[492] Der Selenissen vnd deß Radirobanes Gespräche wirdt durch die Ankunfft der Argenis zertrennet: Die Princessin wirdt jnnen/ daß Selenisse sie verriethe; thut aber als ob sie es nit merckte; vnd sa- get jhr nichts von deß Poliarchus Zurückkehrung in Sicilien: Gela- nor kompt wider in Africa: deß Poliarchus Anschlag sich durch ein vngewöhnliches Mittel vom viertäglichen Feber zu erlösen.
Das XI. Capitel.
IN dem Selenisse solches erzehlete/ vermochte Radirobanes sein Gemüte nicht zu regieren/ so begierig war er den Außgang solchen wunderbarlichen Kampffes zuhören. Aber Argenis war auff dieses- mal dem Radirobanes zum ersten verdrüßlich/ vnd verhinderte jhre +
Argenis kundte wegen jres scharffsinnigen Kopffes/ oder auß an- trieb der Liebe wol abnemmen/ daß Selenisse müste verändert seyn. Doch ließ sie jhre Verweisung biß auff andere Zeit nachbleiben/ vnd lehnete diese Erwehnung von deß Radirobanes Liebe gar gelind ab; weil sie etwas grössers für sich hatte/ dardurch sie die listige Alte mit einem andern Betrug zu stürtzen vermeinete. Als sie derwegen ein wenig geschwiegen hatte/ Es ist mir selber leydt/ Selenisse/ hub sie an/ daß dieser König/ der sich wol vmb [495] vns verdienet hat/ auff solche Hoffnung gerahten ist/ darinnen jhm kein Vergnügen von vns geschehen kan. Aber wir wöllen ein andermal hiervon re- den. Selenisse ward fro/ als ob die Götter jhrer List geholffen het- ten/ vnd ließ die Princessin allein; welche sich bald an das Fenster legte/ vnd sich mit gestewertem Kinne auff die Hand ergrimmete/ daß sie der jenigen nicht trawen dürffte/ welcher jhr gantzes Ge- heimniß bekandt were. Dann wem solte sie künfftig jhren Kummer offenbahren? wen solte sie jhren Schmertzen vnd Frewden theil- hafftig machen? Endtlich hielte sie sich gleichsam lachende an/ vnd bedachte/ daß vns die Götter niemals ohne eine Vermischung günstig oder gehässig seyn. Diesen Tag aber hette sie Glücks genug gehabt. Es were nur vonnöhten/ im Fall jhr etwas wiederwertiges auffstiesse/ daß sie es hernach auch ertrüge. Sie wolte eben dieses für eine Gunst der Götter rechnen/ daß sie der Selenissen jhrem an- deren Gebrauche nach nicht bald hette geoffenbahret/ was sich be- geben hette/ vnd noch zutragen würde. Es war aber dieses: Als sie im Walde spatzieren gegangen/ hatte jhr Arsidas angekündiget/ Poliarchus were in der Stadt in deß Nicopompus Hause verborgen/ vnd hetten sie es mit einander abgeredet/ daß man jhn bey Nacht durch das Hinterthor zu dem königlichen Schlosse führen solte. Eben diese Frewde/ welche sie allein nicht gar fassen kundte/ wolte die Princessin der Selenissen [496] erzehlen/ vnd eilete darumb nach Hause. Sie erschrack aber zu anfange jhres Gespreches/ daß sich die Alte auff deß Radirobanes Seite bewegen lassen/ vnd +
Dann als Gelanor widerumb in Africa kommen/ vnd den Poliar- chus jhrer Abrede nach zu Clupea nicht gefunden hat/ ist er auff den Königlichen Hoff der Hianisben zugereiset/ da er noch am Feber kranck gelegen. Vbergab er jhm also der Argenis Schreiben/ vnd sagte/ was jhr von jhm anbefohlen worden/ mit Erzehlung in was für Vngewißheit Sicilien/ vnd in was für Gefahr die Princessin vn- ter dem fast gewissen Siege deß Lycogenes stünde. Er ließ nichts aussen/ als was jhm Argenis zu offenbahren verbotten hatte; wie nemlich Meleander jhm abgünstig were. Den Archombrotus be- treffendt schwiege