Das XXII. Capitel.

Vnruhe vnd eusserste Gefahr deß Radirobanes: Er setzet durch die See für Lixa/ vnd rettet sich. Vnordnung seines Heers wegen Ab- wesen deß Königes. Seine Zurückkunfft in das Feldt.

Das XXII. Capitel.

ALs er nach durchjrrung der Statt nicht ein geringe Zeit mit dieser Marter der Forchte zugebracht hatte/ vnd sich nun auff etwas ent- schliessen mußte/ begegneten jhm Stallknechte mit jhrer Herren Rossen die sie zum Wasser ritten. Radirobanes gedachte jhnen nachzufolgen/ ob er vielleicht durch jhre Leitung zum Fluß kom- men köndte. Die Statt aber war also gelegen. Der Fluß lieff zwey oder dreyhundert Schritte von der Schantz gegen dem Meere zu/ wo die Feinde auch jhr Läger auffgeschlagen hatten. Auff der seiten aber/ wo die Statt von den Sardiniern am meisten entlegen war/ stundt längst den Stattmawern ein grosser See/ zum wenigstens sechs Stadien breitt/ vnd zwölffe lang. Es [813] war auch ohn dieses See kein Ort da man die Pferde hett schwemmen/ oder träncken können. Daselbst war keine Gefahr deß Feindes wegen/ weil man der Statt so grossen Wassers halben ohn allein auff Schiffen/ nicht beykommen kundte. An dem Strande deß Sees hatte es ein Thor/ so von etlichen Soldaten verwachet wardt/ welches man zweymal deß Tags öffnete/ wegen tränckung deß Viehs vnd anderer Notturfft der Innwohner. Dahin kamen damals diese Knechte. Radirobanes men- get sich vnter sie/ vnd als er die grösse deß Wassers sahe/ das so viel Felds vmbfangen hat/ ob er sich wol besorgte daß wenig Hoffnung were herauß zuschwimmen/ doch erholete er sich gleichsam in sei- ner letzten Angst/ vnd thet dem Neptunus (wie er nachmals den seinigen erzehlet hat) ein solches Gelübd: O du mächtigster vnter allen Göttern welche einerley Elementa mit den Menschen besitzen/ dessen Gabe die Flüsse/ Brunnen vnd See sindt/ mache mir dieses Wasser/ dem ich mein Leben vertrawe/ gütig vnd gelinde. Es trage vnd bringe mich vnbeleydiget an das begehrte Vfer. Verschaffe daß dieses Roß (dann jhr stehet auch diesem Geschlechte der Thier für/ vnd als jhr wider die Erde geschlagen/ ist ein Pferdt herauß ge- sprungen/) verschaffet/ bitte ich/ daß dieses mir in meiner eusser- +

[Druckausgabe S. 488]
stenGefahr an statt deß Schiffes vnd Schiffers sey. Gib jhm so viel Stärcke/ daß es mit eben solcher Gewalt wie es mich den [814] Fein- den vbergeben hat/ wiederumb von jhnen errette: so wil ich von der Beute der Africaner an dem Calaritanischen Vfer/ wo meine Vor- eltern dir einen Tempel vnd Waldt geheiliget haben/ deiner Wol- that vnnd meiner Noth Gedächtniß auffrichten. Nachdem er sich mit diesem Gelübde bey sich selbst verbunden/ ritte er erstlich in das Wasser/ vnd als er sein Pferdt zuvor trincken lassen/ trieb er es ein wenig weiter/ mit vergebenem abmahnen der vmbherstehen- den/ daß in der Nähe eine grosse Tieffe verborgen sey. Als er sich vmbgeschawet/ wo das Wasser am schmälesten were vberzusetzen/ gab er dem Rosse die Sporen/ so vnverzagt sich in das Wasser be- gab/ vnd nur mit herauß ragendem Kopffe seinen Herren trug wo er es hinleitete. Die Mohren so an dem Strande waren/ vnnd ver- meineten es geschehe auß Irrthumb/ oder Zufall/ schrien vnd sag- ten jhm/ wo er sich am bequemesten köndte zurück lencken. Aber er kam jmmer weiter hienein. Alle die es sahen redeten vnterschied- licher weise/ als von einem frembden vnd plötzlichen Falle/ vnd zweifelten nicht er müste vntergehen. Sie glaubten auch schon/ er lebte nicht mehr/ sondern der tode Cörper würde nur von den Wel- len getragen/ sonderlich wie er so weit war das man jhn nicht er- kennen kundte/ vnnd nur auß der Farbe erblickte/ daß etwas auß dem Wasser herfür ragete.

