich auch zu Creutzigen als zue erkennen. Nach so vielem
Elende endlich/ nach kummer/ nach durste/ hunger/ hitze vnd kälte war noch
etwas üb- rig; der Todt. Zu welchem letzten Leidens vermehrung des gant- zen
Menschlichen geschlechtes Sünden/ das schrecken des todes/ das wüten vnd die
macht der Hellen/ der hefftige Zorn des Vaters/ vnd solche angst zusammen kommen
ist/ dergleichen kein Mensch allein/ ja die Menschen sämptlich nicht
hetten ertragen können. Wie vielfältig/ wie hefftig nun diese straffen der
Göttlichen gerech- tigkeit sind/ das auch jhrer grösse keine qual im minsten zu
ver- gleichen ist/ so viel grösser ist vnseres Erlösers liebe vnd gü-
+
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[Druckausgabe S. 227]
[A5b] tigkeit gegen vns. Mit was
bestendigkeit/ langmut/ gedult vnd was sonsten für tugend der wiederwertigkeit
entgegen gesetzt ist/ gesegnet er bey seinen Jüngern/ die er seine Söhne
nennet/ zuvor ehe er den gang gehet den er allein vnd sonst niemand gehen kan? Er wäscht jhnen auch die füsse/ mit welchen sie nachmals lauffen.
Seinen vormals gefährten/ hernach verrhäter/ beklagt er. Damit er jhm auch die
müh jhn zu suchen erspare/ so macht er sich bey finsterer Nacht auff/ gehet über
den Bach/ eilet in den Garten darinnen er vor zu beten pflegte vnd nunmehr auch
über- geben werden soll/ bleibet daselbsten/ wachet als die Jünger
schlaffen/ stehet für dem Richterstule Gottes/ vnd als er für heff- tigkeit
seiner angst blut schwitzet/ dennoch fleucht er den Todt nicht den er
fürchtet.
[A6a] Als Judas kömpt mit solcher
falscheit die er von jhm sei- nem Lehrmeister nicht gelernet hatte/ vnd
mit Fackeln vnd Schwerdtern vmbgeben ist/ so geht er jhm entgegen/ heilet
dem Knechte den Petrus gehawen sein Ohr mit eben der hand welche der
vndanckbare alßbald bindet/ ergiebet sich den Soldaten die hefftiger erschrocken
als der gefangene/ vnd ertregt mit vnver- gleichlicher gedult seine bande.
Die Jünger so bey jhm waren wer- den zerstrewet wie die Schafe derer Hirte hinweg
ist; Johannes/ der auß der heiligen brust an welcher er beim Abendmal
gelegen vnerschöpffte geheimnisse Göttlicher gnaden empfangen/ er der
allerliebste/ der Adler in den Wolcken/ fengt kaum nicht an dar- von zu
fliegen. Der allerstärckste Apostel/ so zugleich sterben wolte/ kan jetzund nur
nicht zugleich für den Richter [A6b] gehen; bleibet in
dem Vorhofe/ verleugnet das heil der Welt mit dem munde darmit er das pfandt
seines heiles kurtz zuvor empfangen/ vnd kan auch für einer armen Thürhüterin
nicht stehen. Also/ Petre; wilt du Christum/ mit dem du vorhin nicht
wachen kund- test/ dessen Namen du auch jetzt nicht bekennen darffst/ biß
zum Tode begleiten? Jetzt siehest du/ das der so mit dem HErren leiden wil/
den willen habe/ vnd nicht das vermögen. Vnd ob du es schon
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[Druckausgabe S. 228]
köndtest thun; so were doch dein sterben kein sterben/ gegen
des jenigen sterben der für alle stirbet. Lerne nun/ vnd die hoffertigen von
