Das XII. Capitel.

Gespräche eines Priesters deß Tempels mit dem Archombrotus. Hyanisbe vberkompt Sardinien. Archombrotus kehret vmb in Mau- ritanien.

Das XII. Capitel.

Archombrotus/ nachdem er alles betrachtet/ vnd ein so schwere Tugendt ohne Mühe/ aber nicht ohne gutes Genügen mit Frewden angesehen hatte/ bate er einen von jnen/ einen Alten ansehenlichen Mann/ jhme die gantze Ordnung vnd Gesetze solchen Lebens zu er- zehlen. Er aber: Was wir/ Gnädigster König/ sagte er/ für Vortheil haben/ auß abschaffung deren Dinge welche die Menschen für das vornembste halten/ wil ich anjetzo nicht sagen. Dann jhr scheinet mehr zu fragen/ was wir in dieser entweichung machen/ als warumb wir darein kommen sindt. So pflegt vber diß der Nutz solchen rawen Lebens mit Menschlichen Worten nicht an den Tag gegeben zu wer- den. Allein die Götter loben diese newe Glückseligkeit/ so anderer Leute Augen vnd Sinnen nicht fassen/ denen die sie lieben mit heimlichem Gespräche ein. Doch wil ich sa-[951]gen/ daß der Zweck

[Druckausgabe S. 565]
vnsers Wesens sey/ das jenige zu verdienen/ was die Götter jhren Freunden zulassen. Zu diesem Fürhaben halten wir das bequemeste zu seyn/ wider die Laster vnd vnmässigen Begierden mit stetigem Kampffe zu streitten. Derhalben/ so mit grosser Mühe andere sich bewerben zu regieren/ so sehr fliehen wir die Hoffart/ vnd schicken vnsere Gemüter gehorchen zulernen. Wir lassen einem von vnserer Gemeine das jährliche Regiment vber vns/ nicht durch erkauffte oder vnruhige Einwilligung. Der jenige/ welchen solche Verwaltung von der allgemeinen Ruhe hinweg nimbt/ hat ein schweres Ampt/ vnd krieget das StewerRuder dessen kleinen Schiffleins mit dieser einigen Hoffnung/ daß er nach Jahresfrist wider in die Ordnung tretten werde. Wir erzeigen jhm aber so genawen Gehorsamb/ daß jhr sagen würdet/ er hette in vnsere Hertzen gesehen/ vnd vns das jenige anbefohlen/ welches wir von vns selber zu thun willig waren. Doch halten wir fürnämlich diesen Gebrauch (wie wir dann Men- schen sindt) wann entweder er gar zu scharff im Gebieten ist/ oder wir andern träge vnd auffrührisch werden/ vnd jhm gebürliche Ehr nicht anthun; daß dieses vnsers Vnvernehmen nicht außkom- me. Die Gerühligkeit welche wir begehren wird vmbsonst seyn/ wann wir frembde Schiedsleute vnd Richter zu vnsern Verträgen suchen. Nach dieser Regel deß Gehorsambs folget die Auffrichtig- keit [952] der Liebe gegen die Gesellschafft vnd Mitbrüder. Wir ent- schuldigen vnd ertragen es/ im Fall die Beschaffenheit deß Gemüths vnd vnterschiedene Art der Gedancken nicht allzeit miteinander stimmet. Wir zörnen wider vns selber/ wann etwas ist das wir an vnserm Mitbruder nicht loben oder ertragen können. Die Kleydung/ wie jhr sehet/ ist geringe; der Tisch mässig/ vnd die Zeit vnserer Ruhe mit wachen vermenget. Also gebieten wir dem gezähmeten Leibe; vnd (welches sonst der Leute grössester Kummer ist) wir förchten die Vnbeständigkeit der gefährlichen Würden/ oder die flüchtigen vnd wandelbahren Wollüsten/ deren Süssigkeit vns vn- bekandt ist/ nicht. Wir sindt mit wenigem zufrieden/ vnd machen vns durch gesuchte Arbeit müde/ weil das Vbel deß Müssiggangs vns bekandt ist/ durch den die Kräfften so den Menschen nicht vmb- sonst gegeben sindt zerrinnen/ vnd ein Verlangen zu den Lastern in vns entzündet wirdt. Also verbringen wir die Zeit/ so vns nach dem Dienste der Götter vbrig ist/ ein jeglicher mit seinen bestimmeten Geschäfften. Welche mit sonderlichem Liechte deß Verstands be- gabet sindt/ werden bestimmet zu Betrachtung der Himmelischen
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Sachen/ die sie hernach vns für Augen stellen/ vnd gleichsam den Menschen zu Nutze von oben herunter bringen. Die vbrigen thun das jenige worzu sie von [953] Natur geneiget sindt; daß wir also vns vnd andern nach Vermögen dienen. Solches habe ich euch er- zehlet nicht vns zu loben/ sondern zu entschuldigen; Damit die vn- gewöhnliche Art vnsers Lebens euch nicht ärgere. Dann ich weiß/ daß etliche dem gemeinen Nutzen zum besten alle Newigkeiten ein- helliger Meinung verdammen; vnd daß es so lange Zeit nicht ist/ seyt wir die abnehmende Andacht gegen den Göttern mit dieser rawen Art deß Lebens zu erhalten vns bemühet haben.

