Das XIV. Capitel.

Deß Astiorists Vbungen: deß Commindorix Fürhaben: Entschlies- sung deß Königes Britomandes: Die Königin entdecket daß Astio- rist jhr Sohn sey.

Das XIV. Capitel.

AStiorist/ nach dem er sein selbsten worden/ vnd bey vns behalten wardt/ fieng männiglich bey Hofe jung vnd alt an sich vber jhn zu- verwundern. Im reiten/ im fechten/ im Bogen schiessen vbertraff er alle seines gleichen/ vnd kundte letzlich mehr als seine Lehrmeister. Solche Geschwindigkeit der Natur war ohn alle Hoffart vnd Hals- starrigkeit. Ein jeglicher sahe gerne daß er von jhm vberwunden ward/ weil er keinem mit einiger Vbung mehr vberlegen war/ als mit Freundtligkeit vnd Ehrerbietung. Es war nichts höfflichers als seine Reden. Er wieche allen/ wuste jedermann entgegen zugehen; war mit Schertzreden allzeit fertig/ welche er/ damit andere dadurch nicht beleidiget würden/ wieder sich selbst am meisten gebrauchte. Vber dieses nam er an [726] Kräfften zu/ die er mit ringen vnd kämpffen/ wie auch mit wettelauffen/ jagen vnd Zugpferde Zäh- men stärckete. Er gewehnete sich ferner an das Wachen/ mässig essen/ vnd lernete die Vnbequemigkeit deß Gewitters nach deß Jahres Gelegenheit zu seiner Gesundheit vertragen. Letztlich war er seinem Großvattern (darob ich vnd die Königin sonderliche Frewde trugen) nicht allein an natürlicher Zuneigung/ sondern auch an Reden vnd Geberden ähnlich vnd gleiche.

Er war nicht vber sechzehen Jahr/ als es schiene/ daß die Götter + +

[Druckausgabe S. 438]
mit seinem Muthe vnd Stärcke geeilet hetten/ damit wir nicht sämptlich vntergiengen. Dann Commindorix hatte durch sein zu- grosses Glück einen Eckel vnserer Dienstbarkeit bekommen/ so daß gute Leute seine Grawsamkeit ferner nicht dulden kundten: weil er durch langwirige Tyranney verwegener worden/ vnd erfahren hatte/ wie sicher er den Britomandes verachten möchte. Endlich ließ er offenbahrlich erscheinen/ daß er nach dem Königstitul trachtete/ in dem seine Creaturen vngeschewet ehrgeitziglich außstossen dürfften/ das Regiement bliebe vnter dem Britomandes liegen/ vnd muste von einer großmütigen Person auff die Beine gebracht wer- den. Das Königreich würde mehr dem Commindorix/ als Commin- dorix dem Königreiche zu dancken haben/ wann er sich der Regie- rung vnterfangen wolte. Dem Britomandes/ der nichts könig- liches an sich/ auch keinen männlichen [727] Erben hette/ were wenig daran gelegen mit was für einem Nahmen er genennet würde. Commindorix sey nicht allein auß dem fürnemsten Geschlechte/ sondern auch ein Mann mit der That selber. Es fehlete wenig/ daß diese wütende Anschläge nicht jhren Außgang erreicheten. Man sagete/ der Tyrann gienge darauff/ wie er sich deß Königes Person nebenst der Timandre versichern/ vnd sie in einem festen Orte ver- wahret halten köndte; was man für Gefälle zu jhrer Vnterhaltung außstellen/ was für Leute man vmb sie lassen/ vnd wie man sie ver- wachen solte. Endlich verachtete er den Britomandes dermassen/ daß er verblümeter weise von jhm fragen durffte/ ob er von sich selbst den beschwerlichen vnd müheseligen königlichen Namen ver- lassen köndte. Dann er vermeinete einem grossen Theile deß Neides zuentgehen/ wann er solches mit seinem Willen erlangete. Der König/ so sich vber den vnbillichen Worten entrüstete/ hielte zwar damals den Zorn an; vnterließ aber nachmals nicht seinen vbelen Zustandt bey der Timandre zubeklagen. Sie war der Meinung man müste länger nicht verziehen/ vnd im Fall das Verhengniß ja zu- wieder were/ zum wenigsten rühmlich sterben; Ich weiß etwas/ sagte sie/ durch welches ich euch von dem ehrlosen Feinde retten kan/ allerliebster Gemahl. Aber ich fürchte/ ihr möchtet mich ewerer Lindigkeit nach stecken lassen/ vnd mit Eröffnung bey den Feinden meiner Anschläge/ mich zugleich nebenst [728] euch stürtzen. Der König schwur bey allen Göttern/ er wolte nicht allein mit Verschwie- genheit/ sondern auch mit seinem königlichen Ansehen der Timan- dre Fürhaben fortstellen helffen: Sein betrübtes Gemüte erkenne
[Druckausgabe S. 439]
nnumehr/ wie sehr es zuvor gejrret habe/ es sey aber an jetzo wegen Gewalt deß vnrechtens vnd bevorstehender Gefahr stärcker worden.

