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Der Flüsse strandt besteht
[Auff Herrn Gottfriedt Biedermannes Vnd Jungfrawen Annen Re- ginen Sandeckin Hochzeit. Martin Opitz. Gedruckt zu Breslaw/ durch Georgium Baumann. 1627.]
4°: 1 Bogen, unsigniert
Der Einzeldruck, früher in Breslau unter der Signatur 4 gen. vor- handen, ist heute verschollen. Abdruck hier nach Sammlung C. Wechselseitiger Einzug der Alexandrinerpaare ist editorielle Maß- nahme.
In C II steht das Gedicht auf S. 375 unter einer Kopfleiste von 0,7 × 7,9 cm; am Ende ein kleines Ornament aus drei nach l., r. und unten weisenden Eicheln um (o) gruppiert. In F II besteht die Kopf- leiste, 0,5 × 7,5 cm, aus 18 nach oben weisenden Eicheln mit Doppel- punkt zwischen 5 und 6, sowie 3 und 2 (Zählung vom Bundsteg her).
Der Bräutigam stammte aus Breslau. Er ließ sich schon 1607 als »puer« in Frankfurt immatrikulieren, begann sein Studium aber erst im W.S. 1620 (Matr. I 520a,1 u. 643b,3). Z. 6 weist ihn als Juri- sten aus. Das Datum der Hochzeit fällt aufgrund von Z. 2 in die Zeit zwischen 20. Januar und 18. Februar; so auch Gellinek 299, Anm. 21. Über die Braut war nichts zu eruieren. Siehe Gel. 223–25.
Auff H. Gottfriedt Bieder- | mannes vnd Jungfr. Annen
Re- | ginen Sandeckinn Hoch- | zeit.
DEr Flüsse strandt besteht/ der Schiffer fleucht die See/
Der bleiche Wassermann wirfft vmb sich Reiff vnd Schnee/
Der Windt beeißt das Landt/ Mars mus zu rücke halten
Vnd legt die Waffen hin weil Hand vnd Fuß erkalten;
5 Vom hertzen weiß ich nicht: ist dann/ O Biedermann/
Du Sohn der Themis/ nichts das vns behagen kan
Auch in der kühlen Zeit? der Lentz muß Kräuter geben/
Der Sommer reiffes Korn/ der Herbst die süssen Reben:
Tregt Sommer/ Lentz vnd Herbst Korn/ Kraut vnd Reben ein/
10 So können wir darmit im Winter frölich sein.
Die Liebe liebet jhn/ vnnd Bachus jhr Geselle/
Der Vater aller Lust/ dem leichtlich keine stelle
Im Hause wird versagt. Wann vns dir rawe Lufft
Durch alle glieder streicht/ so reitzet vnd berufft
15 Das Hertze gantz zu sich die eußerliche Hitze;
Dann ist ein hohes Glaß am allermeisten nütze/
In dem nach Perlen art der Oedenburger springt
(Dann Reinwein ist nur Rein) der leidt vnnd trawren zwingt/
Vnnd thäwt die Sinnen auff: was sol man sonst auch machen/
20 Dieweil doch ohne diß der Krieg vns alle Sachen
In furcht’ vnd zweiffel setzt? wir wolln die böse Zeit
Begraben in den Wein mit muth vnd fröligkeit.
Wir wollen vnser Faß nur recht vnd redlich leeren
So lang’ es lauffen wil/ vnd für der Faust vns wehren;
25 Die Zeit vnd wir vergehn: der Mann so Rechnung macht
Auff vieler jahre Frucht/ stirbt offt dieselbe Nacht.
Was mich belangendt ist/ die Alten mögen sagen
Von meiner Poesie vnd mir auch nach behagen:
Wer mit der Jugendt zörnt daß sie liebt Lieb’ vnd Wein/
30 Der muß an kräfften dürr/ vnd grün an Sinnen sein.
Neidt brenne wie du wilt; der Eyfer der Poeten
Bezwingt mit lachen dich/ steigt vber alle nöthen/
Schreibt seiner Feinde Lob an eine Mawren an/
Von da es niemandt nicht herunter bringen kan.
35 Ihr Freunde nur wol auff; wer sein Geldt nicht darff geben/
Laß’ vns vmb vnsers nur nach eygnem willen leben;
Komm Venus bring’ vns hin zur schönen Galatee;
Schick vns dein Sorgengifft/ O Evan/ Evoe.
Ein Mensch dem Jupiter nur einmal hat gegeben
40 Zu trincken gutten Wein/ der bleibt bey seinem Leben
Wol allzeit auch darbey; wann einer aber schon
Zum Wasser ist verdampt/ kömpt ewig nicht darvon/
Wie sehr er scharrt vnd kratzt. drumb wacker außgeneiget/
Weil sonderlich hierauff der Winter selber zeiget/
45 Der Feldt vnnd Wasser schleust durch seinen scharffen West/
Vnd vns nicht allzuweit hienauß spatzieren lest.
Er ist deß Bachus Freundt/ vnd Amor sihet gerne
Die ruh der frischen Zeit. schaw’ an die hellen Sterne:
Wer sind die Fische doch/ so in den Lüfften stehn/
50 Vnd pflegen baldt hernach vmb Faßnacht auff zugehn?
Sie sind es welche dich/ vnd deinen schönen Knaben/
O Venus/ am Eufrat gerettet sollen haben/
Als Typhon ewrer Feind vnd Wolcken-stürmer kam;
Drumb deß Gestirnes schar hernach sie zu sich nam.
55 Wer aber ist der Beer der niemals vntersincket
Vnd niemals aus der Flut deß grünen Meeres trincket?
Calisto/ das bist du; du/ derer schönen Leib
Die Zepter-trägerin/ das eyfer-volle Weib
Die Juno hat verkehrt: doch bist du auffgenommen/
60 Vnd Arcas dein Kindt auch/ bist jn den Himmel kommen
An einen hohen ort/ von da dich jederman/
Du klares Segel-licht/ weit blincken sehen kan.
Wie daß Aurora sich im Winter mit den Pferden
Macht später auff die bahn/ vnd leßt den Kreiß der Erden
65 So lange finster stehn? sie liebet auch die Nacht/
Die Thiton noch zu kurtz mit seinem beysein macht/
Im fall er näher rückt an jhre weisse seiten/
Wann sonderlich die Lufft sich vmb die Morgenzeiten
Was schärffer hören leßt. wer wündtschet jhm den Tag/
70 Der also seine Nacht getrost verschliessen mag
Mit guttem recht’ vnd rhue? diß könnt jhr Zwey vollbringen/
O werthes newes Par: last Windt vnd Winter dringen
Zue thür vnnd fenstern ein; getrewe liebe macht
Auß kälte Hitz’/ auß Nacht den Tag/ auß tage nacht/
75 Vnd was sie selber wil. denckt nach den kühlen tagen/
Die gar in kurtzer Frist der Früling wird verjagen;
Schawt wie die Zeit vergeht/ lebt weil jhr leben könnt/
Vnd weil das Alter euch noch lust vnd kräfften gönnt.
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