Das XII. Capitel.

Widerbringung deß Poliarchus Gesundheit. Seine Ankunfft in Sici- lien. Die trawrige Zeitung welche er daselbst erfähret. Er sendet den Gelanor nach Epeircte. Arsidas kompt jhn zu besuchen.

Das XII. Capitel.

WIe die Verwegenheit solchen Mittels die Hianisbe sehr trawrig ge- macht hatte; also/ nachdem sie sahe/ daß er frisch vnd gesundt war/ frewete sie sich vber alle massen; biß jhr auch diese Lust durch ein anders Kümmerniß verderbet wardt. Dann sie kundte deß Poliar- chus Abschiedt nicht ertragen/ sonderlich weil man jhm seine Kranckheit/ von welcher er kaum entronnen/ im Gesicht noch sehr ansahe. Dann als er sich in etlichen Tagen ein wenig erholet hatte/ wolte er mit aller Gewalt Abschiedt nemmen. Endlich gab jhm die Königin (wie sie jhn dann als eine Mutter liebete) mit weinen vnd gutem wündschen das Geleite/ vnd [501] bate nicht mehr/ als daß er sich dessen Landes vnd Vfers gebrauchen wolte/ wann er etwann durch eine andere Gelegenheit in diese Gegendt zurück käme.

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[Druckausgabe S. 304]

Als er aber auff das Schiff/ welches Gelanor gedinget hatte/ ge- sessen/ vnd auff das volle Meer kommen war/ ließ er nicht nach die Ruderer zuvermahnen vnd zutreiben/ vnd satzte jhnen eine Zeit/ in welcher wann sie jhm Sicilien weisen würden/ er den Lohn zwey- fach geben wolte. Die Hoffnung deß Gewinstes machte sie fleißig; so daß Poliarchus verlohr/ vnd die Insel durch jhre Anzeigung er- kennen kundt. Damals machte jhn die Betrachtung vieler Sachen sehr bestürtzt; Was dieses Landt für Vbels/ vnd für Frewden hette/ von dannen hette er zugewarten entweder sein Glück oder Vnter- gang. Mit was für Gefahr sey er darauß entgangen? Wie wann sich nun eben ein solches Vngewitter erhube? Stracks/ wann jhm Arge- nis in den Sinn fiel/ fieng er 〈an〉 alle Gefahr vnd schröckliche Vor- bildungen deß Vnheils mit frölicher Kühnheit zuverachten. Es war ein geringer Portt/ an dem nichts als Fischerkathen zustehen pflegten/ drey Meilen von Epeircte entlegen. Daselbst ließ er ab- stossen/ vnd stieg an das Vfer/ in Meinung sich in einer kleinen Her- brige zu verbergen/ als ob er wegen Vngestümigkeit der See vbel auff were/ vnd von dannen den Arsidas seine Ankunfft wissen zu- lassen. Als er aber den Wirth bey dem er eingekehret war vnter an- dern [502] fragte/ wo der König were: Er ist/ gab dieser zur Ant- wort/ seit der Zeit daß Lycogenes vberwunden worden/ von Epeircte nicht kommen. Daselbst verbleibet er nach dem Siege als in dem an- sehlichsten Orte/ vnd höret daselbst die abgeordneten von den Städten/ welche hauffenweise dahin schicken vmb Verzeihung zu bitten.

Ist dann Lycogenes vberwunden? fragte Poliarchus hergegen. Ja freylich; sagte der Wirth. Er hat seinen wolverdieneten Todt emp- fangen/ vnd der Kopff hat auff der höhe deß Schlosses ein Zeitlang zum Spectackel gestecket. Man giebet aber jetzund für/ daß der König nach Syracuse werde/ damit er den Sardinischen König die fürnemsten Orter vnd Herrligkeiten Siciliens sehen lasse. Als Poli- archus fragte/ wie der Sardinische König in Sicilien kommen were; Wisset jhr dann nicht/ fieng dieser an/ daß der Sardinische König + + +

[Druckausgabe S. 305]
dem Meleander mit vielem Volcke zu Hülffe kommen sey/ vnd durch seine Macht Sicilien in Ruhe gebracht habe? Poliarchus schwieg stille/ vnd bildete jhm ein/ es würde durch Veränderung deß Sicilischen Zustandes seine Sache nicht zum besten stehen. Er käme erst nach verwundener Gefahr an; andere vnd zwar Außlän- der hetten Meleandern geholffen/ vnd/ daß Argenis erhalten were worden/ hetten sie Sardinien zu dancken.

