Deß Poliarchus Vngedult wegen hinderung an der Sicilischen Reise.
Arsidas kompt an den Mauritanischen Hofe. Seine Verwunderung
als er vom Phorbas reden hörete.
Das VIII. Capitel.
Poliarchus aber/ wiewol er der Wunden halben kaum noch gehen
kundte/ entschloß sich die Reise in Sicilien ferrner nit zuverschie-
ben. Dann er köndte im Schiff ruhen/ vnd was etwan zu seiner Hey-
lung von nöthen were mit sich nehmen. Dieses gefiele dem Gelanor
zwar wenig; er durffte aber vergebens nicht darwider seyn. Doch mußte man noch auff den Arsidas warten/ dessen Ankunfft Phor- bas deß dritten Tags
verheissen hatte. Derhalben war Gelanor
seinem Herrn/ der sehr [909] eylete/ vnd sich zur
Reise bereiten hieß/ in allem gehorsamb. Die Verwalter der Galleren
rufften die Kriegsbefelchshaber vnd Schiffleute zusammen; man trug
Proviant ein/ vnd erwartete nur deß Zeichens zum abstossen.
Hyanisbe kundte auch jhren Gast nicht auffhalten/ wiewol jhm der newen
Wunden halben noch Gefahr drauff stundt. Sie wußte jhr nicht ein-
zubilden/ wannher jhm so eine plötzliche Entschliessung käme; durffte
auch zu vermeydung deß Fürwitzes allzuscharff nicht fra- gen. Er
vermochte wegen Trawrigkeit deß Gemüts nicht zu schlaffen/ der Furchte für
die Argenis/ vnd deß Zornes halben vber den Archombrotus; machte jhm also seine Vnpaßligkeit die-
selbige Nacht noch viel ärger. Doch versuchte er mit hertzhafftigen
Worten die Kranckheit zu bergen/ damit die seinigen nicht sämpt- lich darwider weren/ daß er sein Leben mit vnzeitiger Gefahr zu-
schiffen in die Schantz setzte.
Phorbas war kaum vor zweyen Tagen hinweg/ als Arsidas dem Gelanor/ der ohngefehr auß dem königlichen Zimmer gieng/ be-
gegnete; zwar auch von der Kranckheit/ mehr aber wegen Zorns vnd Trawrigkeit im Gesicht verändert. Als er seine Kräfften eher dann
die Aertzte vermeinet wider bekommen/ hat er sich den Tag hernach wie
Phorbas jhn beraubet hatte in die Sänffte gesetzt. Die
anderen Tag saß er ohne Besorgung zu Rosse/ vnd gedachte für
Schmertzen der verlornen Schreiben halben weder an sich/ noch an einige Reise vnd Arbeit. [910] Wohin solte
er dem Diebe
nachfol
[Druckausgabe S. 541]
gen?
wie
köndte er sich gegen dem Poliarchus entschuldigen? oder mit was Verwegenheit dörffte
er der Princessin vnter Augen gehen? In solcher Angst machte er sich nach
Hoff/ vnd ward eben in deß Poliarchus Quartier geführt. Gelanor/ als er so vnversehens seiner ansichtig
wardt/ empfieng er jhn mit frölichem Antlitz/ vnd/ Ich wil nicht/ sagte
er/ daß jemandt anders als ich dem Könige die Zeitung von ewerer Ankunfft
bringen sol; sondern gleich gehen/ vnd jhme diese grosse Frewde anrichten.
