Timandre vertrawt jhre Heimligkeit dem Gobrias/ welcher das Kind besuchet. Sein adeliches Thun vnd Schönheit. Deß Gobrias vnd der Sicambre Erfindung/ damit die Königin jhr Kindt sicherlich schawen möchte.
Das X. Capitel.
DIeses königliche Kindt/ so zwar nicht nach Standes Würden/ je- doch/ wie es die Zeit damals mit sich brachte/ glücklich erhalten wardt/ als es hat gehen vnd reden können/ hat es gar ein andere Gestalt von sich gegeben/ als sonsten die Kinder so von solchen Leuten erzogen werden. Er war von lebhafftiger Natur/ die mit seinem schönen [699] Leibe vberein stimmete. Es liebte jhn ein jeglicher; sonderlich aber Cerovist vnd Sicambre/ die auß Reitzung dessen das sie von jhm wusten/ sich vber alles an jhm verwunder- ten/ vnd jhn nach dem Namen/ den jhm die Königin aufferleget/ vnd viel Könige gehabt hatten/ Astioristes hiessen. Der Königin aber kundte man nicht wol sicher Zeitung von jhm zubringen/ welche die Sicambre/ wann sie zu meiner Frawen kam/ deß Monats kaum einmal sahe/ vnd sich mit jhrer verstolenen Vnterredung ergetzete. Dann es war sich zubesorgen/ man möchte auff diese Dorffleute Achtung geben/ wann sie wieder Gewonheit so offt nach Hofe giengen; vnd die Frawen/ welche vmb diese Sachen
Es war im siebenden Jahr/ als die Königin/ auß vnleidlicher begier jren Sohn zusehen/ mich/ der ich jhr Hoffmeister war/ mit solchen Worten anredte: Gobrias/ jhr habt nit verdienet/ daß ich ewre Trew geringer achte als die Trew der Weiber. Es ist lange Zeit/ daß ich ewerer Frawen mein höchstes Geheimniß vertrawet habe/ vnd die erste Sache damit ich sie wegen jhrer Verschwiegenheit beloh- nen wil/ sol diese seyn/ daß ich euch ingleichen ein theil meiner Sor- gen aufflege/ vnd etwas hohes offenbare/ an dessen Verbergung meine vnd deß Lands Wolfart gelegen ist. Wisset jhr Gobrias/ was ich euch sagen wil? Hat euch ewre Fraw von disen dingen nichts entdeckt? [700] Ich/ wiewol ich verlangen trug solches zu erfah- ren/ jedoch stellte ich mich noch begieriger/ damit die Königin glauben solte/ daß ich jhr allein wegen offenbarung dieser Heimlig- keit würde zu dancken haben; vnd vber diß jhr meiner Frawen Trew zu erkennen gebe/ die in Warheit mir nichts davon gesagt hatte: ob sie mich schon nicht gäntzlich betrogen; angesehen daß ich wol mutmassen kundte/ es müßte was wichtiges vnterhanden seyn. Da fieng die Königin nicht allein mit grösserer Freyheit/ sondern auch mit mehrer Lust 〈an〉 den gantzen Verlauff zu erzehlen; worauff ich/ der ich mich einer so wichtigen Sache nicht versehen/ gantz erzit- terte/ vnd als vnter jhrem Reden mein Geist allgemach wider zu sich selber kam/ lobte ich die hertzliche Mutterliebe/ vnd jhre Er- findung/ die dem Königreich/ nach welchem der Tyrann stundt/ so nützlich war. An jetzo/ sagte sie/ wisset jhr wie es vmb mich stehe. Wiewol ich mit solchen Ehren vnd Gütern vmbgeben bin/ so hab ich dennoch das genügen/ welches geringern Stands Mütter erlangen/ noch nicht haben können. Weil es den Göttern so gefällt/ Gobrias/ so wöllen wir diesen Trost vnserm Alter/ diesen Vntergang dem Mör- der Commindorix erhalten. Die Götter helffen nur/ daß er mehr dem Großvatter/ als dem Vatter nachschlage. Ich höre/ daß nichts an- mutigers seyn kan als seine Sitten. Zwar von Gesichte hab ich jhn etlich mal gesehen/ wann jhn seine Wärterin der Abrede nach durch die Tempel getragen hat. Was bedünckt es euch [701] aber für ein Elend zuseyn/ daß ich mein einiges Kind kaum sicher ansehen/ vnd durchauß mit jhm nicht reden darff? Ich bitte euch/ in das Hauß wo er ist zu reysen. Dann jhr könnet leichtlich eine Vrsach wegzuziehen erfinden. Ich vbergebe euch das wolbehagen welches ich solte ein
Auff solchen der Königin Bericht/ bedanckte ich mich nach Ge- bühr/ daß sie meines Fleisses in so geheimen Sachen gebrauchen wolte. Ich war dem Commindorix ohn diß feind/ vnd die Süssigkeit dieses Verbündnüsses machte daß ich die Gefahr/ so bey solcher Hoffnung vnd Anschlage war/ leichtlich verachtete. Derwegen spatzierte ich folgenden Morgen auff das Feldt/ vnd kam in dem Wege den mir die Bawersleute zeigten/ zu dem Vorwercke. Als ich hinein gieng/ sahe ich in dem Hofe/ wo der Ackerzeug vnd Pflüge lagen/ etliche Knaben miteinander schertzen. Darumb gieng ich näher herzu/ ob ich vielleicht vnter jhnen die Vrsache meines Wegs finden köndte. O mein Freundt! Es bedurffte keines Menschens der jhn zeigte/ noch keines Merckzeichens. Die Natur meldete genug- samb/ welcher so vie-[702]ler Helden Nachkömmling were. Die an- dern lieffen