Grotii De Capta Rupella Carmen

[Druckausgabe S. 324]

104
  • Sz 99
  • Dü 104
  • 1629

    Grotii De Capta Rupella Carmen

    Einzeldruck X: HUGONIS | GROTII | De Capta Rupella | Carmen Heroicum. | MART. OPITIUS | verfibus Germanicis red- | didit. | [Linie, 9 cm] | VRATISLAVIAE Typis Baumannianis. | Anno M IɔC XXIX.

    4°: A Exemplare: Breslau; Göttingen UB

    Einzeldruck Y (Sz 100 Dü 104a): Identisch mit X bis [Linie, 12 cm] | Anno M DC XXIX.

    4°: A Exemplare: Göttingen UB (zwei); Yale UL (FdF 216)

    In X ist der letzte Buchstabe in Z. 3 geschweift, in Y sind es die Endbuchstaben in Zz. 3. 4 und 7. In X sind die Großbuchstaben in Z. 5 gleicher Größe, in Y sind M und O größer als die andern. Gegen- über der einfachen Linie in X ist die in Y aus 10 Teilen zusammenge- setzt. Das Papier von Y ist geringerer Qualität als das von X, aus welchem Grunde Hrsg. ihn für den späteren Druck betrachtet. Man fragt sich, warum in Y Verleger, Drucker und Ort unerwähnt geblie- ben sind.

    In beiden Drucken ist Bl. [A1b] unbedruckt, wie auch A4b. Wäh- rend der Seitenumbruch beim lateinischen Gedicht auf Bl. A2a in beiden Drucken nach Z.22 erfolgt, kommt er im deutschen auf Bl. A3a nach Z. 20 in X, nach 19 in Y. Die Initialen sind andere und weitere Unterschiede finden sich in der Buchstabierung, den Druck- fehlern, der Zeichensetzung und dem Zeilenumbruch. Weder X noch Y weisen Zeilenzählung auf; der Kursivdruck des lat. Gedich- tes ist auf editorische Veranlassung hin in eine kleinere Antiquatype transponiert worden.

    Bisher ist kein Originaldruck des Grotiusgedichtes gefunden wor- den; es existieren jedoch zwei voneinander (und vorliegendem Druck) leicht abweichende Manuskriptfassungen im Grotius Insti- tuut in Den Haag: Carpentras 1804, fol. 177 und Carpentras 2050, fol. 246. Die drei Versionen scheinen auf eine verschollene Vorlage zurückzugehen. In der von Opitz benutzten Fassung sind die »scharfen Kanten abgefeilt« worden (gütige Mitteilung von Dr. A. C. Eyffinger vom Grotius Instituut, Den Haag).

    In F II 58/59 erscheint das deutsche Gedicht – das lat. wurde nicht wieder abgedruckt – im ersten Buch der Poetischen Wälder

    [Druckausgabe S. 325]
    unter einer Kopfleiste (0,2 × 7,6 cm) aus 15 abwechselnd nach 1. und r. weisenden Eicheln, die zwecks Zeilenfüllung auf der rechten Zeilenhälfte noch durch 4 Doppelpunkte vermehrt wurden; darun- ter eine Zierleiste (0,2 × 7,6 cm) aus 27 sternchenartigen Gebilden, die durch 2 Doppelpunkte erweitert worden sind. Grotius’ Name wird nicht genannt.

    Wir wissen nicht genau, warum Grotius sein vorsichtig formulier- tes Gedicht schrieb. Die Übersetzung wurde auf Wunsch des Her- zogs Heinrich Wenzel von Münsterberg-Oels und des Burggrafen von Dohna angefertigt; Mitteilung Opitz’ an Colerus, März 1629, Rei Nr. 287. Am 31. März schickte Opitz ein Exemplar des Werkes an Buchner; Schnorrs Archiv 5 (1876), 350. In seinem Begleitbrief lobt der Dichter das Carmen von Grotius als »elegans prorsusque heroicum«; doch »mei versus vix eius umbra sunt«, fügt er beschei- den hinzu. Kein Wort über den Inhalt oder dessen Relevanz in Schlesien. Opitz erwähnt dies Werk in seiner Grabrede auf die Her- zogin Barbara Agnes 1631.

