Das X. Capitel.

[253] Wo Poliarchus mit seinem Schifflein hinkommen. Sein Streitt wider die Seeräuber. Eine seltzame Geschicht. Von deß Lycogenes Schreiben. Deß Poliarchus Vnruhe; Vnd seine Reiß in Africa.

Das X. Capitel.

ALs das Schiff auff welchem Poliarchus von Rhege nach Franck- reich wolte in der Flut zerstossen war/ vnd sich vor grosser Last der

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Wellen voneinander gab/ machte er sich sampt dem Gelanor vnd zweyen Schiffern in den Weydling. Sie strebeten dem Wind nicht zu- wider/ außgenommen daß sie die Streiche der Ruder also führeten/ daß die Wellen nicht an die seitte deß Weydlings schlagen kundten. Nachdem sie aber das nechste vorgebirge vmbsegelt hatten/ war jhnen das vorige Schiff/ vor dessen Vntergange sie außgestiegen/ auß dem Gesichte kommen. Wie der Wind jhnen hernach etwas ge- linder zusatzte/ vnd sie noch weit herumb jrreten/ lieff das Schiff- lein wider die Spitzen eines Felsen der vnter dem seichten Wasser verdecket war; so daß die Ruderknechte nicht fort kondten. Derent- wegen sprungen sie mitten in die See/ zwar auff harte/ aber doch dermassen vngleiche Steine/ daß die Fluth keinem biß vnter das Knie/ vnd gleichwol auch nicht [254] biß an den Nabel gieng. Das Vfer war fern; sie kundten kein Schiff erblicken/ vnd die grösse deß Vbels beraubte sie aller Hoffnung. Poliarchus wolte seinem Elende mit dem Degen abhelffen: Gelanor aber sein Leben viel lieber den reissenden Wellen hingeben; die Schiffleute sagten auch/ man solte nicht so sehr auß Vertröstung darvon zu kommen/ als wegen Schrecken also zu sterben der Natur vnd deß Glückes Willen er- warten. In dem sie von jhrem Tode Sprach hielten/ erblickten sie von weitem ein Schiff das durch die Wellen getrieben ward/ vnd sich allgemach zu jhnen nahete. Es war ein Raubschiff/ welches ringfügig vnd wegen deß Vngewitters mit Fleiß war gemacht wor- den/ so daß es diesen Sturm vnverletzet außgestanden hatte. Wie auch die Winde nur ein wenig nachliessen/ kundte man es mit dem Stewer Ruder zimblich regieren. Der Patron wußte/ daß es in der- selben Gegend steinicht were/ welches jhm auch der Schaum/ vnd das brausen/ so an solchen felsichten Orten allzeit hefftiger ist/ zu- erkennen gab. Derhalben lenckte er das Schiff ab/ vnd ward in dessen etlicher Bretter von dem zerstossenen Weydlinge jnnen/ er sahe auch auff den nechsten Steinen diese Menschen/ welche die Hände auffhuben/ vnd vmb Hülffe rufften. Die Räuber stunden im Zweiffel/ ob sie auffzunemmen weren. Was hetten sie zugewarten/ da sie jhnen gleich beyspringen? oder was würden sie denen zu nehmen finden/ welche Schiffbruch erlitten? Ihr grausames [255] Gewerb aber das sie trieben hatte alle Freundligkeit auß jhren Ge- +
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müthern weggerissen. In erwegung gleichwol/ daß offtmals Rei- sende jhre beste Sachen vnd Zehrung in den Kleydern zuverbergen pflegen/ befunden sie es für gut/ weil die See fast stille worden/ daß sie zu solchem Raub sich hin machten; vnd fertigten also jhr Nach- schiff auß. Damit sie aber nicht an die Klippen führen/ ruderten sie etwas langsamb/ vnd versuchten allzeit wie tieff der Grundt lege. Sie rufften auch denen die also badeten zu/ daß sie so viel als mög- lich auff den Steinen vnd hartem Sande näher herzu giengen. End- lich legten die Räuber jhre Ruder von dem Schiff an den nechsten Felsen/ daß sie als auff einer Brücken kundten hinein gehen. Sie wunderten sich aber deß Poliarchus vnd Gelanors Gesichtes/ vnd trugen einen Gefallen vber jhrer Schönheit vnd zierlichen Kley- dern/ in Meinung/ daß es eine reiche Beuth bey jhnen setzen würde.

