Das XIV. Capitel.

[973] Aneroests schönes Gespräche die Verachtung der Welt/ vnd das Lob deß Einsamen Lebens betreffendt.

Das XIV. Capitel.

NAchdem sie in den Palast angelangt waren/ kamen etliche auß Befehl deß Poliarchus/ die dem Aneroest die armselige Tracht ab- nehmen/ vnd an deren statt königliche Kleyder anlegen solten. Er aber hielt seinen Habit wunder/ vnd stieß den Purpur mit der Handt von sich. Wie sich nun Poliarchus darüber wunderte/ vnd jhn sehr ermahnete/ er wolte die Zeichen seiner Trawrigkeit ablegen; gab er +

[Druckausgabe S. 577]
zur Antwort: die Götter hetten es vmb jhn nicht verschuldet/ daß er sich auß jhrer Gemeinschafft begeben solte. Er liesse jhm genügen/ daß der jenige sein Königreich beherrschete/ welchen er von Grundt seines Hertzens zum Erben zu haben gewündschet hette. Im vbri- gen were er sich in die Vngewißheit der Geschäffte widerumb zu verwickeln nicht gesonnen. Man solte jhm sein edeles Armuth nicht nehmen/ oder darfür halten/ er köndte den seinigen nichts nutzen/ da er doch durch sein heimliches Vernehmen mit den Göttern sie jhnen zu Freunden machte. Diese beharrliche vnd ernste halsstarrigkeit deß Alten in behauptung deß niedrigen Lebens gab alsbaldt Anlaß zu mancherley reden; in dem etliche [974] seine Be- ständigkeit lobten; andere sich verwunderten/ was doch solche Härtigkeit der Sitten zu dem Dienst der Götter helffen köndte. Dann es auch Poliarchus an Beweisungen nicht mangeln ließ/ da- durch er deß Aneroests rawe Anschläge widerlegen/ vnd jhn von seiner Meinung zu gewöhnlichen Königlichen Sorgen zubringen gedachte. Aneroest hörete allen (dann es riehten jhm vnterschied- liche einerley) mit gantz gedultigem Stillschweigen zu; so daß viel in denen Gedancken stunden/ sein Gemüt würde hierdurch gerüh- ret/ vnd begehrte also vberredet zu werden. Wie er nun lang also beharrete/ entweder damit er alles was ihm eingehalten würde auff ein mal zu nichte machte/ oder auff daß er durch solche Verweilung sich zu Beschützung destobesser bereitete/ vnd verdienete von allen gehört zuwerden/ hub er endlich das Haupt sittsam empor/ vnd fieng in solcher Meinung an zureden.

Die Ordnung welche die Sonne in jhrem vnwandelbaren Wege fort für fort zuhalten pflegt/ der Lauff deß Mondes vnd der andern Sternen/ wie auch die Eigenschafft der gantzen Natur/ lehret die Menschen genugsamb/ so nur entweder durch hoffärtige Einbil- dung der Weißheit/ oder eine ärgere als bestialische Nachlässigkeit nicht verblendet sind/ daß ein höchstes Gemüthe sey/ welches alle Ding erschaffen habe. Vermeinet jhr aber nun/ daß diese heilige Göttliche Krafft/ von welcher so viel herrliche Dinge herrühren/ daß Gott/ sage ich/ der als ein [975] Vrsprung aller Tugenden den Menschen Recht vnd Billigkeit durch die Vernunfft so in jhren Ge- mütern ist/ fürgeschrieben hat/ sich an denen Lastern erlustige/ mit welchen wir vnsere Natur offtmals verderben? Es kan niemandt anders als ein höchstgerechter Erfinder seyn/ der dieses Gesetze das wir sehen der Natur gegeben hat. Nun kan er gerecht nicht seyn/

