Das XX. Capitel.

Selenisse vollführet die History vom Poliarchus/ vnd begleitet den Radirobanes zur Argenis. Seine schlechte Annehmung vber sein Verhoffen. Selenisse tadelt die Argenis. Meleander redet mit sei- ner Tochter wegen jhrer vnd deß Radirobanes Heyrath.

Das XX. Capitel.

VBer solchem Reden worden sie durch der Argenis Diener einen verhindert/ welcher Selenissen in der Princessin Nahmen anzeigete/ daß sie wiederkommen/ vnd/ wann es jhr geliebte/ den Radirobanes mit sich bringen solte. Gehet/ gab sie zur Antwort/ vnd sagt/ daß wir bald wöllen bey jhr seyn. Als der Trabant weg war/ Gnädigster König/ sagte sie/ Argenis wartet ewer. Ich weiß nicht was sie an jhrem Anschlage zu vns zukommen/ mag verhindert haben. In dem wir aber zu jhr gehen/ so lasset euch das vbrige erzehlen. Derhalben erklärete sie kürtzlich/ es were vnter wehrender solcher deß Poliar- chus Glückseligkeit Krieg [561] in Sicilien entstanden/ in dem Ly- cogenes/ nach erlangtem mächtigen Anhange/ starck wider den König angezogen were; da dann Poliarchus sich mit Raht vnd That so wol erwiesen/ daß jhn die Feinde nicht weniger als den König sel- ber gehasset hetten; an welchen er sich auch im ersten Kampffe dermassen gerochen/ daß der Sieg durch jhn auff deß Königs seitte gebracht worden. Sie erwehnte auch seines Vnglücks/ wie er deß Lycogenes Abgesandten/ die zu Vnterhandlung deß Friedens abge- schickt worden/ vmbgebracht hette. Vnd damals zwar were er auß Sicilien gezwungen entwiechen/ würde aber von der Argenis täg- lich erwartet. Dieser ists/ sprach sie/ Gnädigster König/ damit jhr +

[Druckausgabe S. 340]
den Archombrotus nicht vergeblich beschüldiget/ welcher euch die Gunst der Argenis bißher verschlossen hatt. Radirobanes sagte her- gegen: Vermeinet jhr aber/ meine Fraw/ daß ich jhrer bey seinen Lebenszeiten könne versichert seyn? Wie wann sich Argenis ver- änderte? wann sie wiederumb zu der vorigen Freundtschafft schrit- te/ welcher sie geschworen hat? Die Liebe selber/ welche jhr saget/ daß sie mit verlassung deß Poliarchus zu mir trage/ zeiget mir an/ daß ich ingleichem könne hindan gesetzt werden/ wann ich der Sa- chen mit klugem Rhate nicht zuvor komme. Zweiffelt nicht/ gab die Alte zur Antwortt/ daß/ wann jhr sie nur einmal zur Gemahlin haben werdet/ kein Ding sie von der ehrlichen Trew werde abwen- dig machen. Darumb befinde ich vor gut/ daß man die Heyrath [562] ehistes fortstelle. Im Fall aber Poliarchus vnterdessen zurück gelangen möchte/ so wil ich jhn/ der sich nichts besorgen/ vnd mir in allem glauben wird/ mit solcher List wie jhr wöllet hintergehen. Dann man muste jhn auß dem Wege räumen. Es wird auch einen vngewaffneten vnd einzelen Menschen auffzureiben grosser Macht nicht bedürffen.

Radirobanes erschrack vber der Frawen Boßheit: lobte doch jhren Fürschlag/ vnd kam also in der Argenis Spatziergang/ in welchem sie nach Fortlassung deß Poliarchus/ mit ernstem Gesichte/ auff vnd ab gieng; weil sie der newe Schmertzen sonderlich reitzete. Nichts destoweniger kam sie dem Radirobanes entgegen/ hieß jhn ruhen/ vnd setzte sich selbst auch auff einen Sessel. Er aber voll von Hoff- nung welche jhm die Alte gemacht hatte/ gab der Princessin sein Begehren vnd Liebe zuverstehen/ vnd satzte alles dasjenige hinzu/ was beydes der wahren oder falschen Liebe Reitzungen gleich eines zuseyn pfleget. Argenis/ so weniger beweglich war als er zwar ver- hoffet/ gab jhm nichts nach seinem Willen zur Antwort. Vnd solches kam jhm desto schmertzlicher für/ daß er jhm gewisse Rechnung gemacht/ der Princessin Gemüt were allbereit vberwunden. Sele- nisse verbleichte gleichsfals/ als sie der König nach mißschlagender Verheissung ansahe; vnd besorgte sich/ daß jhn seine betrogene + + +

[Druckausgabe S. 341]
Liebe nicht offenbahrlich auff vnwillige vnd wütende Worte leiten möchte.

