Das XIII. Capitel.

[282] Deß Poliarchus Kranckheit. Gelanors Ankunfft in Sicilien. Begegnung deß Nicopompus. Von der Argenis Secretari. Der Aldi- nen deß Poliarchus Hundes Todt.

Das XIII. Capitel.

VNder dessen fand sich der Schiffmann/ vnd zeigte an/ daß der Windt gut were. Wann Gelanor käme/ so wolten sie in wenig Stun- den weit von Africa seyn. Derhalben fertigt jhn Poliarchus eylends ab/ vnd befahl jhm was er dem Meleander bringen/ vnd der Arge- nis sagen/ item der Selenissen/ dem Archombrotus/ vnd andern gu- ten Freunden vertrawen solte. Er könde auch in geheim Nachfor- schung halten/ was der König mit seinen fahrenden Gütern ge- than/ ob er sie zu kauffe außgesetzt/ vnd welche sie eingelöset het- ten. Dann darauß würde abzunehmen seyn/ wie Meleander gegen jhme gesonnen were. Nach seiner verrichtung in Sicilien/ solte er auffs ehiste als möglich/ nach Clupea/ da er seiner zu warten ge- sonnen war/ wider vmbkehren.

Als Gelanor fortgereiset/ vnd die Mohren abgetretten waren/ wol- te er sich zu Ruhe begeben/ weil er eine Müdigkeit befandt. So bald aber als er in das Bette kommen/ vnd die lebendigen Geister/ welche durch Einbildung vnterschiedener Sachen ange-[283]halten wor- den/ sich wieder funden/ da fiengen die Wunden/ welche jhm der Räuber in die Seite geschlagen/ vnd er nicht allein nicht geachtet/ sondern auch mit Arbeit vnd bemühung deß Gemütes mehr gereitzet hatte/ erst an zu brennen/ vnd wurffen jhn mit einem hitzigen Feber darnieder. Dieser Fall hielt seine fürgenommene Reise auff den folgenden Tag zurücke/ vnd erschreckte die Königin nicht we- niger/ als wann jhr leiblicher Sohn in Kranckheit gefallen were. Dann vber die grosse Gutthat die sie vom Poliarchus empfangen hatte/ betrachtete sie auch die Anmutigkeit seiner Natur vnd die Höffligkeit im reden. Sie hette jhr auch seiner Ankunfft halben Gedancken gemacht/ vnd bildete jhr im Gemüte was grosses ein; also daß sie jhm mehr vnd mehr günstig ward. Dessentwegen be- suchte sie jhn mit jhren ärtzten auff früen morgen. Der Königin fol- + +

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geten jhre fürnemste Leute/ vnd bezeigeten mit trawrigen Ge- sichte jhr Mitleiden.

Gelanor/ so von diesem allen nicht wuste/ segelte mit glücklichem Winde auff Sicilien zu. Wiewol sie aber gutes Gewitter nach Epeirc- te hatten/ so wolte er doch daselbst nicht einfahren; sondern stieg in einem vnbekanten Hafen auß/ damit niemandt seine Schiffleute kennen/ oder vom Poliarchus fragen köndte. Er gieng zu deß Apol- lo Tempel/ welcher nicht weit vom Gestade gegen Palermo war/ mehr bekandt deß berühmbten Priesters als seines Gottes wegen selber. Der Priester hieß Antenorius/ [284] ein friedfertiger Alter/ frey von allen Sorgen/ vnd glückselig nach seinem Willen. Dann ob er gleich baldt in seiner Jugendt zu hohen Ehren gelangete/ vnd seine Freunde jhnen die höchste Hoffnung von jhm machten; so hat er doch auß vielen Exempeln gelernet/ welch ein elendes vnd mißliches Thun es vmb den Ehrgeitz sey/ ist jhm also die Freyheit deß Gemütes lieber gewesen/ vnd damit er seiner Zuneigung möchte ein genügen thun/ so hat er jhm deß Phebus Tempel er- wehlet/ daß er daselbst sein Alter zubrächte. Dann er war eyfrig in dem Dienste desselbigen Gottes/ welcher nach seiner Anruffung auch offtermahls auß ihm geredet hat. Im vbrigen wuste er sich in alles Vnglück/ es betraff gleich jhn/ oder seine Freunde/ so wol zu- schicken/ daß er mit frölichem Hertzen alle Fälle vberwinden kund- te. Beyneben war er auch sehr gelehrt/ scharffsinnig vnd fertig/ welches alles durch den erbahren Wandel vnd auffrichtiges Leben deß stattlichen Altens gezieret ward. Sonsten liebete er den Poliar- chus/ vnd rühmete jhn ehe er wider in Gnaden war offenbahrlich. Gelanor/ der vmb seine Redligkeit wußte/ nam den Weg ausser- halb der Strassen auff jhn zu/ vnd fand jhn in dem Eingang seines Tempels ligen/ (dann er war nicht wol zu Fusse) da er seinem ge- brauch nach mit guten Bekandten mitten vnter seinen Büchern sich weißlich ergetzte vnd lustig machte.

