Dafne

[Druckausgabe S. 61]

85 Sz 79 Dü 89 1627

Dafne

Einzeldruck X: DAFNE. | Auff deß Durchlauchtigen/ | Hochge- bornen Fürsten vnd Herrn/ | Herrn Georgen/ Landtgrafen zu Hessen/ | Grafen zu Catzenelnbogen/ Dietz/ | Ziegenhain vnd Nidda; | Vnd | Der Durchlauchtigen / Hochgebor- | nen Fürstinn vnd Fräwlein/ Fräwlein Sophien | Eleonoren/ Hertzogin zu Sach- sen/ Gülich/ Cleve | vnd Bergen/ Landtgräfinn in Thüringen/ | Marggräfinn zu Meissen/ Gräfinn zu | der Marck vnnd Ravens- purg/ | Fräwlein zu Ravenstein | Beylager: | Durch Heinrich Schützen/ Churfürstl. | Sächs. Capellnmeister Musicalisch in den | Schawplatz zu bringen/ | Auß mehrentheils eigener erfindung | geschrieben von | Martin Opitzen. | [Linie, 8,2 cm] | In Vorlegung David Müllers/ | Buchführers in Breßlaw.

4°: A–D2 Exemplare: Breslau; Berlin SB (PK), Yh 9001R; Yale UB, FdF 210.

Gliederung: [A1] Titelblatt, Rückseite unbedruckt. [A2a] An die ... Braut ... A2b Personen des Stückes. A3 Der Vorreder. Von A4a bis [D2a] die fünf Akte des Stückes. D2b unbedruckt. Druckge- staltung: Das Titelblatt zeigt vier symmetrisch eingezogene Absätze. Die Linie ist aus sieben Teilen zusammengesetzt. Auf A2 fehlt die Blattsignatur. Die Initialen auf Bl. [A2a] und A3a messen 2 × 2 cm; die Zierleiste auf A3a mißt 1,4 × 10,9 cm. Das Schlußornament auf Bl. [D2a] mißt 6,1 × 6,8 cm. Es findet sich weder Zeilenzählung noch sind Kolumnentitel vorhanden; keine Unregelmäßigkeiten bei den Kustoden. Die Signatur des abschließenden Halbbogens ist le- diglich D; keine Signatur auf Bl. 2.

In Sammlung C steht das Werk im zweiten Teil, S. 211–37: S. [211] Sondertitel Martin Opitzen | DAFNE. Neu ist die No- tiz An den Leser. auf S. 212: elf Zeilen aus einem größeren Schriftgrad, die letzten drei symmetrisch eingezogen; darunter drei Blättchen, die nach l., r. und unten weisen. Die Mitteilungen im Titelblatt X finden sich, stark verkürzt, auf S. 213, oberhalb des Gedichtes »Das starcke liebesgifft ...«; siehe den Wortlaut unten. Vier verschieden große Schriftgrade wurden verwendet in insgesamt sieben Zeilen, davon die letzten vier symmetrisch eingezogen. 215 Personen deß | Gedichts. aus einer größeren Type gesetzt.

[Druckausgabe S. 62]
216/17 DER VORREDER | Ovidius. Von 217 unten bis 237 der Text des Singspiels. Ornamente: Kopfleisten, jeweils über dünnen Linien; 212 (0,5 × 7,9 cm, sieben Einheiten mit Doppelpunkt zwi- schen den letzten beiden Einheiten nahe am Bundsteg); 213 (1,4 × 7,9 cm); 215 (0,7 × 7,9 cm, Doppelpunkt in der Mitte); 216 (0,5 × 7,9 cm). Linien (7,2 bis 8 cm) unter den Rollenteilen. Das Dreiecksornament am Schluß mißt 5,7 × 4,4 cm.

Die Ausführung des dritten Abdrucks, in F I, S. [103]–28, richtet sich stark nach der in C. Sondertitel S. [103] MARTIN | OPIT- ZEN | Dafne. S. 104 An den Leser. läuft in Spitzkolumne aus, doch ohne Blättchen. 105/06 An die ... Braut ... 107 Per- sonen ... 108/09 Der Vorreder ... 109 unten Erster Akt bis

Fünfter Akt, Tanz ... endet unten auf S. 128. Kopfleisten, alle in Kolumnenbreite von 7,8 – 8,0 cm, S. 104 (0,7 cm hoch), 105 (1,9), 107 (1,1) und 108 (0,9). Markierung der Rollenteile durch dünne Linien. Kein Ornament am Ende. Kolumnentitel 108–28 Dafne.

Weitere Drucke (abgesehen von denen in den postumen Samm- lungen des 17. Jh.s): Triller, Opitzen Teutsche Gedichte, 1746, Bd. I, S. 59–78, mit Frontispiece von M. Tyroff; Ludwig Tieck, Deutsches Theater, 1817, Bd. I; H. M. Schletterer, Das deutsche Singspiel, Augsburg 1863, Reprint 1975, S. 332–38; Otto Taubert, Pr. Torgau 1879, mit Einleitung und Nachwort, auch separat veröf- fentlicht; Tittmann, S. 93–113 und H. Oesterley; DNL 27, S. 58–74. Nur Taubert kommt heute noch eine gewisse Bedeutung zu: er bezeichnet z. B. trochaisch beginnende Zeilen durch Einzug. Wertvoll sind auch seine sonstigen Mitteilungen, die auf Einsicht der Archivalien beruhen. Wir erfahren so u. a., daß unter den »Ergötz- lichkeiten« der Hochzeit außer Feuerwerk, Kopf- und Ringelren- nen, einem Ballett, Bogenschießen und Tänzen auch Wolf- und Bär- hetzen veranstaltet wurden; zur übrigen Unterhaltung waren auch englische Komödianten bestellt worden, die schon am 6. April, d.h. acht Tage vor Aufführung von Dafne spielten.