Timandre/ die vber diesen Worten hefftig erfrewet wardt; wann jhr dem Versprechen nachkommet/ sagte sie; so wöllen wir auff morgenden Tag entweder als Siegesleute vnsere Würden retten/ oder als königliche Personen sterben. Im vbrigen offenbahrte sie selbige Nacht den Anschlag keinem Menschen/ ohne daß sie etzlichen der getrewesten andeutete/ sie solten mit Anbrechung deß Tages sich bey jhr einstellen; mir aber gebote sie nicht allein ingleichen da zuseyn/ sondern auch den Jüngling den ich erzogen hatte mit mir zubringen. Welches sie mir mit solchem freyen Gesichte sagte/ daß ich nichts vngewönliches vnd mit Gedancken verwirretes darauß spüren können. Commindorix war damals drey viertelweges von der Stadt auff der Jagt. Er hatte sich für zweyen Tagen in ein könig- liches Hauß begeben/ wo der Wald vnd das Wild allein für fürst- liche Personen geheget wirdt. Derhalben befanden wir vns mit dem früesten Morgen auff dem Pallaste wie vns angedeutet worden. Vn- serer waren nicht mehr als sechszehen/ welche sie für [729] den König kommen ließ/ sämptlich auß den fürnemsten deß König- reichs/ vnd entweder offentlich oder ein jeder für sich selbst deß Commindorix Feinde. Als sie meinem Pflegesohne näher herzu zu- tretten befohlen/ redete sie den König also an. Ich bin noch vngewiß/ Herr/ ob jhr das für vnbillich halten werdet/ was ich als eine statt- liche That zubekennen hieher kommen bin. Dann ich habe euch ewere Glückseligkeit verborgen gehalten/ damit sie euch möchte destosicherer seyn. Die Feinde hetten sie in jrer Blüte weggerissen/ die nun selbst/ nach dem sie reiff worden/ von jhr außgerottet wer- den sollen. Verzeihet mir derhalben/ daß ich mit meinem Stillschwei- gen so lange Zeit gemacht habe/ daß euch vnbewust gewesen/ wie hoch wir den Göttern verbunden seyn. Vnd/ damit ich die Sache mit wenigen Worten entdecke/ glaubet ferner nicht/ so lange dieser Jüngling lebet/ daß jhr ohn Kinder seydt/ die Erblicher weise euch in der Krone nachfolgen können. Dann dieser ist bey allen Göttern vnd Göttinnen/ die ich zu Zeugen anruffen darff/ ewer Sohn/ den ich hinter ewerem Wissen zur Welt gebracht/ vnd bey euch ertichtet habe/ als hette ich eine Tochter gebohren/ welche jhr die wenig Mo- nate als sie gelebet hat vber nach meinem Nahmen Timandre nen- nen wöllen. Die Vrsache solcher Beschönung ist gewesen/ damit +