dir/ wie nichtig das jenige sey was wir an vns rhümen/ wie Menschliche gewalt
weniger als nichts vermöge/ wie vorgeblich der sterblichen jhre kräfften
sind ohn dessen hülffe/ der ohn deine hülffe alles kan. So [A7a] stehet nun der hohe Priester des Menschlichen
geschlechtes für dem hohen Priester Caiphas/ von dessen Schweher Anna er erst
kommen war/ vnd bald zum Pilatus/ von jhm zum Herodes/ von diesem wieder zum
Pilatus gehen sol: damit die menge der Richter seiner vnschuld das
zeugniß/ welches jhm nachmals Himmel/ Sonne vnd Erde geben wird/ ablegen
müsse. Dem Judas/ den sein böses gewissen rasendt macht/ wird die gantze Welt zu
enge. Er erkennet das er mehr als seinen Lehr- meister verrhaten habe/ giebet den
Käuffern die bezahlung seines meineides wieder/ kömpt dem außgange seines
lasters mit dem stricke zuvor/ vnd wirfft den verdammten Geist mit dem
einge- weide herauß. Des Pilatus Weib mahnet jhn auß eingebung eines Trawmes
von dem vngerechten vrtheil ab. Er Pontius [A7b] höret
die klage an/ befindet daß das gesetze den vnschuldigen frey spricht
welchen der neidt verklaget/ vnd wüntschet/ damit er das Volck nicht beleidige/
ein laster auff jhn zu bringen; kan aber kei- nes finden. Was ist aber ärger/ was
ist vnbillicher als der Gottlose hauffen? können auch dergleichen worte vnd
schmach erdacht werden? Es ist über alle reden/ über alle gedancken/ was das vnsinnige Volck/ als ob es sich fürchtete etwas übels vnterwegen zu
lassen/ für grawsamkeit ertichtet vnd vollbringet. Den warhaffti-
Es. 53.39.
gen HErren/ die Warheit
selber/ der nichts übels gethan/ in des- sen Munde kein betrug gefunden worden/
drücken sie mit fal- schen Zeugnüssen vnd Lügen. Der verachteste Knecht giebt
dem HErren Himmels vnd Erden einen Backenstreich. Die elende-
[A8a]sten Menschen gebrauchen zu seiner verspottung
jhre vnglückselige Zungen/ verhüllen die Augen der Sonne der gerech-
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[Druckausgabe S. 229]
tigkeit/ speien in das Angesichte für dem die Wellen der See
geflo- hen sind/ werffen jhm ein Weisses Kleid vmb als ob sie die vnschuld
gezwungen bekennen müsten; verachten/ vnd verlachen jhn als er schweiget/ machen
den Barrabas/ der ein Mörder vnnd jhnen am besten ähnlich war/ auß hasse
des vnschuldigen vnschuldig/ vnd tragen über dieser vngerechtigkeit ein
sämptliches gefallen. Pila- tus auch/ nach dem er sich vergeblich darwieder
gelegt/ muß mit den wütenden vnsinnig sein/ vnd gehet mit jhm zum ärgsten
vmb/ in meinung es köndte noch ärger werden. Er verwundet das Haupt
den grund der vnerforschlichen Weißheit mit Dörnern/ peitzschet mit geisseln die
Himm-[A8b] lische seite/ giebet seinen blutigen
gliedmassen von dergleichen farbe ein kleid vmb; ob er den zorn der tobenden mit
diesem erbärmlichen spectackel begütigen möchte. Er aber ist als ein gedultiges
Lamb das zur schlacht-Hier. 11. 19.
banck geführet wird/ redet wieder seine beleidiger nicht
ein wort/ stützet seinen abgematteten fallenden Leib mit einem vnbe- wegten
Königlichen hertzen/ vnd ertregt gedultig alles das was er vns hat nachgelassen.
