Das XXI. Capitel.

[801] Radirobanes fährt in Africa an/ vnd nimbt den Port ein. Ge- lanor helt seine Macht zurück. Straffe der flüchtigen Soldaten. Schlacht zweyer Heere. Frembder Fall deß Radirobanes.

Das XXI. Capitel.

DIe Frewde war nicht geringer vnter den Schiffleuten vnd Knech- ten auff den Schiffen/ vnd der Schlaff vberfiel sie nachmals dermas- sen/ daß jhre eigene Gefahr vnd fast Verwunderung sie hernach auff- weckten. Dann eben dieselbige Nacht kam Radirobanes an/ ließ seine Schiffe auß der See in den Fluß einlauffen/ hieb die Wache/ so wegen der Schlaffenden geringe war/ nieder/ vnd bemächtigte sich deß gantzen Vfers. Die in Besatzung der Schiffe waren flohen für Schrecken auff das Lager/ oder die Stadtthore/ so damals jhnen so wol als dem Feinde geschlossen stunden/ zu. Andere begaben sich mit den Galleren weiter in das Meer auff die seite wo es still war/ vnd man keinen Feind merckete. Radirobanes satzte alsbald viel der seinigen an das Landt/ in Meinung die Stadt würde nach eingejagter Furchte nichts zuthun vermögen/ stellte die Soldaten in Ordnung/ theilte sie ab welche am Strande bleiben/ vnd welche die Stadt

[Druckausgabe S. 481]
mawrenersteigen solten. Die [802] Gallier aber vnd Africaner die zu Lande verblieben waren/ erschracken nicht so sehr als die auff den Schiffen. Gelanor/ nach dem er den Tumult am Vfer gehöret/ befahl er die Schlaffende auff zu wecken. Etliche hatte das Auß- schlaffen/ etliche die Gefahr wieder zu sich selbst gebracht. Er nach dem er die Wache in den Schantzen eingetheilet/ vnnd dem Micipsa (dieses war der Mauritanischen Knechte Obrister) anbefohlen hatte/ traff er mit einem Theile der seinigen auff den Feindt/ welcher all- bereit deß Sieges gleichsam versichert war. Radirobanes/ als er ver- stundt daß man sich zur wehr setzen wolte/ vnd wol wuste/ frembde vnd vnbekandte Leute solten sich bey fintserer Nacht für Vngewiß- heit der örter hüten/ hieß die seinigen zurück weichen/ in Meinung/ es were genug/ daß er auff der See vberwunden hette/ vnd stracks zu Anfange das Lager an dem Vfer schlagen köndte. Er bildete jhm auch auff folgenden Tag einen leichten Sieg ein/ vnwissendt daß er mit dem Poliarchus vnd den Galliern streiten muste. Gelanor war ingleichem zufrieden/ daß er den Feindt von dem Lager vnd der Stadt abgehalten; wolte also nicht so weit nachsetzen als wo sie ver- blieben/ noch bey Nacht in Abwesen deß Königes vnd ohn seinen Befehl schlagen.

Baldt auff den Morgen beruffte Poliarchus/ der wegen schädt- licher Einbüssung verwiechener Nacht sehr ergrimmet war/ seine Leute vnnd die [803] Mohren zusammen. Daselbst nach Beklagung vber Vbelthat derjenigen/ so die See verhüten sollen/ hieß er mit Niederlegung der Waffen alle die Gallier herfür tretten/ so von den Schiffen die Flucht gegeben/ vnd den Zehenden auff welchen das Loß fiele am Leben straffen. Dessen Ernstes gebrauchte sich auch die Königin gegen jhre Mohren. Als man sie aber zum Gerichte führte/ bate sie für die Gallier/ vnd Poliarchus für die Mohren. Also daß mit einer geringeren Schmach (dann solches Verbrechen muste vngenossen nicht hingehen) Kriegesgebrauche nach einem ein we- nig Blut auß dem Arme gelassen/ der andere halb nackendt zum Schantzen geführt/ andere gleichfals also dem Volcke zum Spec- tackel auff den Platz gestellet worden. Vnd ob man zwar damals der Soldaten bedurffte/ worden sie dennoch selbigen Tag in solchem + + +

[Druckausgabe S. 482]
Spotte gehalten/ damit man die anderen wegen Furchte für der- gleichen Schande jhrer Pflicht erinnerte.

