Das XIII. Capitel.
Arsidas merckte daß Poliarchus jrrete; darumb erklärete er jhm alles
eigentlich/ daß Meleander vnd Argenis weit anders gesonnen weren/
als zwar Radirobanes verhoffte/ vnd das Volck außspreng- te. Also
wardt Poliarchus allgemach von seiner jrrigen Meinung gebracht/
vnd begehrte nach geschöpffter Hoffnung von jhme we- gen deß Zustands in
Sicilien Bericht einzunehmen. Im vbrigen wolte Arsidas/ daß sich Poliarchus ohn alles Bedencken bey dem König
vngeschewet einstellen solte. Er führte jhm zu Gemüthe/ wie die Feinde
nunmehr gedämpffet/ wie Timonides zu jhme ab- gesandt worden were/ wie er solche
Gunst bey dem Meleander/ solche Liebe bey der Argenis/ vnd so geneigte
Gemüther bey seinen
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alten Freunden hette. Was hette er sich vnter so scharffen
Wa- chen zu beförchten? oder warumb wolte er als ein ritterlicher
Mensch sich [508]
mehr auff Verbergung/ als auff
offentliche Tu- gendt verlassen? Aber Gelanor war im Wege/ vnd erinnerte den Herren seiner
in Africa gethanen Zusage/ daß er mit niemanden reden wolte/
biß er erstlich den Arsidas/ hernach die Argenis ge- sehen hette. Poliarchus bekandte auch selber/ daß er ohn Verlet- zung
seiner Hoheit sich offentlich nicht entdecken köndte. Er muste vorhin in
sein Vatterland schiffen/ vnd sich also außstaffieren/ wie er für
dem Meleander erscheinen wolte. Es were die einige Argenis/ mit
welcher er durch Hülffe deß Arsidas zureden wündschte. Zum wenigsten/ sagte Arsidas/ werdet jhr den Nicopompus nicht für ver- dächtig halten. Dann wie kan ich
seine Auffrichtigkeit genugsam loben? Alle seine Gedancken gehen dahin wie
er euch ehren möge/ vnd vernimbt es mit Frewden wann er euch loben
höret? Bey die- sem habe ich an jtzo mein Losament/ vnd jhr könnet
sicherer nicht verborgen bleiben/ als in seinem Hause. Poliarchus hatte hierüber kein Bedencken/ wie dann auch
Gelanor nicht darwieder war. Als sie derwegen ein wenig
geruhet hatten/ machten sie sich bey Nachte auff den Weg/ vnd kamen
mit der Morgenröthe nach Epeircte in deß Nicopompus Behausung/ welcher vber jhrer Ankunfft sein Weinen
für Frewden nicht lassen kundte. Als es aber besser in den Tag war/
gieng Arsidas zu der Argenis; weil sie aber nebenst dem Vatter
vnd Cleobolus mit Geschäfften beladen war/ kundte er sie in Geheim ehe [509]
nicht anreden/ biß sie dem
Radirobanes zu entfliehen in den Waldt gieng.
Als sie auß deß Arsidas Bericht erfuhr/ daß Poliarchus kommen were/ legte sie allen Kummer von sich/
vnd frewete sich/ vngeach- tet jhrer beyder Gefahr/ mehr/ als solche
vngewisse vnd kurtze Glückseligkeit verdiente. Wie sehr sie aber
verlangete/ muste sie doch deß Abendts erwarten/ biß Poliarchus ohn Hinderung nach Hoffe kundte gebracht werden.
Ich wil/ sagte Argenis/ in meinem Spatziergange seyn/ durch den man in den
Garten kömpt. Es wird niemandt euch vnd dem Poliarchus auffmachen/ als Selenisse. Ge- het mein
Arsidas/ vnd kommet in Zeiten. Also gieng sie in vollen
Frewden zur Selenissen/ vnd wolte sie mit Offenbahrung deß
Ge-
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[Druckausgabe S. 309]
heimnisses
jhrer Glückseligkeit theilhafftig machen: aber sie er-
kandte auß dem Lobe deß Radirobanes/ daß sie were vntrew wor- den. Wie sie
derhalben jhr wiederumb mit List begegnet war/ vnd Hoffnung gemacht hatte/
als were sie dem Radirobanes geneigter worden; legte sie sich an das
Fenster welches in den Garten gieng. Alsdann kamen jhr zwey schwere Sachen
ein; deß Poliarchus An- kunfft/ vnd der Selenissen Falschheit. Weil derhalben jhr Gemüte zwischen
Zorne vnd Frewden stundt/ kundte sie sich nichts gewis- ses entschliessen.
