Das IV. Capitel.

Deß Eurymedes Gespräch/ welcher dem König raht gibt/ zu Hand- habung deß Friedens allzeit etwas von Volck auff dem Fusse zu- halten. Deß Dunalbius Antwort auff solche Meinung. Deß Königs Entschluß Sicilien zu befestigen.

Das IV. Capitel.

Meleander war noch nicht genugsamb versichert/ in besorgung Radirobanes möchte anderwerts mit seiner Schiffsmacht an einem vnverwahrten Vfer abstossen. Aber kaum nach zweyen Tagen brachten die abgefertigten Außspeher Bericht ein/ daß sie in alle wege nach Sardinien [640] schifften. Alsdann/ weil er vermeinete/ daß die Gefahr nicht fürüber/ sondern nur auffgeschoben were/ ge- dachte er in seinem Hertzen auff Mittel/ wie er Sicilien schützen/ vnd sich an dem Feinde/ der sonder zweiffel zurück käme/ rechen möchte. Es war schon lange Zeit/ daß Eurymedes/ als ein ritter- licher Mann vnd der Lust zum Kriegeswesen trug/ dem Könige ge- saget hatte/ man könne ein Land in sicherem Zustande besser nicht halten/ als wann man allezeit ein Heereskrafft in Bereitschafft vnd zu Felde hette. Vnd damals wolte gleichsam das Glück den Nutzen seines Rhatschlages zuerkennen geben; dann als Meleander zwi- schen jhm vnd dem Dunalbius in der Mitten gieng/ vnd sich mit jhnen wegen Eintheilung der Besatzungen an die Vfer gegen die Sardinier vnterredete/ fieng er also an zusagen; Wann jhr dem- jenigen/ was ich euch zu Anfange der Empörungen deß Lycogenis gerahten habe/ weret nachgegangen/ so dürffte euch entweder Radirobanes jetzund nicht antasten/ oder jhr würdet jhm alsbald begegnen können. Wann jhr es auch an jetzo vnterwegen lasset/ so wird nach seiner Abtreibung das Glück andere finden/ welche euch weder den Argwohn noch die Waffen lange werden lassen beyseite

[Druckausgabe S. 387]
legen. Haltet derwegen Volck im Felde/ welches eweren Feinden ein Schrecken einjage/ vnd zu Friedens vnd Kriegeszeiten vnter- halten werde. Diese Furchte wird die Vnterthanen in Gehorsam er- halten/ vnd alte Freundtschafften vnd Bünd-[641]nisse der Auß- länder bestättigen/ wie in gleichem newe finden. Dann einheimi- scher Auffstandt schleichet entweder auß Ehrgeitze vnd zusam- menrottung der fürnembsten Häupter ein/ oder/ welches so offte nicht fürläufft/ entspinnet sich auß dem einhelligen Vernemen deß to- benden Volckes. Es ist aber für beyde diese Kranckheiten deß gemei- nen Nutzens nichts gesünders noch kräfftigers/ als solche Waffen. Dann die Bündtnisse der Vermögenden sindt zu Anfange vnd gleichsam in jhrer Wiegen schwach vnd furchtsam; so daß sol- ches Vbel/ im Fall man Volck in Bereitschafft hat/ mit ruhm vnd Ehren gedämpfft/ vnd diese Brunnen durch plötzliche Macht/ als mit einem hitzigen Donner erschöpfft können werden; die hergegen/ wann mann jhnen nicht stewret/ kurtz hernach mit vollem Bache außreissen. Im Fall aber die schnelle Wahnsinnigkeit deß rebelli- renden Volckes (dessen sich verständige Leute darumb allzeit besor- gen sollen/ weil es zu der Vorfahren Zeiten etlich mal sich also be- geben hat) eine grosse Menge Soldaten wieder den König auffstellen wirdt/ so ist wieder solchen Brandt keine andere Hülffe/ als daß man jhnen beständige Regimenter/ die im Kriegswesen durchtrieben sindt/ entgegen stelle. Dann daß gemeine Volck/ welches bloß im er- sten Anlauffe behertzt ist/ es sey so starck an der Anzahl wie es wölle/ so wirdt es doch gegen die nicht stehen/ welche jhrem wüten begegnen/ Ordnung halten/ Obristen gehorchen/ Ort vnd Gele-[642] genheit zum Läger vnd Kampffe erwehlen können. So daß bey aller Gelegenheit/ zu beschützung deß Lands/ vnd entweder fürbiegung oder vnterdruckung deß Auffruhrs der Soldat/ den man nicht erst werben vnd vnterweisen darff/ sondern der mit empfangung der Besoldung seines Feindes erwartet/ höchlich nütze vnd ersprößlich. Solche Regimenter werden euch ewerer Person versichern wohin jhr auch verreiset/ vnd/ wofern auß Empörung deß Volcks/ oder Abfall der Obristen deß Lands/ je eine Statt oder Festung von euch solte abtretten/ solche newe vnd noch vnkräfftige Verrätherey als- baldt vnterdrucken.