Die italienische Oper Dafne wurde 1598 mit einem von Ottavio Rinuccini (1562–1621) stammenden Libretto und der Musik von Jacopo Peri (1561–1633) in Florenz aufgeführt. Das Werk erfreute sich außerordentlicher Beliebtheit und Heinrich Schütz, der spätere Dresdener Hofkapellmeister der mehrere Jahre in Italien verbrachte, mag es dort gesehen haben. Die Anregung zu einer Übersetzung des Textes kam durch Buchners Vermittlung von

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SchützSachanmerkung und Opitz sagte am 9. Juni 1626 zu; Geiger Nr. 2. Doch nun ergab es sich, daß Opitz’ Übersetzung nicht zu Peris Musik stimmte und Schütz weitgehende Änderungen vornehmen mußte. Leider sind sämtliche Musikalien zu Dafne bei einem Brande i. J. 1760 ver- loren gegangen; Dü zu Opitz 89. Diese in den Akten als Sing Co- moedi oder Pastoral Tragicomoedie bezeichnete erste deut- sche Oper wurde am 13. April (alten Stils) nach der am 1. stattge- habten Trauung von Sophie Eleonore von Sachsen und Georg von Hessen auf Schloß Hartenfels an der Elbe aufgeführt. Ein Teil der Hochzeitsgäste war schon abgereist; Taubert, »Zweiter Nachtrag z. Gesch. der ... Musik in Torgau«, Pr. Torgau 1890, S. 7.

Sophie Eleonore (1607–71), die älteste Tochter des Kurfürsten von Sachsen, war seit dem 12. Januar 1625 mit Georg II., dem älte- sten Sohne Ludwigs V., Landgrafen von Hessen, verlobt. Durch den Tod Ludwigs (1626) war die Hochzeit auf 1627 verschoben worden. Die Trauung erfolgte durch den sächsischen Hofprediger, Martin Hoë von Hoënegg (Taubert 1879 passim).

Die Formulierung »in den Schawplatz zu bringen« im Titel von X (später heißt es »in den Schawplatz gebracht« CF) deutet an, daß der Text dieser ersten deutschen Oper den Zuhörern in Torgau vor- gelegen hat. (Doch bedeutet »Vorlegung« nichts weiter als Verle- gung/Verlag!) Jedenfalls hatte Opitz in Breslau am 5. April (n. S.), also vor der Aufführung, Exemplare zur Hand. Er sandte eins da- von mit dem Brief desselben Datums an Venator; Rei 237. In diesem Brief spielt der Dichter die Bedeutung seines Werkes herab: er wisse wohl, daß das Drama den Gesetzen der Sachverständigen zuwider- laufe (was er ja auch in der Notiz »An den Leser« mitteilt), doch sei es ihm von den DresdenernSachanmerkung abgenötigt worden. Am 1. Oktober 1627 (Brief an Buchner, Geiger Nr. 8) drückt er sich ähnlich aus, be-

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zeichnet aber Schütz’ »amor erga me« als den Beweggrund, der ihm diese »nugas« entwunden habe.

H. H. Borcherdts Aufsatz »Beiträge zur Geschichte der Oper und des Schauspiels in Schlesien ...« in der Zeitschr. d. Vereins f. Gesch. Schlesiens, Bd. 43 (1909), 217–42, insbes. Teil II, S. 223–36, war der Anlaß zu Anton Mayers Ausführungen »Zu Opitz’ Dafne« in Euphorion Bd. 17 (1911), 754–61. Mayer präzi- siert u.a. die Entstehungszeit des Operntextes: Nachdem Opitz durch Buchners Vermittlung 1625 mit Schütz bekannt geworden war, hatte er sich in einem Brief vom 9. Juni 1626 bereiterklärt, die Bearbeitung des Textes von Rinuccinis Dafne zu übernehmen (Gei- ger Nr. 2). Im August 1626 besprach Opitz sich wahrscheinlich mit Schütz; ein Aufenthalt in Dresden ist bezeugt: er verließ die Stadt am 30. August (Geiger, ibid.). Im Oktober oder November trat Opitz seinen ihm von Dohna gewährten Winterurlaub an, der bis Februar 1627 dauerte. Nach Mayers Überlegungen beschäftigte sich Opitz mit dem Libretto vom Januar bis Mitte Februar 1627. Schütz hatte also mindestens vier Wochen Zeit für Komposition und Einstu- dierung der Oper. (Nach Taubert traf die Hofkapelle am 21. März in Torgau ein und blieb bis 24. April; Programm 1879, S. 29ff.). Mayer vergleicht ferner die italienische Vorlage mit Opitz’ Ausarbei- tung derselben. Er stellt zunächst fest, daß Opitz Rinuccinis Fas- sung von 1600 benutzt hat, nicht (wie Schletterer, S. 65 annahm) die erweiterte von 1608. Viele »Zierrate« des Italieners seien ausge- merzt worden, doch den Sinn der Vorlage habe Opitz nur gering verändert. Wichtig sei vor allem (1) die Aufteilung von Rinuccinis drittem Akt, wodurch Opitz das Schäferspiel von vier auf fünf Akte erweitert habe, und (2) die Verwandlung Daphnes in den Lorbeer- baum auf offener Szene: Rinuccini hatte sich mit einem Botenbe- richt begnügt. Ferner kürzt Opitz den letzten Chor und bringt dafür das Lob des Herrscherpaares mit einem Seitenblick auf die trauri- gen Zustände des deutschen Vaterlandes. Die Angabe auf dem Titel- blatt, das Stück enthalte »mehrentheils eigene erfindung« entspre- che also der Wahrheit; es handle sich in der Tat um eine »bessernde Bearbeitung«. Schließlich betont Mayer noch, daß Opitz’ Rechtfer- tigung seiner Bearbeitung von Librettos – der Dafne folgte 1635 die Judith – über die Zufälligkeit der Bekanntschaft mit Schütz hinaus auch dadurch gestützt wird, daß Opitz einen sicheren Spürsinn be- saß für die Wünsche und Forderungen seiner Zeitgenossen, für das,

