Deß Gobrias Erfindung/ der Königin die Entdeckung jhres Sohns
zu offenbahren: Die Soldaten vberantworten jhr den Knaben: Sie gibt
jhn dem Gobrias auffzuziehen. Aneroest läßt den Astiorist/ Scordanes genannt/ suchen. Stürtzung deß
Aneroests/ vnd seiner beyden Söhne Todt.
Das XIII. Capitel.
ICh kundte mich für Frewden nicht halten/ vnd als ich die Nacht
mit vnruhiger Hoffnung vnd Fürbildung aller Glückseligkeit voll- bracht hatte/ zeigte ich den Soldaten an/ ich wolte zu der
Königin/
[Druckausgabe S. 434]
vnd jnen erlangen/ daß sie fürgelassen wurden. Ich hatte
mich besser dann sonst mein Gebrauch war angelegt/ vnd einen Krantz
auffgesetzt/ als ob ich den Göttern opffern solte; auch sahe ich we-
gen empfundener Frewden im Gesichte lustiger auß: welches alles durch die Fröligkeit vber dem erlangten Sieg entschuldiget wardt.
Nachdem ich in solcher Gestalt die Königin begrüsset hatte/ nam ich
mir für sie ein wenig zu schertzen/ vnd jhr die grosse Frewd nicht zum
Anfang bald gantz zugeben. [720]
Derhalben/ Allergnä-
digste Königin/ sagte ich/ wundert euch nicht vber dieser vnge- wönlichen Fröligkeit. Die Götter haben mich durch heimliche Ge- walt
eines Traumes hierzu getrieben. Ihr werdet mich vielleicht für
Aberglaubisch schelten. Aber das Bildniß so mir im Schlaffe fürkam war so
gewiß/ daß ich es auch vnter die Träwme nicht zeh- len kan. Vnd damit ich
euch nichts verberge/ so wisset/ daß ich mich ewrentwegen erfrewe:
angesehen daß mir Mercurius/ oder wo sonst ein anderer Heroldt vnter den
Göttern ist der durch die Träwme den Menschen künfftige Sachen zuerkennen
gibet/ angezeiget hat/ wie grosses Glück euch auff diesen Tag zustehe. Die
Königin gab zur Antwort; Wie/ Gobrias? welche Berge der Frewden/ oder vielmehr
welche Wahnsinnigkeit ist dieses? Ich sahe/ fieng ich darauff an/ zu
anbrechung deß Tages/ wann die Träwme am reine- sten sindt/ einen Knaben
von sehr freyer Gestalt/ der mich also an- redete: Gobrias/ gehet zu der Königin/ vnnd meldet jhr an/ daß ich
zu jhr komme. Heute wirdt sie den jenigen sicherlich schawen/ welchen sie so sehr begehret hat. Wer seydt jhr aber? sagte ich: dann
ewer Gesichte gibt es/ daß jhr ein Kindt der Götter seyn mö- get. Kennet
jhr nicht/ hub er etwas entrüstet an/ den Astiorist/ daß jhr erst fragen müsset wer er sey? Kennet
jhr nicht den Sohn ewer Fürstin Timandre? Auß dem Reden erkandte ich jhn
baldt/ vnd als ich mich vergeblich bemühete jhn zu vmbfangen/ wardt
ich durch die Be-[721]
wegung deß Gemüts erwecket/
vnd verlor den Knaben mit höchstem Widerwillen auß dem Gesichte. Daß
dieses eine heim- liche Warsagung gewesen sey/ Gnädigste Fraw/ könnet jhr
darauß abnehmen/ daß ich gleichsamb auß Zwang der Götter von dem Außgang im wenigsten nicht zweifel trage. Heute werdet jhr ewren
Astiorist haben. Auff diese Wort ließ die Königin jhr betrübtes
Ant- litz auff die Brust sincken; richtete sich hernach widerumb auff/
vnd
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[Druckausgabe S. 435]
erzeigete sich dermassen trawrig/ daß mich solcher meiner
Ertich- tung gerewete. Warumb/ sagte sie/ führet jhr mich in das Gedächt-
niß der Schmertzen? Entweder dieses was jhr mir erzehlet habet ist
eine thörichte Gestalt deß Traumes/ oder im Fall die Götter hier- durch was gewisses andeuten wöllen/ so werde ich heute sterben/ vnd
meinen Sohn vnter den Todten Geistern vmbfassen. Nein/ sagte ich/ Fraw;
wann meine verheissung nicht erfolget/ so jaget mich in das Elendt/ oder/
welches das grösseste Vbel ist das mir begegnen kan/ so hasset mich zum
hefftigsten. Ich wil in den Tempel gehen/ die Götter zubitten/ das
jenige welches sie mir versprochen haben zu vollbringen.
