Gobrias fängt an dem Arsidas die Historien von dem Astioristes zu- erzehlen. Wer Britomandes gewesen/ vnd wie weit sich sein König- reich erstreckt. Deß Commindorix Tyranney. Anschlag der Königin Timandre/ die Geburt jhres Sohns zu verbergen. Astioristes wird fortgeschickt/ daß er heimlich auff dem Lande erzogen würde.
Das IX. Capitel.
IHr werdet derhalben/ sagte Gobrias/ etwas hören/ das der Griechi- schen Gemüter werth ist. Dann es sindt bey vns viel Thaten ritter- licher Leute fürgegangen/ die den jenigen/ welche andere Völcker von sich selber schreiben/ im geringsten nicht weichen. Wir haben aber nichts als die Verse der Druiden/ so würdige Dinge die bey vns geschehen/ erhalten. Sie sindt auch weder auff Holtz noch in Wachs eingedruckt; sondern werden der Jugendt in das Gedächtniß ge- pflantzet/ auß dessen singen [691] wir vnserer Vorfahren Tugen- den erkennen. Aber/ damit ich mich nicht lang vber vnsere Sitten beklage/ es ist besser/ weil jhr es begeret/ meiner Zusag mit der Er- zehlung ein Genügen zu thun. Es regierte bey vns ein König Brito- mandes geheissen/ dessen Name vnsern Leuten noch jetzundt ange- +
Vber ein so grosses Volck/ fuhr Gobrias fort/ herrschete auß vät- terlicher Erbschafft der Britomandes. Er hatte einen Sohn auch deß Nahmens Britomandes; der aber nach erreichung deß mann-[693] lichen Alters mit so vielen Kranckheiten zerrissen ward/ daß jhm die vnendlichen Schmertzen zugleich die Kräfften deß Gemüts ver- zehreten. Doch begab er sich in Heyraht mit einer seines Geblütes von solcher Tugend/ daß ich zweiffele/ welches man an jhr höher halten solle/ entweder jhre Keuschheit/ oder Frömmigkeit/ oder mannlichen Verstandt vnd Klugheit. Sie heisset Timandre. Als Britomandes der Vatter Todes verbliechen/ gleichsam als mit jhm auch vnser Glück gestorben were/ sind alle Sachen in bösen Zustand gerahten. Wir erkandten nichts das an dem newen Könige dem Vat- ter zutraff/ ausser die Frömigkeit vnd den Nahmen. Vnter den für- nemsten deß Landes war einer Commindorix geheissen/ sehr mäch- tig/ edeler vnd reicher als Privatpersonen zuseyn pflegen/ vnd end- lich eben so einer/ wie jhr saget daß Lycogenes gewesen sey. Dieser war bey Zeiten deß alten Britomandes wegen Ansehens eines der- gleichen Königes zimlich in Furchten gehalten worden. Bey dem Sohne aber vermochte er/ deß Beruffes sonderlicher Weißheit vnd Gewalt halben/ so viel/ daß er in seinem Namen selber regierete/ mit grossem Vnwillen der Timandre/ die jhren Gemahl zu vätterlicher vnd angebohrener Hertzhafftigkeit anzumahnen nicht auffhörete. Er aber vertrawte auß Schwachheit der Sinnen dem Commindorix/ der alle seiner Gemählin Rhatschläge listiglich außforschete. Wir/ als wir das gute Glück/ zu welchem der ältere Britomandes das [694] Landt angewehnet hatte/ verloren/ kamen bey seiner Grabschafft offtmals zusammen; zwar vnter dem Scheine einer Andacht/ in Warheit aber/ nach vnseres Landes Gebrauche daselbst vom Orackel zu erfahren/ ob etwan ein gutes Glück/ oder ein Gott vns ein Mittel entdeckte den Commindorix außzurotten. Dann vnserer viel hielten es für eine Tugendt wann wir jhn hasseten; sonderlich aber/ wie von jhm das Geschrey gieng/ als hette er auß brennender Regiersucht der Timandren Sohn durch Hülffe der Ammen hinge- richtet. Warumb aber die Königin nicht auch sey mit gleichem Auß- gange weggeraffet worden/ kan man nicht wissen; ob sie sich viel- leichte weißlich vor dem Giffte vnd Betruge gehütet/ oder er sich das +
