Das XVIII. Capitel.

[761] Den Poliarchus vberfällt das Vngewitter/ vnd treibet jhn in Mauritanien. Gelanor wirdt zu der Hianisbe geschickt. Annehmung deß Poliarchus. Anschlag deß Radirobanes auff Africa: Deß Archombrotus Schreiben.

Das XVIII. Capitel.

ALs Poliarchus in solchen Gedancken war/ kam jhm für/ als ob sein Schiff weder durch die Winde noch die Ruder genugsam fort- getrieben wurde. Derhalben gieng er auff den Bäncken hin vnd wider/ vnd vermahnete die Boßleute/ als sich das Vngewitter er- hub/ vnd sie auß dem fürgenommenen Lauffe brachte. Er/ wiewol sein Gemüte vnerschrocken war/ als er sahe wie die Wellen mehr vnd mehr auffsprungen/ vnd jhm Augenscheinlich den Todt dräwe- ten/ machte die Liebe gegen seine Mutter vnd Braut/ daß er sich förchtete zu sterben. Derhalben wie er spürete/ daß sie wegen grösse deß Vbels verzweiffelten/ vermahnete er sie nicht zu verzagen/ vnd das eusserste zu gedencken. Das gute Glück were jhm besser be- wogen/ als daß es jhn in solchem Alter solte ersauffen lassen. Wie- wol er sie nun durch diese Hoffnung zur Arbeit auffgemundert hatte/ jedennoch kundten sie wider die strengen Wellen wenig [762] verrichten/ biß hernach/ als die Flotte so weit getrieben war/ daß sie ein frembdes vnbekandtes Landt erblicken mochten/ die Vn- gestümmigkeit sich von sich selber legte. Die Boßknechte kundten wegen Müdigkeit die Ruder länger nit regieren/ vnd die Schiffe/ so von dem starcken außschlagen der Wellen beschädiget waren/ auff der See auch ferrner nicht tawren: welches den Poliarchus hertzlich kränckte/ als der in den Gedancken stundt/ daß alle Tag die er ausser Sicilien verbrächte/ jhm vnd der Argenis den Todt verursachen köndten. Jedennoch mußte er der einhelligen Meinung der Schiffer/ vnd der Gefahr deß Schiffbruchs nachgeben. Dann er sorgte auch für seine Wolfahrt der Argenis wegen. Derhalben hieß er an das nechste Vfer lenden/ ob sie vielleicht die Schiffe allda sicher ein- setzen köndten.

Sie wußten noch nicht/ was für Leute oder für Landt daselbst were; daß es aber ein lustiger Ort seyn müßte/ zeigten viel Bäume vnd kleine Hügel an dem Strande. Es lagen auch allerley Kauff- vnd Fischerschiffe hin vnd wider zu Ancker. Derhalben schickten

[Druckausgabe S. 458]
sie etliche Schiffleute auff einer geschwinden Barcken voran/ sich zu erkündigen an was für Landes Gelegenheit sie weren; welche den Poliarchus stracks hernach berichteten/ es sey Mauritanien. Darauff er die Gestalt der Oerter von dem obristen Schiffboden be- schawete/ vnd anfieng: O Gelanor/ erkennet jhr den Fluß? erkennet jhr die Statt Lixa? erkennet jhr das Frawenvorwerck auff [763] dem Hügel? Dieses ist Mauritanien/ darinnen wir so viel Freunde ha- ben; es ist der guten Königin Hyanisbe Landt. Das Glück ist vns nicht gäntzlich zuwider/ welches vns nach solchem Schrecken hin- der vnserm Wissen in ein Königreich mit dem wir verbunden sindt/ getrieben hat. Damit wir sie aber mit vnserer Flotte so plötzlich nicht erschrecken; so machet euch erstlich zu der Königin/ mit Andeutung/ was für ein Zufall mich dahin verworffen/ vnd bittet gebürlicher massen/ sie wölle meinen Schiffen den Hafen vergön- nen. Wir wolten vns indessen allhier auffhalten. Alsbaldt kam das Geschrey vnter die Soldaten vnd Schiffer/ das Landt welches sie für sich hetten were mit jhrem Könige befreundet; es würden beydes Volck vnd Schiffe nicht minder gute Bequemigkeit haben als in jhrem eigenen Vatterlande. Sie glaubten leichtlich was sie so sehr wündtschten/ machten ein fröliches Geschrey/ vnd hielten die Schiffe/ wie befohlen worden/ mit vmbgewandten Rudern zurücke. Dann für der Königin Erlaubniß mochten sie in den Port nicht ab- stossen.

