Das IV. Capitel.

[418] Deß Cleobulus Gespräch mit dem Könige von vergangner Em- pörung; Vnd von den Mitteln das gemeine Wesen in ruhigen Standt zubringen.

Das IV. Capitel.

Meleander/ so von solchen Gedancken der Liebe frey war/ stundt in grössern Sorgen. Dann Syracuse/ Lilybee/ Agrigent/ vnd die an- dere Städte von Lycogenes seiten waren nicht eine geringe vber- bleibung deß Krieges. Darumb berhatschlagete er sich mit dem Cleobulus/ ob es besser were/ damit man sie vberfallen köndte das Heer zu zertheilen/ oder wieder eine jegliche mit gantzer Macht zu- ziehen. Cleobulus trug wegen Ergebung dieser Städte keinen Zweif- fel/ weil niemandt von dessen Anhange noch vbrig were/ den sie für jhr Haupt würden halten wöllen. Herr sagt er/ es ist genug/ daß jhr mit Betröwungen fortfahret/ vnd ewer Volck noch ein wenig sehen lasset; damit die Städte destogeschwinder zur Berewung auß Furchte getrieben werden. Wiewol ich vermeine/ daß jhr von jhnen ehisten Tages werdet Gesandten haben. Dann nachdem sie wieder jhre Art rasendt gewesen sindt/ wirdt es jhnen angenehm seyn/ wieder in jhre Natur zu-[419]tretten/ welche sie durch die Empö- rung verlohren zuhaben schienen. Seidt vnbesorget; der Krieg ist + +

