Das XVI. Capitel.

[309] List deß Lycogenes den Oloodemus vnd Eristenes zu erhal- ten: Eurimedes wird geschickt jhn eynzuziehen; da es dann nicht wol abläufft: Bereytung zu dem Kriege auff beyden theilen.

Das XVI. Capitel.

DEr König wuste wol/ wie harte jhm Lycogenes zusetzete. Derent- wegen verschickte er den Eurimedes mit etlichen wenigen von der Reuterey/ eben den Tag als er den verurtheileten jhr Recht thun ließ/ ob er jhn heimlicher Weise vberfallen köndte. Dann Lycoge- nes hatte sich nach Bestrickung deß Eristenes vnd Oloodemus in den Krieg noch nicht gäntzlich ergeben. Er versicherte zwar seine Person mit vielen Soldaten: doch gab er allzeit vor/ er hoffete Ver- söhnung: daß er entweder vnter dem Scheine deß Bundes dem Köni- ge die gefangenen außwinden/ oder jhn/ als einen vnbarmhertzigen Tyrannen mit Lästerworten außtragen köndte. Damit man auch desto mehr glaubete/ daß er von Hertzen Frieden begehrete/ so bathe er den Dunalbius schrifftlich/ daß er den König von so hitzi- gem Rhatschlage zu rück halten/ die gefangenen loß zu lassen vnd zu Beföderung gemeiner Rhue allen Argwohn vnd Haß auffzuheben/ ersuchen wolte. Dunalbius stellete sich/ als [310] ob er solchem Schreiben gäntzlich glaubete/ vnd das was an jhn gemuhtet würde zu Wercke richtete; vnd führete den Lycogenes herumb mit seinem eigenen betruge. Dann er verweilete sich/ in der Hoffnung den Kö- nig zuberücken/ vnd seine Freunde loß zubekommen/ so lange biß der König seinem Wesen kundte Rhat schaffen. Aber damals als der König außschickte jhn zu vberfallen/ waren etliche von seinem Anhange/ die dem Eurimedes zuvor kamen/ vnd dem Lycogenes den Todt seiner Freunde/ nebenst seiner eigenen Gefahr zuwissen machten. Er ward solches vber dem Nachtessen verständiget/ als er viel von seinen Befehlichshabern zu Gaste hielt. Zu diesen fieng Lycogenes an: Ihr Freunde/ vermeinet nicht/ daß wir vmbsonst allhier zusammen kommen sindt: Wir halten an jtzo deß Eristenes vnd Oloodemus Begrebnüspancket/ welche Meleander grawsamer Weise hinrichten lassen: wie ich dann/ im fall jhr mir nicht bey- + +

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springt/ in eben dieser Gefahr bin. Deß Tyrannen Mörder sindt fast für der Thür/ die Befehl haben mich vmbzubringen. Ich halte nicht/ daß jemandt zweiffele/ wie man hernach mit euch vnd andern ehr- lichen Leuten werde vmbgehen. Wann man Fürsten also auffzu- opffern sich vnterstehen darff/ vermeinet jhr wol/ daß man die an- dern gelinder halten werde? Ich begehre ewrer Hülffe nicht zu meiner Beschützung/ wann jhr nicht glaubet/ daß die ewrige darun- ter begrieffen sey. Mit diesen Wor-[311]ten sprang er von der Tafel auff; die andern ingleichen stiessen die Speisen von sich/ vnd grieffen zu jhren Waffen. Das gantze Hauß war voll von dem Getümmel der Soldaten/ die sich jhrer vnd jhres Obristen wegen besorgten. Es wurden etliche außgeschickt/ die mehr Volckes auß benachbarten Orten herzu führen solten. Viel der besten machten sich vnter dem Befehl deß Menocritus dem Eurimedes entgegen: wie sie dann eine Nachstellung in einem Thale machten/ damit sie jn/ der sich nichts versehen/ vnd müde seyn würde/ annehmen könten. Aber es war ein verworrenes Scharmütziren. Dann ehe er sie in die Fürwartung legen kundte/ traff Eurimedes auff sie/ der sich gleichfals keines fechtens versahe. Doch kämpfften sie ritterlich auff beyden seiten mit grossem Schmertzen deß Eurimedes/ daß er den Lycogenes/ der gewarnet worden/ nicht gefangen nemen kondte. Im vbrigen ob er gleich an der Anzahl vnd Stärcke dem Feinde nicht gleich war/ weil Lycogenes das Treffen der streitenden gehört/ vnd sein gantz Volck in Ordnung gestellt hatte; so wolt er doch offenbarlich nit flüchtig werden: sondern wiche gemach vnd gemach zu rücke/ ohne deß Lycogenes Soldaten weitere Nachsetzung; entweder auß besor- gung eines Hinderhalts/ oder weil es sehr trüb vnd finster war.

