Das XVIII. Capitel.

[1017] Sie vbergeben dem Könige Hyanisben Schreiben. Deß Poli- archus Angst. Archombrotus wirdt erkandt daß er Meleanders Sohn sey.

Das XVIII. Capitel.

SIe waren auff dem Saal/ vnd Meleander bate sie in das Zimmer ab- zutretten/ da sie bequemer miteinander reden köndten. Sie aber/ weil sie sahen/ daß es gute Gelegenheit were die Sache fürzuneh- men/ blieben sie beyde stehen/ vnd Archombrotus vbergab Melean- dern seiner Mutter Schreiben/ mit Ersuchung solches alsbald zu lesen. Dann er köndte nicht ehe ruhen. Deßgleichen begehrte auch Poliarchus. Der König wunderte sich/ was es doch müßte anlangendt seyn/ das in solcher Eyl bestünde/ brach also das Siegel auff/ vnd fieng den weitläufftigen Brieff an zu durchsehen. Bald sahe man/ daß deß Poliarchus vnd Archombrotus Gesichter wegen grosser Verwirrung geändert wurden. Dann ein jeglicher von den beyden sahe das Schreiben dermassen an/ als ob an demselben sein eusserstes Glück oder Vnglück gelegen were. Solte die Sach anders hinauß lauffen als Hyanisbe verheissen hatte/ solte entweder keiner oder ja ein vnannehmlicher Vertrag angebotten werden/ so waren +

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sie bereitet in einen Auffstandt zu kommen/ [1018] vnd gedachten schon in jhrem Gemüte an nichts als an Wüten vnd Waffen. Ar- chombrotus hatte der Mutter geheisse nach zugleich auch das Käst- lein vberantwortet/ welches vor diesem Poliarchus auß der Räuber Hände gebracht hatte. Meleander war im Schreiben noch nicht weit kommen/ als er gleichsam wie einer der nicht bey Sinnen ist/ baldt mit sich selber anfieng zu reden/ bald auff den Archombrotus die Augen warff; nachmals widerumb auffs newe laß/ vnd vber einem jeglichen Wort still hielte. Es war ein kleiner Schlüssel in den Brieff eingelegt/ der zu dem Kästlein gehörete. Diesen nam der König begierig in die Handt/ vnd laß weiter. Poliarchus vnd Ar- chombrotus zweifelten weiter nicht/ es müßte was grosses vnd würckliches in dem Schreiben seyn. Endlich gieng Meleander zu einem Tisch/ der zunechst an der Wandt stundt/ vnd suchte heim- lich mit Begier nach/ was in dem Kästlein lege. Es waren etliche Schreiben/ die er vberlaß/ vnd mit Threnen vnd Seufftzen küssete. Es vberzeugte auch ein Ring vnd andere geheime Kennzeichen den Alten/ daß Hyanisbe die Warheit geschrieben hette.

Wie er nun also durch die Wichtigkeit der plötzlichen Regung eingenommen wardt/ bath er den Poliarchus/ er wolte es nicht vbel vermercken/ daß er etliche verborgene Sachen absonderlich für- nehme; zohe also den Archombrotus der sich verwunderte be- kandter weise zu der Tafel/ vnd vberreichte [1019] jhm der Hyanis- ben Schreiben. In dem er solches laß/ fiel jhm Meleander vmb den Hals. Der junge Herr kniete nieder/ vnd bewegte mit seiner verän- derung deß Gesichts/ vnd gar einer andern Art der Ehrerbietung als er sonst pflegte/ aller Vmbstehenden Gemüter. Sonderlich kümmer- te diese Comedien den Poliarchus. Solte er sehen/ daß sein Gegen- part zur Vmbfangung vnd allerley Anzeigung der geheimsten Liebe gefordert würde; er aber indessen vom Meleander verlassen stehen/ vnd die Zeit mit dem Eurymedes vertreiben? Dann dieser war Ehren halben jhm allgemach an die Seiten getretten/ in dem Mele- ander mit dem Archombrotus redete/ damit dieser König nicht allein mitten in dem Saal durffte stehen bleiben. Wie er dieses groß- mütig bey sich bedachte/ wardt seine grosse Vnwilligkeit noch heff- tiger gestärcket. Dann Argenis kam auff Erforderung deß Vatters in die Tafelstuben/ vnd als jhr der König etwas gesagt hatte daß die so weit darvon stunden nicht verstehen kundten/ fiel sie dem Ar- chombrotus welcher sie küssen wolte gutwillig mit beyden Armen

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vmb den Hals. Hernach vergossen sie beyde heisse Zehren/ welche auß lauterer Frewde herzu kommen das andere Gesichte wol Anzei- gung gab. Sie reichete auch dem Archombrotus die Handt wie er be- gehrte/ zum Zeichen jhrer vnverfälschten trewen Liebe.

