Das XI. Capitel.

[940] Poliarchus vnd Archombrotus schreiben Meleandern vnd der Argenis. Arsidas kehret in Sicilien vmb. Empörung im Königreich Sardinien. Anschlag deß Archombrotus vnd sein Heereszug. Er be- sucht deß Jupiters/ der Celestis heisset/ Tempel.

Das XI. Capitel.

EBen dieselbigen Tage trug sich ein Vnglück zu/ daß eine von deß Poliarchus grössesten vnd gefährlichsten Wunden/ auff die man nicht Achtung gehabt/ sich dermassen entzündete/ daß jhn der ohne das noch schwach war widerumb ein Fieber ankam. Diese verhin- derung der Reise war dem Archombrotus nicht weniger beschwer- lich als jhm selber. Dann es war in den Söhnungs Artickeln also ver- sehen/ daß keiner ohne den andern in Sicilien abreisen solte. Der- halben/ weil sie beyde vngedultig/ vnd zum wenigsten begierig zu schreiben waren/ damit die Brieffe durch List nicht hinderhalten

[Druckausgabe S. 559]
würden/ nahmen sie jhnen für/ etliche von jhren getrewesten Leuten abzufertigen. Vnd zwar Archombrotus schrieb Meleandern vnd der Argenis/ ohn einige böse Erwehnung deß Poliarchus: sondern ent- schuldigte sich nur wegen seiner langsamen Zurück-[941]kunfft; beydes auß Befehl der Mutter/ vnd damit es nicht das Ansehen hette/ als ob er dessen Königs seines Widersachers Vnpaßligkeit zu seinem Vortheil gebrauchen wolte. Einer/ deß Namens Bochus/ der dem Archombrotus seiner Trew wegen bekandt war/ wardt zu absen- dung der Schreiben erlesen. Poliarchus stundt lang in Gedancken/ ob er Meleandern auch solte schreiben. Er gehorchte aber deß Arsi- das rahtschlage/ vnd schriebe fürnämlich darumb/ daß er nicht dar- für angesehen wurde/ er verachtete der Argenis Vatter. Mehr stundt man in Sorgen/ ob Arsidas mit solchen Schreiben sich wider in Sici- lien machen solte. Er besorgte sich für deß Königs Argwohn/ vnd für blinder vnversehener Gefahr/ wegen der grossen Gunst in wel- cher Archombrotus stunde. Im Fall er nun zurück käme/ so köndte er die Besprechung mit dem Poliarchus der Vngestümmigkeit deß Meeres zuschreiben: solte er aber sich länger bey jhm auffhalten/ so möchte man hinder die heimliche Abfertigung kommen. Derhalben wardt man Sinnes/ daß er fort solte. Vnd jhm vertrawete auch Timonides/ der in einem Verständnisse mit jhm vnd sein bester Freundt war/ die Schreiben an den König vnd Cleobulus; vnd war deß gemeinen Wesens also jngedenck/ daß er ingleichem seine An- gelegenheiten weißlich in Acht nam.

Vnterdessen kam Zeitung auß Sardinien/ daß alles für einheimi- schem Krieg brennete/ vnd Harsicoras vnd Cornio deß Radirobanes Vettern das [942] Königreich welches ein jeglicher haben wolte mit dem Schwert verderbeten. Archombrotus fassete jhm alsbaldt Hoff- nung/ wann diese Nation/ so nun vnter einander zertrennet were/ vnd sich noch für den Waffen Africa förchtete/ einen geschwinden Feindt hette/ so köndte sie leichtlich gezwungen werden. Damit also die Kräfften welche er in Sicilien zusammen gelesen nicht zer- giengen/ vnd er nicht weniger als Poliarchus sich bey seinen Vnder- thanen den Mohren mit einem Triumph sehen liesse/ (weil er son- derlich Zeit hette/ vnd wegen deß Poliarchus Kranckheit in Sicilien nicht reisen dörffte) so führte er das Volck das er in Africa gebracht +