entweder auß bäwrischem vnd kindischem Schrecken darvon/ oder wendeten mir furchtsam den Rücken/ vnd sahen mich vber Achsel an. Er aber blieb stehen/ vnd ließ sich nichts jrren/ daß einer so anders außsahe als die Leute mit denen er sonst vmbgieng/ zu jhm tratt. Er trug einen Bogen der jhm zur Hand war; denselben stellete er an die Erden vnnd lehnete sich darauff/ erwartete also meiner freymütig/ vnd mit anmutigen Geberden deß gantzen Lei- bes. Er hatte gelbicht Haar/ vnd das darumb destoschöner außsahe/ weil es nachlässig durch einander hieng. Dann es lag nicht allein auff der Achsel zerstrewet/ sondern war jhm auch vnter dem Eyfer zum Spiel vber die Stirne gefallen. Die Augen erzeigeten ein Mittel zwischen dem Ernste vnd Freundtligkeit; seine Lippen vnd Wan- gen wie man sie dem Cupido zumahlen pfleget. Ich ward bestürtzt wegen seiner Hoheit/ vnd bate die Götter kürtzlich/ daß sie solcher jhrer Gabe wolten günstig bleiben. Ich schewete mich jhn als einen andern Knaben anzureden; damit ich aber das Spiel nicht verder- bete/ so stieg ich nur vom Pferde/ vnd fragte was seine Eltern mach- ten/ vnd wie es jhm gienge. Er gab zur Antwort der Vatter were mit dem Gesinde zu Felde an der Arbeit/ die Mutter aber zu Hause; +
Als sie mich aber erkandte/ vnd noch in Zweiffel stundt/ ob mir wissend were mit wessen Standes [704] Kindt ich Sprach hielte/ oder was für ein Glück mich zu jhr getragen hette/ nam sie mich in jhr Hauß/ nebenst vmbschweiffiger Nachfrage/ auß was Vrsachen ich dahin kommen/ vnd ob meine Fraw wol auff were. Nachdem wir nidergesessen/ fieng ich mit zweiffelhafftigen Worten an zu lachen/ vnd/ Ich habe wol Vrsach/ sagte ich/ mich vber meine Fraw zube- klagen/ wann jhr die Schuldt nicht auff euch nemmet/ vnd beken- net/ daß sie von euch gelernet habe/ wie man mit tieffem Still- schweigen ein ding beschönen solle. Weder euch noch jhr habe ich zu dancken/ daß ich diesen Kleinen jetzund kenne; sondern der Königin selber/ auff welcher Befehl ich euch besuche/ vnd zu Rath + + +
Derwegen als ich es mit der Sicambre verlassen/ zu welcher Zeit sie in meinen Meyerhoff kommen solte/ schertzte ich wieder mit dem Knaben/ vnd lockte auff allerley Art die Anzeigung seiner ede- len Natur herfür. Hernach nahm ich jhn in die Armen/ der durch Verleihung der Götter eines so mächtigen Königreiches Monarch seyn solte. Auff dieses begab ich mich auß diesem Hause in die nechste Stadt/ von dannen ich auff den Morgen wieder nach Hofe ritte. Wie ich der Timandre alles erzehlete/ war jhr dieses einige beschwerlich/ daß sie noch zwey Tage biß zu Vollziehung der ver- heissenen Fröligkeit warten muste; nach welcher Verlauffung Si- cambre sich mit dem Knaben einstellete. Die Königin kam inglei- chem mit wenigen Leuten/ als dann auch vonnöhten war/ vnd als sie ein wenig im Garten herumb gegangen/ sagte sie zu meiner Frawen/ sie wolte sich im Zimmer zur Ruhe legen. Derhalben fuhrte man sie in eine Schlaffkammer/ die zu der bewusten Heimligkeit am beque- mesten war; weil man niemanden so darinnen redete vernehmen kundte. Nach dem alle/ ohn die so Wissen-[706]schafft darumb tru- gen/ herauß gegangen waren/ wardt die treweste Sicambre auß dem nechsten Gemache hienein gelassen/ die der Königin jhren Sohn zwischen die Knie stellete. Die Königin erlaubete mir darbey zu seyn; was ich aber gesehen vnd gehöret habe/ kan ich mit keinen + +
Weil wir mit diesen Sachen vmbgehen/ war eine Stunde ver- lauffen/ vnd der Königin Leute musten wegen vnseres Säumnisses in keinem Argwohn gerahten. Sie aber wolte sich vom Sohne nicht reissen lassen/ biß sie sich in Hoffnung künfftiger Frewden mit einem schweren Seufftzer von dem Knaben wandte/ vnd jhn weg zuführen Befehl that. Ihre Hoffnung aber war diese: Sie wolte/ daß ich nebenst etzlichen Gefehrten/ so doch vmb meinen Anschlag nicht wißten/ entweder der Jagt oder anderer bequemer Vrsachen halben/ in der Sicambre Hauß kommen/ daselbst deß Astioristes Na- tur vnd Gestalt höchlich loben/ vnd in beyseyn der andern seine Eltern vmb jhn bitten solte/ damit ich jhn zu Hause mit löblichen Vbungen erziehen könte. Dann er schiene für das Feld vnd die Ein- samkeit nicht gebohren zuseyn. Sicambre muste darauff mit jhrem Manne etwas streiten/ ehe sie solches eingienge. Alsdann solte ich den Knaben in die Stadt bringen/ vnd meiner Frawen zugeben/ jhn zu dem was solchem Alter gemäß ist zugebrauchen. Also würden wir seiner Vnterweisung nutzen/ vnd er die Königin ohn Verhinderung vnnd nicht nur eine geringe Zeit ergetzen können.