Das lange Gespräche/ vnd die Vngedult der Jugendt leitete den Archombrotus auff etwas anders. Derhalben/ als ob er auch das vbrige hören wolte/ befahl er diesem Priester/ er solte folgenden Tag nach Calaris zu jhm kommen. Er aber wandte sich wider zu seinen gewöhnlichen Sachen nebenst den Seinigen/ die Achtung gaben was für Vrtheil er fällen würde/ ob die Stiffter dieser harten Tugendt zu loben oder zu schelten weren. Als er aber bey der Nacht Zeit hatte/ auff den gemeinen Zustandt zu gedencken/ bedünckete es jhn ein sehr nützliches Wesen zuseyn/ daß der Pöfel mit solchen Exempeln vnterwiesen/ vnd zu dem Gottesdienste gehalten würde. Wie derwegen auff folgenden Morgen die Priester seinem Befehl nach zu jhm kamen; begehrte er viere auß jhrer Gemeine/ welche Africa ihre heilige Ceremo-[954]nien lehren solten. Alsbaldt wor- den jhm zwene Alten/ zwene Jünglinge fürgestellet. Damit aber die Africaner nicht etwan wegen Verachtung oder Hasses gegen die Sardinier/ so kurtz zuvor jhre Feinde gewesen/ diese Vnterrichtung außschlagen möchten/ als worden lauter Aussländer hierzu er- lesen; zwene Ligurier/ vnd zwene Gallier. Dann es hatten sich jhrer von allerley Nationen in selbiges Hauß zusammen begeben.

Nachdem alles zur Rückreise fertig war/ vnd in die bequemesten örter Besatzung eingeleget worden/ ließ Archombrotus durch einen Heroldt offentlich außruffen/ er habe Sardinien seiner Mutter Hyanisben erworben. Es were also der Götter Wille gewesen/ damit der Könige Vneinigkeit beyden Nationen weiter nicht zum Schaden gereichete. Das Verhängniß hette auch Sardinien seinem Stamme/ dem es von seiner vorfahren Rechten wegen gebührete/ wieder ge- geben. Also nam er die fürnemsten Sardinier Herren/ sonderlich die jenigen so mit den Königen in Blutverwandtschafft stunden/ zu sich/ vnd hatte so guten Windt/ daß er auff den dreyssigsten Tag

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nach dem Abreisen seiner Mutter die Cron aller Inseln dieses newen Königreiches auffsatzte. Poliarchus frewete sich zugleich/ dessen mit Sardinien Fortganges [955] wegen; vnd kränckete sich auch/ daß es durch Anführung deß Archombrotus geschehen were; noch vnwissendt/ wie sehr dieser Sieg jhm zum besten dienete.

[956: Kupfer Nr. 21]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),