[Druckausgabe S. 560]
hatte/ sampt einer Hülffe von Mohren/ in selbiges Landt an. Sagte aber der Mutter wie auch dem Poliarchus zu/ er möchte siegen oder Vnglück haben/ so wolte er vber ein Monat von Africa nicht aussen seyn. Als er mit solcher Bedingung fortgelassen ward/ erzeigten sich die Götter jhme fast günstiger als er wündschen können. Dann er behielte so leichtlich Oberhandt/ daß er/ ohne den Angrieff vnd ein einige Schlacht/ seine Kräfften kaum versuchen dörffen. Nach dem er die Hafen erstlich ledig gefunden/ hat er Besatzung darinnen ge- lassen/ vnd das ander Volck außgeführt; baldt darauff einen Berg eingenommen von dem er das vngesunde/ aber doch schönes Ge- treydelandt Sardinien vbersehen können. Er spürete/ daß die alten Vrsach gehabt es Sandaliotis oder Ichnusa zunennen/ weil es einer Sohlen [943] vnd Fußstapffen ähnlich ist. Die Sardinier hatten ein- ander deß Königreichs halben allbereit zwey Schlachten gelieffert; vnd waren in dem blutigen Streitte die fürnembsten Obristen vnd Soldaten geblieben. Haben also die elenden Leute jhr Vatterlandt er- schöpffet/ vnd dem Archombrotus zum besten gekrieget; dessen Volck als sie auff dem Berge sahen/ schickten sie etliche auß/ Kund- schafft einzuziehen was für ein Feindt vnd wie starck er were. Dann das Läger der zweyen Vettern war nicht weit davon in ebenem Felde. Als sie höreten daß es Mohren vnd Sicilier weren/ auch das Vfer mit einer stattlichen Flotte besetzt hielten/ liessen sie den Einheimi- schen Zwiespalt fahren/ welches dann das einige Mittel zu ihrer Erhaltung war/ damit sie zusammen stiessen/ vnd den Außländi- schen Feindt/ der noch deß Landes keine Kundschafft hette/ mit ver- einigten Kräfften zurück schlügen. Der eine Harsicora/ der die letz- te Schlacht verlohren vnd keine Hoffnung zu siegen hatte/ damit er nur seinen Widersacher deß Königreichs beraubte/ ergab sich vnd die Seinigen dem Archombrotus. Also vergessen die Bürger- lichen Kriege jhres Vatterlands; das offtmals Leute es lieber in die Asche legen lassen/ vnd sich vnter ein frembdes Joch begeben wöl- len/ als einem Einheimischen etwas nachgeben. Gleichsamb ob es eine grössere Schande were einem Bekandten zu gehorchen/ vnd die Schmach vnter einem frembden Herren solte geringer seyn. [944] Cornio war von mehrer Tugent/ suchte alle Kräfften zusam- + +
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men/ vnd machte sich an seinen Feind der zum Archombrotus ge- fallen war; brachte jhn auch zwar vmb: lebte aber gleichfals selber nicht lange/ weil jhn die Mohren vberfielen/ vnd beyder Vettern Blut mit trawrigem Außgange deß Ehrgeitzes vermischten. Sonderlich wurden durch deß Archombrotus ritterliche Thaten in dieser Schlacht die Sardinier erschrecket; welche als sie endlich erleget/ oder in die Flucht geschlagen waren/ nam er das Glück in Acht/ vnd legte sein Volck für die fürnemsten Festungen. Die vberwun- denen setzten sich kaum mit etlichen Scharmützeln entgegen. Die grösseste Mühe war für Calaris/ weil das Volck hauffenweise zum Kampffe zulieff. Sie wurden aber in die Statt getrieben; vnd schick- ten auff folgenden Tag in veränderter Meinung der Ergebung Ge- sandten herauß. Virtiganes war glückselig gestorben/ damit er so viel Vbel nicht schawen dörffte. Etliche/ so frembde Herren nicht vertragen kundten/ haben sich seitenwerts in die kleinen Inseln begeben in der engen See/ welche Sardinien vnd Corsica von einan- der trennet. Hernach setzten sie in Corsica vber; vnd als jhnen auch daselbst angesieget wardt/ machten sie sich auff das Gebirg gegen Ligurien.