[Druckausgabe S. 578]
wann er so viel Laster vngestrafft liesse hingehen. Derhalben so baldt die Liebe deß guten/ vnd das Verlangen der Götter geneigten Willen zu vberkommen/ nebenst der Forchte deß Himmelischen Zorns vnser Gemüte gerühret hat; so baldt sollen wir nichts mit grösserer Embsigkeit suchen als die Entweichung von den gefähr- lichen Lastern/ welche so vielen Leuten den Vntergang verursacht haben. Dieselbigen Gefährligkeiten sindt theils in vns selbst/ theils kommen sie vns von andern her. Vnd zu beyder heylsamer Ver- meidung/ haben wir diese Art der einsamen vnd ernsthafften From- migkeit erfunden. Dann erstlich werden die vnziemlichen Begier- den/ mit denen wir vns selbst Schaden thun/ durch diese weise zu leben dermassen mit Gewalt entwaffnet; als wie wann man wilden Thieren/ so gezähmet worden/ auch die Klawen vnd Zähne weg- gebrochen hette: daß sie also hernach/ wann sie schon jhre wilde Natur wider an sich nehmen/ dennoch nichts haben mit dem sie schaden können. Dann die Begier zur Wollust verleuret bey vns durch den hergegengesetzten Gebrauch deß har-[976]ten Lebens seine Halsstarrigkeit; vnd ob gleich diese Flamme zuweilen als wie auß der Asche wider auffschlagen möchte/ so wirdt sie doch in einem dürfftigen vnd gleichsamb Bäwrischen Hause/ darinnen kein vbriger Vorrath zur Vppigkeit gefunden wirdt/ nichts richten. Es pflegt auch dieses einfältige Armut die Vnersättigkeit zu verachten. Ein vnansehenliches Leben/ das sich selber gering schätzet/ wirdt Roth vber den Reitzungen zur Hoffart. Also daß diese vnd andere Vbel/ als der Zorn/ der Neydt/ die Forchte/ die Verwegenheit in dieser heiligen vnd scharffen Entweichung/ gleichsamb als ein Fewer das nichts weiter zu verzehren hat/ verleschen müssen. Son- derlich wann das Gemüte nach außschlagung deß Jochs der Laster in sich selbst gewichen ist; vnd die forchtsamen Begierden/ so zum gehorchen angewehnet sindt/ ehe sie etwas wöllen oder nicht wöl- len/ sich bey der Vernunfft Rahts erholen. Also werden wir/ die wir vnsere ärgste Feinde sindt/ durch abschneidung oder besserung der Vngestümmigkeit vnserer vnbändigen Natur/ zu der heilsamen vnd nutzbaren Tugendt letztlich angewehnet.

Die andern Vbel belangendt/ so vns von anderer Leute Seuche herrühren/ dieselbigen sindt sehr grimmig vnd vbel zu vermeiden. Dann ich halte darfür/ daß mehr wegen gegebenen Exempels/ als we- gen eigener Reitzung sündigen. Dann wir begehren Freunden mit gleichheit der Sitten zu gefallen; [977] vnd man kan mit bösen Leu

[Druckausgabe S. 579]
tenvbel lange Zeit vmbgehen/ daß man die Laster nicht erstlich soll für leydlich halten/ hernach auch darmit angesteckt werden. Eines Menschen Ehrgeitz entzündet deß andern Hoffart; vnd von fremb- der Begier lernen wir nach Reichthumb stehen. Hat man euch ein- mal betrogen/ wiewol ich vielleicht niemanden zuvor vnrecht gethan/ so werdet jhr ewer Gemüth doch auff Betrug legen/ damit jhr euch rechen könnet; vnd auß dem Hasse der Feinde euch wi- derumb zum Hasse angewehnen. Vber dieses/ weil jhrer viel die Künheit zu sündigen für eine Hurtigkeit halten; vnd die jenigen welche den Göttern folgen für forchtsame vnd solche Leute die zu nichts köndten gebraucht werden/ schelten; so sind jhrer viel die zu vermeidung solchen Namens sich auff das Böse legen; mehr dar- umb/ damit sie denen gefallen mögen die nach Tugendt nicht fra- gen/ als daß sie die Laster lieb haben. Alle diese Gelegenheiten nimbt die Reinligkeit vnsers Ordens jhren Leuten auß den Augen: darinnen wir/ mit einem Wort zusagen/ böser Menschen Gesellschafft meiden/ vnd ohn einigen Argwohn der Furchte die Götter förchten dörffen.