Poliarchus/ der einen Reitrock von Scarlat angeleget hatte/ saß auff einem Numidischen Pferde/ mit blossem Häupte/ vnd machte allen Soldaten einen Muth mit seinem Ansehen vnd der Hoffnung zu siegen. Hernach hinderließ er etwas von Volcke zu Verwahrung deß Schlosses/ vnnd Beschützung der Mawren vnd Stadtthore/ vnd machte sich mit den vbrigen ins Läger/ als Gelanor gleich das Volck in Ordnung [804] stellete. Dann es war schon beyderseits zum Vor- trab deß Kampffs ein leichtes Scharmützel fürgegangen/ vnd Radi- robanes macht ein volle Schlachtordnung/ mit grösserer Erhitzung deß Hertzens vnd Gesichts als zuvor/ nachdem er von einem Ge- fangenen verstanden/ daß ein König auß Gallien zur Stell were/ vnd Poliarchus genennet würde. (Dann er wolte diesen Namen/ der jhn in angemaßtem geringern Standt bey den Außländern so berühmbt gemacht/ damals behalten.) Radirobanes erinnerte sich stracks/ daß der junge Mensch/ wegen dessen Liebe Argenis seine Heyrath außgeschlagen hette/ also hiesse. Ob es aber eben derselbige sey/ zweiffelte er nit vnbillich; weil nicht allein viel eines Namens seyn köndten/ sondern er auch Selenissen seiner als eines Königs nie- mals erwehnen gehört. Im Fall er auch schon ein König were/ wannher käme er damals in Africa? Welch Gott hett diese zween gegeneinander zu kämpffen geschickt? oder was für eine Art hette jhr Zwispalt/ daß eben dieser mit einnehmung deß Gemüths der Argenis seine Hoffnung in Sicilien zunichte machen/ vnd nun eben/ als ob er jhm fürgenommen sich seinen Anschlägen zu wider- setzen/ in Mauritanien angelangen müssen?

Aber die instehende Schlacht verwandte seine vielfältige Ge- dancken in einen Zorn. Es war eine kleine Fläche von dem Ort da Radirobanes sein Läger hatte zu deß Poliarchus Schantzen. Diese war zum Kampffe bestimmet/ vnd gläntzete allenthalben [805] von den Fahnen vnd Waffen. Beyde Könige hielten auff der rechten Handt jhres Heeres. Virtiganes war auff der lincken Seiten der Sar- dinier; Poliarchus aber hatte den Mohren zu Ehren dem alten Micipsa/ der bey diesem Volcke in grossem Ansehen war/ den Befehl vber die Lincke gegeben; doch jhm auch den Gelanor zugeordnet/ durch die Lebhafftigkeit der Jugendt dasjenige/ was dem Micipsa sein Alter hinweg genommen/ zu ersetzen. Man hat es für eine grosse Versicherung deß Sieges gehalten/ daß sehr wenig von den

[Druckausgabe S. 483]
Galliern vnd Mohren für dem Treffen ein Testament gemach haben. So gewiß verhofften sie nicht allein zu siegen/ sonden auch deß Sieges zugeniessen. Als die Trompetten geblasen worden/ fieng sich der Streit von den Schützen an. Weil sie aber geschwinder geeylet als man jhnen befohlen hatte/ traff das gantze Heer auff einander: so daß die Schützen vnd Schleuderer jhre Waffen zu gebrauchen keinen Platz behielten. Die mit den Picken kondten sich kaum be- regen/ vnd die Pferde sich kaum in den Troppen wenden. Wiewol sie nun alle in dem ersten Grimm ritterlich stritten/ so war doch an Kräfften vnd Muthe dem Poliarchus niemandt zuvergleichen; wie- wol auch Radirobanes sehr hertzhafftig hinan satzte/ vnd viel/ die solcher Capitaine würdig waren/ durch jhren eigenen oder durch der Feinde Todt lob verdieneten. Viel/ ob sie schon vnschuldig wa- ren/ musten der Thorheit etlicher [806] wenigen entgelten. Vnd/ welches in Kriegen das erbärmlichste Vbel ist/ sie brachten nicht die vmb denen sie feindt waren/ oder die sie beleydiget hatten/ son- dern welche jhnen ohngefehr auffstiessen.

Es war allbereit viel Blut vergossen/ vnd das Verhängnüß wolte ein grösser würgen anrichten/ als die Götter es zuverhindern schie- nen. Dann der Tag wardt dermassen mit finstern Wolcken be- decket/ daß etliche sich förchteten als bey trüber Nacht. Hernach erhub sich solche plitzen vnd Donnern/ daß diese Wahnsinnigkeit einander hinzurichten in Andacht vnd Schrecken verkehret wardt. Als sie aber noch vbereinander waren/ vnd gleichsamb im Zweiffel stunden ob sie den Göttern gehorchen solten/ worden sie zertren- net durch die wütenden Elephanten/ welche Hyanisbe mit jhren Stirnwaffen/ Federpüschen vnd Thürnen in die Schlacht zuschicken befohlen hatte. Etliche/ so nicht längst auff der Jagt gefangen wor- den/ vnd fast vnabgerichtet waren/ hatten jhrer Freyheit vnd wil- den Art noch nicht vergessen. Man kandte noch damals in Europa diese Art nicht. Ein grosses vnd vngehewres Thier/ dessen Glieder fast in einem Klumpen vermenget sindt. Das Haupt ligt zwischen den Schultern/ einer Kugel nicht sehr vngleich/ außgenommen wo der Rüssel auff die Erde hanget/ der jhm abschewlich von der Nasen herunter gehet/ vnd/ wann die Farb fehlte/ einer langen vnd dicken Schlange ähn-[807]lich ist/ mit so vielen Adern vnd Spannadern Sachanmerkung +

