[753] Beschreibung eines Vngewitters. Deß Arsidas Flotte wirdt verschlagen. Hernach kommen sie
bey Africa wieder zusammen. Deß Arsidas vnd Gobrias Rahtschlag vnd Entschliessung.
Das XVII. Capitel.
IN dessen ruheten nicht allein die Befehlichshaber vnd
Soldaten/ sondern auch der meiste Theil der Schiffleute. Es war nur der
einige Stewerman deß Hauptschiffes/ welchem die Lufft vnd die Art
deß Gebirges das an der Seiten Liguriens herlieget verdächtig war; weil
er erfahren hatte/ daß es vmb die Oerter wo es sich erniedriget vnd
wiederumb erhöhet/ durch die Enge der zertheileten Spitzen ge-
schwinde Sturmwinde auff die See zustossen pfleget. Derhalben ver- mahnete er die Boßgesellen zuwachen/ vnd in dem er auff alle
Winde Achtung gab/ war er gewiß keines guten gewärtig. Vmb Mit-
ternacht erhube sich von den Bergen ein Windt/ der zwar erstlich
zwischen den Mastsei-[754]lern nur ein wenig mit
rauschen spielete/
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[Druckausgabe S. 454]
baldt aber das stille Meer empor hub/ vnd den Himmel mit
Wol- cken bedeckete. Die Schiffknechte lieffen embsig auff vnd nieder/
fiengen vnter einander an zuschreyen/ vnd das Getümmel zwischen
welches die Wellen schlugen erfüllete allen die Ohren. Gobrias ward auffgeweckt/ vnd erkandte auß deß
Stewermanns Gesichte/ daß die Gefahr nicht muste geringe seyn. Ein jeder
warnete seinen Mitge- sellen/ ein jeglicher wolte befehlen; so daß der
Tumult derer die im Schiffwesen keine Nachricht hatten nicht mit minderer
Gefahr wuchs als das Vngewitter selber. Die schwartzen Wellen/ so wegen
Aufftreibung deß Sandes mitvnter gelbicht waren/ kundte man für
Finsterkeit der Nacht nicht erblicken; außgenommen wann sie mit
grossem krachen an einander stiessen/ vnd das Wasser/ als ob es durch
die Schläge entzündet were/ wie Flammen in die Höhe trugen vnd wiederumb
verschluckten. In solcher Tunckelheit sahe man allein den Schaum
der Flut gläntzen/ der offtmals mit hefftiger Gewalt/ so auff nichts gutes
zeigete/ vber die Seitenbreter sprang/ vnd mitten im Schiff leuchtete. Man
durffte den Anckern nicht trawen; dann sie liessen den Schiffen nicht
Platz/ daß sie den trei- benden Winden nachgeben kundten. Vber dieses sahe
man auch/
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wann die Schiffe nicht angehalten würden/ so
möchten sie selbst an einander lauffen/ vnd eines das andere
zerschmettern. Letzlich verkehrte das Vngewitter den gantzen Anschlag der
Schiffleute. Dann der Lauff kundte weder geändert/ noch die Schiffe
zurück gehalten werden. Sie lieffen wohin der Windt wolte/ vnd
liessen ein kleines Segel an der Seiten auffgespannet/ damit die Schiffe/
so von vngleichem Winde geführet worden/ durch Hülffe gleicher Wage nicht
stürtzeten.
Nach vberstandener Nacht war der Tag nichts frölicher/ sondern
trawrig vom Regen/ vnd stellete den bevorstehenden Todt mehr für Augen. Die folgende Nacht gieng der Windt eben so vngestümm.
Auff den andern Morgen legete sich zwar das Gewitter/ sie kundten
aber nicht erkennen an welcher Gelegenheit deß Landes/ vnd wo sie
auff der See weren; als sie auch die Schiffe zehleten/ mangelte jhnen
mehr als das halbe Theil/ so entweder anders wohin verworf- fen/
oder vntergegangen war. Wie sie aber wegen Versicherung
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[Druckausgabe S. 455]
jhrer fast gewissen Wolfahrt auff andere Sachen gedencken
kund- ten/ fiengen sie an von deß Poliarchus Gefahr zureden. Dann wann oder wo solten sie jhn
antreffen/ der vielleicht in ein feindtliches oder vnbekandtes Vfer
verschlagen worden? Wo weren sie auch
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selber? in welchen Hafen solten sie
einlauffen/ nachdem die Schiff zerbrochen weren/ vnd sie weder Holtz noch
Pech/ noch einen sicheren Strandt wißten sie wiederumb anzurichten?