Nach dem nun Pontius alle andere straffen herfür gesucht/ führet er jhn/ der vol
striemen/ speichel vnd blut ist/ männiglich vnter augen/ vnnd; Schawet/
spricht er/ welch ein mensch. Was begehrt jhr mehr/ jhr Juden/ oder was wolt
jhr? Was wird ewrem zorne genung sein/ wann dieses nicht genung ist? Schawet
welch ein[A9a] Mensch/ der von der scheitel biß auff
die Fußsolen gemartert ist. Die ziehr der gestalt/ das haar/ ist mit blute
zusammen gebacken/ die stirne ist vol wunden von den Dör- nern/ das gesichte mit
speichel beflecket/ der rücken gestriemet vom geisseln/ die Lippen auffgelauffen
von Backenschlägen/ die hände blaw vnd gelbe von banden/ die füsse vermögen kaum
zu stehen/ vnd sein gantzer Leib ist nichts als eine wunde. Wann er
eines gantzen Volckes verbrechen allein begangen hette/ so köndte euch die
straffe welche jhr sehet genung sein. Schawet wie- derumb/ schawet ewer König/
jhr Hebreer; schawet welch ein
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[Druckausgabe S. 230]
Mensch; spricht er. Aber er kan auch mit diesen worten bey
den verblendeten gemütern nichts erhalten. Das wüten gehet weiter; es toben
die Obristen mit dem pöfel/ vnd begehren das er/ der [A9b] kaum noch athem holet/ vollends gecreutziget werde.
Nach so innstendiger vngestümigkeit heischet der Römer Was-
ser; wäscht die hände weil er das hertze nicht waschen kan/ vnd übergiebet den
König zu einem Knechtischen tode. Es wird weiter nicht gesäumet. Der gedultigste
Isaac nimpt sein Marterholtz/ wel- ches sie nur nicht anrhüren wolten/ auff sich/
leget sein Siegeszei- chen als ein Sieges Herr auff die schultern/ vnd
tregt das Creutze von dem er bald sol getragen werden. Damit er aber
vnterweges nicht vergehe/ zwinget das Volck den Simon die last auff sich zu
nemen/ vnnd den zerrissenen leib auff anwartung einer grösseren marter zu
erleichtern. Endlich überwindet der Erlöser des Menschlichen geschlechtes
diesen harten weg/ vnd steiget vnter der bürde deß gan- [A 10a] tzen Zornes des ewigen Vaters vnnd sei- nem Creutze an dem verfluchten
hügel Golgatha hinauf. Das Erdt- reich vmbher ist mit gebeinen/ Hirnschalen vnnd
knochen der hingerichteten erfüllet/ vnnd bleibet für der stinckichten Cörper menge kümmerlich platz fort zu gehen. Damit also in dem orte der
verurtheilten das Siegeszeichen der loßgesprochenen auffgerich- tet würde; vnnd
das man sehen könne/ er sterbe nicht allein für Adams/ sondern für der gantzen
Welt Sünde. Sie reichen jhm auch essig mit ysop vermischt zu trincken/
damit des Propheten wort
Psal. 69.22.
erfüllet werde: Sie haben
mich mit Galle gespeiset/ vnd mit essig getränckt alß mich gedürstet hat. Welches
er aber des Mundes kaum würdiget: sondern seinen kampff mit vnüberwünd-
licher stärcke antritt. Die füsse werden durchboh-[A 10b]
ret/ die Adern zerrissen/ die Armen von einander gestreckt/ die hände
an-
Gal. 3.13.
genagelt/ vnd der/ der für
vns ein fluch worden ist/ an das ver- fluchte holtz gehefftet. Schawe nun/ meine
Seele/ schawe an das grawsamste trawerspiel der gantzen Welt/ richte deine augen
auff/ verlaß die jrrdische eitelkeit/ vnnd komm hieher zu dem handel
+
+
+
+
+
[Druckausgabe S. 231]
darunter du nicht wenig begrieffen bist: betrachte das Creutze/
zu dem ein jeglicher von vns auch seine Nägel geworffen hat. Schawe der auff
den Himmeln reitet/ dein helffer/ vnd in seinerEsa.
40.12.
herrligkeit auff den Wolcken: der mit seiner hand die Wäs- ser gemessen/ vnd die Himmel überspannet hat: der den staub der Erden
mit dreyen fingern begreiffet/ vnd dieDeut.
