[829] Schlacht der zweyen Heere: Der Sardinier
Kunststück: Poli- archus vnd Radirobanes Kampff. Sieg der Africaner.
Das XXIV. Capitel.
WIe es Tag ward/ damit er dieses Vnrecht mehr
mit dem Schwerdt als mit Worten vergelten möchte/ ließ er das Volck
in Ordnung stellen/ vnd der Hyanisbe vorhin zuwissen machen/ sie
solte vnter
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[Druckausgabe S. 496]
wehrender Schlacht keinem das Thor öffnen lassen.
Zwar nicht daß er an dem Sieg zweifelte; sondern weil er nicht
wolte/ wann jemandt von den seinigen fliehen möchte/ daß er in die
Mawren eingenom- men würde. Er ist seinen Soldaten niemals
frewdiger fürkommen/ vnd hat nach Gebür einen jeglichen
angeredt. Den Galliern stellte er die Ehre für/ welche sie von
der Hyanisbe wegen jhres Beystandts zugewarten hetten. Den Mohren
machte er ein Hertz deß Hasses halben gegen dem Tyrannen/ der allen
Gottesdienst jhres Lands entheiligen würde. Beyderseits sagte er
von dem Raub vnd Auß- beute/ vnd daß Sardinien in der Nähe were/ welches wann wir/
sagte er/ auff diesem Felde hier vberwinden werden/ so wirdt es
vns ebener massen vnterthan seyn/ wie jhm Radirobanes
Africa
zum Gehorsam zubringen vermeinet. Zwar alle wurden [830]
durch diese Worte/ doch mehr durch sein Antlitz
beweget. Radirobanes
gleichfals war seines Theiles nicht faul die Soldaten
auffzumun- tern/ vnd bildete jhm in diesem Siege mehr als einen
Triumph ein. Dann daß Poliarchus der Argenis Bräutigam were hatte er darumb
geglaubet/ daß er gleichsam vorigen Tages Schreiben zu rechen/ so
baldt schlagen wolte. Wann er jhn nun hinrichtete/ vermeinete er
mit eben dieser Wunden nicht allein die Argenis
zustraffen/ sondern auch Hyanisben vom Königreiche zustossen/ nach welcher
Stürtzung/ vnd empfangener Krone er in Sicilien vbersetzen wolte/
vnd keinen Feindt haben würde/ der jhm vnter Augen tretten vnd
sich seinem Befehl wiedersetzen durffte.
Vber solcher vnmässiger Hoffnung stellete er
sein Volck dem Po- liarchus entgegen. Es war niemandt der nicht
gedachte daß der- selbige Tag jhrem Glück den Außschlag geben
würde. Derhalben machte die Sorge der Bürger vnter jhnen allerley
furchtsame Ge- dancken. Man kundte die Alten Leute/ noch die
betrübten Mütter von den Mawren nicht herab bringen/ welche
jhre vnschuldige Kinder den Göttern zeigeten/ mit bitte/ sie wolten
jhre zarte Ju- gendt dem Feinde nicht in die Hände geben.
Die Schleuderer auß den Balearischen Inseln vnter dem Radiro-
banes machten vnter den Numidiern/ so den ersten Angriff hatten/
eine Trennung. Poliarchus aber hieß die Reuterey auß Gal-[831]lien einsetzen vnd den Schleuderen jhren Platz
nehmen/ damit sie die
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[Druckausgabe S. 497]
Steine nicht werffen köndten. Den Numidiern befahl
er/ daß sie von der Spitzen sich ein wenig auff deß Feindes seiten
machen/ vnd jhn von der rechten Ordnung der Schlacht auff sich
wenden solten. Radirobanes hergegen bemühete sich den Feindt mit
etlichen Trop- pen Reutern zu vmbringen/ vnd von hinden zu
einzubrechen. Er hatte auch etliche so der Gallier vnd Africaner Sprache kündig wa- ren/ außgeschickt/
die gleichsamb auff Geheiß deß Poliarchus
schreyen solten/ der Sieg neigete sich auff der Sardinier seiten;
die Gallier vnd Mohren möchten wol fliehen/ weil Lixa zu jhrer Ein- nehmung offen stünde.