[Druckausgabe S. 484]
vmbringet/ daß er zusammen gezogen/ außgelenget/ vnd an statt der Handt gebraucht kan werden. Die breiten Ohren bedecken beyde Schläffe. Die kleinen vnd runden Augen stehen tieff vnter der hohen Stirne. Das Helffenbein/ welches dieses Thier thewer macht/ gehet lang auß dem Maul herfür/ fast einem Priester Stabe gleich/ außgenommen wo es am schwächsten Theil gekrümmet wirdt.

Vber dieser frembden Gestalt worden nicht allein die Sardinier in Schrecken gebracht/ vnter welche man die Bestien lauffen ließ; sondern die Gallier selber kundten diese jhre Mitgehülffen ohne Forcht nicht anschawen. Als aber der Himmel vnversehens finster wardt/ wurden die Elephanten/ welche so leichtlich zu erschrecken als zu erzörnen sindt/ durch das vngewöhnliche krachen in den Wol- cken forchtsam gemacht/ vnd fiengen an denen die sie regierten strenger zu werden. Es kam ein grosser Plitz/ der jhnen fast in die Augen schlug/ vnd erschreckte den grössesten dermassen/ daß er plötzlich anhub zu toben vnd außzureissen den nechsten Weg wo er zukam. Die andern machen sich auch fort/ werffen jhre Meister herunter/ vnd folgen jhm hernach. Baldt raseten sie noch hefftiger/ als sie niemand regirte/ beschädigten nicht allein das eine/ sondern auch das andere [808] Theil/ lieffen in dem Streitte durch die Waffen vnd das Getümmel mit hefftigem wüten/ vnd/ weil sie nicht sahen/ wie sie durch so viel Hauffen kommen kundten/ suchten sie herauß zu dringen/ als ob sie im Garn bestrickt weren. Viel von den Galliern tranneten die Ordnung; die Sardinier hielten ingleichen nicht Standt. Die Bestien zertratten mit Füssen alle die jhnen auffstiessen/ etliche vmbschlingeten sie mit dem Rüssel/ vnd wurffen sie zu bo- den. Die Newigkeit/ jhre grösse vnnd vngehewere Stärcke/ nam den Soldaten das Hertze. Sie vermeineten/ der Götter Zorn were vber sie gerhaten/ oder die Thiere weren erst damals zu Trennung der Schlacht erschaffen worden. Etliche lieffen wann sie sie nur sa- hen. Die von fernen stunden/ wurden durch jhrer Mitpursch schrecken bestürtzt gemacht. Die Pferde erschracken sonderlich/ vermochten den vngewönlichen Geruch der Bestien nit zuertragen/ vnd lieffen mit jhren Herren wieder allen jhren Danck entweder in abschiessige gefährliche Oerter/ oder mitten vnter die Feinde.

+ + +
[Druckausgabe S. 485]