33.26.
Berge wieget/ vnd [A 11a] die Hügel in
die schalen leget: der den Himmelshöhen gleich gehet/ der tieffer ist als der
ab-Job. 11.8.
grund: der auff den HimmelsHimmel steiget/ gegen
auff-Ps. 68.33.
gang. Schawe die Paradeißleiter so dem Jacob im trawme
erschie- nen. Durch welchen die Lamen giengen/ dessen füsse sind durch-
graben: durch welchen die Tauben höreten/ dessen Ohren ist aller hohn angethan:
durch welchen die blinden sahen/ dessen Augen sind von Blutstropffen verfinstert:
der mit so viel Brodten so viel tausend Menschen speisete/ der dem Weibe
die Wasser begehrte das Wasser deß lebens gab/ wird mit Galle vnd essig
getrencket: der die Todten lebendig machte/ muß jetzund sterben. Was
solteEs. 5.4.
ich meinem Weinberge weiter thun/ schreyet er an dem
Creutze/ verlassen von den [A 11b] Menschen/ vnd wegen der
Men- schen von Gott/ das ich nicht all bereit gethan hette? Ich bin
allem Volcke ein spot worden/ vnd jhr gesang den gantzen tag. Es hat mich mit
bitterkeit gefüllet/ mit Wermuth volJerem. Klagl.
3.14.
gemacht/ vnd meine Zeene zerbrochen/ mich mit asche ge-
speiset. Welch theil meines Leibes ist der marter geübrigt verblie- ben?
Das Haupt ist mit Dörnern/ hände vnnd füsse mit Nägeln/ das gesichte mit
Backenstreichen/ vnd mein gantzer Leib mit geisseln vnd striemen verletzet
worden. Welch eusserlicher sinn meines leibes hat den schmertzen nicht empfunden?
Das fühlen? es pla- gen mich ja die streiche der geisseln vnnd die Nägel. Das
schmek- ken? man hat mich mit galle vnd essig getrencket. Das
riechen? Ich hange in dem stinckich-[A 12a] ten orte
der Aaße vnd faulen Cörper. Das hören? meine Ohren sind vol von dem schmähen
vnnd höhnen der Lästerer. Das sehen? Ich sehe meine Mutter vnd allerliebsten
Jünger weinen vnd kläglich thun. Was ist es woran ein
+
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+
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[Druckausgabe S. 232]
Mensch leiden kan das nicht auch ich außgestanden habe? die
freunde? Sie haben mich verlassen. Das gute gerüchte? Ich bin geschendet vnd
gescholten. Die Ehre? Ein jeglicher hat mich auß- gelacht. Die güter? Ich bin
auch der Kleider beraubet. Der Leib? Ich regne blut von mir. Das gemüte?
Trawrigkeit vnd kummer hat mich vmbgeben. Mit solchen worten redet Christus alles
sein Volck an/ nicht allein die Hierosolymitaner; bey derer Stadt er nicht
ohn vrsach leidet. Dann es war durch David verkündiget worden: GOtt vnser König
hat das heil vor der zeit gewir- [A 12b] cket im
Mittel der Erden. Es geschiehet hier nicht ver- geblich. Er wird an einen Bawm
geschlagen: Damit er wieder finde/ was Adam daran verlohren hat. Er hanget vnter
dem Him-
Ioh. 3.14.
mel; Des Menschen Sohn muß
erhöhet werden; das er auch die Lufft heilige/ der die Erde heiligte auff welcher
er lebte. Hie- her ist seine rechte hand/ vnnd dorthin seine lincke
außgestreckt: Diese gestalt ist ein bildniß deß Jüngsten Gerichtes. Es ist
ein Creutze daran er hanget: es ist auch sein Predigtstul/ sein Richt- stul.