[Druckausgabe S. 65]
was Opitz in der »Vorrede« als den »heutigen Gebrauch« bezeich- nete.

Jörg-Ulrich Fechner betont u. a. einen Umstand, der bisher über- sehen wurde: der Auftrag für die Übersetzung und Einrichtung des Textbuches ging nicht vom kursächsischen Hof als solchem aus, wurde folglich auch nicht mit demselben Nachdruck gefördert, als wenn es sich um einen Hofauftrag gehandelt hätte. Der nicht gerade durchschlagende Erfolg des Stückes fiel darum weit stärker auf den Librettisten als auf den Komponisten zurück, denn Schütz war durch seine Stellung als Kapellmeister abgesichert. Etwaige Hoff- nungen, die Opitz sich auf Beförderung am Dresdener Hofe gemacht haben mochte, wurden zunichte. Ihm blieb nach dem in Torgau ver- säumten Erfolg lediglich die Aufnahme des Librettos in die Samm- lungen C und F; J.-U. Fechner, »Zur literaturgeschichtl. Situation in Dresden 1627: Überlegungen im Hinblick auf die ›Dafne‹-Oper von Schütz und Opitz«, Schütz-Jahrbuch 10 (1988), S.5–29.

Bibliographische Hinweise: Schletterer, Taubert, Borcherdt, An- ton Mayer und Fechner wurden bereits erwähnt. Siehe ferner das Kapitel »Dafne als Textbuch« in Ursula Bach, Martin Opitz von Boberfeld, Andernach 1959, S. 47–59. Zum Umfeld des Stoffes und den italienischen Vorläufern: Bruno Reisner, Die musikalisch-dra- matischen Bearbeitungen des Daphne-Stoffes im Zeitalter des Ba- rock, Diss. Königsberg 1929; Wolfgang Stechow, Apollo und Daphne, Teubner, Leipzig 1932, mit Illustrationen (Studien der Bi- bliothek Warburg, 23); Barbara Russano Hanning, »Glorious Apollo: Poetic and Political Themes in the First Opera« in Renais- sance Quarterly 32 (1979), 485–513; Hellmuth Christian Wolff, »Ovids Metamorphosen und die frühe Oper«, Fs. Federico Ghisi, Florenz 1971.

An den Leser.

Günstiger Leser/ wie dieses Drama auß dem Italienischen Meh-
rentheils genommen/ also ist es gleichfalls auff selbige Art/ vnnd
heutigem Gebrauche sich zu bequemen/ wiewol auch von der
Handt weg/ geschrieben worden. Welches der Auctor zu seiner
Sachanmerkung +

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5 Entschuldigung setzt/ dem sonst nicht vnbekandt ist/ was die Alten
wegen der Trawerspiele vnd Comedien zu befehlen pflegen. Die
Fabel aber/ darvon hier gehandelt wird/ ist bekandt; Daß nemlich
Dafne/ deß Flusses Peneus Tochter/ nach dem sie Apollo auß
Liebe verfolget/ vnd zu seinem Willen zubringen vermeynet/
10 die Erde vmb Hülffe anrufft/ welche sie zu sich nimbt/
vnd in einen Lorbeerbaum verwandelt.

+
+
[A2a]

An die HochFürstlichen | Braut vnd Bräutigam.

DAs starcke liebeßgifft/ das vnsre hohe sinnen/
Die von dem Himmel sindt/ mit seiner krafft gewinnen
Vnd wann Vernunfft erliegt zu boden reissen kan/
Sieh’/ O du Edles Par/ auff diesem Schawplatz’ an.
5 Sieh’ an/ du freyer Heldt/ du bildtnüß aller Tugendt/
Du preiß der Zeit/ vnd du/ Sophie/ liecht der jugendt/
Deß grossen Vaters lust/ der werthen Mutter Ziehr/
Sieh’ an der liebe macht von der du für vnd für
Befreyt vnd sicher bist. Wer so wie du sich liebet
10 Mit vngefärbter Pflicht/ wer seine huldt ergiebet
In vrtheil vnd verstandt/ ist klüger als der GOtt
Der täglich zu vns bringt das schöne Morgenroth.
Ihm machet Dafne selbst von jhren frischen zweigen
Den krantz der nicht verwelckt; sein nachklang wirdt nicht schweigen
15 So lange Liebe wehrt. Nim dann in gnaden an/
Du duppeltes gestirn/ was Dafne geben kan;
Den jmmer-grünen krantz/ vnd dencke/ daß die gaben
So Fürsten als wie jhr vollauff zu geben haben
Zwar groß/ doch jrrdisch sindt: die flucht der zeit vertreibt
20 Das vnsrig’ vnd vns auch; was Dafne gibt das bleibt.
M. O.

Sachanmerkung + +
[Druckausgabe S. 67]
[A2b]

Personen deß Getichtes.

