Das XXIII. Capitel.

Der Sicilier häuffige Ankunfft in deß Meleanders Hoff wegen deß Geburts-Tags der Argenis. Beschreibung deß Tantzes der Fortune. Der kostbahre Pracht deß Radirobanes.

Das XXIII. Capitel.

MAn sahe wol daß Ibburranes nichts vnbilliches sagte. Weil es aber bißweilen tödlich ist/ wann man krancke Leiber mit gar zu starcker Artzney vberschütten wil/ so verschob der König die vollstreckung dieser gesunden Newerung/ biß man die Obrigkeiten zusammen for- dern/ vnd jhnen gleichsamb mit jhrer Bewilligung dieses anbefeh- len köndte. Dann man mußte sie bey dem Ansehen gegen dem Volcke erhalten; welches sie dann [587] verlieren köndten/ wann in dieser plötzlichen Ordnung mehr ein Schein der Straffe vnd Rache/ als deß künfftigen Nutzens zuspüren were. Derhalben hieß er das vbrige worumb das Volck Ansuchung gethan/ auff der Argenis Ge- burtstag vollziehen/ mit blosser Verheissung die Gerichte künfftig zubessern; wie dann dem Cleobulus solche Befehl außzufertigen aufferleget ward.

Eß waren nun nicht allein die Abgesandten der Städte zusammen kommen/ sondern Epeircte war auch voll von allerley Standes Men- schen/ so daß Radirobanes vber den Gedancken wegen seines vn- zimlichen Fürhabens bißweilen sich besorgete/ es möchte Argenis bey dergleichen Menge der Sicilier nicht können entführet werden; bißweilen aber bedachte/ daß deß Meleanders Leute vnter solcher Vnordnung vnd verworrenem Volcke jhn desto schwerlicher wür- den hindern können. In dessen ließ er es weder am Fleisse noch Auß- gaben erwinden/ damit er den fürgenommenen Tantz zieren möchte. Dann er wolte beydes hiermit jhm einen Nahmen der Hoheit ma- chen/ vnd durch solche Gunst bey den Leuten den Wiederwillen/ so jhm dieses Beginnen erwecken würde/ lindern. Derhalben ward zu + + +

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solcher Fröligkeit den Tag vor der Argenis Geburtsfeste/ deß Mele- anders grössester Pallast zubereitet/ vnd zu Abendt zeitlich ge- speiset. Es kamen daselbst viel Sardinische [588] vnd Sicilische Herrn zusammen. Weder Scherganten noch Schildwache vermoch- ten die Menge zu rück zuhalten; also daß der Tumult selber vnd das Geschrey der jenigen welche schlugen oder geschlagen worden die königliche Pracht vermehrete: Der König kam selber an das Thor/ weil die Trabanten vnd Wache nicht vermochte außzurichten/ vnd vermahnete mit königlicher Bescheidenheit/ daß sie den Auffzug nicht verhindern/ vnd jhme selbst beschwerlich seyn möchten. Ar- chombrotus war jhm an der Seiten/ welchen er bey seiner Abtret- tung befahl/ daß er die so Platz zuschawen hetten hinein lassen/ die andern aber durch sein Ansehen abweisen wolte. Er vermeinte ein gutes Werck zuthun/ wann er dem Radirobanes schadete/ vnd bemühet sich das Spiel zuverstören/ welches jener mit solcher Müh anrichtete; stellte sich derwegen/ als ob er sie nicht vermochte auff- zuhalten/ vnd ließ das Thor offen/ so mit plötzlicher Menge der- massen vberschüttet ward/ daß einer den andern selbst verhinderte. Als auch Meleander sich erzürnte/ wolten doch die vngestümen Leute nicht hören/ biß sie durch solche Freyheit besänfftiget sich an- fiengen wegen jhres Einlauffes selbst zu schämen: sonderlich als sie sahen/ daß der König im Grimm durch ein Thor/ so nechst seinem Throne war/ hinein gieng. Eurimedes fuhr sie mit harten Worten an/ wie sie dann gemach anfiengen zu erschrecken/ mit heimlicher Frewden deß Archombrotus/ weil man sagte/ daß Radirobanes hier- über also [589] ergrimmet were/ daß er mit abreissung deß Zierahts/ das auffgehenckte Tafelwerck/ welches den Tantz auß der Lufft her- unter lassen solte/ hette wegzubrechen befohlen.