Was werdet jhr euch aber durch solche stethe Kriegsbestallung/ so auff ewer Wincken fortzuziehen bereitet ist/ bey außländischen Nationen für Forcht nit machen? Sie werden sehen/ daß jhr Friede

[Druckausgabe S. 388]
an euch gelegen sey; daß euch vngerochen niemand beleydigen/ oder verachten könne; daß jhr gleichsamb als ein Schiedsherr vber die andere Könige/ welche zu jhrer Verwahrung dergleichen Waffen nicht halten/ sitzet. Man weiß daß vnsere Nation das Lob habe/ als ob sie von Natur zum Krieg geneigt vnd dienstlich sey. Wie viel mehr/ wann die Vnterweisung zu der Natur kommen wirdt/ vnd die Feinde sehen werden/ daß jhr nicht vnerfahrne/ sondern auß- geübte Knechte vnter euch habt? Es dienet auch dieses nicht allein zu Ehren. Die jenigen/ so euch vielleicht reitzen mögen/ wer- den im Außgang erfahren/ [643] daß es weit ein anders sey/ ein new- geworbenen Soldaten in die Schlacht zustellen/ als versuchte Leute/ vnd die jhre Jahre mehr auß der Vnterhaltung als auß dem Calen- der her rechnen können.

Werden auch ferner die/ so newlich geschworen haben/ mit sol- cher Trew vnd Eyfer streiten/ als diejenigen/ welche mit eingewurt- zelter Zuneigung nicht mehr als Soldaten/ sondern als tägliche Auffwärter/ den Fürsten/ der jhnen Kleidung vnd gleichsam den Athem selbst zugeben gewohnet ist/ zu dem sie sich auch nicht allein in diesem Kriege/ sondern auch in jhrem gantzen Leben ge- sellet haben/ mit darsetzung jhres Blutes schützen? Mit Beyheff- tung dessen/ daß der Krieg/ wie alle Cörper/ in Lebhafftigkeit gleichsam seiner Glieder vnd Empter bestehe/ vnd man allein durch die Erfahrung empfinden könne/ ob einer zu diesem Wesen geartet sey. Etlichen mangelt es an Gesundtheit/ etlichen am Hert- zen; welche Gebrechen die Gestalt deß Leibes vnd das Antlitz der- massen verdecket/ daß man durch nichts als die Erfahrung dar- hinter kommen kan. Derhalben eröffen sich diese Mängel in Zeiten vnd ohngefehr bey steter Vbung der Waffen/ vnd wehrendem fried- lichem Kriege/ daß man also ein Heer/ entweder mit steter Vnter- richtung solcher Personen/ oder mit endtlicher Außmusterung/ vollkommen kan machen. In plötzlicher Werbung aber/ wann man die Companien voll [644] haben/ vnd vnerfahrne Leute wie man sie krieget/ bewehren sol/ weiß man offtermals nicht/ ob man einen Mann oder ein geschnitztes Bild außrüstet; so daß ich der Meinung bin/ es sey zwischen einem newgeworbenen vnd einem außgevbten + + +

[Druckausgabe S. 389]
Volck ein solcher Vnterscheidt/ als zwischen einem Schiffe das von erlesenen Bäumen gebawet ist/ vnd dem andern zu dem man vnzei- tig gefälltes vnd bresthaftiges Holtz genommen hat.