Als er den Wirt stehen lassen; Gelanor/ fieng er an/ machet daß ich erfahre auff welchem Theile [503] der Erden ich sey; ich meine/ ob auch meine Wolfahrt bey solcher Verenderung noch standhafftig verbleibe. Er hatte noch die Haare/ mit welchen er vor diesem auff der Timocleen Angeben sein Gesichte verborgen hatte. Von solchen gab er die einen dem Gelanor sampt einem Bawrenkleide/ mit Be- fehl bey Abende in Epeircte zugehen/ vnd den Arsidas zuverstendi- gen/ daß er gantz müde von allerhandt Vngelegenheiten an dem Meere erwarttete zuerfahren/ ob er sich gutes oder böses zu getrö- sten hette. In dem Gelanor also gieng/ stiessen jhm etliche auß den benachbarten Städten auff/ welche gleichfals nach Epeircte wolten. Wiewol er stattlich verkleidet war/ jedoch hette er sich von jhrer Gesellschafft hinweg gemacht/ damit niemand deß Betruges jnnen würde; aber er kundte von der engen Strassen nicht außweichen/ vnd sie begrüsten jhn zum ersten. Derhalben machte jhm die Noht ein Hertze/ vnd fieng an als ein Außländer dem Siciliens Zustandt vnbekandt were/ was es mit dem vorgelauffenen Kriege vnd Siege für eine Beschaffenheit hette. Sie erzehlten alles mit einem sonder- lichen Scheine; wie wir dann vnser Glück bey den frembden allzeit grösser als es ist/ zu machen pflegen. Sonderlich lobten sie zwene; den Radirobanes vnd Archombrotus. Dann Archombrotus hette mit deß Lycogenes Haupte alle Seuche Siciliens zugleiche weggehawen; Radirobanes [504] aber würde zu belohnung seiner Hülff vnd Stär- cke die Argenis bekommen. Dann das Geschrey gieng also/ vnd diese Leute sagten dem Gelanor getrewlich alles was sie wußten. Er/ wann er Fug hette sich von jhnen weg zuwenden/ so erseufftzete er mit hefftigem Schmertzen/ vnd zweiffelte/ ob er dieses seinem Herrn solte offenbahren. Er besorgte sich/ daß er vber dieser Zeitung nicht sterben möchte; widerumb hoffte er auch/ weil das Vbel noch nicht im Werck were/ wann er es nur zeitlich erführe/ so kondte er jhm vielleicht mit seinem Verstandt vnd Geschickligkeit zuvor kom- men. Für allen dingen aber muste er zum Arsidas. Er hatte Epeircte

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schon im Gesicht ligen/ als er einen Knaben mit Hasengarn bela- den kommen sahe/ der eine kuppel Hunde am Windstrick führte. Baldt kandte er jhn/ daß er von deß Arsidas Leuten were. Wolten die Götter/ fieng er an/ daß ich auff dieser Jagt den Arsidas möchte an- treffen. Wann es aber gleich geschihet/ so kompt er doch nicht allein/ vnd ich darff jhn auch in gegenwart anderer so freymütig nicht anreden. Darumb machte er sich fertig/ wann es sich also zu- trüge/ daß er seine Gelegenheit wüßte in Acht zunemmen. Als er aber sich kaum entschlossen hatte was er thun solte/ kamen andere Netze vnd Hunde/ vnd nicht weit hinder jhnen Arsidas mit etlichen Sardinischen Herren. Gelanor beschawete sie alle/ vnd weil er kei- nen von jhnen erkandte/ auch verhoffte/ sie würden auff jhn nicht Achtung geben/ machte er sich destofreymüti-[505]ger zum Arsi- das: Ich hab gleich euch gesucht/ sagte er. Ich komm von Rhege; vnd hab euch einen Gruß neben etwas anders zu bringen/ welches mir ewer Schweher euch zu vberantworten vertrawet hat. Als er sich herunter neigte jhm heimlich zuzuhören: Ich bin Gelanor/ fieng er an. Aber nehmet euch so lange nicht an/ als ob ich euch be- kandt were/ biß jhr mich allein habt. Arsidas wardt bestürtzt vber der vnverhofften Auffstossung/ vnd bate die Sardinier/ sie wolten gemach voran spatzieren/ er wolte sich nur wegen seiner Freunde ein wenig erkündigen. Vnter solcher beschönung redte er im ver- trawen/ aber kürtzlich/ mit dem Gelanor. Der Inhalt war dieses/ daß er/ wann sie am besten jagen würden/ sich im Walde darvon machen/ vnd zum Poliarchus kommen wolte. Bald drauff eylete er wider zu den Sardiniern/ welchen er auff Befehl deß Meleanders eine Lust mit dem Hetzen zubereiten wolte. Gelanor aber/ gleich- samb als er auff Epeircte gienge/ so baldt jhn Arsidas Gesellschafft nicht ersehen kundte/ lenckete sich durch bekandte Abwege vmb/ vnd kam wieder in das Wirthshauß.

Als er in die Kammer trat/ fieng Poliarchus begierig an: Gelanor/ was bringet jhr newes? Deß Arsidas Ankunfft/ gab er zur Ant- wort. Ich habe mit jhm geredt als er auff die Jagt wolte/ vnd/ wie ich an der Stunde deß Tags erkennen kan/ so vermeine ich/ daß er baldt werde hier seyn. Mehr sagte er nicht/ vnd wolte lieber/ daß jhm die böse Zeitung vom Arsidas [506] erzehlet würde. Aber er + + +

[Druckausgabe S. 307]
sahe trawrig auß/ vnd kundte das Seufftzen auch nicht wol lassen. Als jhm derwegen Poliarchus offtmals zusetzte/ vnd letztlich dar- neben dräwete/ erzehlete er was er vnterwegs gehöret hette; daß Ar- genis dem Radirobanes versprochen were. Diese trawrige Zeittung brachte dem Poliarchus weder Schmertzen/ noch Zorn/ noch Schrecken; seine Erregung hierüber war grösser/ als alle die jeni- gen Anfechtungen/ welche wir mit Namen nennen können. Wie er nun nicht mehr trawrig war/ als ob jhme das Glück weiter nicht schaden köndte/ vnd sich zugleich mit seinen Widersachern zu- stürtzen gedachte/ kam Arsidas zum Hause hinein/ vnd vberredte den Wirth/ als ob er einem Wildt nachgesetzt/ vnd wegen Vnwis- senheit der Strassen sich biß dahin verjrret hette. Als sie aber allein waren/ vnd er sahe daß Poliarchus an Gliedern vnd Augen ver- starrete; Was sehe ich/ sagte er/ jhr stattlicher Jüngeling? Was könnet jhr für Schmertzen haben/ weil Argenis noch gesundt ist. Aber Poliarchus: Ich bin wol auff/ Arsidas/ sagte er; ich bin gar wol auff: vnd Radirobanes sol mit seiner Braut erfahren/ daß ich noch lebe.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),