[Druckausgabe S. 256]
fürüber/ welcher aber den Städten in Warheit nicht kan zugemes- sen werden. Wann jhr aber in künfftig Rhue vnd Frieden liebet/ so wisset/ daß weit andere Quellen dessen Vbels sind/ welche jhr ver- stopffen müsset. Meleander/ welchen die Vorbildung solchen erst vorgangenen Vnglücks wegen deß zukünfftigen sorgfeltig machte/ sagte zu jhm: Man muß Fleiß ankehren/ daß dieser wiederge- brachte Wohlstandt deß Königreiches auch möge bestendig seyn. Vnd wir können niemals besser die Macht der Streiche/ welche wir bekommen haben/ erkennen/ vnd vns in künfftig dafür hüten ler- nen/ als auß den frischen Narben der geschlagenen Wunden. Wann jhr mir in schwebender grosser Gefahr die Fehler/ welche ich began- gen/ für Augen gestellet hettet/ so würde es mehr einem Verweiß als einer Warnung gleich gesehen haben. Wann jhr aber an jetzo alles herauß saget was jhr vermeinet/ dasselbe wirdt machen/ Cleo- bulus/ daß wir vns in künfftig vor dergleichen jrrungen hüten. Er fürchtete den König mit der Freyheit seiner Rede zu erzürnen/ wie- wol er jhn an zuhören begehrete/ vnd sagte/ er köndte jhm keine Schuldt geben. Dann man es der Zeit/ den Feinden vnd dem vnvmb- gänglichen Verhengniße zuschreiben müste. Nachdem er aber durch solche Gelindigkeit deß Meleanders Gemüte derer Anschläge welche er [420] wuste/ fähig gemacht hatte; So lang man/ sagt er/ die Ge- lindigkeit für eine Tugendt halten wirdt/ so lange wirdt man nicht sagen/ daß Sicilien durch ewere Verursachung in solchen vbelen Zu- standt gerahten sey. Das Verhängniß hat ewerer Gelindigkeit/ sage ich/ zu Verderbung ewerer vnd ewers Landes mißgebraucht. Solche Freundligkeit/ solche vbermässige Güte gegen ewren fürnehmen Leuten/ solche ewere vnd ewerer Vorfahren gar zu grosse Be- schenckung/ welche jhnen geschehen/ hat die fürnemsten Kräfften deß Reichs verrahten/ vnd auß Gemeinemachung der königlichen Hochheit euch in Verachtung gebracht. Jetzt sind sie zwar gedämp- ffet; jetzt werden die Auffrührer zwar stille sitzen. Sollen sie sich aber wider erholen/ so habt jhr ein newes Vngewitter zu erwarten/ wann jhr die Winde nicht härter jnnenhaltet als Eolus. Sie werden mit Gewalt wöllen außreissen/ vnd so lang jhre Krafft groß seyn wirdt/ werdet jhr König ewerer Gewalt niemals versichert seyn. Ich begehre euch nicht zum Tyrannen zu machen: jhr sollt auch auff jhr bestes gedencken/ wann sie entweder durch Forchte/ oder durch + +
[Druckausgabe S. 257]
Eckel für jhrem Verbrechen gemach vnd gemach jhre vnruhige Köpffe werden ablegen lernen. Meleander antwortet: Ich weiß wol/ daß auß diesen Wolcken solche Vngestümmigkeit fürnämlich her- gerühret. Aber die Kräfften derselben Leute sind gewachsen/ vnd durch die Zeit vnd der [421] Könige Guttwilligkeit fast nunmehr eigenthümblich worden. Wann ich dieselbigen beschneiden wolte/ so würde man entweder sagen daß ich vnrecht thete/ in dem ich jhnen die Macht/ welche sie für mir gehabt/ abstrickete: oder ich würde durch die gar zu grosse Bemühung das Königliche Vermögen sehen lassen/ welches bißher zusehr angegriffen ist worden/ vnd wegen seiner Geringschätzigkeit verborgen gehalten werden soll. Ihr möget/ sagte Cleobulus/ von dem Fortgang besser hoffen/ wann jhr dieser Leute macht/ welche gar zu groß ist/ ordentlich einem nach dem andern schmälern werdet. So haltet auch nicht dafür/ daß es nicht Göttern vnd Menschen gefallen wirdt/ wann jhr für die Königliche Hoheit streiten/ vnd verhüten werdet/ daß sich Sici- lien mit seinem Toben mörderischer Weise nicht selber hinrichte. Schawet zu wer sie sindt/ wannher sie kommen/ vnd durch was für Mittel sie solche Gewaldt erlanget haben. Sie mögen sich rüh- men wie sie wollen/ so haben sie auß Gutthat ewerer Vorfahren jhr Reichthumb erlanget/ Verwaltungen bekommen/ vnd von zulas- sung Königlicher Freundtschafft solche Macht auffgebawet/ auß welcher entweder sie selber/ oder jhre Nachkommenen heutiges Tages wieder die Könige streiten. Die Waffen mit denen sie euch fodern sind ewer: alle diese Degen gehören euch zu/ mit welchen die blinden Hände deß Auffruhrs den/ der sie jhnen ge-[422]geben hat/ zubeschädigen gedencken. Wann sie es verdienen/ wann sie jhre Glückseligkeit nicht vertragen können/ so nehmet jhnen zum wenigsten wieder was sie von euch genommen haben. Gewiß jhr werdet sie nackendt stehen lassen/ vnd jhren Hochmuth/ welcher sie jtzund auffbläset/ vertreiben/ wann sie ewer Reichthumb be- trachten/ vnd jhren Zustand vergessen werden. Damit jhr aber ewerer Krone desto schleuniger rahten möget/ so sehet wie sich jhr Ansehen wieder das ewrige leget; wie offentlich vnd mit gefähr- licher Vereinigung sie diese Freyheit vbel zuthun/ als ein Recht be- haupten. Wie sehr sie gegen einander neidisch vnd gehässig seyn/ so können sie doch nicht leiden/ daß der König einen von jhnen vn- +
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terdrucke. Es rebelliere nun einer von jhnen welcher wölle/ so ste- hen jhm die andern entweder offentlich oder heimlich bey: Baldt machen sie sich seiner Sachen theilhafftig/ baldt ersehen sie gele- gene Zeit/ damit sie dem Könige Abbruch thun durch gesuchte Be- schönung. Andere kommen nicht von ewerer seiten/ vnd auß ewe- rem Läger: aber sie schwechen vnd zerrütten mit langsamen vnd vnvermerckten Grieffen den Fortgang eweres oder ewrer Soldaten Anschlages/ vnd wündtschen daß die Rebellion der stärcke ewrer Kron lange Zeit könne Wage halten; auß Furchte/ daß es nicht scheine eine Gefahr zu seyn/ derer Könige nicht achten solten/ oder die sie [423] nicht gleiche seyn köndten/ vnd daß also das Volck solche Empörung fürchten vnd ertragen lerne. Also daß sie durch dieses Mittel jhnen ein Exempel für sich selber machen/ vnd jhnen den Weg bereiten/ wann es sich zutrüge/ daß sie mit dem Könige in Vneinigkeit geriehten. Wann jhr mit reiffem Rahte solcher Zusam- menrottung nicht zuvor kompt/ wirdt es hier auch anders ergehen als in Merganien? Es war ein Landt welches einer allein behersche- te; nunmehr ist es auß Trägheit oder Vbersehung der Regenten vnter so viel Fürsten zertrennet worden/ daß der so zuvor voll- mächtiger Herr war/ jetzundt nichts mehr darvon hatt.