Ovidius/ Vorreder. Der erste Hirt.

Dafne. Der ander Hirt.

Apollo. Der dritte Hirt.

Venus. Chor der Hirten.

Cupido. Der Nymfen vnd Hirten.

[A3a]

DER VORREDER
Ovidius.

IHr sterblichs Volck/ der ich nicht sterblich bin/
Komm’ jetzt zu euch von den Elyser-feldern/
Wo vnsre Geister ziehen hin/
Vnd letzen sich in grünen Wäldern:
5 Durch deß bleichen Charons Meer
Komm’ ich/ O jhr Menschen/ her.

Ich bin der Mann der ich so rhümlich sang
In meine Harff’ vnd die beruffnen seiten
Wie Amors macht vnd harter zwang
10 Den Himmlischen vor alten Zeiten
Hat verwandelt die gestalt
In geflügel/ Wildt vnd Waldt.

Ich habe mich die schwere liebeßkunst/
O dich/ mein Rom/ zu lehren vnternommen;
15 Hab’ auch gezeigt wie solcher brunst
Ein Hertze wider ab sol kommen.
Daß man recht liebt kömpt durch mich/
Daß man nicht liebt thue auch ich.

[A3b]

Schaw’ aber zu/ was für ein heller schein
20 Vmbgiebt mich doch/ vnd wessen werd’ ich jnnen?
Was Majestät muß dieses sein
Die mir bescheint gesicht’ vnd sinnen?
Was doch blincket für ein Licht?
Ist es mein Augustus nicht?

25 Ich kenne dich/ du blume dieser Zeit/
Du Ziehr vnd spiegel aller jugendt:

Sachanmerkung + + +
[Druckausgabe S. 68]

Der Rautenkrantz/ die freundtligkeit
Verrhätet dich du glantz der Tugendt:
Alle Menschen loben dich/
30 Vnd die Elbe neiget sich.
Du edle Braut/ wol deiner lieb’ vnd dir;
Ich aber wil jetzt wie vorweilen singen
In was für noth ein Cavallier
Vnd eine Dame sich kan bringen
35 Die nicht nach der Liebe fragt/
Vnd nur thut was jhr behagt.
Ihr werdet sehn für schwerer liebeßpein
Denselben Gott mit nassen seufftzen klagen/
Der vns den schönen Tageschein
40 Herumb führt auff dem güldnen wagen.
Der vns allen giebt das Licht
Sieht für Liebe selber nicht.

[A4a]

DER ERSTE | ACT.
Der Erste Hirt.

VNter diesem schatten hier
Liegt das grimme wunderthier:
45 Ihr Hirten weicht/ geht weg jhr Schäfferinnen;
Schawt daß kein ast sich nicht bewegt/
Daß kein geräusche sich erregt/
Es wird sonst ewer jnnen.


Der Andere Hirt.

SO müssen wir dann aus gefahr
50 Die süssen Felder meiden/
Vndt können vnser Vieh vnd weissen Lämmer schar
Nicht sicher weiden?


Der Dritte Hirt.

O Jupiter der du mit Donnerflammen
Erschütterst See vnd Landt/

+ + +
[Druckausgabe S. 69]

55 Nim deinen plitz vnd hagel gantz zusammen/
Beuth her die starcke handt:
Komm vns armen doch zu stewer
Wider dieses Vngehewer.


[A4b]
Der Erste Hirt.

VMb diesen Waldt vnd schatten haben wir
60 Bißher gesehn das Blutgetränckte Thier. Echo. Hier.
Wie daß ich jetzundt sicher bin?
Ists weg/ ists anderßwo dann hin? Echo. hin.
Ich weiß nicht wie ich doch diß ebenthewer deute:
Kömpt es inkünfftig auch noch wider für vns Leute? Echo. heute.
65 Ach! ach! wer dann tröstet mich
Wann das Thier lesst sehen sich? Echo. Ich.
Wer bist du welcher mir verheischt so grosse wonne/
O bester trost den je beschienen hat die Sonne. Echo. Die Sonne.
Bist du der Gott aus Delos welcher sich
70 Mir zeigen wil? O Sonne/ hör’ ich dich? Echo. Ich dich.
Du du hast pfeil’ vnd Krafft; drumb stewre der gewalt
Der grimmen Bestien/ O Phebus/ alsobaldt. Echo. baldt.


[B1a]
Apollo.

SO ist dann nun dem Drachen
Durch meines bogens macht
75 Gestillt der wilde rachen?
Vmbringt jhn nun die Nacht
Der vor die Pest der Erden/
Die schew der Menschen war?
Ihr Hirten bringt die Herden;
80 Ihr seidt nun auß gefahr.
Ihr Nymfen windet Kräntze/
Hegt schöne Lobetäntze/

+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 70]

Kompt kühnlich in den Waldt/
Singt daß die Heyd’ erschallt.
85 Das Thier wird nicht forthin
Die Lufft vergifften können/
Vnd Kranckheit nach sich ziehn.
Erfrischet Hertz’ vnd sinnen;
Die Wangen müssen nun euch nachmals nicht verbleichen/
90 Die sollen Lilien vnd roten Rosen gleichen;
Dann die Schlang’ ist vmbgebracht
Die euch kummer hat gemacht.


Chor der Hirten.

DU grosser Gott der du den Fewer-wagen
Rings vmb den schönen himmel führst/
95 Der du den Tag so offt es pflegt zu tagen
Mit einem güldnen Mantel ziehrst/

[B1b]
Das der helle schein sich dringet
Durch der finstern Nächte rhue/
Das vns klares Liecht vmbringet/
100 O Apollo/ das machst du.