Diese Stimme stieß erstlich jhrer nicht wenig für den Kopff;
hernach wardt darzu gelacht/ vnd gleichsfals geruffen/ die
Sardinier solten außreissen. Es war zwischen beyden Theilen kein
Platz gelassen; Leib stieß an Leib vnd Waffen an Waf- fen. In
solcher Enge muste ein jeglicher entweder fallen oder sie- gen. Das Geschrey der Anmahnenden/ die Klagen der Verwunde- ten/
vnd das gethöne der Waffen erklang mit schrecklichem Schall biß in
die Stadt. Die Gallier waren besser zu Roß: zu Fuß aber durff- ten
die Sardinier vnd Ligurier nicht weichen. Sonderlich waren die
Obristen embsig. Auff einer seiten war Poliarchus vber seinen Ge- brauch
vnbarmhertzig/ hörete kein heulen noch flehen ob ihm ent- weder die
Begiehr [832]
zu Kriegen die Ohren verschlossen
hatte/ oder der Zorn gegen den Radirobanes/ der seines Theils offtmahls allein in
die Hauffen drang/ als ob er vergessen hette/ wie er wie- der
seinen Danck vnter den Feinden nach Lixa gerhaten were. Also musten die
Sardinier vmb den Poliarchus herhalten vnd die Gallier
sampt den Numidiern vmb den Radirobanes weichen. Poliarchus
Zorn aber war noch hefftiger entzündet/ der nicht mit wenigem
Blute mochte geleschet werden. Allein das Hertze deß Radirobanes/ welches an der Schmach wieder die
Argenis vnd Hyanisbe Schuldt trug/ kundte sein Wüten
sättigen. Darumb fieng er an durch seine vnd der Feinde Hauffen
zusetzen/ suchte den Feindt der jhm an Stande vnd Hasse gemesse
war/ und schrie hefftig; wann er Kühn were/ wann er ein Manneshertz
hette/ so solte er das Glück dieses Krieges mit seiner eigenen
Gefahr auff sich nehmen. Das vielfältige Schreien/ welches
andere jhm nachrufften/ wardt in dem Tumult verstanden/ vnd kam dem
Radirobanes/ der nicht weniger keine friedliche
Anschläge hatte/ zu Ohren. Er schämete sich einig vnnd allein/ daß
er nicht erstlich gefodert hette. Den andern Kampff ließ er
alsbaldt bleiben/ vnnd eilete vngeachtet anderer Dinge auff
sei[Druckausgabe S. 498]
nenWidersacher zu. Africa hatte keine Löwen/ keine Schlangen von
solchem Grimm gesehen. Doch hielten sie wegen kurtzer Vn- terredung
die Hände erstlich an/ vnd/ komm [833]
her du
Räuber/ sagt Poliarchus/ laß dir die Straffe für deine Vbelthat
geben. Du solt mir heute nicht entrinnen/ vnnd wann dich
deine Mutter mehr als den Achilles in dem Fluß Styx feste gemacht
hette. Es ist das Opffer/ Fraw/ welches ich euch aufftrage/ wann
euch so ein schmäh- liche Gabe nicht zuwieder ist. Radirobanes gab zur Antwort; kömpstu herfür wie auß
dem Frawenzimmer du Buhlerknecht? Aber der Todt wirdt dein
schändtliches Leben vnter den Waffen ver- bergen. Trag kein
Bedencken deine Gurgel darzubieten/ als ob du ein Mann
werest.
Es hatte keiner die Gedult den andern auff seine
Scheltworte weiter zubescheiden. Der grosse Zorn/ so stärcker zu
machen pfle- get/ hatte sie fast schwecher gemacht. Doch
kamen sie mit der Brust/ den Rossen vnd Waffen zusammen/ nicht
gelinder als wann ein Sturmwindt zwene Felsen wieder einander
stiesse. Das Glück wolte aber jhren Streichen damals nicht fugen/
vnd die Pferde/ wie- wol sie in selbigem rennen beleydiget worden/
waren doch zu vbri- gem Kampffe nicht vndüchtig. Derhalben
wandten sie den Zügel/ vnnd ein jeglicher schoß so kräfftig auff
den andern/ daß sie den Pfeil mit dem Schilde außschlagen musten.
Ein jedweder hatte noch einen Pfeil: damit derselbe nun nicht fehl
gienge/ besahen sie einander lange [834] wo
er durchdringen köndte. Endtlich meinete Radiro- banes
nichts sicherer zuseyn/ als deß Feindes Roß vmbzubringen. Damit nun
dieses vngenossen nicht hinauß gienge/ gab Poliar- chus seinem
Rosse auff den Kopff hergegen einen Streich. Baldt/ auß Furchte deß
fallens/ oder daß die Pferde im Tode rasen vnd außreissen möchten/
stiegen sie als mit gleicher Vereinigung ab/ nahmen die
Parten so an den Roßzeugen stackten/ vnd eyleten auff einander zu.
Sie worden aber auß Erbarmung jhrer Leute von einander geriessen.
