Das IV. Capitel.

[202] Archombrotus verliebet sich in die Argenis: Die Arglistigkeit deß Lycogenes das Volck an sich zu bringen.

Das IV. Capitel.

AVff den Abend begab sich Archombrotus seiner Gewonheit nach in deß Königs Garten. Daselbst als er allein im Schatten der Bäume herumb spatzierte/ gedachte er an die Nacht/ in welcher er sampt dem Poliarchus bey der Timocleen eingekehret. Vnter andern fiel jhm ein die Veränderung deß Gesichtes vnd der Sprache/ welche dem Poliarchus bey Erwehnung der Argenis wiederfahren. Dann Archombrotus hatte solches für ein Liebeszeichen auffgenommen; Hernach aber wegen vorfallender vieler Geschäffte auß der Acht ge- lassen; vnd darumb desto eher/ weil er es für keine solche Liebe die beyderseits geheget würde/ sondern nur an dem Poliarchus für eine Narrheit der Jugendt gehalten. An jetzo aber erwoge er alles mit besserem Fleisse: Poliarchus were vber der Argenis Namen zwey mal verstarret; als er jhn auch zwey mal von der Princessin Alter vnd Sitten gefraget/ hette er nur kürtzlich geantwortet/ daß man leichtlich abnehmen können/ daß jhr Nahmen sein Hertze verwir- ret machte. Als er diesen Sachen weiter nachgrübelte/ erinnerte er sich/ daß Argenis/ [203] als sie den Arsidas bey jhrem Vatter mit ernsten Worten vnd Bitten schützete/ gantz gebrannt habe. Daß auch deß Arsidas Sache den Poliarchus angienge/ wie er jhm dieses hin vnd her für Augen gestellet/ gerhiete Archombrotus in die Muthmassung/ es muste zwischen jhnen beyden eine heimliche Vertrewligkeit seyn. Es fielen jhm zugleich in die Gedancken die Tugenden deß Poliarchus/ vnd was jhn sonsten zu dergleichen Hoffnung anreitzen/ oder die Argenis bewegen können. Weil er auch seine Ankunfft nicht eröffnen wolte/ so möchte wol was statt- liches darhinder seyn. Dann sagte er/ ich bin nicht alleine/ dessen Geschlechte vnd Standt man auß der Larven vnter welcher ich mich

[Druckausgabe S. 129]
verdecke nicht schätzen sol. Als jhm aber eyn kam die Gestalt der Argenis/ vnd wer sie sey/ hielte er den Poliarchus für mehr als glückselig/ vnd fieng erst an dasselbe zu loben vnd sich darüber zu wundern/ was er zuvor vnbeweget hatte angeschawt. Dann was könte schöner seyn als Argenis? Bey welchem Menschen würden vber solche Zierligkeit vnd hohe Geburt so viel Tugenden gefunden? Wann man gleich den Stamm beyseite setzen/ vnd vnter allen Jung- frawen in Sicilien die Wahl solte halten/ so were keine für der Ar- genis zum Königreiche zu erheben. Ihr Verstandt/ jhre Sitsamkeit vnd Rede weren nicht weiblich/ jhre Schönheit aber auch nicht menschlich. Hernach kam Archombrotus auff sich selber/ vnd [204] betrachtete/ daß sein Adel vnd Hoheit einer solchen Hoffnung wol werth were; welches dann Anlaß zu einem newen Fewer gab. Vnd dieses fieng sich an/ nicht zwar als er sich gar für einen Liebhaber außgeben; sondern nur als er jhm eine blinde Hoffnung/ die aber doch nicht vngereymet were/ machen wolte. Folgendts bekam er mehr vnd mehr Lust zu jhr/ vnd wuste vber der vnruhigen Ergetzung dieser Eynbildungen nicht/ daß er/ den Sieg vnd seine Freyheit zu erhalten/ diesem Anfange zu lieben mit Gewalt entgegen tretten müste. Je mehr jm Argenis lieber ward/ je mehr ließ er von der Freundschafft/ welche er mit dem Poliarchus getroffen/ sincken: in dem jhn erstlich der Neydt hernachmals auch der Eyfer eynnam. Als gieng er kranck vnd mit gefangenen Hertzen auß dem Garten/ in welchen er kurtz zuvor glückselig vnd frey gegangen war. Was aber sein Vbel vermehrete war dieses/ daß er/ in Meynung durch die Einsamkeit Trost zu suchen/ sich absonderlich zu Abend spei- sen ließ. Dann weil er in der Stille vnd Absonderung nichts anders hörete als die Liebe/ ergab er sich gemach denen sorgen/ welche den höchstverliebten Menschen jnnerhalb wenig tagen mit solchen Schmertzen vmbringeten/ dergleichen er zuvor niemals erfahren dürffen.