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nicht jrgend Commindorix sich durch vnehrliche Grieffe seiner Grawsamkeit gebrauchen möchte. Im vbrigen wiewol es sich nicht geziemet jhn in [730] seiner Gegenwart zu loben/ so wil ich doch sagen was ich nicht verschweigen kan/ daß er nämlich an Natur sei- nen Vorfahren nachgeschlagen/ vnd die Götter meinem Raht mit jhrer Fürsorg besser als ich wüntschen dürffen beygepflichtet ha- ben. Dann nach seiner Geburt ist er zwar auff dem Dorff/ aber doch sicher erhalten worden. Hat also das Kindt verborgen bleiben vnd füglich können erzogen werden. Als er wuchse/ hat jhn ent- weder die Gewalt der Räuber/ oder viel mehr die Gunst der Götter in eines außländischen Fürsten Hoff geführet/ an dem er ohn Arg- wohn sich an ein thätiges vnd außgeübtes Leben gewehnet hat. Nachmals/ wie er vns vnter der Gestalt einer Beuthe von den Göt- tern wider geschenckt worden ist/ hat er seine Jugendt also beschlos- sen/ vnd seine mannliche Jahr also angetretten/ daß er gleich jetzo anfängt Nütze zuwerden/ in dem Commindorix auffhöret erträglich zuseyn; welchen man vnterdrucken muß/ Herr/ oder zum Herrn an- nehmen. Dann wie viel mangelte es/ daß jhr nicht gefangen seyd? Wessen haben wir sich anders als der Bande zugetrösten? Seyd viel- mehr her/ Hertzliebster Gemahl/ vnd rechet auff eine Stunde so vieler Jahr Verwegenheit. Wann jhr auch ja ewere Person auß Ge- wonheit der Gedult nicht bedencket/ so erhaltet doch ewerem Sohn seiner Vorfahren Königreich. Erbarmet euch der fürnehmen Leute so allhie anwesendt sindt. Dann es ist keiner von jhnen/ der/ an- gesehen daß er ewere Majestät vertretten hat/ von dem Tyrannen deß Todes [731] oder noch einer ärgern Schmach nicht müsse ge- wertig seyn. Verrhatet nun mehr ewere Würden/ Gemahlin/ Kindt/ vnnd die Wolfarth so vieler getrewer Leute nicht. Traget gleichsfals an meiner Trewhertzigkeit keinen Zweifel/ als ob ich etwan die Sachen in newen Zustandt zubringen diesem Königliches Ge- blüte fälschlich zuschreiben wolte. Sehet an seinem Halse vnd an dem Schenckel gewisse Kennzeichen/ als Siegel deß Verhängnis- ses/ mit welchen er/ als er durch vnterschiedene Gefahr verlohren vnd gefunden wardt/ mich vnd die so darumb wusten nicht betrogen + + + + +
[Druckausgabe S. 441]
hat. So sindt die Zeiten vber diß also beschaffen/ daß jhr euch dessen bequemen Betruges gebrauchen soltet/ wann ich schon dieses alles ertichtet hette. Stürtzet ewren Feindt/ welchen man leichtlicher nicht bändigen kan als durch diese newe Gelegenheit. Nach er- langetem Frieden werdet jhr euch von dessen Geburt mit mehrer Rhue erkündigen können. Jetzundt im Fall jhr das nicht gläubet was war ist/ so ist euch doch daran gelegen/ daß jhr euch stellet als ob jhr es gläubet. Hernach kehrete sie sich zum Sohne; O mein Astiorist/ sagte sie/ dann also haben wir euch bey der Geburt ge- nennet/ es sey mir nunmehr zugelassen/ euch rechtmässig zuvmb- fangen. Mein Sohn/ die Vrsache so vieler meiner Threnen vnnd Wundsche! Reichet mir das Gesichte/ reichet mir den Mundt euch zu küssen. Jetzundt bedüncket jhr mich erst gebohren/ vnd ich eine Mutter zuwerden.

[732] In dem die Königin also redete/ wurden sie ohne mich sämptlich bestürtzet. Dann ich wußte allein/ daß sie nichts als die Warheit redete. Wiewol ich auch nicht gäntzlich ausser verwunde- rung war/ daß sie ohn mein Verhoffen mit so vnversehenem Raht- schlage die Sach dem König fürtrug. Im vbrigen kundte man männiglichen im Gesichte ansehen/ wie frembde jhren Gemütern dieses fürkam. Sie hatten die Sprach verloren/ veränderten sich vnter den Augen/ vnd schaweten einander an. Hernach rufften et- liche auff die Götter/ etliche vergossen zehren/ oder huben die Hände gegen Himmel/ vnd verwunderten sich vber die seltzame Art deß Glücks. Dann die Königin hatte also gelebet/ daß sich nie- mandt eines Betrugs von jhr besorgte. Keiner aber wardt hefftiger verändert als der König vnd Astiorist. Der König war für Frewden vnd andern Regungen deß Gemüts nicht bey sich selber/ redete vnd bewegte sich nicht. Baldt sahe er die Gemahlin an/ welcher er wegen langer Erfahrung jhrer Trew glaubete; baldt betrachtete er den Sohn/ der gleichsfals mit nicht geringer Verwirrung bestürtzet war. Dann als jhm die Königin vmb den Hals fiel/ durffte er jhr seine Vmbfahung weder versagen noch antragen/ vnd wußte nit wie jhm geschahe. Die Königin aber/ als sie die Threnen in jres Herrn Ge- sicht sahe/ ward sie behertzter/ vnd/ Erlaubet/ liebster Gemahl/ sagte sie/ daß er ewere Knie vmbfange/ oder/ wo jhr fühlet daß er ewers Geblüts sey/ so reichet jhm auch die Handt [733] zum ersten. Der König gab jhr zur Antwort: Trewste Gemahlin/ die Götter sindt mir nicht so feindt/ daß sie mich diesen Sohn nicht wolten annehmen

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lassen/ dessen Tugendt vnd grosser Namen vnserm wiewol könig- lichen Hause nicht geringe Zier vnd Ansehen machen wirdt. Ich bin ewers guten Wandels vnd ewerer Verständigkeit so wol versi- chert/ daß ich nicht zweifele er sey von mir erzeuget. Im Fall jhr aber selbst betrogen werdet/ vnd das zuseyn vermeinet was nicht ist/ so wil ich jhn dennoch zum Sohne haben; daß er mich/ in Man- gel der natürlichen Verbindung/ durch die Einsetzung zum Sohne seinen Vatter mache. Vnd also neigete er sich/ vnd vmbfieng jhn als er zu seinen Füssen kniete.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),