Das XX. Capitel.

[782] Deß Poliarchus vnd der Hyanisben Gespräche die Schatzungen vnd Aufflagen der Könige vber jhrer Vnderthanen betreffendt.

Das XX. Capitel.

DErhalben/ als auff den andern Morgen von Vnterhaltung deß Krieges gehandelt wardt/ rhiete er allen Mauritaniern allgemeine Stewer anzulegen/ damit die Königin mit mehrerem Volcke in Be- reitschafft seyn/ vnd bey den benachbarten Numidiern werben las- sen köndte. Ewer Rahtschlag/ sagte Hyanisbe/ ist sehr gut/ vnd ist mir gleichfals eingefallen. Wie kan man aber an jetzo eine Zusam- menkunfft deß gantzen Landes haben/ dessen Bewilligung zu dieser Aufflage wil vonnöhten seyn? Poliarchus verwunderte sich/ weil er solcher Königreiche gewohnet war in denen ein Regent schaffet was er wil. Solte dann das königliche Ansehen vnd die Gefahr deß Landes nicht starck genug seyn das Volck zum Tribut zu zwingen/ wann es nicht zuvor durch abgeordnete darein willigte? Solten die Kräfften vnd gleichsam Spannadern deß Reiches das Geldt in deß Volckes Handen seyn? Solte man dasselbe die Geschäffte vrtheilen/ seiner Könige König/ vnd durch solche Macht vber alles Fürha- [783]ben/ Rahtschläge vnd Vermögen seyn lassen? Es köndte ja +

[Druckausgabe S. 470]
solches das Gesetze eines freyen Regiments nicht ertragen/ es schickte sich auch zu dem Namen der obristen Beherrschung gantz vnd gar nit. Nachmals fieng er an Heyanisben zuvermahnen/ sich mit aller Bemühung deß Joches solcher bösen Gewonheit/ mit der die Mauritanier deß Scepters Freyheit anhielten/ zu entbrechen. Durch gegenwärtige Zeit würde jhr gute Gelegenheit an die Hand gegeben/ weil das Volck/ auß Furcht für dem außländischen Kriege/ vermeinete/ daß es durch diese Stewer so die Königin aufferlegete/ seine Wolfahrt erkauffe. Es wirdt das Ansehen haben/ sagte er/ daß diese Gebrauchung ewer königlichen Macht auff keine Newerung angesehen sey; sondern wegen augenscheinlicher Gefahr zwar vn- gewöhnlicher/ aber nohtwendiger weise solch Geldt von den Vnter- thanen gefordert werde. Wirdt dieses erfolgen/ so wirdt es schon ins künfftig anzuziehen seyn/ daß man auch in anderer Gefahr ohn Begrüssung deß Volckes Schatzungen anlegen könne. Vnd wie Sachen die vns zuwieder/ oder abschewlich sind/ sich durch Ge- wonheit angenehmer machen; also werden sie durch den Gebrauch ertragen lernen/ daß die Anordnung aller Sachen dem Könige allein heimgestellet verbleibe; vnd zwar zu grossem Nutze deß Volckes selber/ welches der Schatten der Freyheit offtmals betrogen hat.

[784] Ich weiß/ sagte Hyanisbe/ daß es mir vnd meinen Nachkom- menen zum besten gereichen würde/ wann ich vns solche Gewaldt zueignete. Aber dergleichen Newerung kan weder jemals ohn Ge- fahr bey dem Volcke angebracht werden; noch jetzundt sonderlich/ da man die Gemüter gegen den Feindt erregen sol/ vnd es an dem Frembden Vbel ohn den Inheimischen Zwispalt genug ist. Ich würde gewiß mehr hiemit für den Radirobanes/ als er mit seiner gantzen Heerskrafft streiten. Ich erregete der Mohren Gemüter wie- der mich/ vnd machte sie geneigt zu seinem Gehorsam. So stehen mir vber dieses die Götter im Wege/ daß ich diese Gewohnheit/ wel- che ich für billig vnd recht erkenne/ nicht breche. Was für eine? fieng Poliarchus drauff an. Daß der König/ sagte Hyanisbe/ ohn Wust vnd Willen deß Volckes keinen Tribut fodere. Geliebet es euch/ daß ich die Person der Königin ein wenig beseit lege/ vnnd + + +