Arsidas aber/ der sich gegen dem Gelanor seines Vnglücks halben entschuldigen wolte: Bleibet/ sagte er/ Gelanor. Ich muß euch zuvor meines Verlusts hal- ben
Bericht thun. Er vermeinete/ Arsidas beklagte sich vber seinem Gefängnisse vnd der
Räuber Geitze/ wie Phorbas fürgegeben hatte/ vnd: Wir wissen dieses alles/ gab
er zur Antwort; Ihr werdet es auch dem König mit besserer Gelegenheit
selbst erzehlen können. Vnter diesen Worten entgieng er dem
Arsidas/ vnd wardt so von der Fröligkeit vbereylet/ daß er
sich nicht wider zurück ruffen ließ. Po- liarchus wardt bestürtzt vber deß
Phorbas grossen Fleisse/ weil er den Arsidas so baldt den Räubern auß der Handt gerissen hette. Er
ließ jhn für sich fordern/ vnd wie Arsidas jhn als einen König an- reden wolte/
vmbfieng er jhn/ vnd wolte nicht daß er für jhm nieder kniete. Sie waren
beyde lange Zeit in Irrung; [911]
weil Poliarchus
dessen erwehnete/ was Phorbas der Räuber wegen erdacht hatte; er aber meinete/
Poliarchus redte eben von dem Diebstück deß Phor- bas/ vnd
wunderte sich/ wie das Geschrey von verlierung deß Schrei- bens so
baldt zu jhm kommen were. Danck sey den Göttern/ sagte Po- liarchus/ daß
wir euch nach vberstandener Gefahr von dem Gewitter vnd Räubern frisch vnd
gesundt sehen. Ewer Vnglück/ seyt ich dar- von gehöret/ hat mir mehr wehe
gethan als euch vielleicht selber. Darauff sprach Arsidas: Gnädigster König/ dieses aber hat mich dar- innen am meisten gekränckt/ daß ich gewußt habe/ wie sehr vbel jhr es
vermercken würdet. Verzeihet aber ewerem Arsidas. Es ist meiner Vnglückseligkeit vnd nicht meines
Verbrechens schuldt/ daß ich euch verletzet habe. Ich wolte euch auch
nicht vnter Augen tretten/ vnd versuchen was ewer Zorn gegen mir verüben
würde/ wann ich nicht wüßte/ wie weißlich jhr verstehet/ daß
niemandt seiner Leute Hertzen/ vnd deß Glückes Vnrecht in den Händen habe.
Warumb/ Mein Arsidas/ sagte Poliarchus/ solte ich auff euch zor- nig seyn? Daß jhr die
Gefahr der See meinethalben auff euch ge- nommen? daß euch die Räuber vnd
Vngestümmigkeit deß ewrigen
[Druckausgabe S. 542]
entblösset haben? Wo aber ist vnser Phorbas? den ich also begaben muß/ daß jhr darauß erkennet/
wie hoch ich euch halte. Arsidas/ welcher vermeinete/ Poliarchus spottete seiner/ gab zur Antwort: Wolten die
Götter/ daß Phorbas hie were. [912]
Seine Straffe
solte so groß seyn als meine Vnschuldt. Aber/ Herr/ wer hat euch vom
Phorbas gesagt? weil ich/ fieng Poliarchus an/ eines Menschen nicht vergessen kan/ der auß
Liebe gegen euch vnd mich so trewlich sein Ampt verrichtet. Ich wolte daß
jhr jhn hettet bey mir sehen sollen/ Arsidas/ wie er sich durchauß nicht auffhalten lassen/ damit sein Säumniß euch nicht zu Schaden geriethe. In dem er wider Athem
schöpffte/ in dem jhm das Gelt erlegt wardt/ vnd auff mein Begeh- ren
ewere Fälle kürtzlich erzehlete/ kundte er kein ruhigen Gedan- cken haben/
vnd meinete/ er würde auch einen Augenblick vber etwas versäumen. Wo sindt
aber die Seeräuber hinkommen? Meinet jhr/ wann ich etlich Schiff
nachschicke/ daß man sie ereylen könne? Von was für Räubern/ sagte
Arsidas drauff/ vnd von was für Trew deß Phorbas redet jhr? Ach/ daß ich jhn hette! O jhr Götter/
wie wolte ich gewiß es nicht auff ein anders mal verschieben was jhm
baldt gehörte. Ich meine denselbigen Phorbas/ sagte der König/ mit dem jhr/ als jhr
newlich gefangen gewesen/ meiner Liebsten Brieff vberschickt habt. Wie ist
es? es scheinet als ob jhr diesen trewen Freundt nicht mehr kennet.