Das auff den Frost diß grosse rundt der Erden
Sein grawes Winterkleidt ablegt/
Das Wiesen/ Feldt vnd Wald verjünget werden/
Das des Geflügels Heer sich regt/
105 Daß sie in den Lüfften fliegen/
Vnd vns lieblich singen zu/
Das die Bäwme Blätter kriegen/
O Apollo/ das machst du.

Du Künste-Gott/ du Artzt/ du Trawmaußleger/
110 Du Sengerfürst/ du Kraußpenhaar/
Du jmmer-jung/ du Meister aller Jäger/
Von dir kömpt alles gantz vnd gar;
Doch dein Pfeil vnd schneller Bogen/
Deines güldnen Köchers pracht/
115 Wird dem allen fürgezogen
Was dich sonst berhümet macht.

+
[Druckausgabe S. 71]

Wer kundt’ ohn dich/ O Phebus/ vberwinden
Das Wilde Gifft- vnd Flammenthier?
Komm/ Cynthius/ laß frische Kräntze binden
120 Vmb deiner gelben Haare ziehr;
Laß die Blumen so wir haben
Dir/ O Vater/ lieber sein
Als der edlen Palmen gaben/
Vnd der Cedern reichen schein.

[B2a]

DER ANDERE | ACT. Cupido. Venus. Apollo.

Cupido.

WAs suchet jhr/
126 O Königinn der schönen Frawen?
Wollt jhr nach Rosen schawen/
Nach Lilien/ zu ewres Häuptes ziehr?
Nein/ liebste Mutter/ nein.

Venus.
Was solt’ es dann wol sein/
131 Mein Kind/ das mir gebricht?
Cupido.
Wol Lilien noch Rosen nicht:

Adonis liegt euch in den Sinnen/
Vnd wo ein schöner Hirte sunst/
135 Die vrsach einer newen Brunst/
Mag angetroffen werden können.
Venus.
Du kleiner Bösewicht.

Cupido.
Seht jhr den Gott aus Delos nicht?

Venus.
Was wird hernach doch aus dem Himmel werden?

140 Gehn jetzt doch fast die Götter gantz auff Erden.
Apollo.
Erzehle/ du berühmbter Schütze/

Worzu sind dir die Pfeil vnd Bogen nütze?
Ist ein grimmes Thier
Das du meinest vmbzubringen/
145 Oder auch gedenckst du dir
Einen Drachen zu bezwingen?

+ + +
[Druckausgabe S. 72]

[B2b] Cupido.
Zwar Python ist durch meine handt/
Apollo/ nicht entleibet worden;
Jedennoch ist bekandt
150 Was ich für thaten thue.
Ich bin so wol in deinem Orden/
Bin auch ein Gott wie du.
Apollo.
Das weiß ich wol; doch wann dein bogen

Wird von dir abgezogen/
155 Machst du sehendt andern wunden/
Oder triffst du auch verbunden?
Venus.
Im fall du ja wilt wissen/

Apollo/ was mein Sohn
Erwiesen hat im schiessen/
160 So höre nur hiervon
Was neben vns Neptun im Wasser sage/
Vnd vber vns der Jupiter;
Geh’ vnter vns zum Pluto hin vnd frage;
Alßdann komm wieder her.
Apollo.
Weil Himmel/ See vnd Erden/

166 Vnd was darunter lebt/
Von dir gezwungen werden/
Weil nichts dir widerstrebt/
So zeige man mir doch noch einen Himmel an/
170 Noch einen Erdenkreiß/ in dem ich frey sein kan.
Cupido.
Ich wuste wol du würdest mich verlachen/

Vnd daß ein Kindt bey dir nichts gilt/
Du grosser schütz vnd todt der grimmen Drachen:
Halt mich für närrisch wie du wilt.
[B3a] Apollo.
Erzürne dich so sehr nicht vber mir/
176 Cupido mein; O wende gnade für:
Wilt du mir ja mit deinem bogen lohnen/
So wollest du deß Hertzens doch verschonen.
Venus.
Du wirst wol sehn was du gethan/

180 Wann aus dem schertzen ernst entstehet;

+ + + + +
[Druckausgabe S. 73]

Wirst sehen was mein Söhnlein kan/
Wiewol es bloß vnd blindt hergehet.

Cupido.
Bring’ ich dem stoltzen Hertzen
Nicht angst vnd todeßpein/
185 So wil ich nicht dein Kindt mehr sein.
Venus.
Du empfindest billig schmertzen/

Eyferst billig/ liebster Sohn.
Gieb jhm seinen rechten Lohn/
Daß er möge noch erfahren
190 Was deine macht vnd seine hoffart thue:
Du wirst hier keiner kräfften sparen.
Cupido.
Ich habe weder rast noch rhue

Biß ich mich recht an jhm gerochen/
Vnd mit dem bogen hier
195 Den er verhöhnt zur vngebühr
Ihm seinen stoltzen muth gebrochen.
Gar gerne thue ich’s nicht daß ich soll von dir gehen;
Ich bleib’ auch wo mir’s wirdt geschafft:
Doch Rache die man an leßt stehen
200 Verleurt durch saumung jhre krafft.
Venus.
Geh’ jmmer hin in Zeiten/

Vnd denck’ auff Rach’ vnd List;
[B3b]
Dann wann du zornig bist

So hat man ohn gefahr dich nicht an seiner seiten.
205 Ich wil allhier in dessen bleiben/
Vnd vmb den grünen Waldt
Die Zeit vertreiben;
Hernach so bald
Du herkömpst wil ich mit dir hin
210 In vnsern Himmel ziehn.
Wer von der Lieb’ ist franck vnd frey
Der mag wol frölich leben/
Doch schaw’ er zu das er nicht sey
Der Hoffart allzusehr ergeben.

