Das XVIII. Capitel.
ALs Poliarchus in solchen Gedancken war/ kam jhm für/ als ob
sein Schiff weder durch die Winde noch die Ruder genugsam fort-
getrieben wurde. Derhalben gieng er auff den Bäncken hin vnd
wider/ vnd vermahnete die Boßleute/ als sich das Vngewitter er- hub/ vnd sie auß dem fürgenommenen Lauffe brachte. Er/
wiewol sein Gemüte vnerschrocken war/ als er sahe wie die Wellen
mehr vnd mehr auffsprungen/ vnd jhm Augenscheinlich den Todt dräwe-
ten/ machte die Liebe gegen seine Mutter vnd Braut/ daß er sich
förchtete zu sterben. Derhalben wie er spürete/ daß sie wegen
grösse deß Vbels verzweiffelten/ vermahnete er sie nicht zu
verzagen/ vnd das eusserste zu gedencken. Das gute Glück were jhm
besser be- wogen/ als daß es jhn in solchem Alter solte ersauffen
lassen. Wie- wol er sie nun durch diese Hoffnung zur Arbeit
auffgemundert hatte/ jedennoch kundten sie wider die strengen
Wellen wenig [762] verrichten/ biß
hernach/ als die Flotte so weit getrieben war/ daß sie ein frembdes
vnbekandtes Landt erblicken mochten/ die Vn- gestümmigkeit sich von
sich selber legte. Die Boßknechte kundten wegen Müdigkeit die Ruder
länger nit regieren/ vnd die Schiffe/ so von dem starcken
außschlagen der Wellen beschädiget waren/ auff der See auch
ferrner nicht tawren: welches den Poliarchus hertzlich kränckte/ als der in den
Gedancken stundt/ daß alle Tag die er ausser Sicilien verbrächte/
jhm vnd der Argenis den Todt verursachen köndten. Jedennoch mußte
er der einhelligen Meinung der Schiffer/ vnd der Gefahr deß
Schiffbruchs nachgeben. Dann er sorgte auch für seine
Wolfahrt der Argenis wegen. Derhalben hieß er an das nechste Vfer
lenden/ ob sie vielleicht die Schiffe allda sicher ein- setzen
köndten.
Sie wußten noch nicht/ was für Leute oder für Landt
daselbst were; daß es aber ein lustiger Ort seyn müßte/ zeigten
viel Bäume vnd kleine Hügel an dem Strande. Es lagen auch
allerley Kauff- vnd Fischerschiffe hin vnd wider zu Ancker.
Derhalben schickten
[Druckausgabe S. 458]
sie etliche Schiffleute auff einer geschwinden
Barcken voran/ sich zu erkündigen an was für Landes Gelegenheit sie
weren; welche den Poliarchus stracks hernach berichteten/ es sey
Mauritanien. Darauff er die Gestalt der Oerter von
dem obristen Schiffboden be- schawete/ vnd anfieng: O
Gelanor/ erkennet jhr den Fluß? erkennet jhr die
Statt Lixa? erkennet jhr das Frawenvorwerck auff [763]
dem Hügel? Dieses ist Mauritanien/ darinnen wir so viel Freunde ha- ben;
es ist der guten Königin Hyanisbe Landt. Das Glück ist vns nicht
gäntzlich zuwider/ welches vns nach solchem Schrecken hin- der vnserm Wissen in ein Königreich mit dem wir verbunden sindt/
getrieben hat. Damit wir sie aber mit vnserer Flotte so plötzlich
nicht erschrecken; so machet euch erstlich zu der Königin/ mit
Andeutung/ was für ein Zufall mich dahin verworffen/ vnd bittet
gebürlicher massen/ sie wölle meinen Schiffen den Hafen vergön- nen. Wir wolten vns indessen allhier auffhalten. Alsbaldt
kam das Geschrey vnter die Soldaten vnd Schiffer/ das Landt welches
sie für sich hetten were mit jhrem Könige befreundet; es würden
beydes Volck vnd Schiffe nicht minder gute Bequemigkeit haben als
in jhrem eigenen Vatterlande. Sie glaubten leichtlich was sie so
sehr wündtschten/ machten ein fröliches Geschrey/ vnd
hielten die Schiffe/ wie befohlen worden/ mit vmbgewandten Rudern
zurücke. Dann für der Königin Erlaubniß mochten sie in den Port
nicht ab- stossen.