Zuletzt wardt der Orth durch deß Eurimedes Fleiß vom gedränge deß Volcks so weit befreyet/ daß der König vnd Argenis daselbst raum hatten. Zu Anfang worden vier Satyres eingeführt/ welche nach einem kurtzen vnd groben Tantze dem Könige vnd der Prin- cessin/ nachmals allen Anwesenden/ den Innhalt deß Ballehts vber- gaben. Indessen erschiene vnter dem Trompeten blasen in den er- tichteten Wolcken ein helle Flamme auff Art deß Blitzes. Hernach fieng sich das Bildnüß deß Himmels/ welches an dem höchsten Ge- +

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täffel war/ an zu bewegen/ vnd ließ sich gemach herunter; machte hernach drey örter auff/ in denen die Crystallinen Sterne/ welche durch Mittel hin vnd wider gesetzter Fackeln zu brennen schienen/ gläntzeten/ vnd das Goldt vnd Purpur von allen Seitten leuchten machten. Es hatte in diesem Himmel drey sitze. Jupiter saß in dem mittleren/ in dem andern Neptunus vnd Pluto. Vmb sie her waren gleichsamb als Auffwärter/ ein hauffen Cupido/ mit krausen Haa- ren/ kleiner Person/ Bogen auff den Schultern/ vnd in der Handt zweene Pfeile von vngleicher Spitze vnd Wirckung. Diese sprun- gen neben jhren Herren geschwinde auff den Platz der mit Tapeze- reyen bedecket war/ vnd tantzten sehr leichte auff dem Saal hin [590] und wieder. In dessen nahete sich Jupiter vnter wehrendem Klange der Instrumente zu seinen Brüdern: vnd bald/ gleichsam ob sie nicht einig weren/ wandten sie sich mit wiederwertigen Schrit- ten vnd Bewegungen voneinander. Als sie dieses zwey oder dreymal gethan hatten/ erschiene vnvorsehens die Göttin Fortune auff einer Kugel sitzend/ welche sie auch nach dem Gesange bewegete/ auch die Zeichen der Reiche/ derer wegen die Götter strittig waren/ in jhren auffgeschürtzten Kleidern verborgen hielt/ vnd sie zu sich beruffe- te: wie sie dann auch mit einem Gange/ der nach der Musick ge- richtet war/ zu jhr tantzeten. Derhalben grieffen sie zum Loß in die Schoß der Fortune. Jupiter kriegte den dreyspitzigten Donner herauß/ Neptun das dreyzänckichte Scepter; Pluto aber erschrack/ als er das Regiement der Höllen in die Hand bekam. Bald ließ eine andere Wolcke dem Jupiter/ als dem Könige derer die droben sindt/ die fürnemsten Himmlischen Götter/ den Mars/ Apollo vnd Mercu- rius herunter. Bald darauff fieng das Meer in der mitten mit vnter- schiedenen Wellen an zu rauschen; in diesem war ein Felsen von Mos vnd Muscheln/ von welchem Proteus/ Triton vnd Glaucus zu jhrem Neptun sprungen. Die Musicanten vermischeten sich inmit- tenst mit den zitternden vnd hellen Stimmen dermassen/ daß sie einen Klang der prausenden See von sich zugeben schienen. Neptun + + +
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hatte sie kaum erkandt/ als eine fin-[591]stere Anmütigkeit (dann sie bildete die Elysichen Felder für) von einer andern Seiten den be- stürtzten Minos/ Eacus/ vnd Radamanthus an das newe Tageliecht herfür brachte; welche mit jhrer Ankunfft machten/ daß der reiche Pluto die Kräfften seiner Beherschung nicht mehr verachtete. Die Himmlischen Götter waren in Purpur/ die Seeischen Meergrüne/ die Höllischen in Eisenfarbe mit einem ehrerbietigen Schrecken geklei- det. Ein jeglicher hatte seinen sonderlichen Zierraht. Den Apollo vmbringeten Stralen: Mars hatte die Fürbildungen deß Krieges im Purpur eingewircket/ vnd hielte ein Schwerdt in der Handt. Der Hut/ vnd die Flügel an den Füssen/ der Scepter vnd die einschläffen- de Rute zeigeten auff den Mercurius. Triton hatte eine krumme Muschel an die Seite gehangen; Proteus war von zweyfachem vnd vngleichem Gesichte/ vnd deutete hiermit die Natur der Ver- wandlung an. Glaucus ließ einen so langen Bart herab hangen/ wie er damals trug/ als er das wirckende Graß antraff welches jhn nechst bey Anthedon veränderte. Auff deß Minos schwartzen Rocke wa- ren hundert Städte abgebildet. Deß Eacus Kleid war mit Eichen vnd Ameissen erfüllet/ von welchen etliche sich mit menschlichen Ge- sichtern auffrichteten/ etliche noch jhre Beine nicht abgeleget hat- ten. Radamanthus trug die Chimere seines Lyciens mit lebendigen Farben außgedruckt/ vnd damit er bewiese [592] daß er ein Feindt der Laster vnd vngehewerer were/ so bestritte sie Bellerophon von seinem Pegasus.