+ + + + + + +
[Druckausgabe S. 74]

215 Er laß’ vns vnverlacht;
Diß ist der schluß den mein Sohn hat gemacht/
Der Abschied den er spricht.
Fühlt jhr gleich Lieb’ anjetzundt nicht/
So kan doch bald ein stündlein kommen
220 In dem durch jhre Pein
Euch Muth vnd Hertze wird benommen
Alßdann wird Amors macht
Euch nicht verborgen sein
Die jhr jetzundt verlacht.

Chor der Hirten.

225 O du kleiner nackter Schütze/
Wann der Bogen den du spannst
Giebet solche Liebeshitze
Das du Götter fellen kanst:

[B4a]
Was dann wirst du nicht/ O Kindt/
230 Vns thun/ die wir Menschen sind?
Vnser Hertze muß sich krencken/
Vnsre Sinnen sind betrübt/
Wann wir an den Jüngling dencken
Der sich in sich selbst verliebt;
235 Der verlohr die Menschenart/
Vnd zu einer Blumen ward.
Aller schönen Nymfen Hertzen
Brannten gegen jhm für Pein;
Aber er ließ jhre schmertzen
240 Ohne Trost vnd Hoffnung sein.
Zwar sehr groß war seine ziehr/
doch der Hochmuth gieng jhr für.
Eine starb im Liebesorden/
Gar zu tieff durch jhn versehrt/
245 Die hernach ein schall ist worden
Den man nach vns ruffen hört:

+ + + +
[Druckausgabe S. 75]

Aber Amors grimme macht
Straffte solche strenge pracht.
Wie er sonst hatt’ euch versehret/
250 O jhr Nymfen/ für der zeit/
Also ward er jetzt bethöret
Durch sein’ eigne ziehrligkeit/
Biß er noch sein ende nam/
Vnd in zahl der Kräuter kam:

[B4b]
Laßt vns ja vns selbst nicht lieben/
256 Bild’ jhm niemand zu viel ein/
Wil er sich nicht selbst betrüben/
Vnd in Furcht ohn Hoffnung sein:
Wündsch’ jhm weder Weib noch Mann
260 Zu erfahrn was Amor kan.

DER DRITTE ACT. Dafne. Apollo.

Dafne.

ES ist die spur des Hirschen ja für mir.
Wie laß bin ich! Ach! wer’ er doch allhier.

Apollo.
Wer muß nur diese sein/
Die aus den Augen lesset blincken
265 So einen hellen Himmelsschein
Den ich spür’ in mein Hertze sincken?
Dafne.
Ich denck’ jhm noch wol für zu biegen

Im fall ich eile.
Ich muß nur sehn ob auch der Pfeil wird fliegen/
270 Vnd scharff sein wie er soll.
Apollo.
Ach? scharff genung sind deiner Augen Pfeile:

Ich fühle sie ja wol;
Sie verwunden mich von fernen.
Bist du nicht der Nymfen eine/
275 Oder/ wie ich auch vermeine/
Eine Göttinn aus den Sternen?
Wie das du Pfeil’ vnd Bogen an dich henckest?

Sachanmerkung +
[Druckausgabe S. 76]

Dafne.
Ich such’ ein schnelles Wild/
[C1a]
Vnd bin ein sterblichs Weibesbildt/
280 Nicht eine Göttin wie du denckest.
Apollo.
Gläntzt in der schönen Sterbligkeit

Dergleichen Liecht/
So frag’ ich nach dem Himmel nicht.
Dafne.
Das Thier verläufft sich allzuweit:

285 Ich muß den Fuß nur ferner setzen.
Apollo.
Du kanst mit deinen Augen hetzen/

Im fall du schon nicht Berg vnd Thall
Mit deinen Pfeilen
Durchsuchest vberall.
Dafne.
Nichts anders wündsch’ ich zu ereilen:

291 Die lust so ich im Sinne führe
Sind Berge/ Püsch’ vnd Thiere.
Den Raub den ich zu kriegen meine/
Vnd der bey mir am meisten gilt/
295 Sind Gembsen/ Reh’ vnd Wilde Schweine.
Apollo.
Du fellest nicht nur blosses Wildt;

Dann deiner stoltzen Augen liecht
Kan auch die Götter selbst versehren;
Ihr Hertz’ ist für dir sicher nicht.
Dafne.
Die Götter pfleg’ ich hoch zu ehren:

301 Durch meine Pfeil’ vnd Bogen
Wird nur das Wild betrogen.
Du aber säumest mich
Mit langem stehen.
Apollo.
Vergönne mir das ich

306 Mag mit dir gehen.
[C1b]
Ich weiß die Thiere wol zu fellen;

Wir wollen eine jagt
Mit grosser lust anstellen
310 Die mir vnd dir behagt.

+ + + + +
[Druckausgabe S. 77]

Dafne.
Es darff sich nichts zu mir gesellen
Als Pfeil vnd Bogen nur. Glück zu.
Apollo.
Ach/ warte! warumb eilest du?

Erkenne doch/ O schöne/ wer dich liebet;
315 Ein Gott ists der sich dir ergiebet/
Der dich begehrt. gieb deinem Glücke stat/
Nim an den guten Rhat.
Ach fleuch/ ach fleuch doch nicht!
Mein Hertze das zerbricht/
320 Vnd zwingt mich das ich schneller eile
Als diese meine Pfeile
Wann mir ein Wild auffstößt.
Du rennest/ läuffst vnd gehst
Wohin du wilt so wil ich folgen können.
325 Wer eyfrig liebt dem kan kein ding entrinnen.