[Druckausgabe S. 471]
euch erzehle/ was ich disfals offt gehöret/ oder selbst gedacht habe: daß jhr entweder eben dieser Meinung werdet/ oder mich von mei- nem Irrthumb entlediget? Gar wol/ sagte Poliarchus. Führet den jenigen die Sache/ welche durch die Gewalt jhrer eigenen Macht verderbet/ vnd nur durch jhren vollkommlichen Gehorsamb erhal- ten werden können. War er also fertig sie an zuhören/ vnnd emp- fieng es auß Hitze der Jugendt etwas vbel/ daß sie das jenige was er vermeinete so jnstendig wiederlegete. Er hielt auch nicht dafür/ daß Hyanisbe so [785] sehr von grunde jhres Hertzens redete/ als daß sie die Schande jhrer entzogenen Gewalt mit dem Scheine der Billigkeit decken wolte; gleichsam ob sie einen Trost hierauß schöpffete/ wann sie andere Könige zu der Bedrängung darinnen sie sich befandt/ gleichsfals verdammen köndte.

Sie aber; wir wissen/ sagte sie/ daß Könige darumb eingesetzt sindt worden/ damit nach Abthuung der Gewalt/ welche den Mäch- tigern alles zueignete/ die Menschlichen Sachen nach dem Befehl der Natur vnd Vernunfft möchten fortgestellet werden. Was meinet jhr aber wol der Natur näher zu kommen/ als daß ein jedweder sei- ner erworbenen Güter geniesse? oder was ist der Vernunfft ähn- licher/ als zuwissen was wir bey vns haben das vns/ vnd das einem andern gehöret? Nun werffen wir dieses beydes vber hauffen/ wann wir das/ was Vnderthanen mit jhrem Fleisse zuwegen bringen/ nach belieben in vnsere Kammer einziehen/ vnd machen/ daß sie nicht wissen/ was das Recht von jhren Gütern dem Könige/ vnnd was es jhnen selber zueigene. Dann wie können sie es wissen/ weil es weder bey jhnen/ noch auch bey den Satzungen/ sondern dem Regenten allein stehet? weil sie auch/ nach einmal abgelegter Schatzung/ sich deß jhrigen vollkömmlich nicht zufrewen haben/ sondern es durch newen Befehl noch ferner kan gemindert werden? Wann jhr nicht wisset/ was für Vbel auß einer gemengeten vnd verworrenen Erb- schafft entspringe/ so schawet [786] nur die Gerichtsstüle an/ welche aller Händel voll sindt. Solche Gemeinschafft/ solches vnrichtiges Wesen/ können Freunde vnnd Brüder lange Zeit nicht vertragen. Die Ehefrawen wöllen selber wissen/ was von jhrem Vermögen dem Manne zufalle/ vnd was jhnen Eigenthümblich verbleibe. Wer wolle sich dann eines langwirigen vnd allgemeinen Friedens versichert +

[Druckausgabe S. 472]
wissen/ wann der König das was er den Vnterthanen nimpt zu dem seinigen macht/ vnd das was er jhnen lest dennoch mit jhnen gemein hat?