Wiewol euch im frischen Gedechtnüs ist/ was solche Empörungen können/ so lasset jhr doch zu/ daß jhr Anfang vnd erste Erregung allhier zu Gesichte gebracht werde. Dann ich wündsche/ daß jhr entweder möget auffgefrischet/ oder zur Gedult/ deß noch einmal be- vorstehenden Vnfals/ bereitet werden. Wann jhr jemanden be- gnadiget/ jemanden erhebet/ ohne wissen vnd willen der alten für- nemen Häupter/ so thun sie als ob jhr von dem jhrigen freygebig waret/ machen sich von Hofe weg/ klagen man hette sie verachtet/ vnd fliehen auff die Schlösser vnd Festungen/ welche jhr jhnen ver- trawet habet: schreyen hernach vber das Elendt deß gemeinen Manns/ vnd geben für/ man vnterhalte nichts als Egeln/ welche das Blut deß erschöpffeten [424] Königreiches außsaugen; es sey der- selben Hoffart nicht länger zuertragen/ welche deß Fürsten/ den sie gleichsamb bezaubert hetten/ mißbrauchten/ vnd alle wolverdiente Geschlechter hoffärtiger weise mit jhrer newen Gewalt vnterdruck- + + +

[Druckausgabe S. 259]
ten. Dieses/ Herr/ wie jhr wisset/ ist die gemeineste Art Auffruhr zumachen/ vnd die Bürgerlichen Waffen zuergreiffen. Aber es sind vber diß auch andere Vrsachen/ welche selbigen Gemütern die Kühnheit machen abzufallen. Wann jhr nach langer Beschenckung ein wenig jnnen haltet: jhnen/ die zwar voll/ aber noch nicht satt genug seyn/ Empter vnd Verwaltung versaget; nicht alle Heimlig- keiten vertrawet; mit anderen gemeiner lebet als mit jhnen: als- bald meinen sie/ man verhalte sie nicht nach Würden/ vnd schlagen Zorn auff/ als ob man sie mit Verschmähung beleydiget habe. Ande- re/ damit sie jhnen ein Ansehen machen/ vnd dem Könige zu er- kennen geben was sie vermögen/ die suchen Gelegenheit zum Widerwillen/ vnd zerrütten mit Fleisse den allgemeinen Frieden. Im vbrigen/ sie haben gleich für Vrsach zum Auffstande was sie wöllen/ so bringen sie mit der Stärcke/ welche sie von euch Königen haben/ so viel zu wege/ daß sich bald andere zu jhnen schlagen; vnd zwar desto eher/ weil solche Auffrührische Händel allzeit vngestraffet bleiben/ auch bißweilen belohnet werden. Wann sie dermassen hochmütig gemacht/ vnd gleichsamb als in jhrem Königreich [425] versichert sind/ so pressen sie zu widerbringung deß Friedens von euch Königen hernachmals mehr herauß/ als sie bekommen hetten/ wann sie im Gehorsamb vnd Trew gegen euch beständig verblieben weren. In dessen werden die Soldaten (wer wolte solches vertra- gen?) von ewerem Gelde vnd ewerer Besoldung wider euch im Felde gehalten. Wann sie auß ewerer Schatzkammer trotzig gemacht sind worden/ so fordern sie entweder Rechnung ewerer Regierung von euch/ oder schreiben euch für/ wie jhr herrschen sollet. Es sind ewere Inwohner/ ewere Vnderthanen/ welche in diesen Kriegen mehr als in frembden sich gebrauchen lassen. Was erfolgt dann hierauff? Ihr Könige/ jhr erkaufft den Frieden; jhnen gereicht es zum Nutzen daß sie gesündiget haben. Ihr besitzet ein Königreich/ welches kein mal dem Frieden trawen darff; jhr müsset allzeit sor- gen auß welcher Aschen die Flamme wider entspringe/ wer jhm durch newen Auffstandt wölle einen Namen machen/ was für newe Friedens Artickel man in die Bücher setzen solle; die ohne das schon voll sind. Ich achte es für das geringste/ daß die Außländer solcher Kriege vnd Friedens-Schlüsse spotten/ vnd daß zu Ruhe- oder Em- pörungszeiten dem Wetter einmal wie das ander zutrawen ist. Es +
[Druckausgabe S. 260]
sind grössere Schwere/ welche von disen schädlichen Sitten in den jnnersten Gliedmassen deß Vatterlandes verursacht worden. Dann dieser stethe vnd anfällige Wind verwüstet die Krafft dieser für- treff-[426]lichen Nation; welcher ausser diesen Vnfällen/ alle an- dere weichen würden. In welcher Provintz dieser Sturmwind ein- bricht/ daselbst müssen alle Dorffwirthschafften vnd Nahrungen der Stätte vndergehen. Die stattlichsten Gemühter werden müde ge- macht/ vnd aller Fleiß verständiger weiser Leute/ an welchen es vns nicht mangelt/ vnd die nach der gantzen Welt trachten könd- ten/ kan es kaum dahin richten/ daß die Einheimischen gestillet werden. So werden auch die Hertzen der Jugendt zur Verwegenheit/ vnd verachtung der Majestät angewiesen/ vnd gewinnen eine Lust zur Anmutigkeit deß Bürgerlichen Kriegs/ in welchem das Toben vnd die Begier ein gehlinges kämpffen vnd gewisse Belohnungen mit sich bringt. Also bleibt durch einheimische Thätligkeit alles das ersitzen/ was die Götter vnserm Sicilien zu Schreckung anderer Völcker gegeben haben. Vnd gläubet nicht/ daß dieses diene zu Auffweckung hitziger Gemüter/ daß sie hernach auff solche Erler- nung deß Kriegswesens/ jhren grossen gefasten Muth gegen einen frembden Feindt derstostärcker mögen außlassen können. Wolten die Götter/ daß man zum wenigsten diesen Trost auß dem Bürger- lichen Auffstandt erlangte? Aber gedencket nicht/ daß dieses zu Auffmahnung der Stärcke/ vnd Vnterweisung der Kriegeskunst diene: sondern betrachtet/ daß solche Empörung mehr in Eytelkeit vnd vergeblichen Bedrawungen/ als in rechtschaf-[427]fener Be- mühung im Läger bestehe. Solche Rotten kommen in Schlössern vnd Festungen jhres Anhanges zusammen/ vnd plündern vnverse- hens Bürgere vnd Bawern. Dieses sindt jhre grösseste Thaten. Sie lassen sich selten in Kampff ein; wagen sich in keine/ oder ja nur in plötzliche Gefahr/ weil man sie forchtsamer weise bald befriediget/ vnd jhr sie/ ehe man erfahren hat was hinder jhren Waffen stecket/ zu beschencken/ vnd freyzusagen pfleget. Ob auch gleich diese + + + + +
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Kriege tauren/ vnd von beyden Seitten der Ernst für die Hand ge- nommen wirdt/ so bereichert sich doch in dessen der Soldat mit der besten Beuthe deß Vatterlands/ vnd befleisset sich in den Gütern der armen Vnderthanen mehr auff Rauberey/ als auff Standhafftig- keit/ Stärcke vnd Kriegeserfahrenheit; also daß er nachmals/ wann er bey einem rechtschaffenen woldisciplinirten Kriege/ in frembden/ vnd zuweilen vnfruchtbaren Ländern dienen sol/ träg vnd faul wirdt/ vnd mit seinem Exempel wol erweiset/ was für Vnterscheidt zwischen einem rechtschaffenen Kriegsmann vnd zwischen einem Rauber sey.