Dann wie sie dermassen tobeten/ lieffen die
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[Druckausgabe S. 499]
Gallier vnnd Sardinier darzwischen. Als nun beyde diese
Hülffe außschlugen/ tratt endtlich nach vielem Befehl ein Soldat
herfür/ vnd machte den Königen Platz/ welche auff das newe
gewaffnet die Parten fahren liessen/ vnd in der lincken Handt einen
Schildt/ in der Rechten einen Spieß trugen/ welchen Poliarchus dem Feinde aufffieng/ mit seinem aber
deß Radirobanes nicht verfehlte/ vnd jhn zimlich sehr
in die Seite beschädigte. Hernach grieffen sie zum De- gen/ vnd
kamen offt so nahe zusammen/ daß sie einander allein mit den
Knöpffen auff den Kopff oder Brust stossen kundten. Es blieb
kein Theil deß Leibes/ keine Vermengung der Waffen vbrig. Sie
worden alle mit Schre-[835]
cken/ hernach mit
Barmhertzigkeit vmbfangen/ daß so ritterliche Fürsten ohn jhres
Heeres Schlacht vmbkommen solten. Derowegen lieffen die Hauffen
wider zusam- men/ vnd scheideten sie von einander: welches ein
jeder für seine Schande anzohe/ vnd fragte die Vmbstehenden
mit Zorn vnd Be- fehl/ ob sie jhn vermeineten vberwunden zuseyn/
daß sie jhn zu- schützen/ vnd auß dem Kampffe zubringen sich so
sehr müheten?
Als sie die Soldaten vnd Befehlichshaber also abgewiesen/
trat- ten sie beyde zu dem letzten Kampffe/ zwar mit
vnüberwindtlichem Muthe/ aber das vergossene Blut hatte
jhnen viel Kräfften wegge- nommen/ fiengen an zukeichen/ vnd
kundten keinen starcken noch gewissen Streich thun. Poliarchus hatte doch mehr Hertzens vnd Geblütes.
Als er sich nachmals erinnerte/ auß was Vrsachen sich der Haß
erhaben hette/ vnd nicht zweiffelte/ wann er nicht siegete/ daß Argenis für Schmertzen sterben würde/ hub er das Schwerdt
höher empor/ vnd traff den Radirobanes seiten halben in den Hals zwischen den
Helm vnd Pantzer. Wie er fühlete daß er sterben muste/ vnd zur Rach
eylete/ lieff er auff den Poliarchus zu/ vnd stieß mit seinem Leibe
vnversehens dermassen an jhn/ daß sie bey- de auff die Erde
fielen. Baldt tratt das Geschrey der Soldaten biß in die Lufft/ in
dem etliche vermeineten/ [836] dieser/ etliche
der an- dere/ vnd etliche sie weren beyde todt. Vnd weil Poliarchus vnter den Radirobanes gefallen war/ erschracken die Gallier vnd Mohren noch hefftiger/ daß auch einer
vnd der andere zu der Hyanisbe
lief-
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[Druckausgabe S. 500]
fendie böse Zeitung anzumelden. Die Hauffen der
Gallier vnd Sar- dinier breiteten sich durch das
gantze Feldt. Der Obristen Gewalt kundte sie bey jhren Fahnen vnd
Ordnung nicht erhalten. Ein jeder vermeinte er muste den Königen
zulauffen/ vnd sie von der Wahl- stadt hinweg nehmen/ sie
weren todt oder lebendig. So daß die Menge der Hülffe den Poliarchus fast/ erdruckt hette. Er hatte sich aber
allbereit vnter dem Feinde fast herfür gewickelt/ vnd gab jhm noch
eines/ vnwissendt daß jhm die Seele schon außgefahren. Wie die
Gallier vnd Mohren sahen/ daß dieser noch lebete/ worden
sie für grossen Frewden mutiger/ vnd fielen die
hurtigsten von den Sardiniern an/ welche deß Radirobanes Cörper bewahrten/ vnd auff den
Poliarchus drungen. Die Gefahr aber wehrete nicht lange.
Dann die Fröligkeit deß Sieges halben hatte den Poliarchus erquicket/ vnd die Gallier liessen es an jhrer Hülffe nicht erwinden.
Derwegen wiechen die Sardinier allgemach zurück/ vnd
rechneten doch dieses jhrer Tugendt zu/ daß [837]
sie bey solchem jhrem Verlust dennoch nicht flohen.
Als sie gantz hinweg kommen/ war Poliarchus nach Erlangung deß Cörpers seines Feinds
vnd einer reichen Beuthe voll- kommlicher Siegesherr.
[838: Kupfer Nr. 18]
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),