Lycogenes entschüldigt sich nach Hofe zukommen: Der Rhat- schlag vnd Bemühung deß Cleobulus: Oloodemus vnd Eristenes werden
bestrickt.
Das VIII. Capitel.
NAch dem der Timonides abgefertiget worden/ war deß Meleanders einige Sorge/ wie er den Lycogenes sampt dem Oloodemus zu sich bringen möchte.
Derhalben verschrieb er sie beyde. Lycogenes/ der seine Sachen zur Abweichung noch nicht gäntzlich
angeordnet hatte/ war Willens gehorsam zu leysten/ vnd etliche Tage beym
Könige zu verbleiben: Oloodemus aber/ nach dem jhm die könig- lichen
Schreiben eyngehändiget worden/ reysete vorhin zum Lyco- genes als
nach Hofe. Daselbst als sie sich beriehten/ kam es jhnen verdächtig für/ daß
Meleander alle beyde erfoderte. Dann im Fall er auff was böses
vmbgienge/ so würde er viel sicherer mit beyden zu- gleich verfahren können/
als mit einem allein. Der beste Weg were/ daß Lycogenes sich Kranckheit wegen entschuldigte/ vnd Oloode- mus nach Hofe verreysete alles Fürhaben außzukundschaffen.
Derentwegen als er vom Lycogenes wegk gezogen/ machte er sich auff Epeircte/ vnd ward nach Begrüs-[235]sung
deß Meleanders selbigen Abendt zu der Tafel gelassen. Er
vberantwortete auch dem Könige die Schreiben/ darinnen sich Lycogenes entschuldigte. Der König/ wiewol er merckte
daß es nur eine ertichtete Vnpaßligkeit were/ jedoch fragte er/ mit eben
solchem Scheine wie sie jhn be- triegen wolten/ sehr weitläufftig/ an was für
einer Kranckheit er lege. Nach gehaltener Malzeit beruffte er den Cleobulus/ Eurimedes vnd Archombrotus/ vnd fragte/ wie doch mit dem Lycogenes zu
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thun were/ der sich nicht wolte einstellen. Was man auch mit
dem Oloodemus vnd Eristenes solte angeben/ die eben mit solcher Ver-
messenheit/ wie jener were aussen blieben/ bey Hoffe erscheynen
dürfften/ da sie sich doch schüldig wüsten. Archombrotus vnd Euri- medes hielten dafür/ man solte
noch nichts erregen; sondern es mit dem Lycogenes noch auff einen Weg versuchen. Dann wann er frey
were/ so würde die Straffe der andern nicht viel helffen. Cleobolus aber
sagte; So viel ich verstehe/ halte ich dafür/ daß wir von der Beute die wir
allbereyt haben nichts sollen loß lassen. Meynet jhr/ wann Lycogenes wegen eines verrhäterischen An- schlages kein böses
Gewissen hette/ daß er dem Könige sich mit einer solchen greifflichen Lügen
der Kranckheit halben würde ent- brochen haben? Die Götter wollen vns
behüten: so viel ich aber muthmassen vnd auß trewer Leute
Zuschrei-[236]
bung abnehmen kan/ so werden
diese sich bald von uns wegk stelen/ vnd sampt jhm vns gewaffnet vnter Augen
tretten. Das ist meine Meynung; der König sol jhn noch einmal erfordern.