Es waren jhrer nicht viel geblieben wegen des tunckelen Wetters: Lycogenes aber hielte dafür/ er hette obgesieget. War derhalben wegen solchen Angriffes der seinigen/ frölich beruffete alle gute freunde/ [312] theilete Waffen vnter sie auß/ vnd schickte an die Zusammenkunfften der Stätt gleichen lautes Schreiben/ daß sie jhme als dem Beschützer allgemeiner Freyheit/ Hülffe leysten + + + +

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möchten. Es fielen von dem frommen König auch dieselben ab/ wel- chen er bey seiner Regierung auff die Beine geholffen. Den Men- schen anzuzeigen/ daß Tugendt an einem Könige/ sie sey so groß als sie wölle/ könne verachtet werden/ wann das Ansehen der Ritter- mässigkeit vnd Stärcke nicht darzu kompt: vnd daß keine Fürsten von jhren Vnderthanen trewlicher geliebet werden/ als die so Mittel haben/ wegen welcher man sich für jhnen förchten muß. Sicilien war in einem vbelem Zustande. Die Religion ward verbannet/ die Gerech- tigkeit nicht geachtet/ die Landstrassen vnsicher/ die Häuser vnd Flecken hin vnd wider mit Rauberey/ wüten vnd Brandt verheeret/ vnd die gläntzenden Läger hetten alle Felder/ die nun öde lagen/ vberdecket. Das Volck kundte auch in der ersten Auffruhr nicht fühlen/ daß jhm vnter der Herde vieler Tyrannen härtere Sachen auffgelegt wurden/ als die welche sie gedachten zu rechen/ daß Meleander sie damit beschweret hette. Verriethe sich also selber; welches der ordentliche Lohn der Verrätherey ist. Doch waren jrer viel/ die sich durch solchen Sturm nicht fortreissen liessen. Vier Stätte/ ohn Epeircte/ verblieben in deß Königs Gehorsam: Messine/ Palermo/ Catana vnd Enne/ welche mitten in der Insel ligt.

[313] Gebrauchte sich also Lycogenes deß königlichen Rechtens vnd Wappens; den einigen Namen außgenommen. Bey der Tafel saß er auff einem Throne; im Läger gieng er in Purpur/ allenthalben mit dem Degen an der Seiten. Machte sich entweder sehr freund- lich/ oder sehr strenge/ damit er die Widerspänstigen jhm verbünd- lich oder für jhm forchtsamb machte. Meleander säumete sich gleichfals auch nicht/ vnd brachte in kurtzem viel außerlesenes Volck zusammen. Epeircte/ welche starck besetzt/ vnd mit Pro- viant wol versehen war/ ward darzu bestimmet/ daß man darauß kondte Entsatzung schicken/ vnd sich wider hinein flüchten. In den Hafen daselbst ließ man alle Königliche Schiff führen die sich noch zu dem König bekandten. Er ward beydes seiner Natur nach/ vnd weil es jhn die grosse Angelegenheit lehrete in Ehrung der Götter andächtiger. Vnd weil diese schandliche Rebellion als ein anfällige Seuche durch gantz Sicilien vberhandt nam/ schrieb er durch ein offentliche Erklärung auß/ daß er diese Auffruhr mehr für ein son- derliche schickung vnd Thorheit hielte/ als für ein fürgesetztes +

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Laster. Also vermeinete er die Gemüther wider an sich zu bringen/ welche jhr rasen hatte abspänstig gemacht. Damit auch seine Knechte nicht angesteckt würden/ wolt er eine Musterung anstel- len. Derentwegen begab er sich in das förderste Läger (dann die Soldaten waren vnden an der Statt Epeircte/) vnd gieng mit den Obristen vnd Befelchshabern/ beynebenst [314] den Bildnüssen der Götter auff den Platz zu/ wo der Priester so opffern solte das Altar zurichtete. Das gantze Volck stund ordentlich in der Rüstung vnter seinen Fahnen/ mit Kräntzen auff den Häuptern/ vnd hatten jhre Lantzen vnd Spiesse mit Zweigen vmbwunden. In dessen wurden die wolgezierten Opffer/ ein Ochs/ ein Bock vnd Widder vnter ge- hörigem Gebett von den hochauffgeschürtzten Priestern vmb das gantze Heer getrieben/ vnd für den Altar geführet. Hernach gieng der König selber einen Kreiß herumb/ mit Anruffung der Götter; daß sie dem gerechten Theil beystehen/ vnd die/ so von jhnen es bißher nicht mit jhm gehalten/ sich versöhnen lassen/ vnd zu jhm tretten wolten: daß sein Volck möchte behütet werden; vnd dem Feinde Kräfften/ Muth vnd Raht entfallen. Wo sie jhm Hülffe/ Heyl vnd Sieg würden geben/ so wolte er Jupitern dem Erhalter/ dem Mars/ der Minerven vnd allen Himmlischen Göttern/ so viel jrer wegen Kriegs oder Friedens Sorge trügen/ von dem abge- nommenen Raube der Feinde einen Tempel auffrichten. Er wolte auch offentliche Schawspiel alle Jahr anstellen/ auff deren Auß- theilungen vnd Geschencke solche Wolthat der Götter gegen Sici- lien solte gepregt vnd auffgedruckt seyn. In wehrenden solchen Ge- lübdnüssen wurden die Opffer geschlagen; zu deren noch warmen Eingeweyden der Zeichendeuter hinzu trat. Dieser als er sahe daß die Leber gantz/ aber mit dicker Haut sehr starck vberzogen war/ sagte er zwar/ daß [315] die Gehencke gut weren/ vnd auff alles Glück zeigeten; es würde aber etwas langsam zugehen/ vnd grosser Mühe bedürffen. Auff dises machten die Soldaten mit jhren Waffen allerley Streiche/ schwungen die Spiesse nach Kriegs gebrauch/ schryen als ob der Feind vorhanden were/ machten eine Gestalt als zwey Heer aneinander fielen; vnd giengen nach vollbrachtem vn- schädlichen Scharmützel wider in das Läger.

[Druckausgabe S. 195]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),