In dem sich dieses bey Hofe zuträget/ bemühet sich Lycogenes nicht weniger seinen bösen Anschlag ins Werck zu richten. Er be- gab sich mit vnterschie-[205]denem Scheine in die fürnemsten Stätte/ hielt den beampteten Gastereyen/ vnd ermahnete sie bey gu- ter Lust vnd Fröligkeit/ sie wolten die allgemeine Freyheit nicht + + +

[Druckausgabe S. 130]
verrhaten lassen. Sicilien würde mit schädlichen Rhatgebungen angegriffen; sie solten bedencken/ daß sie nicht in einem König- reiche/ sondern vnter einer Tyranney weren. Im Fall er deß Köni- ges erwehnete/ redete er so vmbschweiffend vnd zweiffelhafftig/ daß er auch den Meleander selber solches gut zu heissen vberreden kön- nen. Wann er dann merckete/ daß sie von diesen Worten beweget worden/ sagte er entweder offentlich/ oder den Fürnemsten gleich- sam als er gemeiner mit jhnen vmbgienge/ mit Seufftzen etwas nur halb in die Ohren/ daß es schiene/ als er auß trewer Fürsorge sich eines ärgeren befürchtete als er durffte offenbahren. Derentwegen waren jhr nicht wenig die auff jhn als eine Seule deß gemeinen We- sens sahen/ vnd mit widerwärtigen Gedancken deß Meleanders satt gewonnen. Fürnemlich wann vnter dem gemeinen Manne die Rede gieng/ man foderte den eingebohrenen deß Landes zur Schmach lauter frembde zu offentlichen Aemptern; die Renten vnd Zölle würden gesteigert: es were sich auch der König wegen vorigen Krieges zu rechen/ vnd viel beym Kopffe zunehmen gesonnen. Vber diese Grieffe halffen hierzu nicht wenig die Priester/ welche jhnen die Hände versilbern lassen: in dem sie allerley Zeichen vnd Deu- tungen erdachten/ vnd ein jegli-[206]ches für eine sonderliche An- zeygung von den Göttern außgaben. Es wardt ein Opffer offentlich oder heimlich geschlachtet/ so schreckten sie die vmbstehenden mit ertichteten Wunderwercken: baldt mangelte der Leber etwas/ baldt standt das Geäder nicht an seinem Orte/ vnd allzeit ward auff einen newen Zustandt/ der besser als der vorige seyn sol/ gedeutet. Was aber damals fürgenommen würde/ gefiele den Göttern gantz vnd gar nicht. Vber diese Betriegereyen haben sich auch etliche war- hafftige Geschichte zugetragen/ darauß man künfftiges Blutvergies- sen erkennen mögen. Dann es hat Steine geregnet/ vnd an vnter- schiedenen Orten sind zwey Sonnen gesehen worden. Aber durch diese wenige Wunder sind vnterschiedene ander Eynbildungen be- stetiget worden: so daß die Leute alles vnbesonnener Weise geglau- bet/ vnd befürchtet haben.

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[Druckausgabe S. 131]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),