So baldt Gelanor auff einem leichten Schiffe in den Fluß einfuhr/
wardt jhm durch einen schröcklichen Tumult die grosse
Sicherheit benommen. Dann der gantze Strandt vmbher war mit
Schiffen be- deckt/ vnd die Waffen hatten allenthalben das Vfer
erfüllet. Die Vr- sach der plötzlichen Erregung war gewesen/ daß
sie den Poliarchus
mit seiner Flotte [764] von ferrnen in der
See ersehen hatten. Dann es war jhnen zu Ohren kommen/ wie
jhm dann nicht anders/ daß ein feindliches Schiffheer wider sie
käme. Derhalben vermeinten sie es sey eben dieses/ vnd hatten im
Schrecken die Waffen ergriffen. Ausserhalb etlichen gerüsteten
Schiffen war noch wenig Volck bey- sammen; dann die Gefahr deß
künfftigen Krieges war jhnen erst kurtz zuvor Kundt gethan
worden. Die gantze Menge bestundt mehrentheils in Bürgern/ welche
in wütendem Getümmel den Gelanor mit vielen Schiffen vmbringeten; dann sie
hielten jhn für einen Heroldt deß herzunahenden Feinds/ der vnter
diesem Schein Kundschafft einziehen solte. Er/ wiewol er bestürtzt
wardt/ dennoch
[Druckausgabe S. 459]
sagt er zu vnderschiedlichen malen/ er als ein
Freund vnd Bunds- genosse/ habe nicht verdienet geförchtet oder so
vbel gehalten zu- werden; er würde vom Poliarchus zu der Königin gesendet. Letzt- lich
fandt sich einer der diesen Frembden kandte/ daß er nämlich für wenig Monaten nebenst dem Poliarchus mit höchster Begnadi- gung der Hyanisbe
auß diesem Vfer abgesegelt were. Dannher kam das Volck auff andere
Gedancken/ vnd fragten von der Flotte welche sie sahen. Er
berichtete/ es sey kein feindliches Heer wider Africa/ sondern Poliarchus mit seinen Soldaten. Also stieg er zu Landt/
vnd wardt zu der Königin geführet; welche sich vber
seiner An- kunfft so sehr erfrewete (weil sie zuvor wegen
Einbildung gegen- wärtigen Kriegs erschrocken war) daß sie nicht so
sehr [765]
glaubte/ Poliarchus mit seinen Heereskräfften/ als die
Schutzgötter vber Africa weren selbst ankommen. Sie schickte eylendts
etliche von den Herren/ so den Poliarchus auff das Landt laden solten. Nachmals
fragte sie den Galanor weitleufftig/ vber was für Völcker Poliarchus herschete/ wieder welche er Krieg führen
wolte/ vnnd auß was Vrsachen er für diesem vnter gemeiner Tracht
seine Maje- stät verborgen hette. Gelanor dem nicht vnwissent war was er schweigen oder offenbahren solte/ erquickte der Königin Gemüte
mit angenehmen Gesprächen/ daß sie jhm kümmerlich vergönnete
zu seinem Herren vmb zukehren/ jhn wegen angenehmer empfan-
gung zu berichten.
Es war allbereit der fünffte Tag/ seidt die Königin/
heimlicher vnnd allgemeiner Sorgen halben/ kaum etwas von
Speise zu sich ge- nommen hatte. Dann als Radirobanes auff erlangeten Spott wegen
vnverschämpter Vbelthat wieder die Argenis nach Calaris zurück gelanget war/ vnd die Schande
seines bösen Anschlages erwogen hatte/ besorgte er sich/ seine
Vnterthanen möchten ins künfftig so viel auff jhn mehr nicht
halten; weil er wol wuste/ daß der Pöfel vnnd die Soldaten von
Fürsten nach jhrem Fortgange zu vrtheilen pflegen/ daß man
glückseligen Leuten etwas für eine Tugendt zu- schriebe was nur ein
blosses Glück ist/ vnnd daß vergebener An- schlag Verachtung zu
Lohn habe. Derowegen damit durch Müssig- gang nicht allerley
Reden außge-[766]sprenget würden/ vnd er vber
diß sein vnruhiges Gemüthe mit empfindung newer Erregung küh-
lete/ als beliebete jhm newe Kriegsverfassung anzuheben; so
baldt
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[Druckausgabe S. 460]
aber widerumb in Sicilien zu kommen/ hielte er nicht
für raht- sam. Dann/ weil er nicht zweiffelte/ daß man daselbst
seiner ge- wärtig were/ so kundte er wol gedencken/ man würde jhm
zu be- gegnen in voller Bereitschafft stehen. Er mußte vielmehr
jemandt anders suchen wider den man die Kräfften wendete/ daß
die noch vnaußgeübten Soldaten zu den Waffen angewehnet würden/ vnd
er nachmals/ wann die Sicilier wegen Säumnisses sich nichts besorg- ten/
den Meleander vnversehens vberfallen köndte. Es mangelte
jhm auch nicht an Gelegenheit sein Verlangen zu begnügen. Er hatte schon längst einen Anschlag auff Mauritanien gehabt. Vnd dessentwegen hatte er auch