Arsidas/ nach besichtigung deß Schreibens/ verstarrete
gantz vnd gar/ kundte sich auch zur Frew- den noch nicht schicken/ sondern
wardt bleich/ vnd widerholte lang nur diese Wort: Habt jhr das
Schreiben? Vnd hat es Phorbas euch gebracht? Was für Ebenthewer/ was für Träume
sind die-[913]
ses? Herr. Hernach als er zu sich
selber kam: Ich muß jhm doch verzei- hen/ sagte er/ weil er mich nicht
gäntzlich hat stürtzen wöllen. Wo ist er aber? Ich habe jhn/ gab Poliarchus zur Antwort/ seyt der Zeit nicht gesehen/
seyt er die drey Talent wegen der Räuber so euch ge- fangen hielten/
bekommen hat. Es hat mich/ sagte Arsidas/ nie- mandt gefangen gehalten. O deß listigen
Menschens! O deß andern Autolycus! Hat er noch Ruhm vnd Vergeltung seiner Vntrew be-
kommen? Hat er euch auch nicht vmbsonst herumb geführt/ nach dem er mich beraubet hat? Hierauff erzehlete er ordentlich; wie er
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[Druckausgabe S. 543]
bey dem Juba kranck gelegen/ wie Phorbas jhn bestolen; welcher Vrsachen halber er dann an
jetzo käme/ sich zu entschuldigen/ daß der Argenis Schreiben were verloren
worden. Poliarchus sagte jhm hergegen (darüber sie dann beyde
lachen mußten) was für eine Tragödie Phorbas angestellet hette: welchem ich nur darumb/ sprach
er/ verzeihe/ daß er diesen Brieff vmb so viel Talent ver- wechselt
hat.
Die Wichtigkeit aber deß Geschäffts so damals vnterhanden war/
ließ sie von den Schelmstücken deß Phorbas weitläufftiger nicht re- den. Derhalben/ wie
Poliarchus den Arsidas besonders führte/ vnd von jhrem Zustandt sich
befragte: Meinet jhr wol/ sagte er/ daß die Arme/ welche ich wider meinen
Willen in Elendt bringe/ noch lebe? Was für Hülffe/ was für Raht wisset
jhr? mit was für einer Art deß Tods werde ich mich an dem Archombrotus gnug-[914]samb re- chen? Arsidas/ ich wolte noch heute auß Africa: aber diese Nacht sindt mir die Wunden widerumb
auffgebrochen/ so daß ich die Be- wegung deß Meers nicht ertragen kan.
Indessen aber/ biß ich zu Kräfften komme/ wil ich euch vnd dem Gelanor den besten Theil meines Volcks vntergeben. Ihr
könnet ewerer Princessin Wolfahrt fortstellen im Fall das Glück
ewerer Hülffe nur erwartet hat. Ich wil baldt bey euch seyn; vnd entweder
durch den Todt oder durch Sieg Ruhe finden. Arsidas meldete jhm beydes was jhm Argenis bey seinem
Abschiede anbefohlen; wie auch was sich sonsten seyt Poli- archus aussen
gewesen zugetragen hette: fürnämlich redete er von deß Radirobanes angestellten Auffzügen/ durch welcher Betrug er
die Argenis entführen wöllen. So wardt auch der Selenissen nicht wenig erwehnet/ wie sie gesündiget/ vnd
sich selber am Leben ge- strafft hette. Item in was für Gnaden Archombrotus beym König stünde/ vnd wie er der Princessin
nachzugehen wüßte. Gelanor war der dritte bey dem Gespräche: dann
Poliarchus wolte jhm/ welchem er das Leben selbst
vertrawete/ nichts verschwiegen seyn lassen.
[Druckausgabe S. 544]
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
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Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),