Damit ich aber auff das komme was mich betrifft/ wie offt leitet die Boßheit vnd Zustandt der Geschäffte Könige vnd Fürsten mit darstellung der Nutzbarkeit zu Sünden? sonderlich wann das so billich ist scheinet wider ihr Ansehen/ oder die Sicherheit deß Regi- ments zu seyn? Alsdann helt man es [978] für gut stattlich/ daß Könige etwas fürzugeben/ zu betriegen/ vnd anders dencken als reden können; gleichsamb ob die Götter wolten/ daß die Beherr- schung der Menschen/ welche sie jhnen vbergeben haben/ ohne Vorschub vnd Beystandt der Laster nicht solte fortgetrieben wer- den. Baldt gelüstet sie vnter jhren benachbarten Völckern die es nicht verdienen/ Zwietracht anzurichten; damit sie/ in dem andere bemühet vnd verwirret sindt/ destobesser Ruh mögen haben. Baldt versuchen sie bey anderer Könige jhrer Freunde vornehmen ge- heymen Rähten jhre Geheimnisse mit Geschencken herauß zu- locken. Straffen sie auch nicht zuweilen die Vnschuldigen sich bes- ser zuversichern/ als ob sie schon gesündiget hetten/ weil sie sündi- gen köndten? Pflegen sie die vnterdrückungen deß Volcks hindan zulassen/ wann jhnen von denen Leuten die sie gebrauchen können + +

[Druckausgabe S. 580]
darzu gerahten wirdt? Wer alle diese Sachen am besten angeben kan/ der wirdt dermassen hoch gehalten/ daß ich weiß/ es verwun- dern sich jhrer viel von denen so hier anwesendt sindt/ daß ich hier- auff als auff vnbilliche vnd den Göttern verhaßte Sachen gescholten habe. Dessentwegen ist mir der Könige Zustandt schwer fürkom- men/ nicht zwar die Zeit vber weil ich regierete/ vnd eben hierin- nen vnd in dergleichen sündigte; sondern nachdem ich die Wolcken deren Nutzbarkeit vnd Gewonheit von mir weggethan habe/ vnd nunmehr gewahr worden bin/ mit was für Tunckelheit ich vmb- ringt gewesen sey. Verzeihet [979] mir/ Königin/ vnd jhr mein Sohn: Ich verwerffe ewern Zustandt gantz vnd gar nicht. Es gebüh- ret großmütigen vnd ewers gleichen Leuten/ die außreissende Be- gierd deß gar zu grossen Glückes mit dem Zügel der Tugendt anzu- halten. Mich aber belangendt/ ich erkenne meine Schwachheit/ vnd besorge/ ich möchte vnter dieser Last erliegen. Der Purpur ist nicht allein zu solcher Gefahr außgesetzet. Die Laster machen sich an alle Stände vnd Alter; wider welche wir in vnserm Orden ein kräfftiges Mittel haben/ daß wir alle die Dinge verachten/ welcher wegen an- dere sündigen.

Poliarchus/ der solche vngewönliche vnd scharffe Weißheit noch nicht billichte/ fiel jhm in die Rede/ vnd: Mein Vatter/ sagte er/ wann wir sämptlich ewern Worten folgen/ so würde kein Bürger in den Stätten seyn/ kein Bawer auff den Eckern/ kein Schiffer auff der See/ kein Kauffmann der die Bequemigkeiten frembder Lande mit Verwechselung der Wahren hin vnd wider bringe. Man wirdt alle die Künste liegen lassen/ welche ewer ernstes Vrtheil den Men- schen nit vonnöthen zuseyn schätzen wirdt. Es wirdt kein Ort mehr bewohnet seyn als ewere Wüsten: vnd/ weil ihr den Ehestandt ver- werffet/ so wirdt das Menschliche Geschlecht vber Hundert Jar nicht mehr bestehen. Hyanisbe stundt dem Poliarchus bey/ vnd viel gaben eben diese jhre Meinung mit den Augen vnd Geberden zu ver- stehen/ gleichsam ob er an statt aller redete. Aneroest aber/ [980] der erstlich in sich selber gieng/ machte baldt darauff ein frölicher Gesichte; daß man wol spüren kundte/ daß deß Poliarchus Ein- wendungen jhn wenig bewegt hetten. Wann einer/ sagte er/ von denen die vns zu hören eine Lust ankompt die Süssigkeit vnsers ernsthafften Lebens zuversuchen/ der lasse sich/ mein Sohn/ ewere Vrsachen nicht abschrecken/ vnd glaube nicht/ wann er vnverhey- +