Wann aber ein gewisses Ziehl ist zunehmen vnd zugeben/ so hat die von der Natur fürgeschriebene Billigkeit einem jeglichen Ge- schlechte seine Gräntzen/ Rechte vnnd Gebühr abgetheilet. Hernach macht die Hoffnung zugefallen/ vnd beyderseits etwas zuerlangen/ eine Freundtschafft vnnd Vernehmen zwischen dem Könige/ vnnd dem Volcke. Dann das Volck wirdt sein Geldt in die königliche Schatzkammer gutwillig einbringen/ damit nicht der König sich deß vbergebenen Schwerdtes mit gar zu grossem Ernste gebrauche/ damit er nicht vnbedachtsam Frieden oder Krieg anfange/ damit er nicht vnerfahrenen oder liederlichen Leuten Regimentsämpter vberlasse. Auß diesem werden sie jhres Königes Tugenden erken- nen/ vnd also kan er für die vergangene Wolthaten danckbar seyn/ vnnd zugleich newe verdienen. Der König hergegen wirdt seines Theils die Vnderthanen mit Grawsamkeit [787] vnd frembden Sitten nicht beschweren/ weil sie sonsten/ im Fall man harte mit jh- nen verführe/ auffhören möchten von dem jhrigen etwas her zu schiessen. Dieses sindt der rechtmässige Zaum/ welche mit Verbin- dung deß Königes/ vnnd der Vnterthanen die sonst vbermässige Ge- waldt von Vnrecht vnnd Hoffart beyderseits zurück halten.

Aber/ möget jhr sprechen/ man muß Einkommen zu täglicher Außgabe bey Hofe haben/ vnd die Außländer pflegen auß der Köni- ge stattlichem Leben von der Krafft vnd Vermögen eines Landes zu vrtheilen. Was sindt dann die Besatzungen? Was sindt die Kriegs- schiffe? Es ist keine tieffere See/ welche das Gelt so Hauffenweise verschlinge. Zwar daß diesem also sey/ haben wir auß eigener Er- fahrung. Ich bin aber nicht der Meinung/ daß jrgendt einem Könige die Hände von seinen Vnderthanen dermassen gebunden sindt/ daß es jhme zu Bestellung der Empter vnd seiner Hoheit an Geldt man- gele. Sie haben grosses Vätterliches Erbtheil/ mit dem sie/ wann rechte Anordnung ist/ jhr Ansehen wol schützen können. So sindt auch nicht wenig Zölle/ die sehr viel eintragen. Sie haben noch vber dieses viel vnd mancherley Rechte nach dem Vnterschiedt der Nationen. Dieser Schatz/ diese Güter sindt gar genug/ daß sich ein +

[Druckausgabe S. 473]
König stattlich halten kan/ wann er allein regieren/ vnd keine Ver- schwender/ die er vnbeson-[788]nener vnd knechtischer weise lie- bet/ zur Gemeinschafft der Krone ziehen wil. So baldt jhn aber eine Lust zu sich zu reissen vnd es wieder hinzubringen ankommen ist/ alsdann kan eine solche Tieffe weder durch gewönliche vnd recht- mässige Güter/ noch durch die härtesten Aufflägen erfüllet wer- den. Das Volck mag gehorsam seyn wie es wil/ es mag alle Hülffe vnd Mühe der Schatzkammer zum besten anlegen; jedennoch wird ein solcher Fürst (wie wir den Kindern von dem hungerigen Erisichthon zuerzehlen pflegen) allezeit leer seyn/ vnd täglich was newes ansuchen: vnd solches mit destogrösserer Verschwendung weil er weiß/ daß er nach Erschöpffung der Kammer newes Blut vnd Kräfften bekommen werde. Wundert jhr euch dann nun/ daß die Vnterthanen sich deß vnersprößlichen Gehorsambs enthalten/ vnd etzlichen wenigen so vmb den König sind dasjenige was sie für sich vnd jhre Kinder erworben haben versagen/ welches sie dennoch dem Könige werden hergeben/ wann er es/ nicht zu vnnützlicher Verprassung/ sondern zur Zeit allgemeiner Landesnoht heischen wirdt?