Sie waren noch miteinander in dem ersten empfangen/ als Nico- pompus eine newe Frewde dar-[285]zwischen brachte. Er war deß Antenorius bester Freund/ vnd voll von Sorgen vnd Vnruh deß Hofes. Derentwegen kam er dahin durch das Gespräch deß an- mutigen Alten/ der verwirrung deß gemeinen Wesens ein wenig zuvergessen. Als jhn Antenorius ersahe/ fragt er höfflich/ ob er zu jhm/ oder zum Phöbus kommen were? Zu allen beyden/ sagte er. Aber wer ist dieser? Gelanor seyd jhr hie? Die Götter wöllen/ daß

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Poliarchus auch nicht weit sey. Wiewol ohn den Antenorius vnd Nicopompus niemand zu entgegen war (dann die andern waren auff Befehl deß Antenorius abgetretten) jedoch befand es Gelanor nicht für rahtsamb/ seines Herrn Anschläge vnd Fälle jemanden ehe als der Argenis zu vertrawen. Darumb gab er für/ er were in Italien/ vnd hette jhn auß dem Bajanischen Port zum König abgesendet.

In dem sie also reden/ häuffete das Glück die Frewde desselbigen Tages noch mehr: Hieroleander kam von einem andern Wege zum Tempel/ gleichsam als er bescheiden were. Er war der Argenis Se- cretari/ ein Mann von fürtrefflicher Tugendt/ der an Geschickligkeit keinem weichen dürffte/ vnd war/ das Glück außgenommen/ nicht geringer als sein Vetter/ der mit seiner Tugent den Scharlach der hohen Geistligkeit erworben hatte. Dieser kam deß Antenorius halben zum offtern in den Tempel; vnd damals hatte jhn Argenis dahin geschickt den Apollo anzuruffen. Als er aber deß [286] Gela- nors ansichtig worden/ vnd jhn nach genügen vmbfangen hatte/ gab er jhm mit einem leichten Ding/ welches er nicht vermeinete/ Anlaß alles das zu erforschen/ warumb er in Sicilien kommen war/ in dem er sich beklagte/ daß jhme die Augen für Schmertzen auff- gelauffen/ weil Aldine gestorben were. Ob er sich vielleicht also ent- schuldigen wolte/ daß er jhn entweder bey sich behalten/ oder daß er jhn nicht besser in Acht genommen hette. Als Gelanor den Na- men Aldine höret/ blieb er ein wenig bestutzen/ vnd sahe den Hiero- leander an. Diese Aldine war der schönesten Hündin eine; welche dem Poliarchus trefflich lieb gewesen. Bey seinem Abreisen auß Sicilien hatte jhn Hieroleander fleissig gesucht/ vnd biß her mit grosser Fürsorge enthalten. Weil Argenis selber dessen sich nicht dörffen annehmen/ damit es nicht das Ansehen hette/ als trüge sie sich vnbarmhertziger weise mit deß Poliarchus Raube/ oder her- gegen auch/ als liebte sie den Hund wegen seines abwesenden Herrns. Er war vber bringung der jungen gestorben/ mit grossem doch verborgenem Schmertzen der Argenis. Aber Hieroleander/ der jhm manche Frewd mit dem Hündlein gemacht hatte/ kundte die- sen Verlust noch vbeler vertragen; so daß es von seinetwegen am Hofe gar beruffen ward/ sonderlich durch die Verß vieler Poeten/ die jhm zu gefallen alle schöne Gesänge vnd Lorbeerbäume deß + + + +

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Parnassus auff deß Hunds Begräbnüß zusammen trugen. Gelanor merckte wol/ daß die erwehnung deß Hunds [287] jhm zur Nach- richtung viel dienete; wiewol er jhn lieber hette lebendig gesehen. Dann mit solchem Anfang kundte er nachfragen von dem was jhm vom Poliarchus anbefohlen worden; wo nämlich seine Sachen vnd gleichsam sein Raub hinkommen were. Als er aber verstanden/ daß der König Verwalter deß Hauses gesetzt hette/ damit dem ei- genthümblichen Herren nichts darauß verruckt würde/ vnd allein Aldine vom Hieroleander auffgefangen worden sey/ damit jhrer destobesser gewartet würde/ ließ sichs ansehen daß alles wol von statten gienge. Dann er hielte dafür/ weil Aldine gleichwol in der Argenis Hauß gelitten worden/ so sey diß geschehen zur Erinnerung deß Poliarchus. Vnd als er vernam/ daß jhr Tod die Argenis etwas betrübet hette/ wußte er wol/ wannher solche Liebe vnd Betrübnüß rührete. Damit er aber nicht zu erkennen gebe/ daß er auff die Rede/ welche von seines Herrn Vorrath/ vnd der Aldine vorbracht wor- den/ sonderlich achtung gebe/ vnd eine sonderliche Anzeigung dar- auß nemmen wolte/ kam er auff ein anders Gespräche. Ich bin froh/ sagte er/ jhr Herren/ daß Sicilien an jetzo in solchem Zustandt ist/ darinnen man Zeit hat von einem Hundt zu reden/ vnd seinen Todt zu beklagen. Dannher kan ich abnemmen/ daß jhr auff die alten Kriege vnd allgemeines wüten nun in Ruhe vnd Frieden sitzet. Ja wol/ sagte Nicopompus/ dieses ist gleich ein Anstandt/ durch den wir vnserm Kummer deß gemeinen Wesens halben zuweilen ein wenig abbrechen; [288] damit wir hernach die Last/ welche vns durch die vnwandelbahre Schickung auffgeleget wirdt/ desto be- hertzter tragen können. Gelanor fragte weiter nach; Ob Lycogenes Trew vnd Glauben hielte/ oder ob der Friede gebrochen/ vnd eine newe Empörung entstanden were. Sie fiengen stracks darauff an; es stünde alles in grosser Vngewißheit; Eristenes vnd Oloodemus legen bestricket. Lycogenes rüste sich/ vnd die Vnderthanen hetten sich einander selber zu verderben wider den König auffgelehnet.

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Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),