Man möchte aber einwenden/ daß auff die Vnkosten müsse ge- sehen werden; weil es gleichwol ein grosses sey/ wann so viel Be- fehlichshaber vnd Soldaten/ von anderer Leute sawrem Schweisse sollen erhalten werden. Gewiß es 〈were〉 eine schöne Fürsorge/ daß wir vns befürchten/ wann ein Feind vns plünderte/ er möchte nicht genug volle vnd reiche Häuser finden. Wir wöllen ein wenig zurück gedencken auff die Verheerungen/ Raubereyen vnd Ver- derbung/ so bey einheimischer Vneinigkeit fürgelauffen sind. Wie vieler Jahre Sold/ mit welchem man zu Verbietung solchen Vbels ein genugsam starckes Heer begnügen können/ hatt die Wahn- sinnigkeit etzlicher wenigen Monate auffgefressen? Nebenst dem was man an Personen für Mutwillen verübet/ wie man die Häuser in Brand gesteckt/ vnd mehr dergleichen begangen hat/ wie in sol- chen Fällen/ wiewol vngestrafft/ niemals aussen bleibet. Solches vn- recht kan das Volck mit einem geringen von sich weg kauffen/ wann es sich mit [645] steter Kriegesmacht schützet.

Dunalbius war im Policeywesen sehr erfahren/ auch von Natur vnd Vnterrichtung aller Regiementssachen kündig/ wie derent- wegen Eurymedes also redete/ verwandelte er offtmals das Ge- sichte vnd Augen/ vnd gab durch Zeichen zuverstehen/ daß er bald seiner Meinung were/ hergegen es auch bald mit jhm nicht hielte. Als nun Eurymedes kaum auffgehöret hatte/ fieng Dunalbius auff des Königes Begehren also an: Wann Eurymedes der anderen Trew nicht nach der seinigen schätzte/ so würde er den Soldaten niemals so viel zugeschrieben haben/ daß er der Fürsten vnd deß Vatterlandes Wolfahrt nicht allein in jhrem Dienste/ sondern auch nur in der Ruhe vnd gleichsam dem Schatten eines Heeres zube- stehen gemeinet hette. Von mir zusagen/ wiewol meine Gelegenheit vnd geistlicher Stand mich zu Kriegesämptern nicht gelangen läs- set/ so wil ich doch kein Bedencken tragen meine Meinung zuer- öffnen/ weil allhier nicht die Frage ist was die Waffen dem Men- schen schaden/ sondern was sie dem Frieden für Beschützung + + +

[Druckausgabe S. 390]
bringen können. Vnd zwar dieses nicht so sehr/ Eurymedes/ euch zuwiederstreben/ als von ewerer Verständigkeit dasjenige was ich nicht weiß/ oder woran ich zweiffele/ zufragen. Ich habe niemals an denen Gefallen getragen/ welche einem gesunden Cörper für zu- künfftige Kranckheiten Artzney eingiessen/ vnd die noch stillen Vr- sachen der Vn-[646]päßligkeit reitzen/ welche sich niemals ärger entzünden/ als wann sie so vnnötiger weise gereget werden.

vielSchwachheiten/ wie viel Tode haben wir gesehen derer Menschen/ so durch solche Artzneyen die vnauffgerührten Feuchtigkeitten/ welche fast vergessen hatten zu schaden erwecket haben? Eben also kommen mir auch diese für/ die bey friedlichem Zustande we- gen künfftigen Vngewitters solche schädliche Mittel suchen/ so mit zweiffelhafftigem Außgange die Gesundtheit deß gemeinen Wesens gleich schier verderben als erhalten kan. Vnter die Vnge- wissen Mittel der Gefahr aber rechne ich fürnemlich die stete Vn- terhaltung der Soldaten. Dann im Fall die Knechte sich schon nicht im Harnisch halten/ im Fall sie auß Hoffart oder Thorheit den Gehorsam außschlagen werden/ so werden sie die Anschläge deß Friedens wegen/ vnd den Fürsatz jhrer Obristen/ welche sie zu abwendung deß Auffstandes geworben haben/ weit hindan setzen.

Ihr wisset wie die Companien vnnd Regimenter vnter jhren Ob- risten vnd Befehlichshabern so eine starcke Gemeinschafft machen: jedennoch können sie jhre Kräfften entweder kümmerlich erken- nen/ oder jhnen eine stoltze Einbildung/ welche auß solcher Be- trachtung herkömpt/ fassen/ im Fall sie einen munteren Feindt für sich sehen/ vnd jemandt ist den sie fodern oder fürchten müssen. Wann sie aber jhnen mit jhrer Faust frieden geschafft haben/ vnnd sie niemandt mit einer newen Gefahr jhres Sieges [647] erinnert/ alsdann/ gleichsam ob sie dem Könige oder Lande jhren Beystandt auffrückten/ erwegen sie bey sich selbst/ was man durch jhr Kämpffen erlanget habe: Sie weren die einigen Beschützer deß Volckes; an jhnen sey der Zustandt aller Sachen/ ja die Wolfart deß Vatterlandes vnd Fürstens selber gelegen. Solche Einbildungen fallen jhren Sinnen nit bald vnd vber einen Hauffen/ sondern all- gemach mit der Zeit/ Zusammenstimmung vnnd Gewohnheit ein. + +