Es war ein Spiel deß Glückes/ daß dreyzehen Thiere (dann jhrer waren mehr nicht) zwey so grosse Heere getrennet hatten; zu be- zeugen/ daß die Kräfften deß Leibes nicht mehr Stärcke haben/ als die Zuneigungen der Gemüter/ vnd daß die Furchte nicht weniger ein Volck zwinge als die Waffen. Poliarchus besorgete sich einer Hinterlist/ vnd sahe daß die seinigen/ so zerstrewet waren/ nicht so baldt [809] würden zusammen kommen/ da eine newe Gewaldt für- lauffen solte. Eben dessen befahreten sich die Sardinier. Derhalben worden auff anmahnen der Obristen vnd LeutenAmpte die so das Schrecken von zweyen Hauffen vermenget hatte algemach von einander geschieden. Dann viel waren entweder durch jhre eigene oder durch der Rosse Flucht so weit in die Feinde gerhaten/ daß sie im zurückkehren Beysorg tragen musten/ sie würden erkandt vnd niedergemacht werden. Wie man nun gemeiner Soldaten Fälle auß dem Gedächtnisse gelassen hatt/ also ist dem Radirobanes was denckwürdiges auffgestossen. Er saß auff einem Rosse das zwar zum Kriege sehr gut war/ aber sich gantz nicht halten ließ/ vnnd zu wüten vnnd toben anfieng wann es schew gemacht worden. Als nun die Elefanten vnter den erschrockenen Hauffen eine Trennung anrichteten/ vnd alle Pferde für Forchte wiegerten vnd schnaweten/ wardt es gantz rasende/ wolte sich nicht wenden lassen; sondern bemächtigte sich wieder den Zügel/ vnd rannte mitten vnter die Feinde. Indessen wieche die Reuterey auff Anordnung deß Poliar- chus gegen der Statt/ sich hienein zubegeben. Die so vmb den Radiro- banes stritten/ hatten jhn allein gelassen/ vnd gläubeten bey sol- cher verwirrung der sinnen/ er hette sich auch zurück gemacht. Als er sich der wegen allein vnnd ferne von den Sardiniern befandt/ veränderte er die Frechheit seines Ge-[810]mütes in eine hefftige Furchte. Solte er fliehen/ da jhn so viel Pfeile vnd Waffen vmbrin- geten/ oder solte er sein Leben zu fristen sich fangen lassen? Oder weil man jhn schwerlich auff Rantzon loß würde lassen/ solte er sei- nen Geist mit verwegenem vnd vngleichem Kampffe auffgeben? Er sahe sich nach seinen Fahnen vmb; sie waren ferren von jhm. Solte er allgemach zurückweichen? es folgete jhm ja hinder dem Rücken eine grosse Menge nach. Weil er in dem Zweiffel standt/ vnd er ra- sende das Glück verfluchte/ hatte sich die Gefahr gemehret. Der Tropp vnter dem er stackte kam an die Thore der Stadt/ vnd war zu + +

[Druckausgabe S. 486]
seiner Rettung nichts mehr vbrig/ als daß er sich vor einen von deß Poliarchus Soldaten außgebe. Es halff zu seinem Betruge viel/ daß er zu Anfange der Schlacht/ damit er destosicherer für einen Capitain oder gemeinen Knecht durchgehen möchte/ den könig- lichen Ziehrat hinweg gethan/ vnnd seinen Purpurrock/ nebenst dem gekröneten Helme einem so Megalosthenes hiesse vbergeben hatte. Also begab er sich mit Dreyhundert deß Poliarchus Reisigen in die Stadt/ zwar biß anher mit sehr füglicher List: wohin solte er aber weiter? Es hatte ein jedweder Soldat sein Losament oder Zelt. Wann er sich zu einer Companie schlüge/ so köndte er doch vnter wenigen nicht verborgen seyn/ wie vormals vnter vielen vnd in der [811] Rüstung. Gesellete er sich zu keinem/ was were es anders/ als daß er mit verdächtiger Einsamkeit sich selber verriehte?

So lange nun diese wenige Troppen auff dem Platze verblieben (denn sie waren daselbsten zusammen kommen der Obristen Be- fehl anzuhören) war er wegen der Menge leichtlich sicher. Aber nicht längst hernach, kam einer vom Poliarchus/ der die Reuter in der Stadt in jhre Losamenter einkehren/ vnd zu Bewachung der Kö- nigin vber Nacht verbleiben hieß. Radirobanes wardt fast ohnmäch- tig von solchen Worten. Dann die Reuterey begab sich von einander/ vnd ein jeglicher machte sich in sein bewustes Hauß. Die Wirthe vnd Drosse verrichteten jre Geschäffte. Er/ als ob er ein Hauß suche- te/ vmbritte alle Gassen/ vnwissendt für wem er am meisten fliehen solte/ ohn daß jhn ein jeglicher der jhm begegnete zu höchster Furchte trieb. Weil jhm alle Feindt waren/ vnd/ da man jhn fienge/ er sich vielleicht mit der eintzigen Rantzon loß kauffen möchte/ kundte er seine Angst vnd häuffigen Zorn kaum anhalten. Er war etliche mal gesonnen sich für Feindt anzugeben/ vnd durch die Wache am Thore zudringen/ daß er entweder mannlich stürbe/ oder sich vnerschrocken rettete. Dann es wardt in wehrendem Tumult nur eines für Wagen vnd [812] Pferde offen gehalten/ vnd stärcker als sonsten verwachet. Es nahete sich niemandt vnterwegs seinem Pferdt zum Zügel/ oder sahe jhm vnter Augen/ den er nicht ver- meinete jhn anzusehen; vnd erschrack so allzeit auff das newe.

+
[Druckausgabe S. 487]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),