die Flotte außgerüstet/ welche hernach/ als er die Argenis vnd
Sicilien zu erlangen verhoffte/ wider den Ly- cogenes mit besserer
Vrsach geführet wardt. Dieses mal aber kamen jhm widerumb die
Gedancken ein/ Mauritanien anzugreiffen/ wie er dann auch
newen Anlaß zubekommen schiene. Etliche Mohri- sche Seerauber/
welche den jhrigen nicht weniger Schaden thun als Außländern/
hatten ohngefehr Sardinische Kauffleute geplündert; vnnd solche
Klage der beraubeten hörete er bey seiner Zurück- kunfft auß
Sicilien sehr gerne. Baldt darauff/ als ob [767]
dieses Vnrecht mit Wissen vnnd Willen deß gantzen
Mauritanien ge- schehen were/ schickte er zur
Hyanisbe/ die Sachen nicht allein wieder abzufodern/ sondern auch
die Verbrecher zur Straffe zu ziehen. Sie gab zur Antwortt; daß
weder etwas mit jhrem Bewust abgenommen worden/ noch sie die
Schüldigen in jhrer Gewaldt het- te/ oder für jhre
Vnterthanen hielte. Wo die Sardinier der Verbrecher mächtig werden
köndten/ solten sie sich an jhnen rechen: sie wolte so viel jhr
möglich in gleichen es nicht so lassen hingehen. Radiro- banes
legete der Königin Antwort bey dem Volcke zum ärgsten auß/ stellete
sich sehr zornig/ mit fürgeben/ Sardinien würde von den Mauritaniern
verächtlich gehalten/ vnd darumb hetten sie der Anklage gespottet/
weil man jhnen mit Bedräwungen nicht begeg- net were.
Derhalben/ als ob der Friede genugsam were gebrochen
worden/ satzte er jhm für/ nicht allein sich wegen der Kauffleute
zuerholen/ sondern auch seiner Vorfahren Streitt mit der
Mauritanischen
Köni-
+
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[Druckausgabe S. 461]
ginzu ernewern. Dann die alten Sardinischen Könige
haben offt- mahls mit Kriege verfochten/ daß die Mauritanische
Krone jhnen gehörig were. Nachmals/ wann durch Stillstandt deß
Krieges oder den Nahmen deß Friedens die Strittigkeit ein wenig
beygeleget ge- wesen/ hat man sie (im [768]
Fall es dem folgenden Könige gefal- len) widerumb
von newem herfür gesucht/ vnd ist die Begier zu den Waffen mit dem
Schein einer Billigkeit bedeckt worden. Also befandt es damals
Radirobanes/ sich der Heerskrafft/ welche er gantz
ergrimmet auß Sicilien widergebracht/ zugebrauchen. Der Sieg
schiene jhm auch destoleichter zuseyn/ weil Mauritanien von einem Weib beherschet würde.
Nichts destoweniger/ damit diese Begier der Gewalt vnd Waffen eine
Beschönung deß Rechtens hette/ schickten sie einen Heroldt auß/ der
zum Krieg Anfang machte/ in dessen daß man in Sardinien die Regimenter mit newen Soldaten er- gäntzte. Dieser/ als er zu Lixa angelangt/ vnd bey der Königin Hyanisbe
fürgelassen worden/ trug er jhr auß Zuversicht seines allenthalben
freyen Ampts vnerschrocken für/ daß/ wann sie die Kron nicht
abtrette/ vnd dem Radirobanes
Mauritanien vbergebe/ die Sardinier sich jhres
Rechtens mit vielem Volck habhafft ma- chen würden. Die
Königin/ so vber diesem vnversehenen Vbel er- schrack/ gab doch
nichtsdestoweniger diese vnverzagte Antwort: Radirobanes würde dessen wenig Ehr haben/ daß er ein
Weib stürt- zen wolte/ der vielleicht seine Kräfften gegen Männern
nicht ver- suchen dürffte. So vieler Jahre Frieden zu brechen/ da
niemandt beleydiget/ noch jrgendt ein Zwispalt vnter den
Völckern erregt worden/ sey nicht weit vom Meineyde. Die Götter
liessen sich nicht betriegen; so mangele es an Menschlichen Mitteln
keines wegs; es sey [769]
auch Thomyris nicht allein/ welche Blutdürstigen jhren
Durst mit Blute stillen können. Als der Heroldt von jhr/ vnd an das
Vfer kommen/ hielt er einen Spieß in der rechten Handt/
vnd/ weil/ sagte er/ die Mauritanier der Sardinier gemeines Wesen
beleydigen/ vnd nach gethaner Warnung auff jhrer Verstockung
beharren; weil auch der König vnnd das Sardinische Volck der
Mauritanischen Königin vnnd Volcke durch mich Krieg zu entbieten
lassen; als sey hiermit von mir von dem Sardinischen Könige
vnnd dessen Volcke der Königin vnnd Volcke in Mauritanien Krieg angesaget. Auff
+
+
[Druckausgabe S. 462]
diese Worte/ stieß er mit dem Spiesse gegen dem
Lande der Feinde/ gieng wider zu Schiffe/ vnd nam seinen Weg zum
Radirobanes.