er gantz nicht. Ich weiß nicht/ sagte er/ wie doch Archombrotus jhm so viel zu Sinnen zeucht; er fraget nach vns sehr wenig. Gelanor bildete jhm nichts anders ein/ als daß er die Freundtschafft in Vergessenheit gestellet hette; aber es ist nichts nachdencklichers als der Argwohn der Liebe. Poliarchus muth- massete stracks/ Archombrotus were von der Argenis Schönheit ge- fangen/ vnd hierdurch wieder jhn mit einem Eyfer erreget worden. Dann/ sprach er/ wer weiß durch was für Mittel er erfahren hat/ daß ich die Argenis gleichsfals liebe? Gelanor/ wir [497] richten nichts/ wann wir vns nicht alsbaldt in Sicilien machen. Gleichsamb als eines andern stärcke mir in dem Kriegswesen an jenem Ort die Argenis erhalten solle/ weil ich in diesem hier müssig sitze: oder als ich könne zulassen/ daß sie jhre Befreyung einem andern müsse zudancken haben. Dem Gelanor kam solcher seines Herren An- schlag schmertzlich für. Dann er förchtete den Meleander/ welcher jhm gehässig war/ vnd Argenis hatte jhm die Freyheit benommen jhn zu warnen. Endlich erhielt er seine Trew gegen allen beyden auff solche weise/ daß er zwar von deß Meleanders Vnwillen nichts meldete/ nichts destoweniger aber Erinnerung thete/ es were dem Poliarchus nicht zurathen/ daß er ohne Vrsach sich vnter so viel Feinde/ bey solcher Freyheit deß Krieges wagen solte. Es were besser/ daß er nach Hauß schiffete/ von da auß mit Heereskrafft nach Sicilien segelte/ vnd zu erkennen gebe wer er were. Ich wil es thun/ gab Poliarchus zur Antwort: Aber jhr wisset/ daß vns der Weg nach Hause fast an dem Sicilischen Strande fürüber trägt. + +
Poliarchus verschmähete die Fürsorge seines getrewen Dieners nicht/ vnd nam die Bedingung an. Aber sein Leib/ der mit einem Hefftigen viertäglichen Feber abgemattet wardt/ hielt die Begier deß Gemütes wieder; welche Kranckheit durch den newen Fürsatz vnd Bangigkeit also gestärcket wardt/ daß jhn die folgende Nacht/ so jhn zwar mit einem gelinden Froste ankam/ hergegen mit viel grös- serer Hitze als zuvor beschwerete. Gelanor ließ jhm diese Vnpaßlig- keit nicht sehr zuwider seyn/ weil sie jhn von gewisserer Gefahr ab- hielte. Poliarchus aber kundte die ärtzte nicht vertragen/ welche jhm rhieten/ daß er dem Feber die stärcke durch stetes Fasten be- nemen/ vnd es also vertreiben solte. Er hatte gehöret/ daß etliche diesem Wesen mit einem starcken Truncke Weines abgeholffen hatten/ vnd nam jhm für eben dieses Mittel zuversuchen. Es ist kein Wunder/ sagte er/ wann ich nach gutbedüncken der ärtzte alle Lebens Krafft durch Außhungerung verliere vnd sterbe/ daß sich als dann auch das Feber verlieren werde. Ich wil lieber mit jhm daran gehen/ weil ich noch die Stärcke habe/ vnd mich nach mei- nem Kopffe gesundt machen. Es ist zwar vngewiß/ ob dieses zu meinem Leben oder Tode dienen wirdt: aber es ist ge-[499]nug/ daß ich also auff das jenige/ was mir von der vnwandelbahren Vor- sehung verordnet ist/ nicht lange werde warten dürffen. Dann mei- ne Sache verhelt sich nur also/ daß es mir schmertzlicher ist kranck zuseyn/ als zusterben. Gelanor/ der sich vor dieser Gefahr entsatzte/ vermochte sein Gemüte weder mit bitten noch weinen zugewinnen; was er jhm auch von der Argenis/ von seiner Mutter vnnd Freun- den sagte. Die Königin Hianisbe kundte selber bey jhm nichts er- halten. Derhalben als das Feber nach dreyen Tagen wider kam/ ließ +