Das Erste Capitel.
ALso ist der Krieg in wenig Tagen vollendet worden/ der
beyde Theil mit grosser Macht vnd Verweilung würde außgesogen
haben/ wann es nicht so begierige Fürsten/ die jhre
Privatsachen zu einer allgemeinen Angelegenheit machten/ betroffen
hette. Wie die Sar- dinier wichen/ war es jhnen nicht gefährlich in
das Läger wider vmbzukehren; weil sie beydes nicht vnordentlich
flohen/ vnd Poli- archus/ der seine Wunden empfandt/ in die
[840] Statt zukommen eylete. In dessen
gleichwol/ weil die ärtzte mit einem geschwinden Mittel das Blut
stilleten/ ließ er einen Ast von einem Baume hawen/ hieng zum
Siegeszeichen deß Radirobanes Rüstung daran/ vnd nahm jhn auff seine
Achsel. Mit solcher Zier saß er auff einen Wagen/ daran weisse
Rosse giengen/ vnd fuhr in schönem Spec- tackel/ vmbringet
von den Soldaten/ vnd mit der rühmlichen Beute beladen/ zu dem
Tempel deß Gottes Mars: dann der Feretrische Jupiter wardt in Africa nit geehret. Das Volck hatte alle Strassen
erfüllet/ vnd sich auff das beste als in solcher Eyle möglich war
auß- gezieret; etliche trugen Zweige/ die sie zum ersten
ergrieffen/ an- dere streweten sie auff die Strassen wo der
Triumph gehalten ward. Man hörte von allen seiten das grosse Lob
deß Siegenden/ vnd die Glückwündtschungen vber den Wolstandt deß
Landes Africa. Hyanisbe wartete im Eingange deß Tempels
auff den Poliarchus/ welchen sie bey seinem absteigen vom
Wagen also anredete; Ihr grosser König/ ehe jhr diesen Raub
dem Mars liefert/ so wil ich euch
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[Druckausgabe S. 502]
zuvor dasjenige sagen/ was jhr den Göttern sagen
wöllet. Ewere Stärcke macht es daß wir erhalten sindt. Ihr habet
vns wiedergege- ben die Freyheit den Athem zuschöpffen. Ihr habet
einem jeglichen von dem Volcke seine Ecker/ Freunde vnd Häuser/ mir
aber diese Krone/ vnd den abwesenden Sohn beschützet.
Begehret von vns was jhr wöllet; jedennoch wirdt [841]
es weniger seyn als jhr ver- dienet habet. O dem
Verhängniss! ich sehe euch verwundet/ vnd er- fahre daß der Sieg
nicht ohn Gefahr gewesen. Ihr seydt das Schlachtopffer/ dessen Blut
mir den Sieg zu wegengebracht hat. Schawet nun den Radirobanes/ welchen Africa kurtz zuvor fürch- tete/ der jetzundt vnter
der Fürweisung seiner Waffen euch auff den Schultern lieget/ vnd
vnsere Augen nun mit desto einem angeneme- ren Schrecken erfüllet/
je näher vns die Gefahr gewesen ist. Kompt/ jhr stattlicher Heldt/
in den Tempel der Götter/ derer Zahl jhr künff- tig
vermehren sollet. Ihr möget diesen Raub an vnsere geheiligte
Pfeiler hängen/ vnd sie den Africanischen Augen zum Spiegel ewe- rer Stärcke
lassen; oder das denckwürdige Siegeszeichen den Göt- tern eweres
Gallien vberschicken/ so wisset daß ich euch dennoch
einen Altar auffrichten/ vnd ein Fest sampt einem Priester verord-
nen wil; wiewol ich hertzlich begehre/ daß jhr lange
Zeit vnter den Menschen wohnen möget. Diese Rede wardt mit grossem
Frolocken deß Volckes angehöret; darzwischen als Poliarchus der Königin seiner Art nach glimpflich
geantwortet hatte/ tratt er zum Thore deß Tempels deß Gottes
Mars hienein. Weil er aber noch blutig vom
Kampffe war/ durffte er zu dem Altar nicht gehen/ vnd den Göttern
opffern. Er ließ sich begnügen dem Priester daß Siegeszei- chen
zuvbergeben/ vnd den Gott an der Schwellen anzuruffen/ er wolte es
mit gnädigem [842]
Gesichte annemen/ vnd
verleihen/ daß er jhm dergleichen Gaben offtmals bringen möchte.