[Druckausgabe S. 581]
rahtetbliebe/ daß die Welt darumb würde ledig stehen. Er komme zu vns; es wirdt dem Erdboden an Leuten nicht mangeln die sich vermehren werden. Man wirdt die Künste dennoch treiben; man wirdt nicht allein Volck genug haben die Stätte vnd Felder zu be- stellen; sondern auch noch genugsamb vbrig bleiben/ daß nach mancherley Art deß Weltlichen Elends durch die Pest/ oder Erd- beben/ oder den Krieg verderben könne. Seydt/ sage ich/ vnbesorgt/ es werde dem gantzen Menschlichen Geschlechte in den Sinn kom- men sich in vnserer Philosophie Gemeinschafft zubegeben. Dann die Götter halten diese Gnad viel höher/ als daß sie dieselbe so vielen Leuten mittheilen solten. Es kan aber ohn jhren Antrieb niemandt auff solche Gedancken gerahten/ auch niemand ohn jhren Bey- standt darinnen verbleiben. Dann die Gemüther/ wann sie 〈sich〉 der Menschlichen Süssigkeit würden beraubet sehen (welche wir gantz vnd gar verwerffen/) so würden sie sich von vns als einer verdrüß- lichen Marter trennen/ wann es ohne die heimliche sättigung der Göttlichen Wollust were. Wie aber ein [981] Obrister keinen besol- det/ der nicht ordentlicher weise zum Krieg geworben ist: also pflegen die Götter nur den jenigen welche sie zu diesem Stande be- ruffen haben/ den Geschmack dieser beharrlichen Lieblichkeit so einen Menschen beständig macht zu reichen. Wann nun einer nicht so sehr seiner Besserung halben/ als dem Glück zu Hohn (weil ent- weder seiner Hoffnung oder Ehrgeitze kein Genügen geschehen) mit vnruhigen Gedancken an vnserm Hafen abstossen wil/ damit er darinnen seine Verbitterung wider das Verhängniß freymütig außschütten könne; wann er diese Verwirrungen deß Gemütes mit gewisser Hülffe der Götter nicht hinweg leget/ so vermeine ich nicht daß er bey diesem beständig seyn/ sondern vnsern Sitten mehr scha- den/ als den seinigen nutzen werde. Ferrner/ die jenigen so auß einem geringen Antrieb (wie gemeiniglich bey jungen Leuten ist) auß einer vnbedachten vnd zärtlichen Meinung/ die sie jnen von der Belohnung der Tugendt eingebildet haben/ sich vnserer Arbeit an- hängig machen/ bringen zum ersten zwar/ wie ein Stein der auß der Schleuder fährt/ eine hitzige Begierde: wann aber das Werck- + + + +
[Druckausgabe S. 582]
zeugwelches sie fort treibet/ auffhört/ so verwundern sie sich vber jhrer Nachlässigkeit. Ohne die Regung der Frömmigkeit vnd Furch- te der Götter wirdt auch die Vernunfft/ die Hertzhafftigkeit vnd Ge- dult erfordert: darmit dann wenig Leute begabet sindt. Vnser Orden bestehet nicht in dem Kleyde das wir tragen/ nicht in dem Na-[982] men oder in der Wohnung; auch nicht in der Arbeit deß Leibs. Der Geitz vnd Ehrgeitz/ vnd die so zu den Ertzgruben vnd Galleren ver- urtheilet sindt/ müssen viel schwerere Sachen ertragen. Es ist nur die einige Zuneigung deß einfältigen vnd frölichen Gemüths gegen die Götter/ welche alle Ding/ die sonsten vergeblich vnd jrrdisch we- ren/ heilig macht. Dann Reichthumb verwerffen/ von hohen Ehren weichen/ die Sinne von den vnruhigen Gedancken Menschlicher Sorgen wenden/ ist alsdann eine grosse Tugendt/ wann es geschie- het jhme die Götter zu versöhnen. Wann aber 〈einer〉 seinen Würden vnd Gütern darumb absaget/ damit er dessentwegen gerühmbt were/ oder etwas höhers erlange; wann einer die Geschäffte stehen lässet/ damit er dem Müssiggang könne nachhängen; oder sich deß Armuts rühmet/ in welche〈s〉 er sich mit Fleisse zuvorhin ergeben hat/ weil er ohne diß darein gerahten were; derselbe vermeine ich/ gedencke Götter vnd Menschen mit seinem vnnützen Betrug her- umbzuführen.