Die Sache wolte aber Verzug nicht leiden/ damit Selenisse deß
Poliarchus nicht jnnen würde/ wann er zu bestim- ter Zeit
käme. Sie wuste der [510]
Alten auff diese Nacht nichts
zu- schaffen zu geben; vnd befand nichts für rahtsamer/ als daß sie
dem Arsidas durch einen Diener entbieten ließ/ sie köndte die
Bilder/ welche jhr auff den Abend hetten sollen gebracht werden/ zu diesem
mal nicht schawen. Er solte morgen sehr frü nach Hofe kommen/
aber doch ohne den Künstler. Arsidas verstandt leichtlich/ daß etwas darzwischen käme/
welches die Princessin an jhrem Gesprä- che mit dem Poliarchus verhinderte; weil sie aber solches nicht
offentlich sagen dörffen/ als hette sie dieses wegen der Bilder vnd deß Mahlers erfunden.
Fieng er also mit Zuziehung deß Nicopompus/ den Poliarchus an zutrösten/ welchem solch Säumniß als der Todt
war. Sie brachten allerley lustige vnd seltzame Reden herfür/ vnd
stilleten seinen Schmertzen mit Erzehlung baldt seiner/ bald der Argenis
Tugen- den/ oder was für lächerliche vnd verdrüßliche Sachen dem
Radi- robanes auffgestossen weren. In dem sie jhm aber solche gute Ge-
sellschafft leisteten/ wurden sie durch etliche Freunde verhindert.
Dann Dunalbius hatte jhm denselbigen Abendt das Nachtessen in
deß Nicopompus Hause bereiten lassen. Mit jhm kamen Antenor/ der von seinem Tempel in die Stadt angelanget war/ vnd Hiero-
leander. Als sie zur Thür hienein tratten/ vnd Nicopompus sich be- klagte/ daß er den Poliarchus verlassen muste/ wie dann auch Arsidas bey einem solchen grossen Gaste nicht [511] verbleiben köndte/ (dann Dunalbius begehrte auch jhn bey sich zuhaben) hieß
Poliarchus sich beyde zu Frieden geben. Sie solten hin gehen/
vnd wol abessen/ damit Dunalbius nicht merckete/ daß sie durch etwas Geheimes von
jhrer Fröligkeit abgehalten würden. Er liesse
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sich durch den Nicopompus auff eine seiten der Taffelstuben führen/ da er
der Gäste Gespräche vernemmen kundte. Vnter dem Essen lief- fen allerley/
aber doch nur gemeine Reden für/ welche nichts zu- bedeuten hatten/ wann
sie gleich von jhren Auffwärtern auffge- fangen würden. Als sie aber
nach Abnemung der Speisen allein waren/ fieng Nicompompus mit Fleisse an
deß Poliarchus zuerweh- nen; daß er/ der in der Nähe stackte/
gar wol hören kundte/ in was für Ehren er bey männiglich were; weil sie
sämptlich/ vnwissend daß er zur Stelle war/ von jhm sagten was jhnen vmbs
Hertze war. Sonderlich vnterließ Dunalbius nicht den stattlichen jungen Men- schen zuloben/
vnd wuste seine gantze Tugendt zu erzehlen. Ante- nor vnd Hieroleander ingleichen rühmten einer vmb den andern baldt
seine Stärcke/ bald seine Höffligkeit; wie ferner in dem frö- lichen
jungen Gemüte so eine grosse Lebhafftigkeit deß Geistes vnd scharffer Verstandt/ ja alles das zufinden were/ was man an dem Alter
zuloben pfleget. Arsidas aber/ weil er wuste daß Poliarchus
wieder den Radirobanes eyferte/ so brachte er die Rede auff den
Bürgerlichen Kriege wieder den Lycogenes/ zu welchem Poliar- chus [512]
dem Könige mit seinem kämpffen so ein guten Anfang gemacht hatte. Hernach aber kam er gemach vnd gemach auff die Sardinier/
vnd den Radirobanes; fieng darneben an vertrewlich vber seinen
Außschreitungen zu lachen. Dann dieser König hielte sich gewaltig
hoffärtig gegen den Seinigen/ vnd war jhm viel ent- fahren/ darauß man die
Eytelkeit seines Gemüts vnd angenom- mene Tugenden wol erkennen
kundte.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),