Ich verstehe auch/ daß bey denen Völckern/ welche zu den Schat- zungen am willigsten sind/ jhre Könige weniger Nutz darvon empfinden als man glauben kan. Dann durch diese Gewonheit das Geldt vom Volcke zufodern/ vnd durch die Zuversicht auff das- selbige werden die Eigenthümblichen Güter vnd was Könige erb- lich zu empfangen pfle-[789]gen gemach vnd gemach durchge- bracht: weil solch königliches Erbtheil/ als ob es wenig anlangendt/ oder mühesam/ oder letztlich kaum Privatpersonen gemässe sey/ erstlich nicht geachtet/ hernach vnter Leute die in Gnaden sindt außgetheilet/ verpfändet/ vnd mit warhafftiger oder ertichteter Ver- kauffung verlohren wirdt. Also verlassen Könige die billichste Art + + + + +

[Druckausgabe S. 474]
von jhren Gefällen zu leben/ vnd legen sich auff eine andere/ so dem Rauben sehr ähnlich ist: nichts desto weniger/ ob sie schon jhr Reichthumb nicht so sehr vermehren als ändern/ fangen sie an zu prangen/ als ob sie einen grossen Sieg erlanget hetten.

Kürtzlich was für ein Vnterscheidt wöllet jhr vnter einer recht- mässigen Regierung vnd vnter der Tyranney machen/ wann Vnter- thanen beyderseits das jhrige nur Bittesweise besitzen/ vnd zu wei- len armer Leute Vorrhat/ den man nebenst allem Vermögen jhnen auß den Häusern geriessen hat/ durch gemeinen Diener offentlich außgeruffen wirdt? Ich rede es euch nicht zu Angehör: die jenigen so in denen Ländern gewesen sindt/ wo Könige solcher massen zu regieren pflegen/ tragen hierumb gute Wissenschafft. Dann was man von Mann zu Mann auffzulegen pfleget/ damit es den Reichen desto erträglicher sey/ das drucket die Bawers Leute vnd Landvolck offtmals dermassen/ daß es jhnen weder Speise/ noch ein Küssen/ darauff sie sich in jhrem Kummer legen mögen/ vbrig lest. Was het- ten sie ärgers zugewarten/ wann der Feindt oberhandt behielte?

[790] Diese verdrüßliche Erzehlung von den Bawren bewegte den Poliarchus: Derhalben mochte er die Königin ferner nicht reden lassen/ vnd fieng also an: Ich wolte/ daß diejenigen/ so ewere Liebe von den grausamen Schatzungen berichtet haben/ euch das grösse- ste Theil boßhafftiger weise nicht hinterhalten/ sondern nach der Länge erzehlet hetten wie die Sache an sich beschaffen/ damit jhr die Gerechtigkeit der Könige vnd Billigkeit der Schatzungen sehen köndtet. Dann Könige sindt niemals gesonnen/ solche Exempel der Grausamkeit/ wie jhr saget/ zuverüben. Im Fall aber zuweilen Rentmeister vnd Richter dasjenige was jhnen befohlen wirdt etwas schärffer erzwingen/ oder die so einen jedern nach seinem Vermögen schätzen/ vnd angeben was ein jeglicher erlegen soll/ einem vnd dem andern vnrecht thun/ muß man sich dessentwegen vber die + +