So bald sie auß dem kleinen in das grössere Schiff kommen wa- ren/ hielten sie mit jhrer Betriegerey nicht lang hinder dem Berge/ sondern wolten sich vnterstehen jnen Ketten anzulegen. Poliar- chus erschrack vber dem Abenthewer/ vnd/ was sol das seyn/ sagte er/ jhr Leute? was habt jhr zu vns? oder womit seynd wir euch so geschwind zuwider gewesen/ da jhr vns doch erst gewürdiget habt/ daß wir mit ewerer Gefahr auß der Flut seynd errettet worden? Po- liarchus war mit seinem Degen auch nit langsamer/ vnd [256] wolte sich durchauß nicht binden lassen. Als sie aber auff Poliarchus Wort nichts gaben/ sondern sich nur hefftiger ergrimmeten/ vnd zur Wehr griffen/ mochte Poliarchus nicht länger jnne halten/ vnd straffte denselben der jhm die Kette wolte anlegen dermassen/ daß er ihn durch vnd durch stieß; den andern fertigte er eben so ab. Gelanor der auch allbereit einen darnider gemacht hatte/ tratt ne- ben seinen Herren: also stunden sie mit den Rücken beysammen/ daß man sie nicht vmbringen kundt/ vnd boten den Feinden auff beyden seiten die Stirne. Sie zubrachen auch die Ruder welche sie funden/ vnd gebrauchten die Laffen darvon an statt der Schildte. Die Boßleute welche die Räuber mit dem Poliarchus eingeholt vnd bin- den wöllen/ wurden durch solche Exempel auffgefrischet/ ergrieffen Stangen/ vnd fiengen ingleichem an sich zu widersetzen. Es waren vber diß etliche andere Gefangene nur mit Riemen gebunden/ ohne die jenigen welche an Ketten geschmiedet/ rudern mußten. Diesel- + +

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ben sahen dem Streitt mit Frewden zu/ vnd merckte Poliarchus auß der armen Leut Gesichte wol/ daß sie jhme den Sieg gönneten. Darumb/ weil er auch vermeinete/ jhr Beystandt were nicht zu ver- achten/ hieb er etlichen die Riemen entzwey/ vnd vermahnete sie/ daß sie trewlich wider die Ehrlosen Leute fechten wolten. Diese lö- seten jhrer Gesellen Bande/ daß sie also den Feinden an der Zahl fast gleich wurden. Es waren der Seeräuber dreyzehn. Von diesen hatte Poliarchus [257] zweene/ vnd Gelanor einen erlegt. Die Schiffer vnd Knechte/ welche Poliarchus auffgelöset/ hatten es mit Fünffen angenommen. So das Poliarchus vnd Gelanor mit den vbrigen fünffen kämpffen musten. Doch worden sie auch nicht vn- gerochen hingerichtet. Dann sie hatten schon einen von deß Poliar- chus Schiffleuten in das Meer gejaget. Vnd der eine stellte sich als wolte er dem Poliarchus ein Keule mit eisernen Spitzen in den Nacken legen/ vnd schlug jhn mit behender List in die Seiten. Wann der Pantzer nicht hette auffgehalten/ wie schwer were die Argenis diese Keule ankommen? Dann sie ist auch also mit vielen/ aber nicht tieffen Wunden eingedrungen. Poliarchus entbrandte hierüber noch hefftiger/ wande seinem Widersacher die Keule auß/ vnd schlug jhm darmit biß in das Gehirne; vermahnete hierüber den Gelanor mit vnerschrockner Stimme zum Sieg/ welcher ingleichem nicht rastete/ vnd noch zweene fortgeschickt hatte.