[Druckausgabe S. 391]
Sie halten beyeinander/ als ob sie eine absonderliche Policey auff- richteten: werden hernach geyl auß Müssiggange/ welches so viel von den Kräfften mindert/ als es der Leichtfertigkeit zusetzet. Baldt wann sie vermeinen daß man sie nicht genugsam belohne/ vnd jhrem Begeren nicht stracks statt giebet/ so entbrennen sie/ blasen sich auff/ vnnd werden vnwillig/ daß man für jhren Waffen nicht mehr Furcht habe. Wie aber/ wann sie von jhren Hauptleuten/ oder von Auffwieglern angefrischet/ vnnd jhnen höhere Besoldun- gen/ Plünderungen/ Auffruhr/ vnd Freyheit zu sündigen einge- bläuwet werden? Ach jhr Götter/ last ja solches Vbel auff der Feinde Kopff kommen! Dann ich bin dieser Gedancken nicht wie jhr für- gabet/ Eurymedes/ als liebeten sie darumb den König höchlich/ weil sie auß seiner Kammer besoldet würden. Sie halten jhre Be- fehlichshaber viel höher/ theils weil sie von jhnen in Bestallung ge- nommen worden sindt; (als ob die Besoldung von jhrer Gunst/ vnd nicht von dem Könige herrührete) [648] theils weil sie jhnen als den Obristen auß jhrer gemeine/ vnd als Handhabern der Knechte günstig sindt. Bevorauß aber/ weil sie gemeiniglich vnter jhnen mehr Krieges Freyheit als vnter dem Könige haben. Wöllet jhr fer- ner vber dieses Heer das zu Friedenszeiten in Waffen seyn wird einen General Leutenampt setzen/ oder sollen etzliche von vnterschied- lichen Theilen gleiche Verwaltung haben? Wann jhr dieses Ampt vielen gebet/ so wird das Kriegswesen vbel bestellet seyn; in dem die Befehlichshaber einander neiden/ vnd die Soldaten wegen der Obristen Vneinigkeit niemals jhre Krafft beysammen haben werden. Gedencket jhr die gantze Macht einem einigen anzutragen/ wer wird dieser wol seyn/ welchem jhr solches ansehen/ vnd zwar auch vber euch selber/ vertrawen wöllet? Ewere Regierung vnd Leben wird bey jhm stehen. Wann er die Kräfften deß Reiches/ vnd die Adern deß Vermögens wird in seinen Händen sehen/ wird er auch den Stacheln deß Hertzens die seine Trew versuchen/ vnd jhn hoch- mütiger weise zur Rebellion auffmahnen werden/ wiederstehen können? Wolten die Götter daß alle/ denen Könige jhre Wolfahrt anvertrawen/ ewrem Eurymedes gleiche weren: wiewol ich nicht vermeine/ daß er sich selber zu der Mißgunst/ die bey dergleichen Gewalt jmmer fürläufft/ auß zustellen gesonnen sey. Ihr wisset was + +
[Druckausgabe S. 392]
für Könige durch fast eben solche Gewonheit vmb jhre Scepter kom- men sindt; welche/ [649] in dem sie den Obristen Hoffmeistern den höchsten Befehl im Kriege hingelassen/ sich allgemach vmb das Recht vber jhre Vnterthanen vnd Soldaten gebracht haben. Die- jenigen/ so Königreiche vernünfftig auffzurichten/ oder standhaff- tig zumachen sich befleissen/ halten diese für die fürnemsten zwey Sachen; erstlich/ daß die Vnterthanen sich nicht leichtlich wieder den Fürsten aufflehnen können; hernach wann sie ja durch das Garn deß Gehorsambs reissen wolten/ daß es jhnen doch an tüchti- gen Rädelsführern/ welche durch Mittel der Waffen jhre vmb- schweiffende vnd vnordentliche Wahnsinnigkeit stärcken vnd an- führen möchten/ mangele. Nun würden wir diese Warnungen alle beyde mit dem Rhate wegen Vnterhaltung steten Kriegesvolckes vmbstossen. Dann saget mir/ was wird für ein Vnterscheid seyn zwischen dem Volcke vnd so viel Companien/ so vielen Leuten allerley Standes vnd Wesens/ denen wir gutwillig die Waffen in die Faust geben? Alle Auffwiegelung/ so dem Pöfel in den Sinn kom- men kan/ wird auch diese einnehmen können; vnd zwar vmb so viel destoeher/ daß sie nach jhrem Auffstande zum allerersten die Augen auff jhre Waffen/ welche sie vermessen machen können/ werffen werden? Zu solcher Empörung nun können sie kein näher Haupt finden als eben diesen/ dem jhr die obriste Gewalt im Läger verlie- hen hettet. Dann wird auch einer euch gedencken Trew zuverblei- ben/ wann er so viel Sachen die jhm zum [650] Abfall reitzen/ haben wirdt? Das Erkändtnüß seiner Kräfften/ die Süssigkeit deß Königreichs/ welche er allbereit schmäcket/ die Wündsche der Heuchler/ die Beschützung wehrhaffter Leute/ die Beschönungen den Fehler zu bedecken/ vnd/ wann die Sach vbel außschlüge/ die verwegene Entschuldigung vnter so vielen Verbrechern. Hernach/ würde er/ ohn erwartung biß seine Sach zum ärgsten steht/ fast auff gleiche Bedingung mit dem König/ der noch an dem Sieg zweifelte/ handeln. Aber gesetzt/ daß solches Obriste Haupt von Na- tur oder auß sonderbahrer Tugendt für der Meuterey Abschew tra- ge/ vnd mit anfeindung der Laster niemahls ausser der Pflicht schreitte: was vermeinet jhr von so vielen Officirern vnter jhm? Solte keiner von jhnen auffgeblasen/ vnbedacht/ vnd leichtfertig seyn? Solten die Knechte keinen von seiner Kriegsbescheidenheit/ +
[Druckausgabe S. 393]
oder verwegenen Gemüts halben lieben? Machet euch nicht so ver- gebene Hoffnung. Es wirdt bey solcher Rebellion an denen nicht mangeln/ welche den Fahn darzu schwingen werden.