Er hanget vnter den Gottlosen: Damit er den einen erhalte; welcher auß einem
Sünder ein Märtyrer wird/ vnd die schmertzen/ als ob er in eines andern
leibe litte/ bestendig ertreget. Er leidet noch Jung: seine liebe vns desto mehr
hierdurch zu erweisen; wie er dann jhrer in seinem Tode genugsame [B 1a] zeichen von sich giebt. Der vnschuldige spricht die
schuldigen frey/ vnd bittet noch für sie. Marien welche vnter dem Creutze stehet
wird jhre brust so Christum getragen mit threnen befeuchtet/ vnnd die
seufftzer las- sen sie kaum athem holen. Sie ist vngewiß wohin sie die Augen
wenden sol. Siehet sie auff die Erden? Diese ist mit jhrem Blute besprenget. Vber
sich? da siehet sie den zerrissenen Leib jhres Sohnes welchen sie gebohren hat.
Sie scheinet trawriger zue sein als der so leidet selber. Er richtet sie
auff/ vnd befiehlet jhr/ zue
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[Druckausgabe S. 233]
troste jhrer einsamkeit/ den Johannes an stat seiner. Dem
Sche- cher verheißt er das Paradeiß/ vnnd kan auch in seinem tode nicht
müssig sein. Biß er endlich seine allerheiligste Seele dem Vater übergiebt/ vnd
verscheidet. Bey welchem spectackel auch die Sonne nicht sein [B1b] kan/ sondern sich den Juden verbirget; damit sie der
Sonne entberen müssen/ die den geber der Sonne vnd des gestirnes vnrechter weise
hinrichten; damit sie an den Augen blind werden/ die blind von hertzen sind.
Derowegen nimpt ein dickes Finsterniß den Tag hinweg/ der Himmel weichet; die Erde wolle ingleichen folgen wann sie köndte. Darumb reisset sie auß
jhren gründen vnnd erschüttert sich: die Felsen zerspringen/ die Hügel beben/ die
Klippen zerbersten/ der Fürhang des Tem- pels reisset/ die Gräber machen sich
auff/ vnd die Todten gehen herauß: es bekennet endlich alles seinen Schöpfer.
Also indessen das der Mensch stirbet/ ist die Gottheit stärcker als alle
le- bendigen. Christus hanget im Creutze/ vnd beweget alles: er bebet an dem
holtze/ vnd erschüttert den gantzen Erdbo-[B2a] den: er
stirbet/ vnd weckt die todten auff. In dem er den Tempel beweget/ so erweiset er
sich einen hohen Prister; in dem er den fürhang zerreisset/ einen abschaffer der
Ceremonien; in dem er donnert/ einen König der gantzen Welt; in dem er
Gräber auffmacht/ einen HErren der lebendigen vnd Todten. Er ist von Gott
verlassen/ nicht getrennet. Verlassen; weil die straffe so er treget groß
ist/ nicht die schuld: dann er ist ohn alle schuld. Derhalben ruhet die
Gottheit. Nicht getrennet: dann er kan von Gott nicht getrennet werden/
weil er Gott selbst ist vnnd eines mit dem Vater. Er stirbet als ein Mensch/ vnd
wircket als ein Gott. Er stirbet im fleische/ nicht mit dem fleische. Die Seele
verleßt den Leib warhafftig/ Christus stirbet warhafftig gantz/ aber nicht sein
gantzes. Dann das Wort das im [B2b] anfange war/ das
bey Gott war/ das Gott war/ bleibet der Seelen vnnd dem Leibe vereiniget.
Also bleibet er auch gestorben ein Mensch: durch das band der Person/ nicht
durch die vermengung des wesens. Es stirbet die Menschheit: die- ses leßt zue die
Gottheit. Niemand/ sagt er/ nimpt meine SeeleIoh.
10.18.