Also tantzte in dieser Tracht ein jeglicher mit solcher Bewegung/ wie seiner Eigenschafft gemäse war; die Himmlischen Götter zwar frölicher; die Meer Regenten etwas vnförmlicher/ welche zuweilen den Fischschwantz/ so jhnen von der Scham an hinab hieng/ auff- huben/ zuweilen aber sincken liessen/ vnd nach dem Tact damit wi- der die Erde schlugen. Die Schritte der Götter deß Finsternüß sahen nicht vnähnlich den Runtzeln jhrer Stirnen. Doch tantzten sie gleichwol mit solcher ernsten Gestalt/ als ob sie vnwillig vnd zornig + +

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weren. Diese vnterschiedene Ordnung der vngleichen Götter wardt mit ebenmässiger einstimmung der Music geleitet. Baldt trenneten sie jhre Hauffen/ baldt verwickelten sie sich mit mancherley Ver- mischung zusammen. Offtmals kamen sie in die Runde/ vnd offt- mals in die Länge. Jetzt hielten sie einander bey den Händen/ jetzt tantzte ein jedweder allein/ jetzt waren sie zu Paaren eingetheilt/ vnd bequemeten jhren gantzen Leib geschwind nach den Seyten vnd Gesang. Letztlich als die Figuren sämptlich vorbey waren/ nahete sich Radirobanes/ welcher Jupiters Person an sich genommen/ zur Argenis/ vnd lude sie zum Tantz: worauff sie mit anmuhtiger Maje- stät jhm folgte. Als hernach die fürnembsten Matronen vnd Jung- frawen getantzet hatten/ machten zwölff Götter mit einem newen Auffzug dem Balleth ein Ende. Her-[593]nach giengen sie an vnter- schiedene örter. Jupiter ward in den Himmel getragen/ Neptunus verbarg sich in die Wellen; Pluto/ dem der Weg mit Fackeln gezei- get wardt/ in die Felder/ auß denen niemand zurücke kan. Zugleich vbersprewete ein sehr dünner Regen mit Verwunderung alle vber den gantzen Hoff/ in dem wolriechenden Wasser durch die Wolcken welche da hiengen/ vber all drangen.

[594: Kupfer Nr. 12]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),