Das X. Capitel.

Poliarchus wil von Hofe/ wirdt aber durch der Königin bitten vnd weinen erhalten. Timonides berichtet Hyanisben von den Vrsachen dessen Zwiespaltes. Ihre Frewde/ wie sie jnnen wirdt daß dem Vn- vernehmen durch sie kan abgeholffen werden: vnd wie sie hiermit verfehret.

Das X. Capitel.

DIeses redete sie zugleich forchtsamb vnd gebietende/ vnd mit einer zitternden Majestät/ als jhr angesaget wardt/ Poliar-[924]chus mache sich fertig von Hofe hinweg zureisen. Dann/ nachdem er durch Anschawung seines Wiedersachers beleydiget/ vnd dem Hause gramm war worden/ besorgt er sich zugleich auch/ es möchte jhm nicht ausser Gefahr seyn in deß Feindes Gewalt zuverbleiben/ wann er sich jhm vnd seiner Mutter trawete. Wie er nun von sich selbst verwirret war/ reitzeten jhn seine Herren noch mehr an/ wel- che die Forchte groß machten/ vnd durch stethes vermahnen jhre Trew wolten sehen lassen. Derhalben ließ man den Befelchshabern alsbaldt ankündigen/ daß sie ein Theil der Soldaten an das Thor deß Hoffs zur Wacht wann er fortreisen würde einstelten; die andern aber bald auß der Statt führen/ vnd nicht weit von den Schiffen jhr Läger machen solten; weil er darinnen vber Nacht zuverbleiben ge- sonnen were. Nichts destoweniger/ damit er durch sein eylen nichts begienge das jhm vbel anstünde/ oder die Königin so noch zur Zeit vnschuldig were nicht beleydigen möchte/ schickte er seinen obri- sten Kämmerer mit solchem Befehl an sie: Er bedanckte sich für er- zeigte Wolthat vnd Liebe/ welche er in wehrender Gefahr der Wun- den halben genugsamb erfahren hette. Weil sie wegen newlicher jhres Sohns Ankunfft mit Geschäfften beladen were/ als möchte er jhr mit Ansprechen nicht beschwerlich seyn. Es trieb jhn zwar not- wendige verrichtung von Hofe; doch/ ehe er absegelte/ wolte er jhr/ daß es mit jhrem Willen geschehen möchte/ zu-[925]vor- hin gegenwärtig Danck sagen. Hyanisbe erschrack vber diesen Worten hefftig; Daß der König/ der sich so wol vmb sie verdienet/ vnd sich jhr seiner Tugenden halben sehr angenehm gemacht hatte/ +