Die vberbleibung von der Schlacht wandte sich auff die andere seitte deß Kampffs/ wo nämlich die Gefangene stritten/ welche von ihren Banden entlediget worden. Aber dieselben waren nicht weni- ger wegen deß glücklichen Fortgangs doppelt behertzter als zuvor. Sie vmbringten die Räuber auff einer/ vnd Poliarchus vnd Gelanor auff der andern seitten/ so daß Poliarchus kaum hat können abweh- ren/ daß sie nicht alle haben nidergehawen. Dann er wolte sie viel lieber fangen/ vnd zu verdienter Straffe [258] vorbehalten. Derent- wegen ließ er drey so jhm zu Fusse fielen in die Ketten schlagen: vnd wie das arme Volck jhm danckete/ daß sie durch seine Vermitte- lung der Mörder Gewalt entgangen weren/ empfandt er einen gros- sen Trost/ daß er solche seine Müh dem allgemeinen Wolstande zum besten angeleget hette. Sie schrien einhellig/ daß er jhr Beschirmer vnd jhr Gott were der sie beschützete; er hette die Meineidigen Leut mit mehr als Menschenkrafft vberwunden vnnd verdienete/ daß alle betrübte in der gantzen Welt Zuflucht bey jhm sucheten. In solcher allgemeinen Frewde waren aber die Stimmen vnter

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schieden. Dann die welche allein mit Riemen gebunden gewesen/ vnd nun jhre Freyheit empfunden/ bedanckten sich gegen jhrem Helffer/ vnd wundscheten jhnen selber Glück. Die Ruderer aber/ so auch eine völlige Gnade begehreten/ baten hefftig daß man sie aufflösete/ vnd in denselben Standt gesetz würden in dem sie zuvor/ ehe man so vnbarmhertzig mit jhnen verfahren hette/ gewesen weren.

Poliarchus/ damit er sie nicht mit seiner eigenen Gefahr loß lies- se/ fragte nach der Ordnung wer desselben Schiffes Herr/ wer der Patron darauff sey/ vnd von wannen die Rauber weren? Einer von den Ruderern ruffte: Mein Herr/ erbarmet euch meiner. Ich habe diß Schiff mit meinen vncosten gebawet/ ich bin Herr vnd Patron darüber gewesen/ vnd habe allzeit meinen Handel in Africa vnd Spanien getrieben. Ich hatte ohn gefehr auß dem Außgange des [259] Flusses Betis abgestossen/ vnd kauffte nach meiner Abladung andere Spanische Wahren ein/ wie diese Seeräuber/ vnter dem scheine als begehrten sie mit mir fort zuschiffen/ mich in diß Elendt gesetzt haben. Damit ich wegen jhrer Anzahl keinen Argwohn schöpffen solte/ kam je einer nach dem andern. Sie gaben auch für/ daß sie in vnterschiedenen Porten außsteigen wolten. Diese zu Adru- met/ jene zu Clupea/ oder Vtica. Sie handelten auch mit mir vmb das Schifflohn; daß also ich Armseliger sie alle angenommen/ vnd auff den ehrvergessenen Betrug nie gedacht habe. Damit sie mich auch desto behutsamer herumb führeten/ als giengen sie so lange wir am Port lagen/ oder von einem Orte in der Nähe hülffe gewarten kundten/ mit einander also vmb als keiner den andern kennete. So baldt vns aber der Windt weit vom Lande getragen hatte/ vnd viel von den Schiffleuten wegen deß guten Gewitters entschlaffen wa- ren/ vberfielen sie vns plötzlich/ vnd mich zwar schlugen sie von dem Stewerruder herunter/ die andern trugen sie noch halb schlaffend zu den Ruderbäncken/ bunden sie/ vnd wie Räuber ge- brauch ist/ an stat daß sie nur mit vns vberschifften/ wurden sie Herrn/ vnd fuhren nach jhrem belieben. Es hatte einen vnter jhnen/ der deß Schiffwesens gar wol kündig war: vnter dem Schein jhrer Bürden aber vnd Gerähtes führeten sie Ketten bey sich/ welche sie +