Vber solchem beten fiengen seine Wunden an jhn mehr vnd mehr
zu vberwinden. Dann etliche waren wegen deß verzugs der verbindung
erkaltet vnd geschwollen. Dennoch/ damit er der Königin vnd den
Soldaten kein Schrecken einjagte/ ließ er solches nicht mercken/
vnd sagte nichts anders/ als daß er wegen Mütigkeit von dem
kämpffen ein wenig würde ruhen müssen.
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[Druckausgabe S. 503]
Derhalben begab er sich in begleitung der Hyanisbe vnd
vmbrin- gung vieler Soldaten/ welche noch eben so herein giengen
wie sie in der Schlacht gewesen/ nach Hofe. Sie waren aber noch
nicht in dem Eingange/ als angesaget wardt/ daß Gesandten von den
Sardiniern kommen weren. Dann es kam jhnen vber auß
schmertzlich für/ daß sie jren König lebendig nit beschützet/ oder
zum wenigsten todt jhm die Ehre angethan/ daß er in die Begräbnisse
seiner Vor- fahren hette beygesetzt werden können. So besorgten sie
sich nach- mals auch/ der Feind möchte vielleicht mit dem Cörper
spöttlich verfahren. Derhalben kleideten sich in wehrendem
Tumult Viere von den fürnembsten Herren/ mehr auß eigenem dann
gemeinem Rhatschlage/ wie wol sie solches zuvor mit etlichen
Befehlshabern abgeredt/ als Gesanden auß/ vnd kamen im Namen aller
Sardinier nach Lixa. Poliarchus ließ sie auff gutbedüncken der Königin als-
baldt für sich/ vnd hörete sie vnter dem Eingang deß
Pallasts; als ob er solcher Absendung die Ehr nit geben
möch-[843]te/ daß er sie mit dergleichen
Herrligkeit wie sonsten zugeschehen pflegt/ ver- nemen möchte. Es
war einer von den Abgeordneten/ dem die an- dern zureden
aufferleget hatten. Dieser warnete den Poliarchus
mit füglichen Worten/ er wolte sich deß Glücks glimpflich
ge- brauchen/ vnd die Götter Siciliens als vberwundene nicht
beleidigen/ noch die seinigen wegen scharffer Verfahrung wieder den
vmbge- brachten Feindt erzürnen. Sie weren kommen deß Königes
Cörper zubegehren. Der Haß welcher auch nach dem Tode wehrete hette
wenig rhum hintersich. Es würde nicht ein geringer Lob
seyn dem vberwundenen zuvergeben/ als jhm zuvor im Kampffe das
Leben genommen zuhaben. Er würde gedencken/ daß Radirobanes der königlichen Hoheit halben zum
wenigsten deß Begräbnisses nicht solte beraubet werden. Wann er dem
Theseus nachfolgete/ so würde er nicht
zulassen/ daß seines Feindes Geist vnbedecket herumb jrrete. Were
er aber Achilles/ als solte dem Sardinischen Volcke kein Geldt so
lieb seyn weder der Cörper seines Fürstens. Letztlich bath er/ vnd
beschloß seine mannliche Rede mit seufftzen. Poliarchus gab ver- ächtlich zur Antwort/ er wolte
eben die Götter im Rhatschlage zu Regierung seines Sieges
haben/ die er in Erlangung desselben ge- habt hette. Im vbrigen/ so
verdieneten die jenigen welche das Le- ben jhrer Laster wegen
zuverlieren verschuldeten/ daß sie auch deß ruhigen Todes
[844] Mangel litten. Es sey dann daß die Götter
selbst/
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[Druckausgabe S. 504]
die sie offt nenneten/ der abgeleibten Geister
schoneten. Man köndt ohne Abschew an den Radirobanes nicht gedencken/ der nach ge- suchter
Gelegenheit den FriedensEydt an der Hyanisbe gebrochen. Endlich
(sagte er) wisset/ daß das jenige was jhr begehret/ bey mir nicht stehe. Die Königin hat zuthun vnd zu lassen/ vnd sich ent-
weder deß Ernstes oder der Barmhertzigkeit zugebrauchen. Dann
für sie haben wir gestritten/ vnd jhr gehöret ewerer Radirobanes