Im vbrigen gieng eine Red vnter den Sardiniern/ diese Stürtzung der Fürsten vnd deß gantzen Lands rührete vom Zorn der Götter her/ weil Ra-[945]dirobanes jhren heiligsten Tempel anderthalb Meile von Calaris/ so dem Jupiter/ der Celestis/ oder der Himmlische heisset zugeeignet war/ vervnehrt hatte. Es waren bey dem Altar viel Geschencke von Gold vnd Silber gewesen; vnd vnter anderm auch ein kleines Bildnüß deß Gottes selbst von gutem Golde/ welches die alten Könige machen lassen. Dieses alles hatte Radirobanes/ als er sich in Africa begeben/ vnter dem Schein eines ableyhens zu den Kriegs Vnkosten herauß genommen/ vnd die Priester selbst sehr vbel gehalten: welches dann viel damals schon für ein böses Zeichen außgelegt haben/ das kurtz hernach an allen Sardiniern mit gros- sem Elendt ist erfüllet worden: Dann sie hielten nichts Göttlicher zuseyn als denselbigen Tempel/ vnd die weitberühmbten Priester waren fast als Götter bey dem Volck. Dieses Geschrey von deß Radi- robanes Kirchenraube/ vnd Heiligkeit deß Tempels/ wie es von vie- len herumbgetragen ward/ also kam es auch für den Archombrotus; der entweder auß Andacht/ oder damit er der Sardinier Gemüther/ +

[Druckausgabe S. 562]
welche jhre Götter hoch ehreten/ an sich ziehen möchte/ den Tem- pel besuchte. Die Gelegenheit deß Orts vnd das heilige Ansehen machten jhm eine angenehme Forchte. Vnten an dem Hügel war ein rauher Fels/ durch den ein enger Steg hinauff gieng. Hernach waren kurtze dicke Stauden/ einsam vnd bäwrischer Einfalt. Ferr- ner [946] kam man zu einem grossen Spatzier Hoffe/ in welchen das Liecht oben so hinein fiel/ daß es doch noch etwas tunckel verbliebe. Als Archombrotus in denselbigen gieng/ traff er auff diese Verse/ welche die Priester auff einer höltzernen Tafel denen so hinein gien- gen also in die Augen gestellt hatten/ daß man sie sehen mußte:

Hier ist kein güldnes Hauß/ hier sind nit solche Speisen
Nach denen man erst muß in frembde Länder reisen/
Man treibt hie mit der Ruh deß Schlaffes keine Pracht/
Hier ist kein Betthe nicht auß Helffenbein gemacht/

Kein Fürhang von Scarlack: man sieht hier gar nicht blincken

Der Diamanten Glantz/ noch auß Cristalle trincken:
Man höret keine Laut’: hier ist kein Buhler nicht/
So anzutragen weiß der falschen Liebe Pflicht;
Ja nichts was pflegt die Welt zu trösten vnd zu schrecken.

Ein Waldt/ ein blosser Fels vmbringt mit grünen Hecken/

Ein öder Pusch ist hier; hier ist geringe Kost/
Vnd wann die Stunde kömpt deß Schlaffes kurtze Lust;
Die Tracht sehr schlecht vnd arm; die Arbeit wirdt geliebet/
Durch einen langen Todt das Leben außgeübet

Doch siehet man auch nicht den Haß vnd Grimmen Neydt;

Das Hertze wirdt hier nit gejagt durch Zorn vnd Streitt.
Hier wohnt die stille Ruh/ die Einigkeit der Sinnen/
So allzeit offen stehn/ vnd nicht betriegen können.
Der Geist gedenckt an sich/ hat Gott jhm außerkiest/

Vnd steigt den Himmel auff auß dem er kommen ist.

Nachdem Archombrotus dieses gelesen/ gieng er in den Spatzier- hoff/ an dessen Seiten zwey schlech-[947]te Altar mit höltzernen Bildern stunden; eines der Prudentz oder Fürsichtigkeit/ welche Schlangen hielte/ so den Schwantz im Maul hatten/ damit sie nicht köndten verzaubert werden; das andere der Stärcke/ die eine grosse Säule in den Armen trug. Es waren zwen von den Heiligen Leuten/ als man jhnen deß Archombrotus Ankunfft gemeldet/ jhme entge- gen kommen/ von welchen jhm/ nach befragung wegen dieser Al- tare/ gesagt wardt/ daß der Stärcke vnd Fürsichtigkeit Bildnisse dar- umb weren dahin gesetzt worden/ damit die jenigen so in jhre Gesell