Indessen/ Herr/ kommet jhr in Verachtung/ vnd im Fall jhr schon etwas wider die Benachbarten fürnehmen wöllet/ so verlas- sen sie sich mehr auff vnsere einheimische Vneinigkeit/ als auff jhre Stärcke/ vnd geben auff euch nicht zum wenigsten. Sie halten darfür/ daß sie mit geringer Freygebigkeit [428] etliche Sicilier er- wecken wöllen/ welche euch mit Bürgerlicher Empörung verwi- ckeln können. Also vbergeben sie euch denen zubekriegen/ durch welcher Vermittelung sie von euch hetten sollen gestürtzet werden. Erweget bey euch selber/ ob solches dieser edelen Nation mehr zum Schimpffe oder zuschaden gereiche. Letzlich/ wollet jhr daß ich euch sagen sol/ worüber sich ewre Vnterthanen zu beschweren ha- ben? Vor Zeiten hatt das Volck wegen Stillung solcher Tumulte auff die Macht der Könige gesehen. Sie haben dem Könige Purpur/ Thron vnd Schwerdt einhelliglich gegeben/ daß die grossen Häupter nicht solten auß Ehrgeitz an einander wachsen/ daß nicht in einem Volcke vnterschiedene Bündtnüsse entstünden/ vnd man sich des- sen von den Vnterthanen besorgen muste/ wessen man sich son- sten von den Feinden zubefürchten pfleget. Wann nun vnter dem Königreiche das gemeine Wesen gleichwol angefochten wirdt/ was hilfft es sie daß sie jhr Recht fahren lassen/ vnd das Regiement einem allein haben hingeben? Entweder gebet jhnen jhre Frey- heit wieder/ oder macht daß sie jhrer Ruhe geniessen können/ wel- cher wegen sie die Freyheit vberlassen haben.

Vber diesen Worten holete Meleander einen tieffen Seufftzer her- auff/ vnd sagte/ daß man diese Kranckheit leichter erkennen/ als durch Artzney vertreiben könte. Er hette sich nunmehr an dem Eristenes vnd Oloodemus gerochen; so were Lycogenes [429] auch fort. Wann nun allzeit eine solche schärffe zu erhaltung deß ge- meinen Wesens gehörte/ so würde eine solche Macht/ welche man

[Druckausgabe S. 262]
mit dem Blute fürnemer Leute erhalten muste/ jhr endtlich selber gram werden. Sie sindt/ sagte er/ von stattlicher Natur/ auffgewack- tem Gemüte/ vnd vielen Tugenden. Soll ich nun solche Sternen auß- leschen/ oder vertunckeln? Vnd zwar alle? Dieses were sehr graw- sam/ vnd vielleicht vber Königliche Kräfften. Welche dann? die Verdächtigen. Es ist aber ein vnbilliches Wesen/ wegen blossen Ver- dachtes einen straffen. So hat man auch offtmals für der Empörung zum Verdachte keine Vrsache. Die geschwinde Vngestimmigkeit/ welche in lebhafftigen Gemütern ist/ pfleget gemeiniglich zugleich auff solchen Auffruhr zusinnen/ vnd jhn ins Werck zurichten. Soll ich mit meinem scharffen Ernste machen/ daß mir ein jederer feindt werde? Soll ich wie ein vnuernünfftiges Thier in der Einsamkeit wohnen/ oder den Hoff mit lauteren newen Creaturen erfüllen? Ge- wiß solche Mittel zu helffen sind schädlicher/ als das Vbel selber. Ich hoffe die Götter vnd jhr Verhengnis wird verleihen/ nach dem wir diß vngestümme Gewitter geleget haben/ daß vnsere Leute/ nun sie vnsere Kräfften kennen/ den gebührlichen Gehorsam gegen vns jhren Zaum werden seyn lassen. Zum wenigsten Cleobolus/ suchet solchen Rhatschlag herfür/ der mehr Leutseligkeit hat als die vo- rigen.

[430] Cleobulus antwortete: Herr/ ich meine es gut mit euch: Ich wil die fürnehmbsten Häupter/ eben wie jhr entschüldigen so viel möglich ist. Es sindt adeliche vnd grosse Gemüter vnter jhnen/ vnd eben dieses worüber wir klagen/ ist ein Kennezeichen sonderlicher Hertzhafftigkeit; welche/ wann sie von den Gesetzen angehalten wirdt/ dem gemeinen Wesen auch nützlich ist. Weil jhr jhnen aber den Zaum zulang gelassen/ so muß ich euch Königen die Schuld alles dessen geben/ was sie gedencken vnd anfangen. Weil man aber von Tugenden vnd Lastern nach der Meinung deß Volcks/ vnd nicht nach jhrem Verdienst zu vrtheilen pflegt/ so ist es nicht Wunder/ daß die Gewonheit vnd die Würden derer welche sündigen/ nebenst jhrem guten Fortgang/ diesem Verbrechen ein Ansehen gemacht haben. Wo jhr nun solche Rebellion vnterdrucken vnd außrotten wöllet/ so müsset jhr sie allgemach in die Schande jhres ersten Vr- sprungs bringen. Dises aber kan also von euch geschehen/ daß jhr dergleichen That mit jhrem verschmählichen Namen erstlich nen- net/ vnd sie eine beleydigung der Majestät/ eine Zusammenrottung/ +