Ihr möchtet einwenden/ man hette diese Vngelegenheiten/ von denen ich zuvor ansage/ nur alsdann zu förchten/ wann das gantze Heer beysammen lege. Ihr wöllet aber solchem Vbel fürbiegen/ vnd diese grosse Verfassung zertheilen/ damit der Soldat sich nicht mit Verwunderung beysammen sehen/ vnd einer den andern durch sein Rasen anstecken könne. Wo wöllet jhr sie dann so zertrennet hin schicken? [651] In Festungen vnd Stätte? Schawet wie bequem es an beyden Orten seyn würde. Zwar wie es von nöthen ist/ daß man Schlösser mit genugsamer Besatzung verwahre/ also können sie wegen jhrer Enge eine grosse Anzahl Soldaten nit behalten/ vnd hören auch auff sicher zuseyn/ nachdem sie von so vielen Augen im hin vnd wider reysen sindt beschawet worden. Dann vermeinet jhr die Knechte daselbst als im Gefängnüsse zu halten? Werden jhre Freunde sie nicht besuchen? Zugeschweigen jhre Weiber/ jhre Ver- wandten/ jhre Droß vnd Jungen. Es kan seyn daß jhr sie lieber in die Stätte als zu einem jmmerwehrenden Winterläger schicken wöllet. Als ob euch nicht bewußt were/ wie vbel sich die Soldaten mit dem andern Volck vertragen. Welches den vnbewehrten Bürgern/ vnd die sich vmb jhre Arbeit bekümmern/ zu Kriegszeiten am beschwer- lichsten ist/ wöllet jhr jhnen im Frieden mit stethem Verdruß auff- legen; daß sie nämlich in jhrem Hause frembde vnd gewaffnete Leu- te hegen müssen/ daß Tempel vnd offentliche Plätze von Sitten der Soldaten voll seyn/ vnd die angenehmste Ruh der PrivatHäuser in dergleichen vngestümmes Leben verkehrt sol werden? Es wirdt niemandt seyn der sich nicht vber die Last beklagen/ vnd mit euch vbel wirdt zufrieden seyn: wann sie auch sich auffzulehnen werden einen Fürsatz nemmen/ was wirdt jhnen schwerer zu ertragen für- kommen/ weil sie allbereit so harte Dinge/ die Stewren vnd Be- satzung [652] erdulden müssen? Wann auch gleich das Volck also zertrennet vnd eingetheilet wirdt/ so kan doch der Nutz davon Eurymedes sagte nicht erfolgen. Dann man wirdt doch in den Stät- ten die KriegsDisciplin nicht halten/ noch die vnerfahrnen Knechte + + +