[Druckausgabe S. 475]
Könige vnd Renten entrüsten? muß man hierumb die Kräfften deß gemeinen Wesens/ so in Zöllen vnd Gefällen bestehen/ gantz von- einander lösen? Dann gesetzt daß jhm also sey/ vnd daß diejenigen/ so einen jeden nach seinem Vermögen zu Vbertragung der Be- schwerden eintheilen sollen/ fehlen: Item/ daß die Diener mit Pfän- dung auß der weise harte verfahren; wöllet jhr darumb die Schuldt den Königen/ vnter denen sich dieses begiebet/ zumessen? Wirdt darumb die Gewalt der Könige weniger billich seyn? Ich meine [791] das recht/ von welchem wir sagen/ die Schatzung anzulegen. Es sey dann daß die Sachen/ oder das Gesetze/ oder das Recht vn- recht sindt/ wann wir jhrer nicht recht gebrauchen/ vnd jhre Na- tur nach derer denen sie anvertrawet sindt Tugendt oder Laster von sich legen. Wie wann das Volck bewilliget hette/ euch eine Schat- zung zuenrichten? Es sey nichts billichers; werdet jhr sagen. Wann aber in derselben Einsamlung/ wie offtmals geschiehet/ mit einem vnd dem andern Vnterthanen vnrecht oder scharff vmbgegangen wurde/ solte nach solcher Vnbilligkeit das jenige auffhören billich zu seyn/ was vom Volck einmal genehm gehabt worden ist? Es ist kein rechter König/ der nicht Macht habe ohn deß Volckes Fürwis- sen Krieg anzusagen oder Frieden zumachen. Wann er aber sich dessen Rechtes vnbedächtig anmassete/ vnd jhm Feinde machte/ oder sie vermessentlich reitzete/ wie viel schädtlicher würde dieses dem Volcke seyn/ als jrgendt ein Geitz der Tributen? Nichts desto- weniger werdet jhr nicht sagen/ daß diese Gewalt der Waffen nicht gantz recht vnd billich sey/ weil wir derselben/ wie kundt ist/ höch- lich mißbrauchen können: daß jhr also hierauß verstehet/ man müsse von der Gesetze Billigkeit selber auß der Menschen bösen Art/ vnd Laster nicht vrtheilen.

Ihr sagtet Könige solten es mit jhrem Glimpffe vnd guter Regie- rung machen/ daß jhnen zu Be-[792]lohnung jhrer Tugendt von den Vnderthanen die Schatzungen freywillig erleget würden. Ihr wisset nicht/ welche Könige von dem Volcke fürnemlich geehret werden; wie es offtmals billiches Fürhaben außschlage/ wie es sich durch falsche Tugenden oder scheinbare Laster betriegen lasse/ vnd endtlich wie seine Zuneigungen der gemeinen Wolfahrt zuwieder lauffen. Man würde dem Völcklein schmeicheln müssen/ vnd nach seinem belieben die Geschäffte treiben/ damit es Fürsten wegen +

[Druckausgabe S. 476]
jhrer Nachsehung belohne. Es wirdt für sein Geldt den Zaum ab- werffen: für sein Geldt mutwillig seyn/ vnd für sein Geldt verderben. Es wird vmb das Menschliche Wesen vbel stehen/ wann sich Kö- nige nicht guten/ sondern vielen Leuten zu Gefallen befleissen wer- den.