nicht weniger zu/ als das vbrige vom Sieg. Die Gesandten verloren
jhre Hoffnung/ vnd wandten sich doch zur Königin. Sie wolte sich
aber der Freyheit nicht anmassen/ welche jhm Poliarchus mit seinem Blut erworben hette. Sie
stritten deßwegen lang miteinander/ vnd hielten sich vnd die
Abgefertigten hiermit auff. Die Schmertzen der Wunden aber wolten
längern Verzug mit dem Poliarchus nicht ley- den. Vber dieses wußte er/
daß alle Anmutigkeit einer Freygebig- keit an geschwinder
vnd williger Entschliessung liege. Als derhalben die Königin
jnständig anhielte/ er wolte entweder die Gesandten baldt
abfertigen/ oder es auff einen andern Tag verschieben: Ich
verstehe/ sagte er/ was Ewer Liebe begehret. Dann im Fall jhr euch
wegen empfangenen Vnrechts an dem Cörper rechen woltet/ so würdet jhr diese Schärffe euch außdrücklich vorbehalten. An
jetzo/ ohne daß jhr barmhertzig seydt/ so wöllet jhr/ es solle das
Ansehen haben/ als ob ewere Mildigkeit ge-[845]
gen den Sardiniern von mir herrühre. Sie mögen ja
den vndienstlichen Cörper jhres Gottlosen Königes hinnehmen/ vnd
jhn nun nachdem er nichts fühlet/ auff den Holtzhauffen
legen/ welchen er lebendig verschul- det hette. Gewiß/ sagte
Hyanisbe/ sie sollen erfahren/ daß hier kein Thebe sey; vnd daß
Poliarchus gesieget habe/ nicht Creon. Wann sie jhm aber die Grabschrifft machen
werden/ so mögen sie vnter an- dern seinen Siegen erwehnen/ daß er
zwey mal in diese Statt kom- men sey.
Als sie solches mit lachendem Munde gesagt/ kehrte sie
sich von den Gesandten/ welchen auff Befehl deß Poliarchus der entwaff- nete Cörper/ wie er war/
gegeben wardt. Er/ nach verrichtung all- gemeiner Sachen/ als er
nicht mehr gehen kundte/ wardt er von der seinigen Händen in
sein Zimmer geführet; da er kaum erwartete biß man jhm den Küriß
ablegen kundte/ vnd sich auff das Betthe warff. Wiewol er selbst
Aertzte mit sich gebracht/ dennoch/ weil er wußte daß die in der
Hyanisben Hofe berühmet weren/ wie er dann/ als er
von den Seeräubern beschädiget worden/ vnd daselbst kranck
[Druckausgabe S. 505]
gewesen/ an eigner Person erfahren hatte/ ließ er
sie gleichfals ho- len. Wurden also zween Gallier vnd zween Moren zugelassen/ wel- che wie
sie sahen daß er hefftiger beschädiget worden als man ver- meinete/
murmelten sie erschrocken vntereinander. Die gefähr- lichste
Wunde war in der Seiten/ vmd im nachsuchen wu-[846]
sten sie nicht/ ob es auch die edelsten Glieder
inwendig im Leibe betrof- fen hette. Wie die Königin vber diesem
fragte was jhre Meinung were/ sagten sie in geheim/ daß es vmb den
König sehr mißlich stünde. Sie befahl weißlich die Sach verborgen
zuhalten/ damit sich nicht etwan in jhrem oder der Feinde
Lager eine Empörung erregte. That auch den Aertzten grosse
Verheissungen/ mit Vermahnung/ keines Fleisses vnd Kunst zu sparen;
wie sie dann bey seiner ent- blössung vnd nachsuchung in den Wunden
selber zur stelle war. Er hatte sich sehr verblutet (dann so baldt
er auff das Betthe kom- men/ hatten sich die Wunden
eröffnet) vnd der Puls schlug so lang- sam vnd vngleich/ daß die
Aertzte in grossen Forchten stunden. In dem sie nun alle bemühet
waren/ war ein Africaner vnter jhnen/ deß Namens Temison/ heßlichen Gesichts vnd kurtz von Person/
seiner Kunst aber vnd glücklichen Fortgangs halben sehr be- rühmbt/ der fieng an: Wir schaffen also nichts. Ich besorge
mich/ es möge der König eines andern Tods sterben/ als dessen der
von er- öffnung der Wunden herrühren köndte. Dann wir sollen nicht