Wirdt er es außschlagen/ so mögen wir es als eine gewisse Rebellion für
bekandt annehmen. Vnter dessen muß man sich durch auffrichtige Leute deß
Oloodemus vnd Eristenes also versichern/ daß sie jhrer Anhaltung nit
innen werden. Wann man erfahren wird/ daß Lycogenes sich nicht ge- stellen wil/ als dann kan man mit der
Schärpffe gegen jhnen ver- fahren. Wird Lycogenes diese Häupter/ von dergleichen Vermögen vnd Anhangen
verliehren/ so wird seiner Macht ein grosses ent- gehen. Vber diß wird
solcher Ernst vnd Furchte der Straffe in vie- ler Gemütern eine Ehrerbietung
gegen dem Könige erwecken/ vnd eine heylsame Veränderung machen. Man hielte
deß Cleobulus Re- den für sehr gut/ schrieb also hierauff der König
folgenden Tages an den Lycogenes/ vnd befahl jhm mit guten Worten/ daß er sich nach Hofe finden solte. Er aber der mehr vnd mehr mißtrawte/ gehor-
chete nit allein nicht/ sondern ließ auch den Oloodemus vnd Eriste- nes
durch Botten warnen/ sie solten sich deß Hofs entbrechen. Dann deß Königes
Gütigkeit sey nicht zu trawen: so müsse man nun auch öffentliche Gewalt für
die Handt nehmen; weil die be- stimmete Zeit zu dem Kriege herbey
kommen sey. Es verachtete keiner [237]
von den beyden
deß Lycogenes seine Muhtmassung. Aber sie vermochten auch die
fleissige Auffachtung deß Cleobulus
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nicht zu betriegen/ welcher zwene von deß Eristenes Leuten
längst zuvor mit Gelde vnd Verheissungen an sich gebracht hatte/ die jm
durch heimliche Bottschafft jhres Herren Fürhaben offters zu wis- sen
machten. Von diesem erfuhr er dazumal auch/ daß ausserhalb Epeircte etliche Rosse in Bereytschafft stünden/ mit denen Eriste-
nes auff die Nacht fort wolte. Der König ward fro/ daß diese jhre ver-
stolene Entweychung für ein Theil deß Verbrechens köndte angezo- gen
werden/ vnd befahl dem Archombrotus/ daß er sie auff frischer That ergreiffen/ vnd mit
Gewalt zu rück bringen solte. Diesem Ge- bote nach zu leben versahe er
sich sonderlich nach deß Eurimedes Gutbedüncken mit alle dem was von nöthen
war. Man wuste wol/ daß sie mit wenigen Personen außreissen würden; damit das
Ge- tümmel jre Flucht nicht offenbahrete. Derhalben nam Archombro- tus
nur zehen Soldaten zu sich/ vnd alles Spanier/ damit sie sich nicht
durch Gleichheit der Sprache/ oder die Seuche dieses Ver- bündnüsses zu eben
denen Herren schlagen möchten/ wider wel- che sie außgerüstet worden. Sie
verlohren sich einer nach den an- dern auß der Festung/ wie sie Archombrotus angestifftet hatte/ ohn Vermerckung einigen
Menschens. Auff dieses folgete er hernach/ stalte sie zusammen vnter
dem We[238]
ge vnter ein altes vnd be- quemes Dach/ wo
man nohtwendig von Hofe muste fürüber gehen. Er hatte nicht lange
auffgewartet/ als er wegen deß Monden Schei- nes den Oloodemus vnd Eristenes
erblickte/ welche nebenst dreyen Knechten geschwinde vnd mit gebückten
Häuptern gegangen ka- men. Derentwegen gieng er jhnen mit seiner Rott
entgegen/ vnd/ Wo hinauß/ sagte er/ Oloodemus? Wo hinauß Eristenes? Beym
Jupiter; jhr müst nichts gutes im Schilde führen. Warumb bey
Nacht? Warumb beyde zugleich? Warumb machet jhr euch ohn deß Königes
Vorwissen hinweg? Warumb habet jhr so wenig Die- ner vnd Freunde bey
euch? Sie wusten vor Schrecken nichts zu sa- gen. Wie sie gehen wolten/
führte er sie wider zu rücke/ vnd vber- antwortete sie also den Wächtern im
Gefängnüsse zu verwahren. Ihre Flucht war augenscheinlich: die Knechte
hielten mit den Pfer- den nicht weit darvon/ vnd vnter den andern zugleiche
hatten sie jhre Reysekleider angeleget.
Vber diesem Verlauff ward ein jeder verwirret/ vnd als es
Iburra- nes vnd Dunalbius folgenden Tag erfahren/ welche damals zu dem
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Tempel deß Apollo bey Palermo verreyset waren/ vnd sich daselbst bey dem Vorsteher
deß Tempels dem Antenorius einem sehr lustigen Manne eine Zeitlang auffgehalten
hatten/ liessen sie eylendts an- spannen/ [239]
vnd
fuhren im Biegen auff den König zu; welcher sie bey jhrer Ankunfft
vmbfienge/ vnd nach dem er den gantzen Ver- lauff erzehlet hatte/ so war die
Götter mich lieben/ fieng er an/ ich wil an diesen zweyen ein Exempel
erweysen. Zum wenigsten sollen sie mich vngenossen nicht mehr verachten. Ich
frage auch nach böser Leute Lästerung im wenigsten nicht/ sie mögen Schmähe-
karten werffen vnd drewen wie sie wollen; wie dann diesen morgen
meiner Kämmerer einer dergleichen Schrifft bey meinem Zimmer gefunden
hat. Dunalbius nam sie/ vnd laß sie neben dem Iburranes nicht ohn
grosses Schrecken.
[240: Kupfer Nr. 6]
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),