Man helt dafür/ je mehr man das Wasser außschöpffet/ je gesün- der es wirdt; hergegen wann man es nicht rühret/ so verstopffet es sich vnd vergehet. Eben also ist es mit deß gemeinen Mannes Kräff- ten vnd Gemütern: sie verderben durch Müssiggang. Wöllet jhr der- halben sagen/ daß die Stachel nicht sehr nützlich sindt/ welche sie zu ersprößlichem Fleisse aller Tugenden auffmuntern/ vnd in keine Nachlässigkeit gerahten lassen? Nun sind keine spitziger/ als das Geldt so sie Königen zinsen müssen. Dann ob sie schon auß Faul- heit lieber von wenigem leben/ vnd den Leib lieber nicht kostbar- lich halten/ als durch Arbeit zu Reichthumb gelangen wol-[793]ten/ so dorffen sie doch dessentwegen nicht nachlässig seyn: sondern ob sie jhrer selbst schon nicht Sorge tragen/ so werden sie doch we- gen deß Königes vnd Vatterlandes zu arbeiten haben/ damit sie die Schatzungen erlegen können/ welche ohn alle Mittel auch von trä- gen vnd vnwilligen Leuten erfodert werden. Also/ in dem sie einem andern zum besten müssen fleissig seyn/ lernen sie für sich gleich- fals arbeiten. Kurtz hernach wirdt sie die Gewonheit der Mühe vnd Fleisses mehr als jhrer eigener oder deß Königes Nutz anhalten. Dannher kömpt die Zier der Künste/ die Lebhafftigkeit der Leiber vnd Gemüter/ vnd in aller gleicher Embsigkeit der Lande nichts zartes oder vppiges sondern mannliches vnd ansehliches Reich- thumb. Eben durch dieses Mittel wird der vnerfahrene vnd grobe Pöfel/ vnd die Leute so auff dem Lande deß Viehweydens oder Pflu- ges abwarten/ durch die Arbeit gezähmet/ vnd durch Empfindung seines Standes erinnert/ daß sie zu gehorsamen nicht zubefehlen geboren sind; die sonsten/ wann die Tribute/ welche sie zum Fleisse auffwecken/ in der Könige Macht nicht stehen/ offtmals wilde vnd vnbändig in närrische oder auch gefährliche Hoffart gerahten. Dann die Gemüter/ so in der Tugend nicht außgeübet sindt/ geben den Lasteren raum/ wie ein vngebawter Acker den man nicht be- säen wollen von vnnützen Kräutern außgesogen vnd verderbet wird.

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[Druckausgabe S. 477]

Ich lasse es auch zu/ daß Gesetze sindt/ welche [794] die Nach- lässigkeit vnd Müssiggang straffen/ vnd daß der gemeine Pöfel von sich selber zu der Arbeit genugsam geartet sey. Wir wöllen vber diß gestehen/ es mangele dem Volcke am Vrtheil nicht/ vnd werde von dem seinigen auff Begehr deß Fürstens dem gemeinen Wesen gern beyspringen. Wie aber wann Sachen fürlauffen so eine Eyl er- fordern/ vnd ohn allgemeine Vnkosten nicht können geführet wer- den? In dem man das Volck ermahnet/ in dem man gewisse Abge- sandten erheischet/ vergehen etzliche Monat; die Geschäffte aber erwarten solcher Ceremonien nicht/ vnd verleuret sich vnter dieser Verweilung die Gelegenheit etwas fortzustellen/ oder stösset eine solche Noht für/ die man alsbaldt hette ablehnen können/ wann bahre Bezahlung bey Handen gewesen were. Erkennet jhr nicht auß gegenwärtigem ewerem Zustandt/ wie billich ich vber solche Ge- bräuche klage? Es ist ein außländischer Feindt für Augen; Krieg aber muß nicht weniger mit Golde als mit Eysen geführet werden. Weil nun der Feindt eher zur Stelle seyn wirdt/ als das Volck zu- sammen kommen kan/ so wirdt es euch an Geldtstewer mangeln/ dadurch jhr das Volck erhaltet/ vnd auß benachbarten Landen Hül- ffe werben könnet.

So kommen auch Königen nicht allein plötzliche/ sondern auch offtmals geheime Sachen für/ [795] die in alle wege müssen ver- schwiegen bleiben/ vnd doch auff diese Art Gelt einzubringen kaum können verdeckt bleiben. Wann jhr gesonnen weret den Feindt ehe er sich verfasset anzufallen/ oder vnversehens das jenige was er euch für diesem abgenommen hat wider zuholen; als ist daran ge- legen/ daß weder er noch auch die Nachbarschafft den Rahtschlag erfahre. Wann jhr nun zu solchem Fürhaben notwendig von den Vnderthanen Gelt begehret/ vnd eine Zusammenkunfft ansetzet/ wöllet jhr die Heimligkeit ewers Gemüths offenbaren? so wirdt zu- gleich der beste Theil ewers Anschlags zu nichte werden. Im Fall jhr aber (wie geschehen muß) mit ewerem Fürsatze hinder dem Berge haltet; was wöllet jhr bey dem gemeinen Mann für Vrsach bringen/ warumb jhr den Tribut fordert? wie wöllet jhr jhn treiben wann er säumig ist? Vermeinet jhr vber dieses daß in dessen die Feinde/ so vmb euch her sind/ oder diejenigen/ denen daran gele- +