[Druckausgabe S. 394]
bey solchem Müssigange außvben vnd vnterrichten können. Die Versuchten selber werden voll Schläffrigkeit vnd Fäule in den Stät- ten liegen/ vnd nebenst jhrer Kriegsbestallung sich auff jhre Häuß- liche Sorgen vnd Gewonheit legen. Folgends wann sie die Besol- dung ohn alle Verrichtung zu empfangen werden gewohnet seyn/ so wirdt man sie viel schwerlicher von jhrer Ruhe zu der Gefahr an- führen können/ als ob man erst newe werben müßte/ welche wißten/ daß sie von deß Königs Vnkosten ohne Arbeit vnd gebrau- chung der Waffen nicht köndten enthalten werden.

Als Eurymedes auff diese deß Dunalbius Einwürffe geantwortet/ vnd er sich hergegen vertretten hatte/ als ob sie in einem Kampffe gegeneinander gestanden/ versöhnete sie Meleander also/ daß er das- selbige billichte/ was einer in deß andern Meinung lobete/ nämlich daß eine grosse Werbung schädlich were. Doch muste man ohn die Besatzungen in notwendigen örtern sich vmb eine Anzahl von Schiffen bekümmern/ vnd das Vfer Siciliens mit zwantzig Galleren belegen; deren sie etzliche auff der See/ die andern an den fürnemb- sten Porten auffhielten/ biß zu nötiger Verordnung. So würde man auch [653] die Guardie theils mit außerlesener Jugendt/ theils mit andern so lange gedienet hetten/ stärcken sollen. Vnd darzu köndte man jhrer Acht tausent werben. Der halbe Theil solte den König all- zeit begleiten/ so daß die Soldaten Sechs Monat zu Hause/ vnd das vbrige vom Jahr im Läger verblieben. Dann also würden sie weder bey solcher Trennung genugsame Kräfften zur Empörung haben/ noch wegen zu langer vnd vberflüssiger Säumung zu Hause deß Kriegswesens vergessen. Die/ so bey dem König verblieben/ solten nicht vnordentlicher weise beysammen liegen; sondern je Tausendt zusammen entweder in ein Läger/ oder in die Theile der Statt dar- innen der König seyn würde/ einquartirt werden. Dann es würde denen Bürgern/ welche deß Nutzens von seinem königlichen Hofe vnd Begleitung geniessen köndten/ nicht beschwerlich seyn/ wann sie schon die Leibwache als zu jhren Mitwohnern einnemmen müßten. Man solte sie reichlich vnd vnverzüglich außzahlen; auch destoschärffer im Zwang halten: jhren Muthwillen/ Diebstal vnd + + +

[Druckausgabe S. 395]
Frechheit härtiglich straffen: Vnd/ damit sie durch Müssiggang nit ärger würden/ sie in jhrem Kriegswesen außüben; so daß sie zu- weilen in beywesen der Befelchshaber vmb eine Verehrung das Schäffelein werffen/ oder mit der Picke spielten; bißweilen in der Rüstung reiseten/ damit es jhnen nicht schwer fiele/ wann sie künfftig für den Feindt mußten. Sie solten keine andere Haupt- leute noch Officirer haben/ als die so der Kö-[654]nig ernennen wirdt. Deren zu Roß solten Zwey tausendt seyn. Die andern möch- ten nach Kriegesvortheil mit Bogen/ Lantzen vnd Helleparten bewehret werden. Mit diesen Companien/ sagten sie/ daß man eine plötzliche Auffruhr genugsamb dämpffen/ vnd also auch new- geworbene Soldaten/ da es die Noth erhiesche/ vnterweisen köndte. So meinete Eurymedes/ daß seine Gedancken auff was mehrers/ vnd Dunalbius/ daß die seinigen auff was wenigers gegangen we- ren; außgenommen daß sie sämptlichen für rahtsam befunden/ die Kriegsverfassung etwas zu stärcken/ wann man sich je eines Kriegs von Sardinien zu besorgen hette.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),