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[Druckausgabe S. 234]
von mir/ sondern ich gebe sie von mir selber. Ich habe
macht sie zue geben/ vnd macht sie wieder zue nemen. Er stirbet/ darumb ist er
Mensch; er stirbet von sich selbst/ darumb ist er Gott. Als Gott thut er was er
wil: dann es kan kein Gott sein welcher thut was er nicht wil/ oder leidet
was ein anderer wil. Als Mensch thut er was Gott wil. Ich darff mehr sagen: Es
stirbt auch Gott/ nicht aber die Gottheit: dann es stirbt er der Gott vnd
Mensch ist. [B3a] GOtt vom Vater ohne Mutter; Mensch von
der Mutter ohne Vater. Vom Vater der anfang des Lebens/ von der
Mutter das ende des Todes. Vom Vater ein anderer/ von der Mutter ein anderer:
durch vnterscheid des wesens/ nicht durch einigkeit der Person. Vom Vater GOtt/
von der Mutter Mensch: vom Vater vnnd Mutter ein Christus/ eine Person. Dann wie
in der Dreyfaltig- keit Drey Personen sind in einer Natur: also sind in Christo
zwey Naturen in einer Person. Die Gottheit bey der Menscheit/ damit
sie leiden könne: die Menscheit bey der Gottheit/ damit sie auffer- stehen könne.
Beyde einer/ beyde in einem/ beyde eines. Dieser ist es/ O jhr Juden/ den jhr
geschmähet/ geschlagen/ vnd gecreut- igt habet. Das Wort des ewigen Vaters: der
von anfange mit euch geredet hat/ der mit sei-[B3b]ner süssen stimme allzeit bey euch gewesen ist. Der den Ersten Eltern/
so dem Teuffel zue verheissen waren/ auß vnendlicher barmhertzigkeit sich selbst
verheissen hat. Der die gantze Kirche so in einem Kasten beschlossen war
mitten vnter den Wellen der Zornigen See erhalten hat. Der den heiligen
bund mit Noa gemacht/ mit Abraham dem Vater der gleu- bigen bestetiget/ an Isaac
dem Vater des segens erwiesen/ vnd in
Rom. 11.19.
Jacob ewerem Vater vnd dem
Vater der Heiden Esau/ dessen Reiß an ewere stat ist eingepfropffet worden/
außdrücklich bezeuget hat. Dieser ist es/ O jhr Juden/ dessen zuekunfft
zeichen ein jetweder von euch in seinen Leib geschnitten herumb
getragen hat/ der die Wässer auffgehangen das jhr durchgehen können/ ewerer
Erlöser auß der härtesten Dienstbarkeit/ ewerer [B4a]
ste- ter begleitsmann durch wüsten vnnd einöden/ der Felß dessen Wasser jhr
getruncken/ das Brod vom Himmel so euch genehret hat. Dieser ist es der
euch Richter vnd Könige gegeben/ der den Sohn Isai gekrönet/ der euch nach langer
Babylonischen gefän-
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[Druckausgabe S. 235]
gniß loßgesaget/ der durch zuethun Esdra vnd Nehemia ewer
Hei- ligthumb vnnd Stadt wider auffgerichtet/ der mit der schönen Es- ther
grossen gaben ewer bawfälliges Regiment gestützet hat; des- sen gegenwart jhr mit
seufftzen vnd beten Tag vnnd Nacht ohn vnterlaß gewündschet habt. Er ist
endlich kommen; er hat das fleisch im leibe der Muter angenommen/ der von
ewigkeit regieret in der schoß des Vaters. Er ist worden was jhr seid der ist was
Gott ist. Er ist kommen in das seinige/ vnd jhr habet jhn nichtIoh. 1.11.
angenommen. Ihr habt [B4b] von jhm
alles empfangen/ vnnd habt jhm alles versaget. Er hat das joch des
gesetzes abgeschafft/ vnd jhr habt jhn abgeschafft wieder das gesetze. Er ist der
weg/ vnd jhr seid nicht gefolget. Er ist die Warheit/ vnd jhr habt jhn
belogen. Er ist das Leben/ vnd jhr habt jhn des Lebens beraubet. Er ist euch zum
steine des anstossens/ vnnd zum Felsen desEs.