[Druckausgabe S. 478]
genist daß jhr still sitzet/ nicht Nachfrage halten vnd schlaffen werden? Wann jhr sie nun gleich betrogen hettet durch die ordent- liche Macht Schatzung abzunemen/ so würden sie doch durch die Menge der Zusammenkunfft von allen Provintzen/ welche ver- borgen nicht bleiben kan/ zu Argwohn vnd jhrer Auffacht angereit- zet werden.

Da aber (wie offtmals geschihet) die Vnderthanen mit dem Kö- nige nicht wol stünden/ wann sie [796] auß Verachtung oder Haß jhm mit Fleisse zuwider lebten/ vnd seine wiewol gute Rahtschläge in den Windt schlügen/ was würde endlich darauß erfolgen? Wie vnerfahrene Leute/ wann sie den Feindt beschädigen wöllen/ sich selber treffen; also würde das Volck seine vnd deß Vatterlands Gur- gel verwunden/ da es den König zubeschädigen meinete/ in dem es jhm die beyschiessung deß Gelds/ so das gemeine Wesen erhiesche/ versagen wolte.

Letztlich/ was wöllen wir die königliche Macht/ welche auch die jenigen/ so sie nicht versuchen wöllen/ für die beste halten/ noch schwächer machen/ als die deren sich anderswo die fürnembsten deß Landes zugebrauchen haben? Dann gewiß in denen Provintzen/ da die höchste Gewalt bey dem Raht stehet/ pflegt das Volck weder zu Raht gezogen noch ersuchet werden/ ob es dem gemeinen We- sen mit seiner Beystewer zu helffen gesonnen sey. Der Raht sinnet selber nach/ schaffet/ befihlet/ vnd wil dem Volck solche Macht nicht einräumen/ die/ wann wir es bedencken/ in Warheit bey Landsre- gierung das fürnembste ist. Warumb sollen nun sie das Recht haben/ vnd nicht auch die Könige? Wann Könige/ sag ich/ nicht weniger Gesetze auffrichten können/ als die Herren einer andern Policey/ wann sie nicht geringere Macht haben vber Leben vnd Todt der Vnterthanen/ wann sie ebenmässiger Würden sind Kriege anzu- kündigen vnd Bündnüsse zuschliessen/ welches dann die Leute für das grösseste halten/ warumb sol-[797]len sie dann allein hier in Aufflage der Tribute nicht gleiche gehen? Welch Gesetz/ welch Volck hat es so geordnet? wannher kömpt dieser Vnterscheidt? oder warumb sollen die Könige sich dem Volcke vnterwerffen/ welches geringe Herren zuthun vnterlassen?

Aber es können geitzige vnnd freygebige Fürsten in diesem dem Volcke vnrecht thun. Das kan auch in andern Sachen geschehen/ die wir darumb jhnen nicht entziehen. Welch schwerdt ist so reine vnd gerecht/ das nicht mit vnschüldigem Blute könne besudelt wer