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auß jhrem Hause verreisete; vnd zwar/ ach dem Vnglück! entwe- der als ein Feindt/ oder als von Feinden. Was solte sie machen? Zu wem solte sie zuvor reden? welchen vnter diesen beyden solte sie zum ersten anfangen nicht zu lieben/ wann es die Noth erforderte? Doch hielte sie darfür/ daß jhr Sohn/ in Ansehen jhrer mütterlicher Gewalt oder Schamhafftigkeit/ am leichtesten möchte zu bereden seyn. Derhalben wandte sie sich zu jhm/ vnd: verheisset jhr mir/ mein Sohn/ sagte sie/ so lange allhier ruhig zu seyn biß ich wider komme? Ich vermahne euch bey dem Recht das eine Mutter hat/ sagt es zu; im Fall jhr aber nicht williget/ so wil ich euch für mei- nen Erben nicht passiren lassen. Als er Zusag gethan/ gieng sie eylends zum Poliarchus/ der schon zum Zimmer hinauß war/ vnd das Roß darauff er fortreisen wolte beym Zügel nam. Dann wiewol er noch schwach war/ dannoch wolte er sich in die Sänffte nicht setzen/ damit Archombrotus nicht gedencken solte/ er machte sich nur kranck den Kampff mit jhm außzuschlagen. Hyanisbe sahe jhn mit einem solchen Antlitz an wie eine vnschuldige Trübseligkeit kan haben/ ergrieff jhn bey dem Mantel/ vnd: Ich bitte euch/ fieng sie an/ vmb der Wolthaten willen die jhr vns erwiesen habt/ daß jhr/ zuvor ehe jhr mit ewerem Abschied [926] zu erkennen gebet daß jhr mir nicht trawet/ mich etwas geheimes mit euch vnterreden las- set. Poliarchus schämete sich solchem Ersuchen etwas zu versagen/ vnd gieng wider an einen abgesonderten Ort im Zimmer. Wie sie nun allein beysammen waren; Die Götter können Zeugen seyn/ hub die Königin mit weinenden Augen erstlich an/ daß ich weder auß Be- truge/ noch einigem bösen Anschlage diesen euch vnter Augen ge- führet habe/ dessentwegen jhr mich Armselige verlasset. Ach daß jhr jhn noch jetzt nicht gesehen hettet/ daß er gantz Abwesend were; weil er mir vielleicht mit seiner Ankunfft grösser Vnglück machen wirdt/ als Radirobanes jemals zuthun begehrt hat! Wann ich sein Gemüte in meiner Gewalt hette/ so wolte ich jhn für euch so demü- tig machen/ Herr/ als jhr mich sehet anjetzundt euch vnterworffen zuseyn. Nebenst diesen Worten kniete sie mit hindansetzung jhrer Majestät/ wie sehr er sich weigerte/ zu seinen Füssen/ seuffzete so hefftig/ daß sie weiter nicht reden kundte. Poliarchus thete jhr solche Ehre/ als ob sie seine Mutter were/ hub sie von der Erden auff/ vnd beklagte sich/ daß jhm durch solche jhre verächtliche Erniedrigung die Königin nit weniger Vnrecht thete/ als jhr Sohn gethan hette. Die Königin fieng dieses Wort auff/ vnd: Was ist es dann/ sagte sie/
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für vnrecht/ welches jhr von jhme empfangen habt? oder in wel- chem Lande hat das Verhängnüß euch zu Entzündung solchen Vbels zusammen gefüget? kan ich es nicht von euch erfah-[927] ren/ Herr? Dann er wil es mir nicht bekennen. Wöllet jhr mich auch mit ewerm halsstarrigen stillschweigen hinrichten/ vnd mich nicht wissen lassen/ mit was für einem Donner Jupiter mich stürtzet? Reiset ja nicht/ ich bitte euch/ reiset ja nicht von mir/ biß ich er- fahre/ daß diesem Vbel durchauß nicht abzuhelffen sey. Viel Sa- chen werden durch die Zeit gemiltert; vnd der Zorn/ welchen wir mit Stillschweigen hegen/ pfleget durch das Bekändniß offtmals zu erleschen. Wann aber jhr vnd mein Sohn beysammen nicht wohnen könnet/ so soll er weichen. Fürchtet jhr euch mir ewer Leben zuver- trawen? Besetzt den Hoff mit ewern Galliern. Der sol verdampt seyn/ welcher ausser ewerm Volck sich allhier gewaffnet wirdt betretten lassen. Dann wann jhr auff ewerm Vorsatze beruhet/ wann jhr mich Arme verlasset/ so wil ich gewiß auch meinen Sohn auß- stossen. Warumb solte er/ in dem jhr auff den Schiffen oder im La- ger euch auffhieltet/ die königliche Burgk bewohnen/ welche jhr mit ewerer Gefahr erkaufft habt? Gedencket jhr dann zu kämpffen? vnd zwar jhr anjetzo nicht mit Kräfften/ die jhr mir zu gute habt erschöpffen lassen; sondern mit Feindseligkeit vnd vielleicht auß Befehl deß Verhängnisses; welches wo es einen von euch hinrichten wird/ so wil ich dem Sterbenden nachfolgen/ vnd dem vberbleiben- den die Furien meines Todes zur Rache hinderlassen.