[563] Als er auß dem Spatzierplatz kommen/ vnterstundt sich die Alte sich vber die Argenis zubeklagen. Dann auß was für Vrsach hette sie jhren Willen wiederumb verändert? oder die Hoffnung/ welche sie jhr vorigen Tages gegeben/ zu nicht gemacht? Zum wenigsten warumb bedächte sie nicht die Wolfahrt jhres Landes/ welche darauff beruhete daß Radirobanes nicht erzürnet würde? Die Princessin aber/ so jhren Vnwillen kaum kundte an sich halten; Höret auff/ sagte sie/ was böses vns zuverkündigen. Die Götter werden jhnen Sicilien lassen befohlen seyn; durch derer Macht die Meineydigen newlicher Zeit/ wie jhr gesehen habt/ gestürtzet wor- den sindt. Die Alte erzitterte vber diesen zweiffelhafftigen Worten/ vnwissendt ob sie nicht auff sie gehen möchten. Dieses waren die ersten Furien/ welche jhr Hertze jhrem Verdienste nach besassen. Aber sie wuste/ daß jhre Verbrechen nur allein mit andern newen kundten geschützet werden. Derwegen gedachte sie in solcher Vn- gewißheit jhrer Sachen ängstiglich/ auff was für Art sie den Radiro- banes zur Gewalt anreitzen/ vnd jhm die Argenis lieffern möchte. Damit sie auch bey jhr vnterdessen nicht in Argwohn geriehte/ nam sie allgemach solchen Schein an/ als ob sie dem Radirobanes weiter nicht beyfiehle; vnd beklagte zuweilen mit Fürgebung eines Schmer- tzens die Abwesenheit deß Poliarchus. Argenis aber/ nicht zwei- ffelnd daß es nur eine [564] Falschheit were/ geriethe in grössern Haß gegen sie/ nachdem jhr Gesicht so wenig mit dem Hertzen vberein stimmete.

Bey wehrendem Zustandt ließ Radirobanes seine böse Meinung/ welche er noch zur zeit etwas angehalten/ destofreyer blicken/ je mehr vnd länger sie von der beschönung zu Kräfften kommen wa- ren: in Meinung/ Meleander kündte jhm die Hülffe/ damit er jhn entsetztet/ nach Verdienst nicht vergelten/ vnd hielte sich nicht an- ders/ als ob er durch beystandt seiner Waffen Sicilien sampt der Ar- genis thewer genug erkaufft hette. Darumb vberlieff er auch den König wegen verheyratung seiner Tochter sehr vngestümm/ vnd fieng an allen Siciliern verdrießlich zuwerden. Sonderlich war sein vbermässiger Ehrgeitz den obristen Häuptern vnerträglich. Mele- ander aber kam auff vnterschiedliche Gedancken/ auß Forcht/ daß solche Liebe nicht auff eine Vneinigkeit hinauß lauffen/ vnd er bey seinem ermüdeten Alter vnversehens zu newem Krieg gerahten

[Druckausgabe S. 342]
möchte. Derwegen beruffte er seine Tochter/ vnd fragte sie/ was jhr dann an dem Radirobanes dermassen mißfiele. Privatpersonen/ sagte er/ pflegen Heyrath nach jhrer Zuneigung oder Gleichheit der Sitten zu treffen; Wir hergegen müssen solche Anmutigkeit fahren lassen. Dann der Könige Zustandt erfordert/ daß sie jhnen baldt vn- würdige vnd feindselige Personen durch die heilige Pflicht der Hey- rath verbinden; baldt mit einer grausamen Notwendigkeit al-[565]le Gesetze der Verbindnüsse vnnd Blutsfreundschafft hindan stellen. Der jenige pflegt vns am liebsten zuseyn/ der vnsere Macht mit Nutzen sonderlich stärcket; vnnd diese Verwandtschafften wer- den für die fürnembsten gehalten/ welche das Reich am meisten be- festigen. Hette ich mehr Kinder/ so köndtet jhr vermeinen/ ich trüge dißfals nicht so sehr für euch Beysorge als für mich selber. Dann ich weiß daß offtmals Könige jhre Töchter vnnd Schwester denen zu vergeben pflegen/ welche sie vnter dem Schein einer Freundtschafft betriegen/ oder auff eine Zeitlang begütigen wöllen; vnnd machen hernach/ vnangesehen das Pfandt jhres Geblüttes/ noch daß jenige was sie versprochen haben/ Krieg oder Friede nach der Zeit gelegenheit vnnd jhrem belieben. Ihr aber seydt meine Einige; die Natur vnnd die Nachfolgung im Regimendt vereiniget alle Zuneigung deß Vatters vnnd deß Königes in euch alleine. Rah- tet derhalben euch selber/ oder lasset mich euch rhaten. Argenis gab zur Antwort: Herr/ einer Jungfrawen gebühret rechenschafft zu geben wann sie auff einen die Gunst zum Heyrahten geworffen hat/ nicht aber/ wann sie eine Person vnter den andern nicht lie- ben kan/ es sey gewisser Vrsach wegen/ oder auß Schamhafftigkeit/ welche auch einen jedwedern zu lieben außschlagen solte. Ich köndte aber den Radirobanes vieleicht nicht hassen/ wann er mich mehr begerte auß Liebe/ als auß Einbildung daß [566] man mich jhm zu geben schuldig were. Solche thörichte Hoffart kan ich nicht vertragen. Ihr selber/ liebster Vatter/ wöllet euch das vbrige was euch an jhm mißgefällt/ für Augen stellen. Eben diese Sachen sindt es/ welche mich von treffung der Verbindung/ nebenst ewerem/ Si- ciliens vnd letztlich meinem Vntergang zurück halten. Der König als er jhre Verstockung sahe/ ließ er sie von sich/ gewisser Meinung/ seinem Gebrauch nach/ sie wider jhren Willen nicht zu nötigen.

+
[Druckausgabe S. 343]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),