glauben/ daß alles Geblüte/ so von Waffen berühret vnd auß seinem
Ort getrieben ist worden/ gantz auß dem Cörper gelauffen sey: son-
dern das Geblüt der Adern hat sich sampt seinem Schaum
durch die zugrosse Bewegung entzündet. Derhalben wirdt es sich in
der Hitze lieffern/ vnd in den Seiten zusammen le-[847]
gen/ daß er nicht Athem holen können/ vnd das Leben
darüber lassen wirdt/ wann wir jhm nicht zuvor kommen. Wie ist jhm
dann zuthun? möchtet jhr sagen. Nicht anders als daß wir jhm
die Basilick oder Königs Ader im Arm schlagen. Also wirdt sich
durch die hinweglassung das Blut/ so hernach in Eyter verwandelt
wurde/ nicht mehr lie- fern können. Sie entsetzten sich vber diesen
Worten sämptlich. Dann wie köndten sie so verwegen seyn/ daß sie
auß einem schwa- chen Leib/ der ohne das erschöpffet were/
noch mehr Blut lassen solten? Doch muste man in deß Artzts Meinung
willigen/ weil er sagte/ daß man jhm anderst das Leben nicht
erhalten würde. Oeff- neten sie jhm also die Ader/ wiewol viel sich
nichts guts darauß ge- trösteten. Hernach brauchten sie zu
jeglicher Wunden jhr
sonder[Druckausgabe S. 506]
lichesMittel/ liessen jhn ruhen/ vnd verboten jhm selbige
Nacht mit einigem Getümmel vnd Geschäffte beschwerlich zuseyn. Doch
kundte man Hyanisben von jhm nicht hinwegk bringen. Sie setzte
sich nicht weit vom Betth auff einen Stuel/ vnd tratt offtmals zu
jhm/ in besorgung er möchte in Ohnmacht gefallen seyn;
seuffzete kaum verborgen/ kam den Dienern mit jhrem Fleisse zuvor/
vnd er- wiese jhm/ der fast nicht wußte wer sie were die jhn so
sehr in acht nehme/ alle Menschliche vnd mögliche Dienste.
Endtlich gieng ja Hyanisbe noch/ auff der jhrigen
nötigung/ vnd weil die Nacht zu ende kam/ in [848] jhr Schlaffgemach. Sie hatte nicht lange geruhet/
als sie von den Herren jhres Hofes auffgewe- cket wardt/ die jhr
Glück wündtschen wolten/ vnd fragten/ was bey dem newen Wesen
zuthun were. Dann nachdem man die gantze Nacht in dem Sardinischen
Läger ein Getümmel gehöret hatte/ wor- den deß Morgens früe
weder jhre Schiffe im Flusse/ noch einige Wa- che oder Volck vmb
die Schantze gesehen. Man schickt hernach etliche von Micypsa auß
der Gelegenheit sich zuerkündigen/ die be- richteten/ daß die
Sardinier fort weren/ vnd zwar die köstlichsten Sachen mit sich
genommen/ doch auch nicht wenig hinderlassen hetten. Als es
besser liechte worden/ sahe man die Flotte der flie- genden: weil
Virtiganes vnd die andern Obristen nach verlierung
deß Königes nicht allein keine Hoffnung deß Sieges gehabt (dann
wem/ oder vnter wessen Befehl solten sie siegen/ nachdem sie nun
gezwungen worden mehr als einerley zu wöllen oder zu fürchten?) sondern sich auch besorget/ sie möchten dem Anlauffe deß
Feindes in selbigem Orte nicht genugsamb wiederstehen können. Vber
diß muste das Volck wegen entstehenden einheimischen Krieges zurück
geführet werden. Dann es waren nach dem Radirobanes zwene so der Kron begehreten/ zweyer
deß Radirobanes Vattern Brüder Söh- ne: von
denen einer deß jüngeren Sohn Harsicora/ der aber elter war/ sein Alter angesehen
wolte haben: der andere/ so Cornias hieß/ nicht sein sondern seines
Vat-[849]ters Alter anzohe. Die vermu- tung
solchen Vbels/ ohn daß die Soldaten auch jhre Hoffnung vnnd
Hertzhafftigkeit sincken liessen/ brachte die Befehlshaber darzu/
daß sie ohn Trompettenklang durch das gantze Läger
befehlen lies- sen sich bereit zumachen/ vnd hinter der Africaner Wissen auß dem Hafen
abzustossen.