Hernach weinete sie von newem/ vnd rieß ihm jhrer Vertrewlig- keit nach den Reisemantel vom Hal-[928]se. Wie er nichts sagte/ nam sie sein zweifelhafftiges Stillschweigen für eine Bewilligung an/ vnd danckete jhm für die Gutthat die sie noch nicht bekommen hat- te. Also vberwandt den Poliarchus der Weinenden hertzbrechendes vnd vnablässiges Flehen. Mich belangendt/ Ewer Liebde/ sagte er/ so stundt ich in denen Gedancken/ mein Abschiedt/ dem jhr so sehr zuwider strebet/ solte euch angenehm seyn. Ihr wisset/ daß die Hitze mit welcher der Zorn brennet/ vnd die sonderlich durch anschaw- ung deß Gegentheils gerühret wirdt/ nicht allzeit in der Feinde Ge- walt ist. Derhalben war ich gesonnen diesen Hoff zuverlassen/ da- mit nicht ich oder ewer Sohn etwas gegeneinander gegiengen/ das euch hernach möchte leydt seyn. Wann es euch aber ja beliebet/ so wil ich noch zwen Tage vber allhier verbleiben; damit es hernach +

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das Ansehen habe/ als ob ich mehr wichtiger Geschäffte dann der Feinde halben gewichen were: doch mit diesem Bescheidt/ daß weder er in dessen mir/ oder ich jhme zu Gesicht kommen dürffe. Der Ehre aber so ich Ewer Liebde biß anher erwiesen habe/ wölle sie nicht vermeinen/ daß durch dieses Vnvernehmen das geringste ab- gegangen sey. Dann wie jhr nicht machen werdet daß ich jhn lieb gewinne/ also wirdt er nicht zuwegen bringen/ daß ich euch solle feindt werden. Aber/ sagte Hyanisbe hergegen/ ich hoffe daß jnner zweyen Tagen ewere Gemüter sich zufrieden geben/ vnd das Vn- glück/ welches euch so sehr widereinander verblendet hat/ auff wirdt hören. [929] Hierunter redte sie die nechstanwesenden Gallier an/ vnd: Ihr Herren/ sprach sie lachende/ ich sorge mehr für ewern König dann jhr all miteinander. Ob jhr seine Vnpaßlichkeit/ weil die Wunden noch nicht heyl sindt/ gleich gewußt habt/ so habt jhr jhn doch von der Reyse nicht zurück gehalten. Ich vberrede jhn noch/ daß er seiner schonen wölle. Den Soldaten wardt stracks anderer Be- fehl gethan/ vnd die Statt/ welche voll unruhigen Geschreys war/ fieng sich auff das newe an zufrewen. Dann/ wie die gemeine Rede allzeit die Sachen grösser macht als sie sindt/ also sagte man/ daß die Fürsten gäntzlich mit einander versöhnet weren/ vnd jhre Feindschafft sich in alle Freundwilligkeit verkehret hette. Also wurden die Gallier vnd Mohren/ so ohn jhren Danck miteinander zürneten/ widerumb einig. Hyanisbe erinnerte sich auch jhrer Zu- sage/ vnd ließ offentlich Befehl anschlagen/ daß außgenommen die Gallier niemandt gewaffnet bey Hofe sich solte befinden lassen.

Nachdem der erste Stich deß Vbels also abgewendet war/ be- mühete sich die Königin kräfftigere Mittel herfür zusuchen. Sie kundte aber dieselbigen weder finden noch gebrauchen/ so lang sie nicht wußte/ was für Vrsachen sie gegen einander hetten. In dem sie nun zweifelte wie doch solches zu erfahren were/ kam eine gute Gelegenheit zuhanden. Timonides/ deß Meleanders Gesandter an sie/ war damals als Archombrotus in die Statt eingezogen/ [930] zu Erhaltung seines Herrn Hoheit bey den Schiffen verblieben; damit er nachmals abgesondert die Königin begrüssen möchte. Es wardt jhm aber zeitlich von diesem Auffstandt angemeldet. Dann etliche Sicilier/ so den Archombrotus begleitet hatten/ waren hinauß zu jhm kommen/ mit Anmeldung/ Poliarchus/ der sich lang in Sici- lien auffgehalten/ were der Gallier König. Er lege kranck bey der Königin etlicher Wunden halben/ vnd als er deß Archombrotus

