Das XII. Capitel.

Ein lustige Historia von einem Rauber. Timoclee gibt dem Poliar- chus frembdes Haar vnd einen gemachten Bart. Arsidas wird ge- beten/ die Argenis zuverständigen/ daß Poliarchus noch lebe/ vnd bey guter Gesundheit seye.

Das XII. Capitel.

NAchmals berahtschlagten sie sich miteinander/ durch was Mittel Poliarchus am sichersten auß Sicilien kommen möchte; vnd be- funden für gut/ daß er Bawerskleider anlegte. Arsidas hatte in der Brutier Lande geheuratet/ vnd kundte nach Messine zu seinem Schweher ohn allen Verdacht senden. Der verhiesse/ er wolte den Poliarchus auff eines seiner Schiffe setzen/ vnd in Italien vbersetzen lassen. Vber dieses sagte Timoclee/ sie hette etwas mit dem sie durch einen artlichen Betrug sein Gesicht verändern köndte. Es ist vor diesem/ sprach sie/ vmb Palermo ein Rauber gewesen/ der lange Zeit durch seine künstliche List ist vnergriffen blieben: dann er hat drey Gesichter gehabt/ wie die Alten in jhren Fabeln vom Geryon erzehlen. Nach diesen Worten hielte sie stille/ vnd hub ein wenig an zulachen/ so viel zwar gegenwärtiges Leyd zu-[86]gab. Dieser Mann/ redte sie weiter/ war in seinen besten Jahren/ rotbär- ticht vnd kleine. Er trug aber allzeit heimlich zweyerley Haar bey sich an dem auch zweene Bärte hiengen/ der eine zotticht vnd Graw wie alte Männer haben; der ander Schwartz vnd nach art iunger Leute gemacht. Diese Larven waren so künstlich/ daß kein Mensch der angenommenen Gestalt innen werden/ noch das falsche Andtlitz erkennen mögen. Derentwegen ließ er sich baldt alt/ baldt +

[Druckausgabe S. 62]
iung/ baldt wie er an sich selber war schawen; so daß solche Ge- stalt jhn nicht allein lange Zeit vor der Straffe/ sondern auch dem Argwohn versicherte. Dann in fall er in ansehen eines Jünglinges geraubet/ erschiene er denen die jhn suchten als ein Alter; vnd be- trog die Leute wiederumb als ein Jüngling/ wann er vnter den grei- sen Haaren gesündiget hatte. Mein Vatter war gleich damals Ver- walter selbiger Provintz/ welcher auß Vberdruß der Schelmstücke deß boßhafftigen Cameleons jhn endlich gefangen nehmen/ vnd auffhencken ließ/ wie er verdienet hatte. In verwunderung gleich- wol deß künstlichen Betrugs/ welcher der Natur so nahe kam/ ließ er die Haare bey sich in Verwahrung behalten. Gefellt es euch nun/ so wil ich sie holen/ vnd wir wöllen sie dem Poliarchus anversuchen.

Sie erwartete nicht biß sie es gut hiessen; sondern lieff auß der Höle/ vnd brachte geschwind diese zwey Vorbildungen der Jugendt vnd deß Alters. Als sie dem Poliarchus eines angemacht/ welcher vnwillig [87] war daß er sich zu Rettung seiner eines frembden vnd Schelmens Antlitzes gebrauchen mußte/ sahe er dermassen an- derst auß/ daß auch Argenis selber dardurch hette können betrogen werden. Sie rufften die Götter an/ zu solcher bequemen List Glück zu geben/ vnd bathen jhn jnnständig/ daß er jhrer sich nicht entbre- chen wolte. Timoclee verhiesse auch folgende Nacht jhm bequeme Kleider zu bringen: dann es were gut/ daß Poliarchus in vnbe- kandter Tracht in der Höle verbliebe/ damit er/ wann ja jemandt nachzusuchen ohngefehr dahin käme/ sicher vnd vnbesorgt er- kandt zuwerden auff das Feldt entrinnen köndte. Als sie gleich von jhm Abschiedt nemmen wolten/ ruffte Poliarchus dem Arsidas auff die seitte/ nebenst Entschuldigung gegen dem Archombrotus vnd Timocleen/ daß er absonderlich mit jhm redete. Sein Heimligkeit aber war/ daß dieser als sein trewester Freundt vmb seine vnd der Argenis Liebe wußte. Derentwegen vermahnete er jhn/ zu der Ar- genis auff das geschwindeste als möglich/ zu gehen; weil er mehr für die Princessin als für sich selber in Sorgen stünde. Dann jhm wolbewußt ware/ daß sie vnmenschlichen Schmertzen seines Vn- glücks wegen ertrüge. Was müste sie aber wol thun/ wann jhr Zeittung von seinem Todt zukäme? Es möchte sich wol begeben/ daß sie durch falschheit eines so kläglichen Gerüchtes auff den schwersten vnd eussersten Rahtschlag geriethe. Arsidas solte ja zu jhr gehen/ vnd sie in jhrem Betrübnüß trösten; [88] darmit sie nicht jhn/ der noch lebte/ beklagte als einen Todten. Würden jhm

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die Götter verleihen sicher hinweg zukommen/ so wolte er in dem Italianischen Vfer jhres Befehls erwarten: oder wann es jhr Be- gehr were/ auch jetzundt noch/ mit was gefährlicher List es jmmer geschehen müste/ zu jhr kommen. Die Zeit ließ jhm nit zu mehr Wort zumachen/ vnd andere Sachen wolt er dem Arsidas nicht an- vertrawen/ welcher seine Dienste weitläufftig anerbote: angesehen aber daß es gegen der Nacht gieng/ ließ er seine Reise/ auff An- suchen der Timoclee/ vnd daß es Poliarchus auch für gut hielte/ biß auff morgen verbleiben. Nach dem Nachtessen wolten sie wider zum Poliarchus gehen/ mit den Kleidern/ welche die Fraw jhm zu- gesagt. In dessen aß er etwas von den Speisen/ so jhm Timoclee ge- bracht hatte; vnd/ damit jhm Arsidas die Empfindung deß Vbels etwas möchte außreden/ schertzte er ein wenig/ vnd hub an: Was kräncket euch/ jhr behertzter Held/ da diese Höle vnd frembde Tracht euch für ewern Feinden wol versichert? Ihr seyd alleine/ vnd fliehet vor vielen: da doch die Götter/ als der einige Typheus sie verfolget/ die Flucht zugeben sich nicht geschämet haben; vnd sie weren auch vielleicht schwerlich entrunnen/ wann sie Egypten nicht vnter scheutzlicher Gestalt der Thiere jhres Schreckens ent- lediget vnd verborgen hette. Schawet nur mit was für Künheit ewer Freund der Nicopompus in mitten jrer Forcht an statt deß Göttlichen Gesichts jnen frembde Rachen vnd Schnäbel [89] angetichtet hat. Hernach gab er jhm ein Buch voll allerley Poetischen Getichte; vnd als er gieng/ zeichnete er jhm mit dem Nagel die Verß welche er lesen solte.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),