[815] Wie die Gefahr mit der Radirobanes von allen seiten vmb- ringet war jhm ängstlich machte/ also machte jhm sein starckes Roß/ welches er mit schreyen vnd regung zuweilen deß Zügels an- mahnete/ wiederumb hoffnung. Es halff jhm auch/ daß das Wasser gantz stille stundt/ vnd sich weder da noch dorthin bewegete. Dann es flos nirgendts hin/ vnd damals war es gantz Windtstille. Doch fieng das Pferdt an etwas schwerer fort zusetzen/ vnd schiene nun- mehr zuerliegen/ als es durch gutes Glück mitten in dem Wasser einen erhöheten Sandt antraff der nicht wieche/ vnd jhm im schwim- men ein wenig Ruh liesse. Darumb blieb es stehen/ vnd als jhm das Wasser kaum biß vber die Schenckel gieng/ holete es Athem/ als ob es sich vber seiner außgestandener Arbeit verwunderte. Der Kö- nig aber/ besorgendt/ es möchten jhm nach so grosser Bewegung die Spanadern verstarren/ ließ jhm gar wenige Zeit Athem zuschöpffen/ vermahnete es mit den Sporen/ vnd machte sich wiederumb in das See. Das mutige Ros erhielte sich lange/ vnnd das Wasser sampt

[Druckausgabe S. 489]
dem Fürsatze zuschwimmen fristeten jhm sein Leben biß an das euserste Vfer. Als dann entgieng jhm der Athem/ vnnd nachdem sein Herr kaum vnbeleydiget abgestiegen/ streckte es sich in den Sandt. Radirobanes aber/ der vber die grösse seiner Gefahr be- stürtzet war/ daß er in der Feinde Stadt gewesen/ daß er durch ein so mächtiges See/ vnnd durch fast [816] grössere Noth als der Todt selber vor dem Gefängnisse entronnen were/ fieng sich auffs newe an zu fürchten/ es möchte jemandt vom Lande oder der See kom- men/ vnd jhn gefangen nehmen/ oder/ da er sich nicht geben wolte/ niederhawen. Dann von selbigem Vfer deß Sees war der seinigen Lager weit abgelegen. Er hatte aber diesen Trost/ daß die erste Nacht anbrach/ welche zu der Verbergung vnd Flucht allzeit siche- rer ist.