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ansichtig worden/ hetten sie sich sehr feindtselig gegen einander erzeiget. Ferrner sagten sie/ daß Arsidas beym Poliarchus were. Alles dieses kam dem Timonides sehr frembde für. Er war deß Poliarchus sonderlicher Freundt; Vnd Meleander hatte jhn vor die- sem mit dem Armbande/ das durch den Eristhenes vergifftet wor- den/ zu jhm abgesandt. Derhalben vernahm er mit grosser Frew- den/ daß dieser/ vnd zwar als ein König zur Stell were. Wannenher aber Arsidas mußte kommen seyn/ wunderte er sich nicht vnbillich. Leichtlicher kundte er der Zwitracht mit dem Archombrotus nach- sinnen; daß sie von der Argenis Liebe herrührete. Dann die Rede von diesem Geheimnisse war in Sicilien allgemach außgebrochen; daß niemandt ferrner zweifelte/ wie Radirobanes die Argenis be- leydiget/ vnd warumb Selenisse sich entleibet hette. Ferner stundt er bey sich selbst in Sorgen/ zu welchem von diesen beyden Theilen er tretten solte. Dann im Fall er vn-[931]ter dem Schein seines tra- genden Ampts keinem beyfiele/ so würde er beyderseits verstossen/ vnd zu letzt den Vberwinder zum Feindt haben. Zum Poliarchus leitete jhn die alte Freundschafft/ vnd daß jhn Argenis dermassen liebete. Meleanders Gedächtniß aber/ vnd das Vertrawen welches man auff jhn gesetzt/ vnd er nicht gern brechen wolte/ zohen jhn zurück zum Archombrotus. In solcher Vngewißheit schickte er zur Königin/ vnd ließ seine Ankunfft bey jhr anmelden. Dann zum we- nigsten solte er die Sache außforschen/ vnd nach eingenommenem Bericht dem Meleander darvon zuschreiben. Die Königin/ so nicht wußte was jhr zu thun were/ schöpffte plötzlich eine Hoffnung/ sie würde die Vrsach deß gefährlichen Hasses von dem Gesandten er- fahren können. Redete sie also auff das ehiste mit jhm als möglich war/ vnd nachdem sie sich vom Meleander so viel jhr gebührte er- kündiget hatte/ klagte sie wegen der Vneinigkeit zwischen dem Po- liarchus vnd jhrem Sohn; sonderlich aber/ daß sie den Vrsprung deß Hasses/ vnd also ingleichem den Weg zur Versöhnung nicht wissen köndte. Timonides sahe nicht/ warumb er die Sache/ welche nicht heimlich vnd vnehrbar war/ so hoch solte verborgen halten. Der- halben zeigte er jhr mit kurtzen Worten an/ wie Poliarchus als einer von schlechtem Stande sich lange Zeit in Sicilien auffgehalten; wie er in Liebe gegen die Argenis kommen/ vnd jhm Hoffnung ge- +
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machthette sie zu heyrathen; [932] welches nun dem Archombro- tus zugesagt were. Derhalben durffte man sich nicht wundern/ wann sie zwey/ die alle beyde einerley Wundsch hetten/ so hart zu- sammen gerahten weren. Hyanisbe kriegte vber diesen Worten ein solches Hertz/ daß sie jhre Frewde für dem Timonides kaum an- halten kundte; vnd als er zweifelte/ ob er ohne verlierung deß Ar- chombrotus Gnad den Poliarchus begrüssen dörffte/ vermahnete sie jhn selber/ jhn zu besuchen; mit Versicherung/ jhr Sohn würde es in allem guten vermercken.