Als Timandre noch einmal mit schwerem Leibe gieng/ vnd sich wegen jrer armseligen Frucht/ welche für jhrer Geburt zum Tode bestimmet wardt/ besorgete/ brachte sie in Zeiten die Hebammen an sich/ nebenst zweyen Matronen/ vnter denen ich vnlängst die eine durch Vermittelung der Königin geheyrhatet habe. Von diesen begehrte die Königin/ wann sie einen Sohn zur Welt brächte/ daß man ein an-[695]deres Kindt an die stelle geben/ vnnd das jhrige heimlich retten solte. Die Frawen entdeckten solchen Anschlag einer anderen auff dem Lande/ die mit meiner bekandt war/ vnd das Kindt erziehen kundte; sie heisset Sicambre. Als die Königin gleich liegen solte/ führete sie meine Fraw nebenst jhrem Manne/ dessen man auch bedurffte/ nach Hofe. Nachdem sie nun sich mit dem tewresten Eyde verbunden hatten/ die Sache in geheim zuhal- ten/ wardt niemandt in der Königin Gemach gelassen/ als die so darumb wusten. Die Götter halffen. Timandre wardt eines Sohnes entbunden; vnnd die betrüglichen Weiber legten eine Tochter in die Königliche Wiege. Was für Gedancken meinet jhr wol daß die Kö- nigin damals gehabt habe? Sie empfandt ein beben nach dem an- dern/ vnd hielte es für eine Freundtschafft/ wann man jhr die Geburt hinweg neme/ welche die Mütter sonst mit so grossen Schmertzen kauffen. Ich hab es offt auß jhrem Munde gehöret/ sie hette nichts- mehr gefürchtet/ als daß durch deß Kindes schreyen/ oder der Wei- ber Furchtsamkeit der Anschlag möchte verrahten werden. Nichts- destoweniger/ ob schon jhre Marter vnd Pein vnaußsprechlich war/ redete sie doch mit leiser Stimm die Sicambre/ welche das Kindt vnter dem Getümmel weg tragen solte/ also an: Meine Freundin/ vergönnet mir/ daß ich euch bey allen Göttern beschwere mir Trew zuseyn; damit ich nicht/ in dem ich andere zu betriegen gedencke/ durch wegschickung meines Kindes von mir selbst betrogen werde. Dann ich [696] muß doch das jenige für das meine erkennen/ welchs jhr mir geben werdet. Die Fraw gab zur Antwortt. Die Götter/ Gnä- digste Königin/ welche jhr anruffet/ haben gemacht/ daß euch nie- mandt durch List/ für welcher jhr euch befahret/ schaden könne; so +
Sicambre/ welcher die Königin jhr Kindt vertrawet hatte/ war eine Fraw von mittelem Zustande; dann bey fürnemen Leuten were das Kindt nicht wol verborgen blieben/ vnnd bey Armen hette so ein zarter Leib nach Notturfft nicht mögen versehen werden. Sie hatte jhren Mann/ so Cerovist heisset/ mit sich gebracht; welchem sie nicht weit von dem Pallaste das heilige Pfandt sanffte zu tragen vbergeben hat. Die Barmhertzigkeit vnnd grosse Hoffnung mach- ten daß er auff das Kindt genawe Achtung gab. Derhalben ent- wieche er von der Frawen/ damit seine Leute in keinen Argwohn geriethen/ vnd gieng in sein Vorwerck. Dann er hatte zimlich viel äcker an dem Strande deß Rhodans/ so keiner Statt nahe gelegen/ vnd hielte sein gesinde in ehrbarem Wandel nach Bäwrischer Ein- falt. Als er nach Hause kommen/ gab er für/ er hette dieses Kindt + + +