Derhalben/ mein Sohn/ locke ich nicht alle zu dieser Philosophie. Dann ich weiß daß von solcher grossen Menge der Menschen jhrer gar wenig die verborgene Glückseligkeit vnsers Lebens annemmen wöllen; vnd sage darzu/ daß auch vnter denen noch viel/ die es mehr auß eigenem als auß der Götter Rahte thun/ diesen Standt entweder vergeblich/ oder mit Schaden anfangen werden. Doch möchtet jhr sagen/ wündschete ich zum wenigsten/ daß alle gute Leu-[983]te sich in vnsere Gemeinschafft zu geben/ vnd dem Tumult der zeit- lichen Geschäfften zu entreissen Sinnes würden. Ich begehr auch dieses nicht. Dann wer wirdt böse Leute mit rechtmässigen Kriegen bestreiten? Wer wirdt dem gemeinen Nutzen fürstehen? oder wie wirdt man die vnbändigen Laster zähmen können/ wann alle tu- gendhafftige Leute sich also in die Einsamkeit vnd Armut verber- gen wolten/ daß sie ohnmächtig vnd abwesendt weder mit Kräfften noch einjagung der Schande den Verbrechen ehrloser Leute stew- ren köndten? Es ist ein schweres Ampt/ welches die Götter den je- nigen aufflegen/ die sich durch ihre hohe Ankunfft oder heimliche Reitzung nicht mit der Flucht/ sondern mit Waffen wider die Laster

[Druckausgabe S. 583]
streitten/ vnd die Begierden nicht vertilgen/ sondern regieren heis- sen. Daß solche Leute sind/ vnd zu Ehrn gelangen ist einem jeg- lichen daran gelegen; daß sie gute Haußvätter geben/ daß sie vn- ter die Bösen in der Welt gemenget seyn/ damit sie jhre Verwe- genheit wider die Götter/ vnd grimmige Anschläge wider die Menschen verhindern können. Von andern wil ich nicht sagen; was ist köstlichers als ein weiser vnd hertzhafftiger König? Wann er mit seinem Exempel vnd mit Gesetzen die Zeit zu der er lebet/ bessert/ wann er durch sein Beyspiel die Vnderthanen zu Forchte der Götter zwinget wie viel ersprießlicher ist solche Tu- gendt/ als wann er in der Einsamkeit veraltete? Warumb [984] dann/ werdet jhr sprechen/ begehre ich nicht von den Göttern dieses höhere Lob zu erhalten? Dann sie haben mir durch eine heimliche Empfindung jhren Raht geoffenbahret/ daß ich mein Alter mit jhrer Friedfärtigkeit erlustigen/ vnd an das Königreich/ welches ohn jhr gutheissen nicht verloren worden/ mich weiter vnbekümmert lassen solte. Heute aber bedüncket mich/ daß sie befehlen mir diese meine Einsamkeit sonderlich an/ nachdem ich verstehe/ mein Sohn/ daß mein Reich vnd königliches Hauß auff euch gefallen sey. Die Betrachtung eines solchen Erbens/ den mir die Götter haben zuge- schicket/ macht/ daß ich mein Königreich von jhm wider zu nehmen nicht begehre/ weil ich es/ wann ichs schon noch hette/ jhm von Hertzen gern vbergeben wolte.