Als Timonides hinwegk kommen/ gedachte die Königin ein we- nig nach/ wie sie die Sach recht angreiffen solte; weil gewiß das Glück vnd Außgang dessen Zancks an jhr gelegen were. Sie war sehr mutig/ vnd fragte nach nichts was sich etwan ferrner möchte zutra- gen; erinnerte sich auch/ wie Poliarchus/ als sie jhn ersucht daß er Africa wider die Sardinier schützen wolte/ mit bewegtem Gesichte gefraget habe/ ob Argenis dem Radirobanes vermählet worden. Dannenher glaubte sie daß Poliarchus mußte verliebt seyn/ vnd Timonides war geredt hette. Derhalben war jhre Meinung diese/ wann die jungen zweene Herren zu begütigen weren/ so wolte sie das Mittel für solches Vbel auffschieben/ vnd sie miteinander in Sicilien schicken; weil fürnämlich ein grosses Theil der Gesundheit an deß Meleanders Einwilligung lege. Köndte aber der Haß ohne Thätlig- keit nicht länger bleiben/ so wolte sie jhre [933] Vnsinnigkeit als- baldt durch gewissen Frieden entwaffenen. Gieng sie also etwas ge- bietiger zu jhrem Sohne/ gleichsamb als sie die Vrsach der Feind- schafft vom Poliarchus selbst erfahren hette. Ewer Stillschweigen/ sagte sie/ gefällt mir nicht/ sonderlich weil das was jhr verborgen haltet ja nicht verschmählich ist oder euch zu Verkleinerung gerei- chet; wie ich es dann eben von ewerm Gegentheil erfahren können. Ihr liebet beyde die Argenis. Dieses ist die Beleydigung ewerer Jun- gen Gemüter/ vnd die Vrsach ewers hasses. Eine solche Princessin/ wie ich verstehe/ welcher alle Götter jhre Gaben mitgetheilet haben. Die Erbschafft ist Sicilien. Vnd was das fürnembste an ewern auffge- wackten Hertzen ist/ es wil keiner von euch in Erlangung seines Fürsatzes weichen. Ich schelte ewere edele Reitzung nicht; dancke auch den Göttern/ daß diese Kranckheit nicht ohne Artzney ist. Ich wil die Sach so außführen/ zu ewerer beyder Vergnügung (welches jhr den Göttern selbst vermeinet vnmöglich zu seyn) daß ihr Freun- de werden/ vnd beyde die Argenis lieben sollet; sie auch beyden

[Druckausgabe S. 555]
von euch günstig seyn. Ihr wisset/ mein Sohn/ daß ich ewere Heyrath mit der Argenis/ die jhr baldt für die Handt zunemmen ge- sonnen waret/ so lange auffgehalten habe/ biß jhr vorhin wider zu mir kämet. Ihr habt mir gehorchet. Es soll euch offenbar werden/ daß solches von mir ohne Vrsach nicht geschehen sey. Ich muß aber erstlich etliche gewisse Sachen von euch erfahren/ wann ich [934] nur hoffen kan/ daß jhr/ ein verliebter Mensch/ gerade wer- det zugehen. Was hindert euch Poliarchus an ewerm Verlangen? Dann jhr habt mir geschrieben/ wann ich es nur wolte gut heissen/ so stünde euch deß Beylagers halben weiter nichts im Weg. Sagt es/ mein Sohn: es ist euch selbst daran gelegen/ daß ich es erfahre. Diese Frage bekümmerte den Archombrotus: dann er schämete sich zu bekennen/ daß Argenis den Poliarchus liebte. Derhalben gab er zur Antwort: Poliarchus hinderte jhn an der Heyrath nicht. Er zürnete aber darumb mit jhm/ weil er der Argenis auffrichtiges Ge- müte/ so viel jhm möglich were/ mit allerley verdrüßlichem vnd vnnützem Geschwätze einnehmen wolte. Wie aber/ fieng die Köni- gin listig an/ wann er jhr Hertze mit solchen Griffen abspänstig machte/ were das nicht ewere Vermählung hindern? Der junge Herr bewegte sich vber diesen Worten hefftiger/ vnd: Gewiß/ antwor- tete er/ der Vatter/ welcher die vollziehung der Heyrath nicht weni- ger begehrt als ich selber/ würde die Tochter wol zwingen können. Hernach redte er von deß Poliarchus Entweichung auß Sicilien/ dem Kriege wider den Lycogenes/ vnd wie er jhme obgesieget hette. Wiewol er aber die gantze Erzehlung auff seine seitte richtete/ merckte doch Hyanisbe/ daß zwar Meleander jhn/ Argenis aber den Poliarchus liebte.