8.14.
ärgernisses worden. Betrachtet aber nach seinem Tode die ver- kehrung der gemüter vnd aller dinge. Es stehen bey dem Creutze die
Kriegsknechte mit jhrem Hauptmann/ Leute bey den Waffen erzogen/ vnbendig/ vnd/
was mehr ist/ in der Jüdischen Religion vieleicht gantz vnerfahren. Sie sehen den
Himmel trawrig sein/ die Erde zittern/ die Felsen zerbersten/ vnd die
gantze Natur/ als ob sie zue [B5a] jhrem ersten
klumpffen werden wolte/ gewalt leiden. Sie hören das der sterbende lauter ruffet
als ein anderer der lebet. Sie erkennen/ derselbige sey vnschuldig vntergegangen
mit dem auch die Sonne vntergienge. Derhalben schonen sie des Todten/
weil sie des Lebendigen nicht geschonet haben. Ohn das der eine mit dem Sper die
heilige seite eröffnet. Welches dennoch zue vnse- rem heile dienet. Dann auß
dieser Wunden fleust der Brunn des Lebens. Die Juden sind theils trawrig theils
erschrocken/ vnnd wo- hin sie sich wenden da finden sie ankläger jhres
verbrechens. Etz- liche gehen in die Stad das Lamb abzuschlachten: (ein
geringes Opffer nach dem sie den Heiland der Welt geschlachtet haben)
daselbst wandeln sie vnter den Todten. Andere lauffen in den Tem- pel: hier
[B5b] finden sie das der vorhang zerriesen vnnd jhr
ge- heimes Heilightumb entdecket ist; nicht ein geringes zeichen
jhrer künfftigen verwüstung. Der Edele Rahtsverwandte Joseph/
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[Druckausgabe S. 236]
so vormals furchtsam vnnd vnbehertzt war/ wird kühn/ vnnd
bittet vmb den Cörper des verstorbenen. Nicodemus/ der kaum bey Nachte sich
zue Christo gewaget/ bestatet jhn nun offentlich zur Erden. Das Weibesvolck/
damit alles verendert würde/ ist hertz- hafftiger als die Männer selbst.
Sie hatten den gantzen verlauff gegenwertig geschawet/ des sterbenden geschrey
vernommen; jetzt folgen sie zum Grabe/ vnd geben ein schönes exempel von
sich der andacht vnd bestendigkeit; kauffen auch specerey vnd salben auß heiliger
freygebigkeit. Mit geringem verluste der vnko- sten/ aber mit grossem
gewinst der Got-[B6a] tesfurcht: viel seli- ger als die
jenigen/ die an stat der Myrren vnd Aloe/ das ist/ der rew vnnd bekehrung/ jhr
gantzes vermögen an den werckzeug der üppigkeit wenden; die für das guete
gerüchte/ der Keuscheit beste salbe/ jhre gifftige haut mit künsten anstreichen;
für das weisse Kleid/ das ist/ für das reine gemüte darein sie jhren JEsum
hüllen solten/ die ziehr der Kleider/ so wie sie gemeiniglich von Würmern
herkommen also auch darvon verterbet werden/ schawen vnnd gläntzen lassen. Wird
also Christus begraben: zue erweisen seines Todes gewißheit. Im Garten: das der
ort des falles ein ort des heiles werde. In eines andern begrebnisse; weil
er für eines andern Todt gestorben ist. In einem Newen begrebnisse: damit wir
lernen/ das auch wir durch seinen Tod ernewert wer-[B6b]den. Es wird ein stein für die Thür des Grabes gewaltzet; wir ingleichen
sollen in vnser hertze nichts als Christum hinein lassen. Der Leib verweset nicht: also wird die krafft der Göttlichen tugend erkläret. Das
fleisch ist in der Erden/ die Seele im Himmel/ die Gottheit auff Erden vnd im
Himmel.