[Druckausgabe S. 263]
ein Meineyd/ nit aber/ wie gebräuchlich ist/ eine Großmütigkeit/ einen Verstand/ einen Bund/ eine Fürsorge wegen deß gemeinen Wesens heisset. Hernach/ daß die/ welche von euch abgefallen sindt/ sich zum wenigsten demütigen/ vnd vmb gnädige Verzeihung bit- ten müssen; da jhr anjetzundt hergegen (welches andern Nationen sehr wunderlich für-[431]kompt) euch den Mangel selbsten zu- messet/ vnd diese mit offentlichem Außschreiben für vnschuldig er- kennet. Dann im Fall diejenigen recht sindt welche die Waffen er- grieffen haben/ so seidt jhr vnrecht/ wieder den sie von jhnen sindt ergrieffen worden. Es ist erbärmlich zuhören. Schliesset diese letzte Schlacht auß/ darinnen jhr dann ohn alle Widerrede Vberwinder seidt/ vnd betrachtet den Auffruhr den man vnter euch vnd ewrem Vatter erreget hat. Er ist allezeit dermassen auffgehaben worden/ daß jhr die Verwüstung deß Landes/ die Annehmung der Soldaten/ vnd andere Vbelthaten der Rebellion/ mit gar zu grosser Nachge- bung vnd Bekentnüsse/ daß das Königreich jhnen vnterthan sey/ auff euch selber geleget habet. Es ist in offentlichen Schrifften allenthalben angeschlagen worden/ daß alles dieses auff ewrem Be- fehl/ oder zum wenigsten ewrentwegen geschehen sey.

Aber es ist eine schwere Sache/ solche Liechter vnd Sternen zu- vertunckeln: dann es gebühret sich nicht/ daß man sie verdrucke/ oder auch nur vnfreundlich mit jhnen vmbgehe. Sie mögen schei- nen/ Herr; allein daß sie gleichwol nicht in Vergessen stellen/ wel- cher Sonnen sie jhren Glantz zudancken haben/ vnd daß sie eweren Himmel nicht verdunckeln. Es schiene fast der Nohtwendigkeit zu- seyn/ daß einer von jhnen solche Schuldt mit der Haut vnd Blute bezahlete. Eristenes vnd Oloodemus haben ewere Gütigkeit zu sol- chem scharffen Zwanges-[432]Mittel genötiget/ vnd der vnglück- selige Lycogenes wird mit seinem Exempel die andern eine zeitlang im Gehorsam erhalten. Wirdt aber einer an diese Läuffte nicht ge- dencken/ vnd sich eben dessen Spiels vnterwinden/ so versichert euch seiner ohn alles Bedencken/ vnd setzt die Verfahrung nicht erst auff vngewisse Berahtschlagung. Macht euch bald selber zum Feldobristen/ damit die Sache nicht etwan durch Vbersehung ewrer Befehlshaber gestillet/ vnd die Gelegenheit auß der Handt gelassen werde. Im Fall jhr also vnd zwar in eil verfahret/ so werden jhrer + +