Ich weiß/ liebster Sohn/ was jhr ferrner sagen werdet: Wann mir die Geschäffte zuwider weren/ wann ich an den Tempeln/ dem Opffer vnd anderem Dienste der Götter je so grosses gefallen trüge/ so hettet jhr doch in diesem ewern glücklichen Zustand noch Die- ner/ die mir auffwarten/ meine Bettstatt machen/ die Tafel decken/ vnd mich zu den Tempeln begleiten köndten. Solches Reichthumb würde ja ohn alle Gefahr vnd Vngelegenheit seyn; dann/ in dem ich frey von allen Gedancken dem Dienste der Götter nachhängen würde/ so würdet jhr ewers theils/ sampt den jenigen denen jhr die Regierung meines Hauses anbefohlen hettet/ alle Sorge auff euch nehmen. Aber jhr werdet mich auch al-[985]so nicht vberreden die Freyheit deß Armuts hinweg zu legen. Dann im Fall ich schon den Kummer Reichthumb zu erlangen oder zuerhalten nicht hette; so kan man doch bey Gütern anderer Vbel schwerlich geübrigt seyn. Ich sage von der Gewonheit an Zärtligkeit/ wartung deß Leibes/ Ver- gessung gleichsam vberflüssiger Frommigkeit: Item von andern Be

[Druckausgabe S. 584]
wegungendeß Gemüts die dem Reichthumb anhangen; als sich selber hoch halten/ andere verachten/ keinen Schein deß Vnrechts vertragen können/ vnd durch Beyfall derselbigen/ welche Beloh- nung jhrer Schmeicheley suchen/ auff vnbilliche Sachen geleitet werden. Ferrner vermeine ich nicht/ daß es leichter sey/ im Fall man schon das Reichthumb angenommen hat/ sich der andern Be- gierden entäussern können/ als in vngestümmigkeit deß Meeres einem 〈sehr schnellen Strom der〉 Wellen sich vertrawen/ vnd in den andern nicht gerahten wöllen. Weil ich derwegen den Rest meines Lebens zum Dienste der Götter anzuwenden gemeinet bin/ so lasset mich für der Vberflüssigkeit/ die eine Feindin solcher Entschlies- sung ist fliehen; damit jhre Empfindung vnd andere Bewegungen von denen sie begleitet wirdt/ in mein gefangenes vnd schwaches Ge- müt 〈nicht〉 die vorigen Laster pflantzen/ vnd meine schwere Gedan- cken/ welche sich vergeblich gegen den Himmel zusteigen bemühen/ widerumb herunter auff die Erde stürtzen. Warumb verwundert jhr euch/ daß ich nach Armut sehe/ nicht zwar daß ich darinnen Noth leyden/ aber mit weni-[986]gem zu frieden seyn könne? da- mit ich für den Leib nicht sorgen/ sondern jhn verachten lerne? damit mein freyes Gemüt Fug bekomme sich an den Himmel zuge- wehnen? Vnd/ auff daß jhr nicht vermeinet als ob 〈ich〉 nach ewerer Wolfahrt vnd Ehre wenig fragte/ damit ich euch/ mein Sohn/ vnd ewern Leuten die Götter zu Freunden mache?

Solche ernste Rede hielt er mit einem so anmutigen vnd glimpff- lichen Gesichte/ daß man wol merckete/ diese Beständigkeit were nicht ertichtet/ daß er etwan durch Vberredung der Freunde darvon wolte abtretten. Wie sie nun sämptlich diese vngefärbte Tugendt/ wie zu geschehen pflegt/ mehr vnd mehr ehreten; zum wenigsten/ mein Vatter/ sagte Poliarchus/ schlaget die Bitt mit vns in Sicilien zureisen nicht ab. Die Götter werden euch ansehen; vnd das Glück wird vns vber See vnd Land nachfolgen wann jhr bey vns seydt. So baldt wir zurück in Gallien kommen werden/ seyd versichert/ daß ich euch auff was für Art jhr wöllet wil leben lassen. Ihr seydt auch dieses ewerm Lande zu leisten schuldig/ daß jhr es sonderlich mit + + +

[Druckausgabe S. 585]
ewerm Exempel besser macht. Aneroest/ wiewol er ein wenig stille hielt/ so kundte er doch dieses jnnständige Anhalten nicht auß- schlagen. Hernach giengen sie sämptlich zur Tafel. Dann Poliarchus kundte den Archombrotus schon besser leyden/ vnd aß mit jhm bey der Hyanisbe. Weil er auch genugsamb wider zu Kräfften kommen/ beschloß er mit Einstimmung [987] der Königin vber den folgenden Tag die Reise fürzunehmen.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),