[Druckausgabe S. 563]
schafftbegehrten/ verstehen solten/ daß vnbesonnene Verfahrun- gen den Göttern nicht gefielen; sondern Gemüter die also verständig weren/ daß sie nicht leichtlich sich etwas vnterfiengen/ noch das- selbige hernach vnhinauß geführet liessen. Die Bilder aber weren auß Holtz/ auff daß die Nidrigkeit dieser Götter/ so von thewrem Wesen nicht weren/ die Armuth in welche sie freywillig sich zu be- geben pflegten/ bezeugete. Archombrotus schawete sie an/ weil jhre schlechte Tracht dieser grossen Philosophie nicht vbel zusagte/ vnd sahe daß sie von Gesichte sehr häger waren; auch/ als ob sie nur zu den Gedancken der Himmlischen Bewegungen gewehnet weren/ den Schein der königlichen Pracht vbel vertragen kundten. Darumb ehrte er sie mit grösserer Andacht; vnd als sie durch den Spatzier- gang kommen waren/ fragte er/ welcher Gott oder Mensch jhnen dieses [948] Leben fürgeschrieben hette? Darauff der eine lachende zur Antwort gab: Die Begier der Glückseligkeit; die zwar auch jhr andern Menschen/ aber durch einen gantz vngleichen Weg suchet. Ihr prüfet mit zusammenbringung/ vnd wir mit fliehung der Güter; welches das sicherste Reichthumb sey. Wir machen auch unsere Leiber durch vielfältige Arbeit müde; Zwar jhr/ auff daß jhr zu den höchsten Ehren gelangen möget: vnd wir/ damit wir nichts der- gleichen begehren lernen. Also haben vns die Götter Demut/ vnd euch Sorgen/ beyden Theilen aber Mühe vnd Arbeit gegeben.

Diese Freyheit deß guten Priesters gefiele dem Archombrotus der- massen/ daß er die Ordnung selbigen Hauses eigentlicher zu be- sichtigen begehrete. Indessen waren auch die andern Priester darzu kommen/ die jhn in den Tempel führeten/ vnd zu vollbringung sei- ner Andacht nicht weit von deß Himmlischen Jupiters Altar stelle- ten/ welches diese heilige Leute allein mit Goldt vnd Seyden auß- zieren dörfften. Aber Radirobanes hatte auch diesen Schmuck hin- weg genommen. Welches als Archombrotus von den Beystehenden verstanden: Ich wil zuschawen/ sagte er/ daß der grosse Jupiter vnd jhr eine Erstattung dessen Kirchenraubes empfangen möget. Ich wil ein güldenes Bildnüß machen lassen/ welches das vorige vber- wegen soll. [949] Das andere was dem Gott zu Ehren gebühret/ wil ich mit ebenmässiger Freyheit verordnen. Sie gaben zur Ant- wort/ die Götter selbst würden hierumb danckbar seyn. Sie zwar frag- ten nach keinem Goldt noch Reichthumb/ ohne daß der gemeine Pöfel durch das ansehen deß Altars auffgehalten würde/ vnd jhm von den Göttern grosse Sachen einbildete. Sonsten bestünde jhr

[Druckausgabe S. 564]
gantzes Begehren in Sicherheit einer leydlichen Armuth. Es were jhnen bewußt/ daß die Reichthümber so auß Kirchen köndten ge- raubt werden/ bösen Leuten offt zu Sünden Anlaß geben. Wie dann Radirobanes dieses Laster nicht würde begangen haben/ wann nicht der Vorfahren vnfürsichtige Freygebigkeit gegen den Göttern seinen Geitz gereitzet hette. Es were besser die Tempel mit solchen Sa- chen außzuzieren/ die man entweder vbel wegtragen/ oder nach der Beraubung nicht gebrauchen köndte; als mit einer solchen Last deß Metalls/ welches durch seinen Werth jhrer viel zum Gewinn seiner kühnen Vbelthat anlocket. Hernach wardt er gleichfals durch sie erstlich in den Gärten/ wie auch in den Kellern vnd der schlech- ten Tafelstuben herumb geführet. Es war ein geringer Vorraht/ vnd geringes Lager; doch alles so sauber/ daß man hette erkennen kön- nen/ grosse Gemüther achteten zwar der Vppigkeit wenig/ doch pflegten sie [950] auch nicht mit fauler Nachlässigkeit ihre Sachen liegen zulassen.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),