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vns allen an die Schenckel schlossen. [260] Hernach wann jhnen kleine Schiffe auffstiessen/ grieffen sie dieselbige an; vnd haben also viel Waffen/ Gefangene/ vnd Reichthumb zusammen gebracht. Sie waren auch nit begnüget auff der See zu rauben/ sondern stie- gen offtmals an das Land/ vnd wann sie an einem Ort genugsamb geplündert hatten/ so suchten sie mit meinem Schiff einen newen. Es ist nicht lange/ daß etliche von jhrem Hauffen/ als sie nur drey Tag aussen gewesen/ mit kostbaren Gütern auß Mauritanien wider zum Schiff kommen seynd; da sie dann/ wie ich auß ihren Reden abnehmen können/ durch sonderliche List der Mauritanischen Kö- nigin liebsten Schatz angetastet haben.

Wie Poliarchus dieses höret/ fragte er einen von diesen ange- schmiedeten Räubern/ ob sich alles so verhielte wie der Schiffer sag- te? Er bekandte alles mit stillschweigen. Aber Poliarchus fußte der letzten That ferner nach; ob sie der Königin in Mauritanien Schatz geraubet hatten; wie sie darzu kommen können/ vnd in welchem Orth deß Schiffes dieser Diebstal läge. Er sagte/ er were durch das groß Geschrey/ so allenthalben von den köstlichen Steinen der Königin erschollen/ zu solchem kühnen Anschlag bewogen wor- den. Sieben von seiner Rott weren vmb Mitternacht auff der Gassen gewaffnet gestanden/ gleichsam als man sie auff Befehl der Köni- gin dahin gestellt hette/ damit sie die so fürüber giengen hetten zu rücke gewiesen; biß zweene von jhnen [261] das Fenstereysen/ so mit dicken Hacken in einander geflochten gewesen/ durch verbor- genen Werckzeug beugen können: daß wir also/ sagte er/ sindt hinein kommen. Nach erlangtem Begehren machten wir vns wider zur See/ vnd gaben die Flucht; daß noch keiner den Schatz nicht berüh- ret hat; dann von demselbigen Vfer an hat vns erstlich die Flucht/ hernach das Vngewitter so viel Zeit nicht gelassen. Auß Forchte auch daß vns solche fürnehme Außbeuthe nicht möchte aneinander hetzen/ haben wir gewartet/ biß wir sie bey der Windtstille theilen köndten. Gieng derhalben Poliarchus vnter die Schiffbühne/ vnd der Rauber vor jhm her/ der jhm den mächtigen Mauritanischen Schatz/ so mehrentheils Weiber-Schmuck war/ zeigete.

Damals/ gleichsam als beruffte jhn das Glück zu newen An- schlägen/ bedachte er sich lange bey sich selber. Es hatte das An- sehen/ als ob die Götter seine Reise auff Franckreich verhindert/ +

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vnd auffschieben wolten. Es hatte jhn das Vngewitter von dem Wege verschlagen/ vnd war jhm ein Schiff auffgestossen/ welches in die Africanischen Hafen einzusegeln gewohnet war: vnd er hielte es auch für vnbillich/ dieses der Königin nicht bald zu offenbaren/ daß jhre Güter widerumb erobert weren. Vnd vielleicht (fieng er bey sich selber an) ist den Göttern mein Ruhm vnd Ehre selber an- gelegen. Sie wöllen ja nicht/ daß ich das jenige mit meiner Nation stärcke vnd Waffen hinauß führen sol/ wessen ich mich in vnbe- kand-[262]ter Gestalt in Sicilien vnterwunden habe. Damit ich we- der meinem Geschlecht/ noch meiner Heereskrafft/ sondern einig mir selber solle zu dancken haben alle die Glückseligkeit/ so mir zu handen kompt. Ich wil dieser guten Anzeigung folgen. Auß Africa werde ich leichtlich den Zustand Siciliens erfahren/ vnd den Meini- gen der Argenis offenbaren können.