In dessen als Poliarchus die Knechte so vber Nacht in der Stadt verbleiben/ oder in der Schantzen halten solten abgetheilet/ vnd mit der Königin sich kürtzlich vnterredet hatte/ blieb er nicht bey Hoffe/ sondern ließ jhm im Lager sein Hauptgezelt aufschlagen/ damit jhm keine Gelegenheit dem Feinde Abbruch zuthun auß den Händen käme. Er hette auch bey der Finsterniß nicht geruhet/ wann jhn nicht das Schreckniß der Sardinier so den König suchten sich zuhüten vnd Auffacht zuhaben vermahnet hette. Man wuste nicht/ warumb man in jhrem Lager ein solches Geschrey hielte/ vnd so viel Fackeln durch das weite Feldt herumb trüge. Dann als sich die Sardinischen Obristen/ so bey deß Königes Zelte versamlet stunden/ vnter eineinander befragten/ ob er wiederumb kommen/ ob er auff eine andere seite deß Lägers gelanget/ wer im Kampffe bey jhm gewesen/ wer in seiner Begleitung als er auß der Schlacht gewiechen verblieben were/ vnd einer dieses der andere jenes sagte/ [817] fiengen sie an nichts gutes zugedencken. Sie meineten er were hingerichtet oder gefangen worden; zancketen sich auch vnterein- ander/ wer jhn hette schützen sollen/ oder wer zum wenigsten et- was gewisses nunmehr von jhm solte wissen. Sonderlich liessen sich die gemeinen Soldaten von den Befehlichshabern/ derer An- sehen an dem Könige lieget/ ferner nicht regieren/ entweder für Sor- gen vnd Verlangen nach jhrem verlohrenen Fürsten/ oder daß sie gar von Sinnen kamen. Etliche lieffen auff die einsamen Felder jhren Fürsten zusuchen/ vnd jhn zuholen wo er auch were. Viel zündeten Windliechter an/ durchschaweten die blutige Wahlstadt/ besahen die todten Cörper/ vnd fürchteten sie würden denjenigen

[Druckausgabe S. 490]
da finden den sie suchten. Also war das gantze Feldt von der Sardi- nier Geschrey/ vom Fewer/ vnd vom hin vnd wieder lauffen erfül- let. Poliarchus beschawete alles von der Höhe deß Lagers/ vnd/ es were gleich eine sonderliche andächtige Ceremonie der wütenden Soldaten/ oder eine Regung eines Gottes/ oder eine Kriegeslist jhme beyzukommen/ so nahm er sich doch bey der Wache fleissig in acht.

Im vbrigen/ weil die andern so bemühet vnd vnruhig sindt/ wirdt plötzlich angemeldet/ Radirobanes sey zurück in sein Zelt kom- men. Dann als er an den Strandt deß Sees außgesetzt worden/ hat er für angehender finsterer Nacht sich wohl vmbgeschawet/ durch welchen Weg er zu den sei-[818]nigen gelangen köndte. Hernach ist er an der sumpffichten seitten deß Sees hergegangen/ daß er/ wann man jhm ja nachsetzte/ in dem Schilff verborgen bliebe. Also ist er lengst dem See hergespatzieret/ hernach hat er sich ausser dem gemeinen Wege durch die Gräben oder umbzeunete Wiesen zu seinem Läger gemacht. Dieses hat jhn sonderlich erschrecket/ daß die Soldaten mit Fackeln zerstrewet gegangen sindt/ vnd die Lufft mit jhrem Geschrey erfüllet haben. Weil er also nicht gewußt/ daß sie seinetwegen so fleissig weren/ ist er für eines jedwedern Fewer vnd Gesichte geflohen. Endlich kam er in sein Zelt/ vnd ließ die Sol- daten wissen/ sie möchten nun die vorgebene Nachsuchung/ so auff nichts guts deutete/ vnterwegen lassen. Alsbaldt fiengen sie an zu Frolocken/ vnd kamen den König zu begrüssen. Als sie jhn ge- sehen/ vnd jhre Frewde gezeiget hatten/ waren sie vbel zu der Wacht oder in jhr Zelt zubringen. Indessen kniete Virtiganes sampt den fürnembsten Sardiniern für dem Radirobanes nider/ ersuchten jhn mit weinen/ zusagen durch was für einen Fall oder Anschlag er so lang von den seinigen aussen verblieben were. Er erzehlete seine Gefahr nach der länge/ mit Bestürtzung vnd Forchte aller/ die jhr gutes Hertz wolten spüren lassen. Viel danckten den Göttern/ viel schmeichelten dem Könige/ vnd hiessen jhn einen Vberwinder deß Glücks vnd deß Verhängnisses.

[Druckausgabe S. 491]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),