So baldt Gelanor auff einem leichten Schiffe in den Fluß einfuhr/ wardt jhm durch einen schröcklichen Tumult die grosse Sicherheit benommen. Dann der gantze Strandt vmbher war mit Schiffen be- deckt/ vnd die Waffen hatten allenthalben das Vfer erfüllet. Die Vr- sach der plötzlichen Erregung war gewesen/ daß sie den Poliarchus mit seiner Flotte [764] von ferrnen in der See ersehen hatten. Dann es war jhnen zu Ohren kommen/ wie jhm dann nicht anders/ daß ein feindliches Schiffheer wider sie käme. Derhalben vermeinten sie es sey eben dieses/ vnd hatten im Schrecken die Waffen ergriffen. Ausserhalb etlichen gerüsteten Schiffen war noch wenig Volck bey- sammen; dann die Gefahr deß künfftigen Krieges war jhnen erst kurtz zuvor Kundt gethan worden. Die gantze Menge bestundt mehrentheils in Bürgern/ welche in wütendem Getümmel den Gelanor mit vielen Schiffen vmbringeten; dann sie hielten jhn für einen Heroldt deß herzunahenden Feinds/ der vnter diesem Schein Kundschafft einziehen solte. Er/ wiewol er bestürtzt wardt/ dennoch

[Druckausgabe S. 459]
sagt er zu vnderschiedlichen malen/ er als ein Freund vnd Bunds- genosse/ habe nicht verdienet geförchtet oder so vbel gehalten zu- werden; er würde vom Poliarchus zu der Königin gesendet. Letzt- lich fandt sich einer der diesen Frembden kandte/ daß er nämlich für wenig Monaten nebenst dem Poliarchus mit höchster Begnadi- gung der Hyanisbe auß diesem Vfer abgesegelt were. Dannher kam das Volck auff andere Gedancken/ vnd fragten von der Flotte welche sie sahen. Er berichtete/ es sey kein feindliches Heer wider Africa/ sondern Poliarchus mit seinen Soldaten. Also stieg er zu Landt/ vnd wardt zu der Königin geführet; welche sich vber seiner An- kunfft so sehr erfrewete (weil sie zuvor wegen Einbildung gegen- wärtigen Kriegs erschrocken war) daß sie nicht so sehr [765] glaubte/ Poliarchus mit seinen Heereskräfften/ als die Schutzgötter vber Africa weren selbst ankommen. Sie schickte eylendts etliche von den Herren/ so den Poliarchus auff das Landt laden solten. Nachmals fragte sie den Galanor weitleufftig/ vber was für Völcker Poliarchus herschete/ wieder welche er Krieg führen wolte/ vnnd auß was Vrsachen er für diesem vnter gemeiner Tracht seine Maje- stät verborgen hette. Gelanor dem nicht vnwissent war was er schweigen oder offenbahren solte/ erquickte der Königin Gemüte mit angenehmen Gesprächen/ daß sie jhm kümmerlich vergönnete zu seinem Herren vmb zukehren/ jhn wegen angenehmer empfan- gung zu berichten.

Es war allbereit der fünffte Tag/ seidt die Königin/ heimlicher vnnd allgemeiner Sorgen halben/ kaum etwas von Speise zu sich ge- nommen hatte. Dann als Radirobanes auff erlangeten Spott wegen vnverschämpter Vbelthat wieder die Argenis nach Calaris zurück gelanget war/ vnd die Schande seines bösen Anschlages erwogen hatte/ besorgte er sich/ seine Vnterthanen möchten ins künfftig so viel auff jhn mehr nicht halten; weil er wol wuste/ daß der Pöfel vnnd die Soldaten von Fürsten nach jhrem Fortgange zu vrtheilen pflegen/ daß man glückseligen Leuten etwas für eine Tugendt zu- schriebe was nur ein blosses Glück ist/ vnnd daß vergebener An- schlag Verachtung zu Lohn habe. Derowegen damit durch Müssig- gang nicht allerley Reden außge-[766]sprenget würden/ vnd er vber diß sein vnruhiges Gemüthe mit empfindung newer Erregung küh- lete/ als beliebete jhm newe Kriegsverfassung anzuheben; so baldt +

