Das V. Capitel.

Timoclee treget dem Poliarchus an/ sie wolle jhn in eine Höle ver- bergen: Er macht sich auß der Frawen Hause/ gleichsamb als er Vrlaub von jhr genommen; vnd begibt sich zu dem Eingange benanter Höle.

Das V. Capitel.

ALs sie hineyn kommen/ vermochte sie jhr Seufftzen vnd weynen wegen deß Poliarchus Vnglücks nicht zulassen. Dann wie sie nicht zweyfelte an seiner Vnschuld/ also zweyfelte sie [33] gleichwol auch nicht an deß Königes Zorne: weil der Diener/ welcher sehr verschla- gen war/ sich nicht würde vnterstanden haben etwas zu berichten/ von dem er nicht gewissen Grundt eyngezogen. Ihre Person belan- gendt/ so vbergab sie dem Poliarchus jhr Hauß/ Haab vnd Gut/ vnd stünde jhm zu seiner Rettung frey darmit zu thun vnd zu lassen. Aber/ sagt sie/ was würde dieses Hauß/ oder ewere Gesellschafft/ Herr Archombrotus/ wider den König dienstlich seyn? Wir werden bald außgerüstete Soldaten hier haben/ vnd steht das Hauß offen/ so wird es verrahten; machen wir es zu/ so wird man es vns gar auff den Halß werffen. Dann daß bey so vielem Gesinde als wir ha- ben gar keine Vntrew vorlauffen solle/ vnd daß niemand von den Knechten/ wann jhr allhier gedencket verborgen zu bleiben/ vn- sere Heimligkeit verrahten werde/ ist nicht zu hoffen. Wisset jhr aber/ was mir in der gehlingen Furchte ist eyngefallen? Die so diß

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Hauß gebawet haben/ haben vnter der Erden einen heimlichen Gang graben lassen/ welchen jetziger Zeit kein Mensch weiß als ich. Er ist in drey Wege abgetheilet/ vnd hat auch drey Außgänge/ durch welche man in vnterschiedene örter deß Feldes kommen kan. Daselbsten könnet jhr gantz sicher verbleiben/ vnd aller Gefahr entgehen. Stellet euch nur/ als jhr wegen deß bösen Geschreyes er- schrocken weret/ vnd von mir wegk schiedet/ damit wir beyde vns nichts befürchten dörffen; so wird der verhaste Tumult euch als den [34] schuldigen/ vnd mich als die auffnehmerin nicht vberfallen können. Wann jhr auß meinem Hause kommet/ wird euch die Reye der Bäume von meinem Thore gegen dem Flusse Himera zu biß da- hin führen/ wo nicht weit von dem Vfer deß Wassers ein heimlicher Eyngang in obgemeldete Höle ist. Ich wil hinder meiner Leute Vor- wissen durch die verborgenen Schlüpfflöcher deß Hauses biß eben zu der Gegendt deß Flusses mit einer Fackel kommen/ vnd euch in die Höle leyten: da wir euch dann/ mit Beystandt der Götter/ so lange auffhalten wollen/ biß die Vnsinnigkeit dessen Gewitters für- über ist. Es ist nicht von nöthen gewesen/ daß ich diese Heimlichkeit für dem Archombrotus hette bergen wollen; weil seine tapffere Na- tur es wol vnoffenbaret wird lassen. Aber es wil nur seyn/ daß der Diener welchen jhr bey euch habet nichts hiervon erfahre; weil er deß Fürchtens möchte müde/ vnd der Vergeltung begierig werden/ vnd also seine Trew gegen euch verändern. Poliarchus wuste nicht/ wie er der Timocleen gnugsam dancken solte/ vnd ließ jhm den Rhatschlag auff diese Nacht gefallen. Dann er wolte in der Höle nicht länger verborgen ligen/ als biß er verstünde was für Wahn- sinnigkeit Sicilien wider jhn anhetzte. Den Diener aber hette er je- derzeit so trew befunden/ daß er jhm seine jnnerlichste Geheimnüs- se nicht möchte vnvertrawet lassen. So were er auch bey jetzigem Vnwesen seiner für allen Dingen benöttiget. Vom Archombrotus dürffe er [35] nicht bitten solches sein Fürhaben heimlich zu hal- ten/ vnd er were eines grössern Vnglückes als das jhn jetzt betreffe würdig/ wann er an seiner Auffrichtigkeit zweiffeln wolte. Mit die- sen Reden giengen sie auß der Kammer; darauff der behertzte Poli- archus seine gantze Außrüstung/ ols ob er in die Schlacht solte/ an- legte/ vnd sich auff der Timocleen Thür zu machte. Worüber dann alle im gantzen Hause bestürtzt worden/ vnd je einer den andern heimlich fragte/ was die plötzliche Veränderung bedeutete: welchen er mit kurtzen Worten sagte/ daß die auffgerichteten Fewer jhm
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gielten/ vnd er in grosser Gefahr stünde. Derentwegen wolte er fliehen/ damit sie jhn nicht entweder selber verrathen müsten/ oder nebenst jhm sich in gleiches Verderben stürtzen. Nam er derentwe- gen zum Schein als er weit von dannen zu reysen gedächte vom Ar- chombrotus vnd Timocleen Abschied/ saß zu Pferde/ vnd machte sich mit seinem Diener auff den Weg welchen die Fraw jhm hatte angedeutet.