Wie wir aber endlich die gedult vnd bestendigkeit Christi bey
seinem Leiden mit schrecken vnnd verwunderung angesehen/ also vermögen wir
nun bey der Aufferstehung seine macht vnd stercke mit keinen worten
außzuesprechen. Der den mund nicht auffge- than/ vnd wie ein Schaff zur
schlachtbanck geführt worden ist/ der zerbricht mit seiner allgewaltigen hand die
bande des Grabes/ vnd sieget herrlich. Er ist dem Teuffel entgangen: dann er ist
des Wei-
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[Druckausgabe S. 237]
bes Samen so der [B7
a]
Schlangen den
Kopff zertreten solte. Er ist dem Tode entgangen: dann er ist das Leben durch
welches wir leben. Er ist den Wächtern entgangen: also müssen eben die jeni-
gen seine Aufferstehung bekennen/ die kommen waren dieselbige zue
verhindern. Sey gegrüßt du Löw/ vom stamme Juda/ Sey ge- grüßt du
vnüberwindlicher Vberwinder/ sey gegrüßt du erstling von den schlaffenden/ Sey
gegrüßt du vnser heyl/ der du die Hand- schrifft so wieder vns war zerriessen/
die gewalt der Hellen/ Teuf- fel vnd Tod zertreten/ vnnd deinen Füssen alles
vnterworffen hast/ vnsere hoffnung vnd das Haupt der glaubigen. Dessen
gliedmasse da du auch vns auß sonderbarer barmhertzigkeit hast sein wollen
lassen/ darfür sagen wir dir/ O JEsu/ alle denselbigen Danck der von Menschlichen
[B7b] gedancken kan erreicht werden/ vnd bit- ten
dich/ du wollest durch deinen heiligen Geist/ ohn welchen wir nichts
können/ vnsere gemüter erleuchten/ das wir dein bitteres Leiden vnnd herrliche
Aufferstehung mit brennender andacht be- trachten/ das wir mit dir leiden/ vnnd
von dem Tode der Sünden auffstehen lernen. Zeuch vns dir nach. Entzünde in
vnseren hert- zen das fewer deiner Liebe/ vnd gieb vns die Augen des glaubens/ das wir/ beygelegt der einbildung vnnützer Menschlicher wissen-
schafft/ dich suchen wo du zue finden bist/ vnd der blinden Ver- nunfft nicht zue
viel vertrawen. Gieb das wir die eitelkeit des Le- bens hinweg setzen/ vns in
deine Wunden dringen/ vnnd mit dei- nem thewren Blute laben. Erhalte die
gläubigen/ bestetige die schwachen/ führe herzue die jrrenden/ [B8a] vnd schicke vns nach so langem trübsal friede. dieweil
auch anjtzt der gewündschte Frü- ling die gantze Welt gleichsam verjünget/ so
verleihe das auch wir vnsere alte gebrechen abthun/ vnd vnser leben mit ernster
Busse vernewern. Damit wir ingleichen die gaben so du vns verliehen
entweder durch müssiggang nicht vergraben/ oder zue vnbilli- chem vnnd vnnützem
gebrauche nicht anwenden/ so regiere vnser
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[Druckausgabe S. 238]
thun vnd lassen/ das alles was wir anfangen zue deinem lobe/
zue dienste des gemeinen wesens/ zue ehre des Vaterlandes vnd vnse- rer
seligkeit einig gerichtet werde.
Gieb letzlich/ das vnsere Seelen vnd Leiber/ die gefässe deiner güte vnnd Barmhertzigkeit/ rein vnnd vnverfälscht erhalten wer- den;
biß du mit eben diesem fleische/ welches zue der rechten [B8b] des Vaters über aller Himmel Himmel erhaben ist/ wieder kommen/ vnnd
vns sampt allen außerwehlten auß diesem schaw- platze der sorgen vnd sterbligkeit
in die Himmlische wohnung ne- men wirst; der du mit dem Vater vnnd
Heiligen Geiste bist vnd warest/ vnd sein wirst in ewigkeit.
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