[Druckausgabe S. 264]
viel in Betrachtung ewres Ansehens/ sich zu euch schlagen/ vnd zweifeln was jhnen zuthun sey/ sonderlich wann jhr werdet in Berahtung zuseyn scheinen/ ob man euch auch vngestraffet belei- digen könne. Alsdann müsset jhr gäntzlich darob seyn/ daß es we- gen furchtsamer Nachlessigkeit nicht das Ansehen gewinne/ als wann jhr jetziger Zeit vergessen hettet/ oder als ob jhr vmb Ver- zeihung betet deß hingerichteten Eristenes. Nemet euch dieser Ge- walt an/ zuerweisen/ daß sie mehr von ewerem grossen Gemüte/ als von dem Glück herrühre. Höret keinen gewaffneten Rebellen nicht/ der euch von Friedenshandlung/ Bedingungen/ vnd Verträgen sagen wil. Das einige Mittel der Versöhnung sey dieses/ daß er Gnade su- che/ den Hochmuth fahren lasse/ sich vnd seine Sache verdamme. Alsdann werdet jhr einem solchen Gnade ertheilen vnd vergeben mögen/ es sey dann daß er gar [433] zusehr sich an euch vergrieffen/ oder seine Bekehrung so lange verschoben habe/ biß er durch die euserste Noht darzu gezwungen worden. Verzeihet jhm aber also/ daß jhm etwas zur Straffe entzogen werde. Hat er von euch eine Pro- vintz in Verwaltung/ so nehmet jhm ein Theil darvon/ vnd vber- gebet es einem andern. Besitzet er entweder seine/ oder königliche Schlösser/ so nemet eines zum Pfande seiner künfftigen Trew vnd Gehorsambs. Auff diese Art werden sich andere/ den Königlichen Schatz mit jhrer Beute zubereichern/ fürchten/ welche hergegen euch jetzund den Frieden vmb Geld/ Empter/ vnd Städte verkauffen dörffen. Hütet euch aber/ daß jhr solchen auß Fürbitte jhrer Freun- de/ die auff ewrer seiten sind/ vbersehet. Dann es ist kein Betrug ge- meiner als dergleichen fürnehmer Leute/ daß sie sich nicht auß Zu- neigung/ sondern gleichsam durchs Loß auff zwey wiederwertige Theile wenden. Brüder/ Schwäger/ Vettern werden/ dieser bey euch/ der andere bey den Rebellen stehen/ damit sie durch Sieg oder Gna- de versichert seyn mögen/ die Sache erlange einen Außschlag wel- chen sie wölle. Diese/ Herr/ müsset jhr gantz für verdächtig halten/ vnd auch/ wo sie wegen der jhrigen zu Vngestüm bitten/ fast für Feinde.

In solchen Gedancken stehe ich wegen der Rebellion Häupter. Aber was können sie ohne Soldaten verrichten? Sie seindt das Blut vnd die Adern solcher Empörung; vnd müssen auch ohngestrafft + + +

[Druckausgabe S. 265]
[434] nicht hingehen. Diese derhalben/ welche jhr bey Friedens- zeit zur Besatzung oder zu Verwachung eweres Leibes geworben habet/ wann sie nach erregter Auffruhr jhren Obristen wieder den König folgen/ die sollet jhr mit Schanden vnd Benehmung jhres Degens vnehrlich machen. Da muß kein Geschrey der Berewung/ keine Fürbitte helffen/ sie komme von wem sie wölle. Also werden sie nicht so sehr jhre Hauptleute/ als euch in jhnen ehren lernen: in Betrachtung daß sie neben jhnen von euch erhalten/ vnd von euch regieret werden. Also wird das Volck/ welches jhr in Dienst nehmet/ vnd in Frieden erziehet/ euch mit Trewen meinen/ vnd die Obristen werden euch nicht verachten wegen Anvertrawung deß Volckes das euch geschworen hatt. Wann aber in wehrendem Tumult etwan an- dere/ so euch mit Dienste nicht verbunden sindt/ sich deß Anhan- ges theilhafftig machten/ alsdann befinde ich nicht für Vbel/ daß man etwas gelinder mit jhnen verfahre; weil sie nur eines schlech- ten Auffstandes können beschüldiget werden. Behaltet gegen den- selbigen/ wann es euch geliebet/ den Nahmen der Sanfftmütigkeit; nur daß sie verstehen/ es sey jhnen nicht zwar jhrer Vnschuldt/ son- dern ewerer Güte wegen Gnade wiederfahren. Dieses haben wir von Straffe der Gebrechen geredet: man muß aber zuvor obsiegen; oder (welches glimpfflicher ist) sie mit Vernunfft lencken/ damit man sie nicht vberwinden oder straffen dürffe. [435] Zwey Ding sind/ Herr/ welche den fürnehmen Häuptern die Waffen wider euch in die Hand geben/ vnd sie zur Aufflehnung bewegen. Wann jhr nun mit weisen Anschlägen jhnen solche Kräfften werdet entziehen/ so weiß ich nicht ob es mehr jhrer oder ewerer Nutzen seyn wirdt. Es gibt aber jetzt nicht Gelegenheit darvon zu reden/ weil der König auß Sardi- nien zu euch kompt.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),