Derhalben war sie frölicher als zuvor/ vnd aß mit dem Sohn zu Nacht. Dann sie hatte jhrem [935] Bedüncken nach selbigen Abendt gar genug gethan. Auff den andern Tag gieng sie wider zum Poliarchus/ nicht allein fertig mit Worten/ sondern auch mit der Ordnung die sie in fortstellung deß Wercks halten solte; wie sie dann bey solcher Verweilung die Nacht vber wol außtichten können. Sie grüssete jhn freundlich/ vnd als sie die Vmbstehenden ein wenig ab- zuweichen gebeten: Ich wunderte mich/ sagte sie/ Herr/ was doch einen solchen Haß zwischen euch vnd meinem Sohn verursachte. +

[Druckausgabe S. 556]
Aber ich höre/ daß es von grosser Liebe/ die wol zu entschuldigen ist/ herrühre/ vnd niemandt als Argenis an ewerm Widerwillen Theil habe. Ist jhm also/ so wil ich euch gar wol rahten. Ich allein kan beyden jhre Kranckheit heilen. Was bedarff es in einem gar leichten Wesen viel klagens vnd zanckens? Die Sach ist noch nicht verderbet; Argenis noch nicht verheyrathet. Ich wil euch frölich/ wil euch ohn alle Gefahr deß Kampffs zum Vberwinder; meinen Sohn vnd euch zu Freunden machen. Verwundert euch nur nicht/ als ob mir eine solche frembde Verheissung zu erfüllen vnmöglich sey. Ich gebe euch diese Handt zum Pfandt/ daß ich nichts gesagt habe als was gewiß erfolgen wirdt. Poliarchus/ der vber diesen Vmbschweiffen verwirret wardt/ vnd fast meinete er würde nur höhnisch gehalten/ bate die Königin/ entweder solche tunckele Re- den/ oder der Argenis Erwehnung gantz vnd gar bleiben [936] zu- lassen. Ich wil Ewere Liebde/ sagte sie/ noch mehr erschrecken: Ich wil euch in Besitzung der Argenis bringen/ vnd sie meinem Sohn gleichwol nicht nehmen. Aber das Verhängniß ist also/ daß wir nicht so plötzlich vnd außdrücklich mit dem Mittel verfahren können. Ihr müsset miteinander in Sicilien/ vnd die Schreiben welche ich euch vbergeben wil dem Meleander zustellen. Alsbaldt wirdt sich der Zwiespalt enden/ vnd keiner von euch der Liebe wegen ferrner klagen dörffen. Poliarchus vermeinete Hyanisben rasende zuseyn; als sie jhre Haußgötter vnd einen kleinen Altar bringen hieß. Nach- dem Fewer hinauff gemacht/ vnd die kleinen Götter mit dem Geräu- cher vmbringet worden/ fieng die Königin an sich also zu vereyden. Ihr guten Geister die jhr hier zur Stelle seydt/ jhr Schutzgötter die- ses Hoffs vnd Lands/ wann ich dem König Poliarchus etwas anders als die Warheit gesagt habe/ oder wann ich jhm mit meinem Rhat- schlage nicht alle Wolfahrt/ ruhe vnd Frewden zu wege bringen wil; so verlasset dieses Hauß mit ewerer Hülffe; oder lasset es in seinen Würden/ vnd rottet mich vnd meinen Sohn auß. Poliarchus wardt bestürtzt vber solcher Verfluchung/ vnd antwortete der Königin; er köndte eben diese Götter welche sie besprochen hette zu Zeugen seiner Vnschuldt anruffen. Dann Argenis sey jhm zugesagt worden/ ehe Archombrotus einen Fuß in Sicilien gesetzt habe. Er hette die Sach so in gutem Zustandt gewesen mit vnzeitigen Begierden ver- [937]worren/ vnd/ weil das Fräwlein sich nicht ändern wöllen/ den +
[Druckausgabe S. 557]
Meleander zur Tyranney verleitet; daß nunmehr der vnbarmhertzi- ge Vatter die freye Princessin in Dienstbarkeit einer gezwungenen Heyraht verstossen wolte. Wie er mit diesen vnd dergleichen Worten allgemach die hitzigen Gedancken/ so vorhin etlicher massen geru- het/ wider bekam/ begütigte jhn die Königin/ mit Andeutung/ sie were nicht kommen jhn noch mehr zu erzürnen; sondern sich mit jhnen wegen der Versöhnung/ so vnfehlbahr ergehen solte/ zu frewen. Bedencket aber doch/ was ich nur von euch bitte; daß jhr euch in keinen tödlichen Streitt wöllet einlassen/ biß Meleander das Schreiben so ich jhm vbersenden wil wirdt gelesen haben. Verheis- set mir nur/ Herr/ diesen Anstand der Waffen. Dergleichen Gedult vnd Trew wil ich auch von meinem Sohne erlangen/ vnd euch hier- umb versichern. Nachmals möget jhr durch mich vnverhindert mit Waffen vnd Feindseligkeit alles vber hauffen werfen.