Chor der Hirten.

LIebe wer sich selber haßt;
Aber wer sein gutes Leben
Wil der freyen Rhue ergeben
Reißt sich von der argen laßt;
330 Suchet für das süsse Leiden
Felder/ Wild/ Gepüsch’ vnd Heyden.

[C2a]

Ihm gefällt die Faulheit nicht
Die nicht als zum bösen wachet/
Die den Trägen schwächer machet/
335 Vnd der starcken Krafft zerbricht;
Die den Geist zeucht auff die Erden/
Vnd heißt Männer Kinder werden.

Seine lust die er begehrt/
Die jhm kürtzet manche stunde/
340 Sind berhümbte schöne Hunde/
Vnd ein ritterliches Pferdt;
Sein Gemüte muß sich letzen
Mit dem Adelichen hetzen.

+ +
[Druckausgabe S. 78]

Wann der Reiff das Feldt betawt/
345 Vnd die Vögel mit dem singen
Vmb die Morgenröthe springen/
Sitzt er munter auff vnd schawt
Ob er mit den schnellen Winden
Kan ein grosses stücke finden.

350 Also dringt die scharffe Pein
Nimmer in sein grosses Hertze
Das von Wollust/ Lieb’ vnd Schertze
Gantz wil frey vnd sicher sein/
Wil nicht von den frewden wissen
355 Die Gemüt’ vnd Leib muß büssen.

Flieht ingleichen diese lust
Die doch nur den weichen Sinnen
So nichts Mannlichs üben können
Sol bekandt sein vnd bewust;

[C2b]
Die nur wie ein Schatten stehet/
361 Der bald wird vnd bald vergehet.

DER VIERDTE ACT.
Cupido. Venus.

Cupido.

WAs gilt’s ich habe dir den stoltzen Muth gebrochen
Der meine Macht
Sonst hat verlacht
365 Vnd mich an dir gerochen?
So lernt jhr Götter nach der Zeit
Hier meines Köchers innen werden;
Vnd jhr/ jhr Sterblichen/ erhebet weit vnd breit
Mein hohes Lob auff Erden.

Venus.
O süsser Sohn/ was hastu doch gethan?
371 Was wil diß frölich sein vnd lachen?
Was ist es doch/ mein Kindt? sag’ an;
Daß ich mich auch kan lustig machen.

+ + +
[Druckausgabe S. 79]

Cupido.
O Muter/ laß mir einen Wagen
375 Von Gold’ vnd Edlen Steinen bawen:
Jetzt mag ich einen Krantz zum Siegeszeichen tragen;
Die Götter sollen heute schawen
Wie recht ich triumfiren kan.
Der Gott so von der Himmelsbahn
380 Mit seiner Stralen krafft die gantze Welt durchscheint
Hat meines Bogens Rach’ empfunden/
Geht jetzt vnd weint/
Ist kranck an Liebeswunden.
Venus.
Kan ein Gott auch rhümen sich/

385
[C3a]
Daß er für dir frey sey blieben?

Sohn/ Sohn/ dencke wer bin ich?
Folgt doch deine Muter dir/
Muß nach deinem willen lieben
Götter oben/ Menschen hier.
Cupido.
Zwar trawrig hab’ ich dich gemacht/

391 Jedoch so hastu auch gelacht.
Ich habe dich gar nie gesehen weinen
Wir Mars in deinen Armen lag
Eh’ als der helle Tag
395 Verrhätrisch ließ die Stralen auff euch scheinen.
Venus.
Ach schweig! Doch weissest du wie mir entfiel der Muth/

Vnd wie mein Antlitz ward als Blut.
Aber laß vns hier nicht stehen;
Es ist zeit
400 Heim zu gehen
In das Hauß der Ewigkeit.


Chor der Hirten.

KEin schnelles Wild das in den Püschen lebt/
Dem Graß die Nahrung giebt;
Kein Vogel auch der vmb die Wolcken schwebt;
405 Kein Fisch bleibt vnverliebt:

+ + + +
[Druckausgabe S. 80]

Nichts ist was wohnt auff Erden/
Was Lufft vnd See durchstreicht/
Was ist vnd noch soll werden/
Das nicht der Liebe weicht.

[C3b]

410 Die Kräuter selbst so ohne Geist auffgehn
Sind Freund doch vnter sich;
Kein Element kan bey dem andern stehn/
O Amor/ als durch dich.
Der Mensch ist’s der die gaben
415 Des liebens von sich streicht/
Vnd wil ein Hertze haben
Das nicht der Liebe weicht.

Der eine stellt auff vngezähmtes Wild/
Der reiset Tag vnd Nacht/
420 Ein andrer hört wann die Trompet’ erschüllt
Vnd fug zum kriegen macht/
Der schawet das mit schertze
Vnd lust die zeit verstreicht/
Damit er hab’ ein Hertze
425 Das nicht der Liebe weicht.

Doch wann vns kömpt des Leibes thewre wahr/
Der Augen Stralen für/
Der weisse Halß/ das goldtgemengte Haar/
Der roten Lippen Ziehr/
430 So muß man innen werden
Das nichts sich jhnen gleicht/
Vnd kein ding sey auff Erden
Das nicht der Liebe weicht.

+ +
[Druckausgabe S. 81]
[C4a]

DER FVNFFTE | ACT.
Apollo. Dafne.

Apollo.