Solches Glück der Königin zuverkündigen/ waren viel Herren
zu- sammen kommen. Welches als sie verstundt: Ach/ sagte sie/
köndte
[Druckausgabe S. 507]
doch der jenige dieser Fröligkeit geniessen/ der sie
vns erworben hatt! Ach Poliarchus/ wann ich mich nur ewrentwegen nicht heff-
tiger dörffte kräncken/ als ich mich jetzt vber der Feinde
Niederlage frewen kan! zugleich gieng sie zum Poliarchus/ in Begleitung weni- ger Matronen
vnnd Officirer. Er lag schwach/ halb wach vnnd halb schlaffende/
mit anzeigung grosser Vnpäßligkeit. Gleichwol ver- mochten jhn die
Schmertzen zu keinen Seufftzen vnnd Klagen zu- zwingen. Die
heldenmütige Beständigkeit welche er bey gesundem Leibe gehabt ließ
jhn auch nicht da er fast im Tode lag. Zwar die Stimme war
schwächer/ vnnd kundt kaum von den nechst darbey stehenden
vernommen werden. Als er die Königin sahe: Ewere Liebe/ fieng er
an/ hatt sich der Feindt etwan mercken lassen? Wo mich die Götter
wiederumb gesundt machen/ so wil ich vns an den Halßstarrigen in
kürtzen rechen; im Fall ich aber sterbe/ so soll doch jhnen
mein Geist Schrecken einjagen. In dessen [850]
wöllet jhr das Wesen ewrem Mycipsa vberlassen/ vnd wo es euch
gefällt/ dem Gelanor. Diese Wort redete er/ wiewol mit leiser Stimme/
je- doch mit solcher regung deß Gemütes/ daß er von einer
lebhafftigern Farbe im Gesichte schiene erwärmet zu werden.
Hyanisbe aber; Es ist/ sprach sie/ anderer Waffen nicht
vonnöthen/ mein Herr. Dann wer köndte würdig in nachfolgung eweres
Sieges tretten? Ihr habet die Sache gestriges Tages hienauß
geführet/ in dem jhr aller Kräff- ten in dem Radirobanes außgerottet habet. Die Meineydigen sindt
mit Hülffe der Nacht schändtlich hinweg geflohen/ jhre Todten lie-
gen vnbegraben/ die Schantze stehet vnversehret/ vnd ist
eine zim- liche Beute die sie für eylen nicht hinweg bringen können
den vnse- rigen hinderlassen worden. Poliarchus wardt vber diesen worten gleichsam was
muthiger/ vnd theilete sich die empfindung solches guten fortganges
in den gantzen Leib ein. Derhalben wolte er die Fröligkeit
deß Volckes nicht zurückhalten/ welches zu den Tempeln/ den Vfern
vnd Gastereyen lieff; wiewol man noch für jhn Beysorge trug/ vnd
Hyanisbe das Frolocken so lange befahl einzustellen/ biß es seiner
Gesundtheit wegen noch köndte grösser werden. Gantz Lixa gieng das Lager zu beschawen/ vnd vom Port den
fliehenden Feinden zu fluchen. Hernach zanckten sie sich
vber dem Raube/
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+
[Druckausgabe S. 508]
daß man mit Kummer die erste Beute für die Götter
vnd Könige er- halten kundte.
[851] Als man aber deß Poliarchus Wunden besichtigen solte/ vnd sie auffs
newe verbinden/ stunden die fürnemsten Freunde vmb das Bette/
vnd schaweten die Aertzten erbärmlich an. Der jenige so den vorigen
Tag das Blut zulassen gerahten war zur Stelle: der lösete das
Bandt/ so vmb die tieffeste Wunde war auff. Dann die Medicin war zu
selbiger Zeit noch in dreyerley Art nicht eingetheilet; son- dern
die welche Artzney ordneten/ machten sie auch/ vnd gebrauch- ten sich jhrer Hände an den Gliedmassen vnd Wunden der Kran-
cken. Es schiene damals ein Wunderwerck zuseyn/ daß sich das ver-
derbte Geblüt schon zum schweren anließ. Den Göttern sey ge-
danckt/ schrie Temison. Leget dem Himmel ewer Gelübde ab/ wann
jemandt vnter euch eines für Wolfahrt deß Königes versprochen hat. Dann ich habe noch biß auff diesen Tag kein gewisser
vnnd ge- schwinder Zeichen der Gesundtheit gesehen. Es ist kein
Feber für- handen; Es hitzen nicht allein die Wunden nicht/ sondern
das vn- beschädigte Theil sondert auch/ wie in Wunden so durch die
Zeit gelindert sindt/ das todte ab vnd zertreibet es. Sie nahmen
diese Worte sämptlich an/ als von einer Warsagung der
Götter. Etliche weineten für vnmässiger Frewde; andere vmbfiengen
einander. Viel fielen auff den Boden/ vnd baten den Apollo/
Esculapius vnd Hygien solchen glücklichen [852] Anfang ferrner fortzustellen. Niemandt aber war
lustiger als die Königin. Sie verhiesse der Carthaginischen Celeste ein Opffer von hundert Ochsen/ und fieng damals erst recht
an die Wollust deß Sieges zu empfinden.
Zitierempfehlung:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL:
(abgerufen am: )
Zitierempfehlung der Druckausgabe:
Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),