Nachdem er sich dessen entschlossen/ sagte er also wider den Rauber: Die Gerechtigkeit verbindet mich der Königin das jhrige wider zugeben/ vnd euch ehrlose Leute nach Verdienst zu straffen. Wir müssen vnsere Schiffart auff Mauritanien richten/ damit sol- che schröckliche Verwegenheit nicht vngerochen bleibe/ oder an- dere Vnschuldige in ewerer bösen That verdacht gerahten. Stracks ließ er den Herren deß Schiffs/ von dem er alle Gelegenheit der Meerräuber verstanden/ auß den Ketten schlagen/ vnd wider einen Stewermann geben. Die andern/ so auff den Ruderbäncken sassen/ verbott er loß zumachen. Dann er bedurffte nicht allein Ruderer damit er in Africa käme: sondern wolte auch so vielen vnbekandten Leuten/ vnd die vielleicht jhrer Ketten wol werth weren/ nicht trawen/ vnd Gelegenheit lassen jhn zu beleydigen. Derentwegen suchte er die Schlüssel zu den Ruderbäncken vnd Fesseln fleissig zusammen/ vnd gab sie dem Gelanor zu verwahren. Damit sie sich aber gleichwol vber diesem Sieg etwas zu frewen hetten; Wolan/ sagte er/ jhr Ruderer/ ewer [263] Glück blühet schon. Macht nur daß wir baldt in Mauritanien ankommen/ ich sage beym Jupiter zu/ euch alle auff freyen Fuß zustellen. Was darff es euch frembde für- kommen/ daß ich/ zu vergeltung ewerer Freyheit/ eine kleine Müh begehre/ deren ich aber nicht entberen kan. Wann der Schiffpatron gerade zusaget/ so wöllen wir in zweyen Tagen da seyn. Hernach wird sich zugleich mein schiffen vnd ewer Gefängnüß enden.

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Als die Ruderer solche Hoffnung bekommen/ theileten sie sich dermassen mit der Arbeit ein/ daß es schiene/ als ein jeglicher nicht in Africa/ sondern nach Hause vnd zu den Seinigen gelangen solte. Der Patron zeigete beynebenst an/ das Meer pflegte keine Leichen auff den Schiffen zuleyden; vnd die Seegötter erzürneten sich hier- über; so daß solch Erbarmung gegen den Todten/ offtmals die Le- bendigen in grosse Gefahr gebracht hette. Es lagen drey von den Räubern/ so in vorigem Kampff vmbkommen/ auff dem Getäfel deß Schiffes. Poliarchus durffte mit vngelegener Frömmigkeit der all- gemeinen Einbildung der Schiffenden nicht widersprechen. Darumb entschuldigte er sich Ehrerbietig gegen den Hellischen Göttern/ daß er sie vnbegraben außwürffe; So bald sie jhn in Africa bringen würden/ wolte er jnen an dem Vfer Grabstätte auffrichten. Gab also zu/ daß sie sich mit den Cörpern der entleibten fasseten. Damit aber nicht etwas vergebens vmbkäme/ suchten sie in jhren Klei- dern/ ob was guts [264] darinnen were. Bey zweyen funden sie etwas von Geldt. Der dritte/ gleich als were er was fürnehmers/ hatte Kniebänder vmb die Schenckel. Wie dieselbe ein Schiffer abnam/ fiel ein Schreiben herab/ welches der Mensch/ wie man sahe/ mit fleiß dahin gebunden hatte. Poliarchus hieß jhm solches hingeben/ vnd als er es geöffnet hatte/ stund er gantz verstarret/ weil er sahe/ daß der Brieff an jhn/ vnd zwar vom Lycogenes gegeben worden. Solte Lycogenes jhme schreiben? vnd dieser Brieff/ solte er jhn durch solch Abendthewer vberkommen? Er vermochte fast nicht zu glauben was er sahe/ sonderlich als er laß: Lycogenes wünd- schet dem Poliarchus alle Wolfahrt. Er hieß bald den Leichnam auffrichten/ vnd halff dem Gelanor genawe zuschawen/ weil er erst kurtz verschieden/ vnd sich im Gesichte noch nicht geändert hatte/ ob sie jhn erkennen möchten. Aber es kundte sich keiner erinnern daß er jhm jemals fürkommen were/ weil er ein schlechter Mensch/ vnd nur auß den gemeinen Dienern deß Lycogenes war. Als sie auch fleissig nachgesuchet/ ob er noch mehr Schreiben oder son- sten wunderliche Sachen bey sich trüge/ warffen sie jhn vber Bortt/ vnwissendt ob er Freundt oder Feindt gewesen. Es war aber eben der jenige/ welchen Lycogenes zum Poliarchus abgefertiget hatte. Dann er hatte sich/ in dem Timonides auff seinem Gut verblieben/ auff die Reiß gemacht/ vnd weil jhn die Räuber gefangen bekom- +