BLeib/ Nymfe/ bleib; ich bin dein Feindt ja nicht
435 Das du so läuffst/ mein Liecht/
Als wann ein armes Schaff vom Wolffe wird getrieben.
Mein folgen kömpt vom lieben.
Ach/ ach/ daß für die grosse Brunst
Kein Kraut wächst auff der Erden!
440 Was hilfft mich jetzo meine Kunst
Durch welche sunst
Ein jeder heil kan werden.

Dafne.
O Vater Peneus/ nim mich an/
Dein vnbeflecktes Kind. O Vater/ hilff doch mir/
445 Im fall ein Fluß auch helfen kan.
Bedeck’/ O Erde/ mich; nim zu dir meine Ziehr/
Verschling sie/ oder laß sich meinen Leib verkehren
In etwas welches mich kan der gewalt erwehren.
Apollo.
Soll dann/ ihr harten Rinden/

450 Die vnbefleckte Ziehr
So Hertz vnd Sinn mir kundte binden
In euch verdeckt sein für vnd für?
Ihr Augen/ die jhr mehr ein Quell als Augen seidt
Bleibt an die Zweige hier gehefftet jederzeit.
455 Hier da ist das edle Hertze
So das meine mir zerbricht;
Hier ist mein der Sonnen Liecht/
[C4b]
Daß die helle Tageskertze/
Die vertreiberinn der Nacht/
460 Aller schwartz vnd tunckel macht.
Wiewol ich sonst vnsterblich bin/
Doch sterb’ ich jhrentwegen hin.
Ach Nymfe/ die du dich
Hast eines Gottes Lieb’ erwehret/
465 Dadurch dein schöner Leichnam sich

+ + + + + +
[Druckausgabe S. 82]

In einen Lorbeerbawm verkehret/
Es widerfahr’ in Ewigkeit ja nicht/
Daß ich dein Lob soll’ in Himmel mit mir führen.
Mit deinen Blättern wil ich allzeit/ O mein liecht/
470 Diß güldne Haar mir ziehren.

Diese meine Pflantze hier
Sol begrünt sein für vnd für/
Sol in Kält’ vnd Hitz stehen/
Für dem Wetter frey vnd loß:
475 Donner Plitz vnd harter Schlos
Sol bey jhr fürüber gehen.

Die Regenten dieser Welt/
Vnd ein vnverzagter Heldt
Der sich ritterlich geschlagen
480 Vnter seiner Feinde Schar/
Sol vmb sein sieghafftes Haar
Diese frische Zweige tragen.

[D1a]

Herd’ vnd Hirten sollen dir
Lassen seine grüne Ziehr:
485 Hier soll frey von andern dingen
Nymf’ vnd Göttinn jhre zeit
Lustig vnd in Fröligkeit/
O du edler Bawm/ verbringen.


Der Nymfen vnd Hirten | Tantz vmb den Bawm.

O schöne Nymfe/ frewe dich/
490 Dein Leib der vor besorgte sich
Für Liebes-vbelthätern/
Nach dem er Laub vnd Schatten giebt
So wird der schöne Baum geliebt
Von Menschen vnd von Göttern.

495 Kein Plitz ist der dein Kleid zerbricht/
Du achtest keinen Regen nicht/

+ + + + +
[Druckausgabe S. 83]

Blühst stets mit grünen Haaren/
Legst nimmer von dir deine Ziehr/
Bekräntzest grosse Fürsten hier/
500 Vnd auch der Götter scharen.

Nun wachse fort als wie du thust/
Geneuß mit frewden deiner lust/
Vnd deiner schönen gaben.
Wir aber/ wo ja Amors Pfeil
505 Vns auch wird geben vnser theil
Wolln jhn in ehren haben.

[D1b]

Vnd trügen wir dann Liebesgunst/
Laß vnsrer Augen trewe Brunst
Der Liebsten Sinn durchdringen;
510 Laß vnsers guten Hertzens Pflicht
Wie Eyß das von der Sonnen bricht
Ihr hartes Hertze zwingen.

Wo aber es sich auch begiebt
Das die von vns nicht wirdt geliebt
515 Die vns liebt je auff Erden/
So laß diß vnser haar allhier
An stat des Lorberbawmes Ziehr
In Hew verwandelt werden.

Nun grüne fort/ vnd mit dir auch
520 Der vberedle Rautenstrauch/
Der vns erhelt das Leben;
Der Himmel laß’ jhn seine frucht/
Die manches krancken Landt jetzt sucht/
Von zeit zu zeiten geben.

525 Nim zu vnd wachse für vnd für/
O Rautenstrauch/ der Felder Ziehr/
Für dem die Schlangen fliehen/
Der böse lust vnd schmertzen stillt/
Für dessen Krafft kein Gifft was gilt/
530 Vnd kan vns nicht durchziehen.

+ + + + + +
[Druckausgabe S. 84]

Nim zu vnd wachse für vnd für/
Vnd deine Zweige neben dir/
Die alle Schönheit ziehret;

[D2a]
Von denen einer sich jetzt giebt
535 Dem Löwen der jhn hertzlich liebt/
Vnd hin in Hessen führet.

O schöner Früling/ frewe dich/
Der Blumen lust erhebe sich/
Die Vögel müssen singen;
540 Der Zweig so dich/ O Löw’/ ergetzt/
Den Venus in dein Landt versetzt/
Wird newe Zweige bringen.

Wir sehen schon wie nach der zeit/
Wann Jupiter den harten streit
545 Durch Deutschlandt noch wird stillen/
Wir sehen wie der Beuten Ziehr
Mit grüner lust wird für vnd für
Feldt/ Berg vnd Thal, erfüllen.

+ + +



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),