[Druckausgabe S. 460]
aber widerumb in Sicilien zu kommen/ hielte er nicht für raht- sam. Dann/ weil er nicht zweiffelte/ daß man daselbst seiner ge- wärtig were/ so kundte er wol gedencken/ man würde jhm zu be- gegnen in voller Bereitschafft stehen. Er mußte vielmehr jemandt anders suchen wider den man die Kräfften wendete/ daß die noch vnaußgeübten Soldaten zu den Waffen angewehnet würden/ vnd er nachmals/ wann die Sicilier wegen Säumnisses sich nichts besorg- ten/ den Meleander vnversehens vberfallen köndte. Es mangelte jhm auch nicht an Gelegenheit sein Verlangen zu begnügen. Er hatte schon längst einen Anschlag auff Mauritanien gehabt. Vnd dessentwegen hatte er auch die Flotte außgerüstet/ welche hernach/ als er die Argenis vnd Sicilien zu erlangen verhoffte/ wider den Ly- cogenes mit besserer Vrsach geführet wardt. Dieses mal aber kamen jhm widerumb die Gedancken ein/ Mauritanien anzugreiffen/ wie er dann auch newen Anlaß zubekommen schiene. Etliche Mohri- sche Seerauber/ welche den jhrigen nicht weniger Schaden thun als Außländern/ hatten ohngefehr Sardinische Kauffleute geplündert; vnnd solche Klage der beraubeten hörete er bey seiner Zurück- kunfft auß Sicilien sehr gerne. Baldt darauff/ als ob [767] dieses Vnrecht mit Wissen vnnd Willen deß gantzen Mauritanien ge- schehen were/ schickte er zur Hyanisbe/ die Sachen nicht allein wieder abzufodern/ sondern auch die Verbrecher zur Straffe zu ziehen. Sie gab zur Antwortt; daß weder etwas mit jhrem Bewust abgenommen worden/ noch sie die Schüldigen in jhrer Gewaldt het- te/ oder für jhre Vnterthanen hielte. Wo die Sardinier der Verbrecher mächtig werden köndten/ solten sie sich an jhnen rechen: sie wolte so viel jhr möglich in gleichen es nicht so lassen hingehen. Radiro- banes legete der Königin Antwort bey dem Volcke zum ärgsten auß/ stellete sich sehr zornig/ mit fürgeben/ Sardinien würde von den Mauritaniern verächtlich gehalten/ vnd darumb hetten sie der Anklage gespottet/ weil man jhnen mit Bedräwungen nicht begeg- net were.

Derhalben/ als ob der Friede genugsam were gebrochen worden/ satzte er jhm für/ nicht allein sich wegen der Kauffleute zuerholen/ sondern auch seiner Vorfahren Streitt mit der Mauritanischen Köni- + + +

[Druckausgabe S. 461]
ginzu ernewern. Dann die alten Sardinischen Könige haben offt- mahls mit Kriege verfochten/ daß die Mauritanische Krone jhnen gehörig were. Nachmals/ wann durch Stillstandt deß Krieges oder den Nahmen deß Friedens die Strittigkeit ein wenig beygeleget ge- wesen/ hat man sie (im [768] Fall es dem folgenden Könige gefal- len) widerumb von newem herfür gesucht/ vnd ist die Begier zu den Waffen mit dem Schein einer Billigkeit bedeckt worden. Also befandt es damals Radirobanes/ sich der Heerskrafft/ welche er gantz ergrimmet auß Sicilien widergebracht/ zugebrauchen. Der Sieg schiene jhm auch destoleichter zuseyn/ weil Mauritanien von einem Weib beherschet würde. Nichts destoweniger/ damit diese Begier der Gewalt vnd Waffen eine Beschönung deß Rechtens hette/ schickten sie einen Heroldt auß/ der zum Krieg Anfang machte/ in dessen daß man in Sardinien die Regimenter mit newen Soldaten er- gäntzte. Dieser/ als er zu Lixa angelangt/ vnd bey der Königin Hyanisbe fürgelassen worden/ trug er jhr auß Zuversicht seines allenthalben freyen Ampts vnerschrocken für/ daß/ wann sie die Kron nicht abtrette/ vnd dem Radirobanes Mauritanien vbergebe/ die Sardinier sich jhres Rechtens mit vielem Volck habhafft ma- chen würden. Die Königin/ so vber diesem vnversehenen Vbel er- schrack/ gab doch nichtsdestoweniger diese vnverzagte Antwort: Radirobanes würde dessen wenig Ehr haben/ daß er ein Weib stürt- zen wolte/ der vielleicht seine Kräfften gegen Männern nicht ver- suchen dürffte. So vieler Jahre Frieden zu brechen/ da niemandt beleydiget/ noch jrgendt ein Zwispalt vnter den Völckern erregt worden/ sey nicht weit vom Meineyde. Die Götter liessen sich nicht betriegen; so mangele es an Menschlichen Mitteln keines wegs; es sey [769] auch Thomyris nicht allein/ welche Blutdürstigen jhren Durst mit Blute stillen können. Als der Heroldt von jhr/ vnd an das Vfer kommen/ hielt er einen Spieß in der rechten Handt/ vnd/ weil/ sagte er/ die Mauritanier der Sardinier gemeines Wesen beleydigen/ vnd nach gethaner Warnung auff jhrer Verstockung beharren; weil auch der König vnnd das Sardinische Volck der Mauritanischen Königin vnnd Volcke durch mich Krieg zu entbieten lassen; als sey hiermit von mir von dem Sardinischen Könige vnnd dessen Volcke der Königin vnnd Volcke in Mauritanien Krieg angesaget. Auff + +
[Druckausgabe S. 462]
diese Worte/ stieß er mit dem Spiesse gegen dem Lande der Feinde/ gieng wider zu Schiffe/ vnd nam seinen Weg zum Radirobanes.