    La Rochelle, ein Hauptstützpunkt der französischen Protestan- ten, wurde seit 1627 von Ludwig XIII. (der zeitweilig persönlich zu- gegen war) und Richelieu mit ungewöhnlichem Aufwand belagert. Die Stadt ergab sich am 28. Oktober 1628, nachdem jede Hoffnung auf Entsatz hatte aufgegeben werden müssen und etwa 20 000 Bür- ger verhungert waren. Der Verlust traf die Hugenotten empfindlich. Deutschen Lesern von Grotius’ Gedicht und dessen Übersetzung konnten gewisse Parallelen natürlich nicht verborgen bleiben. Die gewaltsame Rekatholisierung Schlesiens hatte eingesetzt, und die kaiserlichen Truppen unter General Lichtenstein waren überall er- folgreich. Die freie Reichsstadt Breslau hatte bisher beiden Parteien ihre Unterstützung versagt, indem sie sich weigerte, Truppen aufzu- nehmen. Dohnas Bemühungen, die Stadt zum Einlaß von kaiserli- chen Truppen zu zwingen, Versuche die ihn 1632 zu Fall brachten und zu seiner Flucht aus Schlesien führten, zeichneten sich 1629 schon ab, und Herzog Wenzel war als Günstling des Wiener Hofes bekannt.

    Die einzige kritische Beachtung, welche die Übersetzung erfahren hat, findet sich bei Geiger 14. Geiger beklagt die aus dem Gedicht sprechende »Theilnahmslosigkeit, die freilich mehr dem Dichter als dem Übersetzer zur Last fällt«. Grotius lasse »den einfachen, refe- rierenden Ton« vorherrschen. Gel 293, Anm. 9 meint, Opitz’ be-

    [Druckausgabe S. 326]
    rüchtigtes Epigramm auf den Fall von Magdeburg sei »eine Art Nachahmung des Grotius’schen Gedichts«.

    [A1b]

    unbedruckt

    [A2a]

    CLara meis Rupella malis, quae sola tot hostes,
    Tot Reges invicta tuli, nunc certa futurae
    Cladis et instanti fatis damnata ruinae
    Non expectato servor captiva triumpho.
    5 At non ille ferox, qui nunc se jactat, Iberus,
    Non Italae fraudes, dominaeque potentia Romae,
    Helvetiaeque acres, non haec mihi damna rependunt.
    Nil Batavae potuere rates, nil inclita virtus
    Guisiadae, invictosque trahens Morantius Anglos,
    10 Nil Melitaeus eques, victo nec inutile bello
    Auxilium lente quas misit Iberia puppes,
    Totaque quas patrias armavit Gallia turmas.
    Quodque magis stupeas et quae mea maxima laus est,
    Richeliique animos artesque interrita sensi.
    15 Illum in me vastae versantem pondera mentis
    Et vigiles animos Titan oriensque cadensque
    Vidit, et alternas stupuerunt sidera curas.
    Sola tamen tristesque iras, repetitaque cautis
    Foedera consiliis, tantique capacia regni
    20 Pectora difficilesque aditus, pugnasque dolosque
    Sustinui, dum fata dabant. Nunc victor ovansque
    Altera fata trahit justis Ludovicus in armis.

    [A2b]
    Ille meos solus cives, mea moenia solus
    Terruit, atque leves fecit pugnantibus iras:
    25 Cessit hyems, cessit pelagus, cessere procellae.
    Hoc quoque quis credat? victum jam montibus aequor
    Frangitur, oppositas maria indignantia rupes
    Accipiunt votisque favent: Rex ipse furori
    Numinis accedit, tellusque fretumque tumultus,
    30 Et conjurati posuerunt praelia venti,
    Dum regi nocuisse pudet: terraque, marique
    Una premor; ventis superi cessere relictis;
    Post superos stetimus: tota Rex obruit urbem
    Natura. O cives, hoc Rege, hoc milite, vinci
    35 Non pudeat: victam totus me praedicet orbis,
    Dummodo vel nostros orbis quoque praedicet hostes.