[1020] Der Grimm hatte deß Poliarchus Gedult schon vberwun- den/ vnd er war entschlossen diese jhm feindselige Frewde zuzer- stören. Er wußte nicht welchem er mehr fluchen solte/ Hyanisben/ Meleandern/ oder dem Archombrotus. Der Zorn wider die Argenis erregete jhn mit solchem wüten/ daß er sich allein mit seinem Todt an jhr zu rechen gesonnen war. Vnd wie die Gedancken/ sonderlich wann sie zornig sind/ alle Reden mit Geschwindigkeit vbertreffen/ also setzte er jhm in kurtzer Zeit viel vnd grausame Sachen für. Ist dieses Hyanisben Danck/ welche ich durch meine vnd der Meinigen Wunden erhalten habe? Sie hette mir Gifft beybringen können; ich habe mich jhrer Artzney in meiner Kranckheit gebraucht: sie hat mich aber nicht ehe wöllen sterben lassen/ dann ich mich verachtet vnd in meiner Gegenwart beleydiget befinden/ vnd sehen würde/ daß die verzauberte Argenis mir nicht allein abgesprochen were/ son- dern auch jhrem Sohne am Hals lege. Hastu/ Zauberinn/ mich dar- umb fortgeschicket/ einen so jämmerlichen Todt zu sehen? Sindt dieses die Schreiben/ die Verheissungen/ der Eydt den du für den Ohren deiner Haußgötter geschworen hast? Bin ich nicht vnsinnig/ daß ich Trew vnd Glauben in Africa gesucht habe? Aber es sol dir vngestraffet nicht hingehen. Ich wil dich also bekriegen/ dich also ängstigen/ daß keiner von deinen Leuten auß meinen Händen ent- rinnen soll. Was gedencke ich tobender Mensch? was mache ich mir Hoffnung [1021] eines Trostes/ gleich als ob ich noch lange zu leben hette? Siehestu nicht/ welche jetzundt baldt aber mit dir zu- gleich sterben müssen? Ich wil hinzu tretten/ vnd dem Hencker das Leben nehmen/ der durch meinen Sieg Sardinien vberkom- men hat/ vnd nun auch an meine statt Beylager zuhalten geden- cket; Ich wil die vnverschämpte Argenis zum wenigsten mit seinem Blut roth machen. Diesen Alten aber/ den Schein/ das Gespänste wil ich ehe erwürgen/ als jemandt jhm zu Hülffe kommen kan. Der Argenis selber/ der Argenis/ sage ich. Vber Entschliessung solchen grausamen Fürhabens blieb der Armselige behalten. Warumb sol ich aber einer vnsinnigen Jungfrawen Blut vergiessen? Sie wirdt + +

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besser sterben durch das Gedächtniß jhrer Vbelthat vnd meine eige- ne Wunden. Ich wil meine Brust eröffnen/ vnd wann das Blut her- außsprützen wirdt/ so wil ich auff sie fallen/ jhr zu einem Zeichen/ wie sie von den Furien soll geplagt werden. Dann wann ich nicht also sterben wolte/ so köndte ich meine Soldaten erfordern; ich köndte dieses Hauß ohn meine Verletzung den Feinden auff den Hals werffen. Aber ich wil nicht leben/ damit ich mit der Argenis nimmermehr dörffe versöhnet werden.

Er hatte genugsam Zeit auff solche vnd dergleichen rasende Ent- schliessungen zugedencken/ in dem die ersten Liebesworte den Me- leander/ den Archombrotus vnd die Argenis an andere Sachen nicht gedencken liessen. Wie er nun gleich so tobete/ trat Me-[1022]lean- der/ der vmb diese Wahnsinnigkeit nicht wußte/ zu jhm/ vnd: Ver- zeihet vns/ mein Gast/ sagte er/ daß vns eine vnverhoffte Frewde verhindert hat euch gebührliche Ehr anzuthun. Ihr werdet viel- leicht nicht weniger dessentwegen froh seyn/ als jhr jetzt gesehen habt/ daß ich vnd Argenis 〈es〉 gewesen sind. Kompt her/ allerliebster Freundt auff der gantzen Welt/ geniesset vnserer Glückseligkeit/ vnd sehet wie wol sich dieser Tag vmb euch verdienet habe. Poliar- chus wardt durch diese Rede geändert/ vnd wußte in solcher Ver- wechslung der Gedancken nicht was er gewarten oder vrtheilen solte; folgte also dem Meleander der jhn führte. Nachdem sie aber bey dem Archombrotus vnd der Argenis stunden/ fieng Meleander nicht mit sehr gelinder Sprache/ daß es die nechsten Vmbstehenden hören kundten/ an: O/ glückseliger/ O meinem Alter gewündschter Tag! da ich vorhin auff der einigen Tochter beruhete/ sehe ich mich noch mit zweyen andern Kindern die jhr gleiche sindt gemehret. Ich mißgönne den Göttern jhr Glück nicht. Welch Mensch ist glück- haffter als ich? oder wem soll die kleine Zeit zu leben lieber als mir seyn? Hat das günstige Verhängniß mir durch so viel Vmbschweiffe vnd harte Bedräwungen diese starcke Seulen vnd Zier meines Ge- schlechts fürbehalten wöllen? Lasset den gefaßten Zorn wider den Archombrotus fahren/ O jhr grössester König; oder damit ich euch mit einem rühm-[1023]lichern Namen nenne/ O Poliarchus. Ich habe ewern Haß lang gemercket. Ihr werdet die Argenis beyde lie- ben; vnd sie wirdt aller beyder seyn. Dann diesen der mein Sohn ist wirdt sie als eine Schwester meinen. Euch aber/ wann jhr nicht an- ders gesonnen seydt/ sage ich sie zur Gemahlin zu. Dann ob sie wol deß nunmehr erkandten Bruders wegen meine Kron nicht erben

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kan/ so werdet jhr sie/ wie ich euch kenne/ nicht weniger lieben/ vnd sie wirdt nicht weniger eine Königin seyn. Dann Sardinien vnd was dem Radirobanes gehörig gewesen ist/ welches jhr dem Ar- chombrotus auch hingelassen habt/ soll jhre Morgengabe seyn. Die- ses hat mein Sohn mit mir beschlossen. Ihr/ Archombrotus/ ent- saget zum ersten aller Feindseligkeit/ vnd vbergebet dem Könige Poliarchus ewere Schwester.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),