Die fürnembsten Freunde verwiesen es der Hyanisbe/ daß sie jhren Sohn/ der sich dessen Krieges annehmen sollen/ ausserhalb Landes verreisen lassen. Auß dieser Vrsachen hette Radirobanes Anlaß genommen sie zu verachten. Der Feind käme als in ein ver- wäisetes Landt/ vnnd fragte nach einem solchen Heere nicht/ in dem man den männlichen Königspurpur nicht gläntzen sehe. Ihre Entschuldigung war/ das Glück were mehr als sie zuschelten/ welches den ruhigen Zustandt mit vnvermeintem Vngewitter ver- worren hette. Es sey jhr Sohn auch nicht ferrne/ vnd würde eylendts zurücke gelangen/ nach empfangung der Schreiben die sie jhm vbersenden wolte. Indessen solle man Volck zusammen [770] le- sen/ vnd an dem Fleisse/ welchen gegenwärtige Zeiten erfoderten/ nichts erwinden lassen. Kaum zwey Tage hernach/ als sie mit jhren Rähten wegen jnstehender Geschäfften Vnterredung hielt/ ward angemeldet/ daß der eine von jhres Sohnes Dienern (Dann er nicht mehr als zwene mit sich genommen) nach Hofe kommen we- re. Sie wurden sämptlich bestürtzt/ vnd schiene diese Glückseligkeit der Eytelkeit der Fabeln nicht vnähnlich zuseyn; daß gleich auff die Zeit/ da man von dem Printzen redete/ seiner guten Gesundtheit wegen/ vnd wo er anzutreffen were/ Bericht einkäme. Die Vrsache aber warumb der Diener zur Königin geschicket worden/ war diese. Archombrotus/ nach dem er gespüret/ daß zu Fortstellung seiner Heyraht weiter nichts mangele als das einwilligen seiner Mutter/ damit er jhme an solchem Glück nicht selber im Wege stünde/ sandte er den Diener zu jhr mit solchen Schreiben/ wie ein Jüngling/ vnd ein verliebter/ so doch neben solcher Reitzung der mütterlichen Ge- walt nicht vergessen/ außfertigen können. Diese Mutter nun war Hyanisbe/ vnd jhn nennete man in seinem Lande Hyempsal. Als er aber auff Befehl der Mutter mit Verbergung seines Standes in Grie- chenland geschiffet ist/ hat er einen Namen der diesem Lande ge- mässe gewesen angenommen. In selbigem Schreiben erzehlte er/ daß er wegen Ehrerbietung gegen seiner Mutter jhrem Befehl nach [771] seinen Standt vnd Wesen trewlich verborgen gehalten: Es stosse aber nunmehr ein solches Glück auff/ als niemandt ver- hoffen noch gedencken können; Die Verwandschafft nämlich eines + +

[Druckausgabe S. 463]
sehr mächtigen Königs/ die besitzung Siciliens/ und eine Princes- sin derer Gaben höher weren als solche grosse Erbschafft. Bitte er demnach/ sie wölle jhm erlauben/ daß er dem Könige/ dem er/ vn- geachtet er jhn nicht gekandt/ so wol gefallen hette/ seine stattliche Ankunfft eröffnen möchte. Vber diß geruhe sie die fürnembsten deß Königreichs/ nebenst Gelde vnd so viel Zugehör als zur Hoheit Mauritaniens bey den Siciliern/ die seine Vnderthanen werden sol- ten/ von nöthen were/ zum Beylager zu vbersenden.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),