Die fürnembsten Freunde verwiesen es der Hyanisbe/ daß sie
jhren Sohn/ der sich dessen Krieges annehmen sollen/ ausserhalb Landes verreisen lassen. Auß dieser Vrsachen hette Radirobanes
Anlaß genommen sie zu verachten. Der Feind käme als in ein ver-
wäisetes Landt/ vnnd fragte nach einem solchen Heere nicht/ in
dem man den männlichen Königspurpur nicht gläntzen sehe. Ihre
Entschuldigung war/ das Glück were mehr als sie zuschelten/ welches den ruhigen Zustandt mit vnvermeintem Vngewitter
ver- worren hette. Es sey jhr Sohn auch nicht ferrne/ vnd würde
eylendts zurücke gelangen/ nach empfangung der Schreiben die sie
jhm vbersenden wolte. Indessen solle man Volck zusammen [770]
le- sen/ vnd an dem Fleisse/ welchen
gegenwärtige Zeiten erfoderten/ nichts erwinden lassen. Kaum
zwey Tage hernach/ als sie mit jhren Rähten wegen jnstehender
Geschäfften Vnterredung hielt/ ward angemeldet/ daß der eine von
jhres Sohnes Dienern (Dann er nicht mehr als zwene mit sich
genommen) nach Hofe kommen we- re. Sie wurden sämptlich bestürtzt/
vnd schiene diese Glückseligkeit der Eytelkeit der Fabeln nicht vnähnlich zuseyn; daß gleich auff die Zeit/
da man von dem Printzen redete/ seiner guten Gesundtheit wegen/ vnd
wo er anzutreffen were/ Bericht einkäme. Die Vrsache aber warumb
der Diener zur Königin geschicket worden/ war diese. Archombrotus/ nach dem er gespüret/ daß zu Fortstellung
seiner Heyraht weiter nichts mangele als das einwilligen
seiner Mutter/ damit er jhme an solchem Glück nicht selber im Wege
stünde/ sandte er den Diener zu jhr mit solchen Schreiben/ wie ein
Jüngling/ vnd ein verliebter/ so doch neben solcher Reitzung der
mütterlichen Ge- walt nicht vergessen/ außfertigen können. Diese
Mutter nun war Hyanisbe/ vnd jhn nennete man in seinem Lande
Hyempsal. Als er aber auff Befehl der Mutter mit
Verbergung seines Standes in Grie- chenland geschiffet ist/ hat er
einen Namen der diesem Lande ge- mässe gewesen angenommen. In
selbigem Schreiben erzehlte er/ daß er wegen Ehrerbietung gegen
seiner Mutter jhrem Befehl nach
[771] seinen Standt vnd Wesen trewlich
verborgen gehalten: Es stosse aber nunmehr ein solches Glück auff/
als niemandt ver- hoffen noch gedencken können; Die Verwandschafft
nämlich eines
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[Druckausgabe S. 463]
sehr mächtigen Königs/ die besitzung Siciliens/ und
eine Princes- sin derer Gaben höher weren als solche grosse
Erbschafft. Bitte er demnach/ sie wölle jhm erlauben/ daß er dem
Könige/ dem er/ vn- geachtet er jhn nicht gekandt/ so wol gefallen
hette/ seine stattliche Ankunfft eröffnen möchte. Vber diß
geruhe sie die fürnembsten deß Königreichs/ nebenst Gelde vnd so
viel Zugehör als zur Hoheit Mauritaniens bey den Siciliern/ die seine Vnderthanen werden sol- ten/
von nöthen were/ zum Beylager zu vbersenden.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),