Ich bezwang sie durch solche meine Frewdigkeit daß sie hoffen
muste. An statt aber deß Tempels vnd der Götter hatte ich mein Hauß/
auß dem ich solche Glückseligkeit nehmen kundte. Derhalben stellete
ich die Soldaten sampt jhrem Geschencke in das Thor deß Pallastes/ damit
ich sie durch der Leib-[722]guardie Capitain mei-
nen guten Freundt/ der aber von diesem allem nichts wußte/ kurtz
hernach für die Königin brächte; zu welcher ich vnter dessen wi- der
gieng/ vnd kein Wort sagte; ob sie vielleicht erstlich zu reden wolte anfangen. Man sahe daß sie sehr bestürtzt were. Dann zu- weilen
thet sie weitere Schritt als sonsten/ zuweilen setzte sie sich nider/ vnd
geriethe in tieffe Gedancken/ sahe mich auch zum off- tersten an: als der
Leibguardie Capitain/ wie ich jhn gebeten hatte/ hinein kam/ vnd der
Königin anzeigte/ es were ein sehr schöner Knabe vorhanden/ welchen
jhr zween Soldaten von jhrer Beuthe verehreten. Der Timandre Gemüthe wardt
verwirret/ vnd kundte die Andeutung deß Verhängnisses noch nicht fassen/
wiewol sie sich von sich selbst erklärete. Gedachte sie also auff nichts
grössers/ vnd befahl die Soldaten fürzulassen. So baldt sie aber mit jhrem
Ge- schenck zugegen waren/ mein Freund/ wie wardt jhr? wie verstar-
rete sie/ in dem sich jhre Verwunderung vnd Liebe mehr vnd mehr
häuffete? Die Hoffnung/ so ich jhr gemacht hatte/ ließ jhr kaum die
Gedult zu hören/ wie jhr diese Verehrung vbergeben wurde: son- dern
beschawete mit gefährlicher vnd vnbedachtsamer Vbereilung deß
Knabens Nacken/ vnd als sie das Zeichen seiner Geburt er- kandte/ hielte
sie eine weil den Mantel für das Gesicht/ als ob jhr die Augen wehe
theten/ damit sie die Veränderung jhres Hertzens bergen möchte. Hernach
als sie zu sich sel-[723]ber kommen/
ent-
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[Druckausgabe S. 436]
decktesie das Gesichte wider. Endlich/ als sie die Soldaten mit
Ver- heissungen vnd Bedanckung fortgelassen/ sagte sie heimlich mit
freundtlichen Worten zu mir: O jhr Zauberer! euch hat wachende
geträumet/ vnd damit jhr meine Frewde auffhieltet/ als habet jhr der Eitelkeit deß Traumes das jenige zugeschrieben/ was jhr wahr zuseyn
wustet. Wisset jhr/ wie ich mich rechen wil? Die Belohnung/ welche ich
euch höchlich schüldig zuseyn erkenne/ soll destolang- samer erfolgen.
Hernach werdet jhr erzehlen/ wie jhr hinter diesen Knaben kommen seydt. An
jetzo nehmet jhr jhn zu euch/ vnd er- ziehet jhn/ als ob jhr jhn zu
vnseren Diensten vnterrichten soltet. Wir wöllen jhn in der Jugend solche
Sachen lehren/ die seinem ho- hen Stande gemässe sindt. In dessen kan ich
seines Anschawens vnd Gesprechs ohn Argwon geniessen.
Nach diesen heimlichen Worten vbergab sie mir offentlich den
Knaben/ welchen wir Scordanes nenneten. Sie/ damit sie jhrer
Frew- den destofreyer köndte nachhängen/ gieng in einen absonderlichen
Ort. Wir haben die Soldaten der Zusage nach beschencket; zwar
königlich/ aber doch nicht vbermässig/ vnd mit solcher Verehrung/ als
die jhrige war. Bey dieser heimlichen Zeit erhub sich nicht eine schlechte Gewalt eines plötzlichen Vngewitters. Der König Anero- est
ließ vns durch Herolde entbieten/ wann jhm jemand den anmuti- gen Knaben/
so er seinen Kindern [724] gleiche gehalten hette/ wie-
derumb einstellen würde/ dem wolte er darfür hundert Talent erle-
gen. Diese vnfügliche Freygebigkeit jagte vns grosse Furcht ein. Dann würde es auch ohn Neyde oder Argwohn abgehen/ wann die
Königin denjenigen behielte/ welchen sein Herr so thewer erkauffen
wolte? Es hette zum wenigsten einen Schein Barbarischer Graw-
samkeit/ wann man den Alten an dieser Frewde/ vnd den Knaben an
solchem Glück verhinderte. So wißte man auch nicht/ ob Scor- danes/
wann er die Kräfften zum fliehen bekommen würde/ bleiben wolte/ oder sich
von anderen/ so die hundert Talent zusuchen ver- meineten/ möchte
entführen lassen. In dem wir also in Furchten sindt/ vnd weder dem
Aneroest zu Willen seyn/ noch den Knaben mit Ehren halten
können/ erzeigete sich das Glück dem Aneroest vbel vnd vns zugleich gütig: dann seine
Vnterthanen lehneten sich wie- der jhn auff. Es wardt geschwinder Krieg/
vnd deß Aneroests zwene
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[Druckausgabe S. 437]
Söhne von stattlicher Hoffnung blieben mit blutigem
Außgange in einer Schlacht. Ich bin der Meinung/ daß er auch selber in
diesem Kampffe vmbkommen sey/ wiewol man den Cörper nicht gefunden
hatt. Also zohen diejenigen so jhn abgestossen hatten/ das König- reich tyrannischer weise an sich. Scordanes were wegen deß Ane-
roests Niederlage für Kummer baldt gestorben; so viel grössere
Empfindung der schuldigen Liebe/ vnd seines Verlustes hatte er/ als
sein [725]
Alter zuliesse. Nichts destoweniger wardt er
durch die Zeit vnd (wer kan dieses in solcher Jugend glauben?) vnsere Ein-
würffe endlich von der Trawrigkeit abgewendet.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),