Die augenscheinliche Gefahr/ vnd der Spott flüchtig zu werden kränckte den jungen Herren heftig. Bin ich nicht wahnsinnig/ sagte er/ Gelanor (diß war deß Dieners Nahmen) daß ich mein leben zu eines andern Gewalt habe außgesetzt? Was ists von nöthen/ daß ich vnbekanter Weise mich vnter dieser Nation herumb blewe/ ohne das Außsehen welcher meiner Hoheit gemässe ist? Was deu- ten die Fabeln anders an/ welche tichten daß Lycaon seinem [36] Gaste dem Jupiter nach der Gurgel greiffe/ als daß Fürsten die vn- vorsehener Weise hingerichtet werden/ in dem sie sich frembden vertrawen/ jr Vnglück nicht so sehr bösen Leuten/ als jrer eygenen Thorheit zuschreiben dörffen? Ich habe mir vnrecht zu thun fug gelassen. Wolan/ Gelanor/ ich verdiene es was ich jetzt ertrage. Wie er diß redet/ fällt jhm die Vrsache eyn/ welche jhn in Sicilien auff- hielte; da er dann sich bedüncken ließ/ er hette ein grosses verbro- chen/ daß er sich vber entstandene Widerwärtigkeit beklagete/ an- gesehen die Glückseligkeit einer solchen Hoffnung/ derer wegen er alldar lebete. Gelanor/ so auß trewhertziger Furchte der Gefahr seines Herren gantz betrübet war/ meynete in seinem Sinne/ Poli- archus solte ohn längere Vmbschweiffe sein Geschlechte vnd Standt entdecken. Dann wann er sagen würde wer er sey/ vnd sich seiner Hoheit nach halten/ würde Meleander gutwillig sich deß schärpffe- ren Verfahrens wegen entschüldigen/ vnd die Feinde jhn vmb Ver- zeyhung bitten. Ihr verstehet es nicht/ sagte Poliarchus. Nach dem mir das vnrecht schon angethan ist/ so wil höchlich von nöthen seyn daß ich mich nit melde. Dann es dürffte geschehen/ daß sie in Betrachtung meiner Würden noch mehr entbrennen möchten/ vnd bedencken/ ich könte nach der Beleydigung nur einmal fort gelassen werden/ aber allzeit deß Vnrechts gedencken. Gelanor re- dete nichts darwider/ als dem solche Meynung zu hoch war; ruffte +

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[37] aber bey sich selbst alle Sternen so damals schienen jhm vnd seinem Herren vmb Hülffe vnd Rath an.

Timoclee/ in dessen/ nach dem sie Thür vnd Thor fleissig gesper- ret/ befahl jhren Leuten sämptlich sich zu Rhu zu legen mit Fürge- ben/ sie möchte diese Nacht von dem Geschrey weiter nichts hören; auff den Tag könte man gewissern Vnterricht eynziehen. Hernach gieng sie durch alle Kammern jres Volckes/ als ob sie deß Hauses halben Beysorge trüge; in Warheit aber geschahe es/ damit nicht etwan ein fürwitziger käme zu erfahren was sie in geheim thun wolte. Als sie sahe/ daß männiglich schlaffen war/ vnd sich nichts mehr zu fürchten were/ gieng sie mit dem Archombrotus in einen kleinen Keller/ darinnen der künstliche Bawmeister den heimlichen Eingang zu der Hölen verborgen hatte. Der Ort war mit Ziegeln ge- pflastert/ deren Ende mit Nägeln zusammen gefüget waren/ zweene außgenommen so vnverbunden blieben; daß man sie/ wann es von nöthen thete/ von der Ordnung desto leichter außheben möchte. Vber diesen standt eine lange Tafel/ damit niemand drauff tretten könte/ vnd wann man etwan darüber gieng/ weil sie mit den andern nicht verfasset waren/ jhnen also Gewalt thete/ daß die Heimligkeit verrathen würde. Timoclee ließ jhrer wenig hineyn gehen; kam auch selber nicht offt dahin. Zu diesem mal aber hub sie die Ziegeln wegk/ vnd öffnete den Eingang zu der Höle vnd Staffeln so vnter das Hauß leyteten: [38] bald schlug sie auß einem Kieselsteine Fewer/ fieng es mit einem Schwefel/ vnd zündete die Fackel an welche sie zu diesem Ende mit sich genommen; gieng also mit dem Liechte voran. Archombrotus folgete mit blossem Degen in der Faust/ zu seiner vnd der Frawen besserer Sicherung. Es waren bey zwantzig Staffeln hinunter in die vntergrabene Grufft/ welche nach einer zimlichen Länge sich bey vnterschiedenen Hügeln endete/ daß man/ wann gleich ein Feind ein Loch eyngenommen/ dennoch an- dere Mittel zu entfliehen hatte. Das Erdreich war zu diesem Wercke sehr bequem: dann es war so feste/ daß/ ob schon an einem Orte gegraben ward/ das Stücke/ so stehen solte bleiben/ nicht her- nach fiel: hergegen war es auch den Arbeitern nicht strenge zu hawen/ weil es weder Steine hatte die den Streich auffhielten/ noch Sand der allzeit wieche vnd jhren Fleiß zu nichte machte. Dieser Gang war einer grossen Länge/ vnd durchauß gewölbet: vnd wie- wol die Aecker vnd das Gebäw deß Hauses vber jhm lagen/ so war er doch von so vielen Jahren her nichts verfallen. Fornen zu hatten

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sie ein kleines Stücke mit Kalck beworffen/ daß man etwas darauff mahlen vnd schreiben könte lassen. Aber die Fäule vnd Feuchtig- keit der eyngeschlossenen Lufft hatte die Gemälde gar zu schanden gemacht: gleichwol kundte man noch ein Altar vnd einen Men- schen der gleichsam Weyrauch darauff legte/ erkiesen. Archombro- tus hette es fleissiger vbersehen; [39] Die grosse Sorge aber für den Poliarchus ließ sich sein Gemühte in solcher Betrachtung nicht auff- halten.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),