Nach anhörung dieser Wort begehrte Poliarchus denselbigen Tag Auffschub. Die Königin aber thete jhrem Sohne alsbaldt eben- mässige Zusag: der es gleichsfals für Träume vnd vnsinnige Ge- dancken hielt. Wie sie aber nicht nachließ zu bitten vnd verheissen/ durfft er sie mit halsstarrigem Zorn nicht abweisen. Sie liessen sich auch beyde bedüncken/ daß von jhr nichts vnbilliches begehret würde. Es würde dieser Verzug gleichwol nicht vmbsonst [938] seyn/ im Fall jhre Vneinigkeit ohne Kampff sich allein durch das Schreiben an Meleandern enden köndte. Solte aber die That nicht er- folgen/ so were jhnen erlaubt zu fechten/ vnd würde sie sich vber den jenigen der durch deß andern Todt siegete/ nicht zu beklagen haben. Derhalben machte sie mit jhrer beyder Bewilligung solchen Vertrag/ daß keiner fürgegangenes Vnrecht rechen; keiner kein Volck zu schlagen anführen wolte/ biß sie Meleandern zugleich ge- sehen hetten. So baldt deß Poliarchus Wunden jhn schiffen liessen/ solten sie in Sicilien segeln/ vnd keiner betrüglicher weise wider den auffgerichten Vertrag handeln. Nach vollbringung dessen kundte es Hyanisbe sehr schwerlich darzu bringen/ daß die jungen Herren miteinander reden wolten; welches ich darumb/ sagte sie/ sonderlich begehre/ damit der Vnderthanen vnd Soldaten Zanck auffgehoben werde/ welcher vielleicht wider ewern Willen selbst mehr vnd mehr entbrennen möchte/ wann jhr diese Vereinigung nicht Augenscheinlich sehen lasset. Aber/ fieng sie an/ warumb beschweret jhr euch einander zusehen/ weil ich so gewiß weiß/ daß jhr in höchste Vertrewligkeit gerahten werdet/ daß/ im Fall die

[Druckausgabe S. 558]
Götter mich dessen was ich euch verspreche berauben/ ich nicht wil darwider seyn/ wann jhr den Haß der jetzt zwischen euch ist/ vber die Eytelkeit meiner Zusage außgiesset? Sie ließ jhr auch nicht begnügen den Poliarchus vnd jhren Sohn mit jhrem Ansehen vnd Freundligkeit zu [939] versuchen; sondern machte sich auch mit bitten vnd Geschencken an den Gelanor vnd Arsidas/ weil sie wußte/ wie hoch sie vom Poliarchus gehalten würden. So thete sie auch gegen den fürnemsten Freunden jhres Sohnes. Als sie letztlich er- langet hatte/ daß sie Gespräche mit einander hielten; stunden sie in eytelen vnd grossen Gedancken/ was einer zu dem andern sagen/ vnd welcher anfangen solte. Vnd zwar in beysein der Hyanisben/ so den Sohn zum Poliarchus geführet hatte/ blieben sie bey den für- geschriebenen Bedingungen. Sie mochten auch nicht offt zusam- men kommen: wiewol der Geist der Freundschafft/ welcher sie in Timocleen Hause erstlich gerühret hatte/ sich in die feindlichen Ge- müter widerumb einspielen wolte; wie sie dann beyde mit dem Ver- hängnisse zörneten/ das sie einander zu hassen gezwungen hette. Aber ob sie schon auff glimpfflichere Anschläge kommen waren/ so hielte sie doch der Argenis stethe Einbildung/ vnd die Schande zu rücke: weil keiner darfür wolte angesehen seyn/ als ob er die Versöh- nung zum ersten gesucht hette.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),