[Druckausgabe S. 479]
denauß Vnbedachtsamkeit dessen der es träget? Sie werden aber das Landt mit zusammenhäuffung deß Geldes erschöpffen. Es ist ein Vbel das selten kömpt/ vnnd wann es sich begiebet nicht lange wehret. Dann es geschiehet vnter wenigen Königen/ welche jhre Schatzkammer vnnötiger weise bereichern/ vnnd ist Fürstlicher Na- tur dieses Laster dermassen zu entgegen/ daß man schwerlich zwene die baldt auff einander regieret haben darmit wirdt befleckt finden. Vnter diesen aber/ die im einfodern vnd außgeben vnmässig sindt/ wiewol sie mit vnbillicher Begiehr viel beleidigen/ so hat dennoch das allgemeine Vbel solchen Trost/ daß wie der Oceanus die Wässer der Flüsse/ die er an sich genommen hat/ der Erden durch Nebel vnnd Regen wieder gibet/ also auch sie durch jhre für- neme Herren/ denen sie alles schencken/ dem Volcke wiederumb liefern was sie jhm hatten außgesauget. Ferner wiewol dem gemei- [798]nen Frieden daran gelegen ist/ daß ein Fürst seiner Vndertha- nen Trew mit vnmässigen Aufflagen nicht reitze; dennoch/ wann jhr nachdencket/ werdet jhr befinden/ daß die Völcker/ welche nach beliebung der Könige jhre Schatzung herschiessen müssen/ so offt nicht rebellirt haben/ als die so an solche Gedult nicht gewehnet sindt. Also ist die Mastung deß Volckes/ vnd der Schein einer gar zu grossen Freyheit dem gemeinen Wesen offtmals mehr schädlich/ als die vnbilliche Schärffe strenger Fürsten.

Hyanisbe schämet sich zu bekennen/ daß sie so baldt were ge- ändert worden. Dann Poliarchus hatte sie leichtlich beredet/ daß den Königen solch Recht gebührete. Darumb billichte sie mit linderem reden/ vnd nur beschönter Widerlegung seine Meinung/ war auch auff Gutachten deß Poliarchus einen heimlichen Weg zu solcher Gewalt zu machen gesonnen. Sie forderte die fürnembsten Beamp- teten der Statt Lixa/ erzehlte kürtzlich die für Augen schwebende Kriegesgefahr/ vnd begehrte/ sie wolten jhr schleunig hundert schwere Talent von jhrer Vnderthanen Geldt zu wege richten. Sie gehorchten alsbaldt/ weil sie die Fürstellung der Noth genugsamb antrieb. Es wardt auch dieses Gelt mit glückhaffter Geschwindigkeit jnnerhalb zweyen Tagen entrichtet; daß also die andern Stätte durch dieses Exempel zu ebenmässigem Fleisse gezwungen worden. Es wardt gleichsfals die Vrsache der Freygebigkeit vnd Geschencke wegen deß GeburtsTags [799] der Hyanisben/ so damals gleich zu + +

[Druckausgabe S. 480]
recht einfiel/ geduppelt. Derselbe Tag wardt vngeachtet der Vn- ruhe mit solcher Fröligkeit gefeyret/ als ob man von nichts dann gutem Friede Wissenschafft trüge. Sie bancketirten in der Stadt vnd im Läger/ hatten sich vnd die Becher mit Kräntzen geziehret/ daß auch zu Nacht Gelanor/ der obrister Wachmeister war/ den Poliarchus berichtete/ er köndte sie von jhrem vnordentlichen Le- ben nicht zurückhalten. Er eylete auff die Schantzen zu/ wol wis- sendt/ daß man in Kriegeslaüfften dem Glück/ das zu plötzlichen Fällen Lust hat/ keine Zeit einräumen solle/ darinnen es vnvor- sichtige Leute/ wie sie auch verdienen/ vberraschen könne. Aber der meiste Theil/ so der Wein bezwungen/ schlieffen allbereit. Sie lagen vnter den Trinckgeschirren/ etliche sungen vnd wusten nicht zu gehorsamen; nicht allein die Mohren/ sondern auch die schlech- ten Soldaten der Gallier. Poliarchus befahl dem Gelanor vnd ande- ren so nüchtern waren das Läger vnd die Wacht an/ vnd machte sich widerumb auff die Statt zu.

[800: Kupfer Nr. 16]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),