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men/ war er damals im Streitte blieben; gleichsamb als das [265] Glücke gezweiffelt hette/ ob so ein schändtlicher Brieff dem Poliar- chus solte vbergeben werden.

Poliarchus/ der von diesem Handel gantz nichts wuste/ lehnete sich an den Mast. Hernach veränderte er Gesichte vnd Gemüte/ vnd lase ein jedes Wort mit Schrecken. Meleander wardt einer Gifft- beybringung beschüldiget; Lycogenes war der Ankläger. Er ver- nam daß Meleander jhn wolte hinrichten; hergegen Lycogenes seine Freundtschafft antrüge. Was were aber diß für ein Armbandt? oder wohin were Timonides zu jhm geschickt worden? Er meinete nicht daß er den Brieff lese/ oder recht wachete. Hernach als er zu sich sel- ber kommen/ vnd den Brief noch ein mahl vbersahe; Gelanor/ sagte er/ das Ding hat was grosses auff sich. Ich habe mich fürm Lycoge- nes niemals mehr gefürchtet als jetzundt/ da er sich vmb meine Wohlfart bekümmert. Wann der noch lebete so den Brieff bey sich hatte/ vielleicht könte man etliche Anzeigungen auß jhm bringen/ darauß wir etwas gewisses erzwingen möchten. Nun aber zweiffele ich/ was ich gedencken/ oder wie ich hinder die Warheit kommen sol. Hernach erwuge er bey sich selber/ ob es auch möglich were/ daß jhn Meleander ohn alle seine Schuldt vnter dem scheine der Freundtschafft hette verletzen wöllen? Es war der Arglistigkeit deß Lycogenes gemäser/ daß er vom Könige gelogen/ als daß der König so einen vnauffrichtigen Betrug erdacht hette. Mit diesen vnd der- gleichen Gedancken gieng der [266] Tag fürüber; wie jhm auch die Nacht allerley vnd fast vnsinnige Einbildungen machte. Vnter an- dern Anschlägen sahe er fürs beste an/ wann er den Gelanor in Sicilien schickte; vnd zwar ohn alles andere Schreiben an den Kö- nig: sondern nur mit eben diesen deß Lycogenes Brieffe/ welchen er dem Meleander vbergeben solte. Besser köndte er die Warheit nit erfahren. Dann es würde dem König kümmerlich fürkommen/ ent- weder wegen der Schmach/ vber außbreitung deß Betrugs der jhm gefehlet hette/ oder wegen deß vnbillichen Verdachts den man auff jhn würffe. Vnd würde Gelanor auß deß Königs vnd der Vmbste- henden Augen und Worten genugsam abnehmen können/ was er von solcher deß Lycogenes Zeitung glauben solte. Er ließ es sich auch nicht anfechten/ daß Lycogenes hierdurch möchte beleydiget +

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werden; dessen Verträwligkeit er jhm nicht begerte/ ob gleich Me- leander seiner Feindschafft wert were. Zu solchem Rahtschlag halff viel die Begier an die Argenis zu schreiben/ mit welcher er durch niemanden als den Gelanor oder Arsidas Brieffe zuwechseln sich wagen wolte.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),