    + +
    [Druckausgabe S. 327]
    [A3a]

    ICH/ die ich weitberümbt durch Vnglück worden bin/
    Roschelle/ der kein Feind noch König jhren Sinn
    Zuvor gebeuget hat/ die weiß ich jetzt das ende/
    Weil mein verhengniß kömpt/ vnd bindet mir die Hände/
    5 Zu ziehren den Triumpf vnd Sieg mit einer Stadt
    Die selbst sonst triumfirt vnd obgesieget hat.
    Der stoltze Spanier/ der Welschen kluge Sinnen/
    Vnd Rom/ vnd Schweitzermuth hat diß noch nie thun können.
    Vmbsonst hat Hollandt mir viel Segel auffgebracht/
    10 Vmbsonst war Guise selbst/ der Engelländer Macht
    Vnd jhr Morantz gieng bey. Malteserritter enden
    An meiner Tugendt nicht/ die Spanjerschiffe lenden
    Zu langsam bey mir an/ gantz Franckreich das bekriegt
    Mich sein geringes Gliedt/ vnd leßt doch vngesiegt.
    15 Was grössern Wunders werth/ vnd was mich mehr erhebet;
    Mein Hertz’ entfiel mir nicht/ wie sehr nach mir gestrebet
    Des Richels Künst’ vnd Witz. Die sorgenfreye Nacht/
    Das wache Morgenliecht/ hat seiner Klugheit Macht
    Verstarret angesehn/ die Sternen sind verbliechen
    20 Vor solcher weisen List/ wann er in sich gewiechen/

    [A3b]
    Vnd gantz sich hat versucht. Doch hab’ ich nur allein
    Den jämmerlichen Zorn/ den Rhatschlag meiner Pein/
    Das bündtniß vber mich/ der schnellen Schiffe flügel/
    Die Schlachten vnd Betrug/ vnd aller wege Riegel
    25 Zu Land’ vnd auch zur See bestendig auffgefaßt/
    So weit mich voriges Verhängniß nicht gehaßt:
    Jetzt kömpt ein anders an das Ludwig mit sich bringet;
    Er er hat einig mir der Bürger Hertz’ vmbringet
    Mit schrecken vnd mit Angst; er er hat einig mir
    30 Von Furchten schwach gemacht die Mawren meine Ziehr.
    Mein Volck zörnt leichter nun: Der Winter muß sich legen/
    Die Wellen stille sein/ die Winde sich nicht regen.

    Sachanmerkung + + + + + +
    [Druckausgabe S. 328]

    Wer glaubet dieses auch? es wird der wilden Flut
    Durch Berge newer art gebrochen selbst der Muth;
    35 Die straffenswerthe See sieht nun an jhrer seiten
    Der Felsen Joch gebawt/ sie sucht nicht mehr zu streiten/
    Vnd wil gehorsam sein. Der König/ wie gemach/
    Wie gütig er sonst ist/ folgt auch dem Himmel nach/
    Lernt zornig sein wie er. es hatten sich verschworen
    40 In Bundt Lufft/ Erd’ vnd Meer/ die haben gantz verloren
    Sie schämen sich ein Leidt dir/ König/ an zu thun/
    Vnd werden from von dir. Ich arme werde nun/

    [A4a]
    Ich arme die ich bin/ zu Land’ vnd See besprungen;
    Die Götter haben sich von mir hinweg gedrungen;
    45 Ich stundt nach jhnen noch: Der König fellt mich an
    Mit allem was Natur geheissen werden kan/
    Das gantz jhm dienen muß. was ists daß jhr euch schämet/
    Ihr Bürger/ weil euch ja ein solcher König zähmet?
    Diß bitt’ ich/ wann die Welt mich für bezwungen spricht/
    50 So schweige nur die Welt auch meine Feinde nicht.

    + + +



    Zitierempfehlung:

    Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

    Zitierempfehlung der Druckausgabe:

    Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),