Arsidas son- derlich verfluchte sein Vnglück hefftig/ als
er sahe daß jhn die gute Hoffnung betrogen/ vnd nicht wuste/ ob er zu
Wasser oder Lande seine Herumbschweiffung wiederumb anfangen solte.
Er muste ferner nicht auff Gallien/ noch auff den Rhodanus gedencken; son- dern/ jrrendt vnd vnwissendt in
welches Landt er zum ersten solte/ alle Winckel durchkriechen/ in die
Poliarchus etwan durch das Gewitter kommen können. Daß er
doch nicht das Pheacische Schiff hette/ so ohn zuthun deß
Stewermannes den bestimmten Weg von sich selbst jnnen hielte? Argenis
zehlete alle Tage/ zu welcher wann er ledig wiederumb gelangete/ was würde
er weniger seyn als ein Mörder? Dann ob zwar Gobrias jhm gesagt hatte/ daß deß Poliarchus Reise auff Sicilien zustünde; so war er doch in
Furch- ten/ er möchte wegen Müdigkeit von dem Vngewitter in dem
Hafen stille liegen/ oder langsamer schieffen; würde also die Zeit fürüber
fliessen/ jnner welcher Argenis seiner solte gewärtig seyn.
In dem er diesem also nachdachte/ vnnd wie derer so in Vn-
glück kommen Gebrauch ist/ sich [757] fast mit dem
Gobrias vervn- einigte/ daß er jhn von seinem Wege
zu dem Poliarchus auffgehal- ten/ meldeten die Schiffleute an/ es
liesse sich von ferrnen gleich- samb etwas gewölcktes oder finsteres
sehen/ welches jhrem Be- düncken nach eine Landtschafft were. Gobrias befahl dahin zu lenden/ es were was es wolte. Wie
sie besten Vermögens fortgeru- dert hatten/ stiessen jhnen vmb den
Mittag etliche mit kleinen Schiffen auff/ die nach vergangenem Vngewitter
in der See herumb spatziereten/ zu schawen ob sie etwas antreffen möchten
das durch Schiffbruch verlohren were. Von denen erfuhren sie/ daß dieses
eine seitte von Africa were; im vbrigen sehr vnsicher wegen der Sandt- bäncke/ welche von gefährlichen Oertern disseits vnd jenseit be-
decket würden. Nicht ferrne lege Numidien. Der nechste Port stündt wüste/ vnd sie waren im
Zweiffel/ ob sie auch würden eingenommen
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[Druckausgabe S. 456]
werden. Die Nothturfft aber zwang sie zu glauben/ daß
alles siche- rer were als die Windt vnd das Meer. Derowegen waren jhnen
eben die/ so jhnen vormahls Bericht gethan/ Wegweiser zum Lande. Man
ließ etliche mit einem kleinen Schiffe hinderstellig/ welche jhre
Gefehrten/ da sie in der Nähe herumb jrreten/ zusammen lesen solten; wie
sie dann/ auß grosser Gunst der Götter/ alles das was
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an deß Gobrias Flotte mangelte/ jnnerhalb einer Nacht wieder
bekommen haben: also daß in diesem Vnglück ein grosser Trost war/ daß
sie alle wolauff/ vnd kein Schiff vntergangen were. Vber dieses leisteten jhnendie Innwohner/ mit Dargebung gedörreter Fische vnd
anderer Speisen/ so viel jhr Armut vermochte/ alle Dienste vnd gu-
ten Willen.
Es hatte auch das Vngewitter deß Poliarchus Flotte nicht ver- schonet. Wann er Sicilien/
wann er die Rache vnd seine Heyraht jhm zu Gemüte führete/ kundte
er sich nicht vnbillich auff seine Macht verlassen. Weil er in königlichem
Zustande war/ so viel Güter vnd solche Heereskrafft hatte/ warumb solte
jhn Meleander
zum Eydam nicht annehmen? Wann die Sache zu eintzeln oder
allgemeinen Waffen je gelangen muste/ vnd jhn Radirobanes/ Archombrotus vnd andere seine Mißgönner darzu vervrsacheten/
so kundte er sie sicherlich verachten. Letzlich vermeinete er das
Sicilische Gesetze/ welches nicht zugab sich an ein mächtiger Hauß
zuvermählen/ entweder mit dem Schwerdte abzuthun/ oder mit einer
Erklärung zuwiederlegen; daß nämlich nicht solte gesaget werden/
Sicilien würde der Cronen Galliens angehenckt: sondern es möchte nach seinen
al-[759]ten Gesetzen leben/ vnd da Argenis mehr
als einen Erben zur Welt bringen würde/ solte die Erbschafft an das andere
fallen.
[760: Kupfer Nr. 15]
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[Druckausgabe S. 457]
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),