Das VI. Capitel.

Deß Arsidas Fleiß: Er wirdt freundlich angenommen von einem Mohrischen Capitain; Vernimbt Zeittung vom Poliarchus. Seltzame Erfindung im Sommer Eyß zuhaben. Kranckheit deß Arsidas. Er verleuret der Argenis Schreiben.

Das VI. Capitel.

IN solchem Zustandt war Sicilien/ indessen daß Arsidas an allen Seiten in Africa mit [887] seiner Gallere anlendete/ vnd wo er sahe daß es nicht weit an das Landt war/ auff einem kleinen Schiffe herzu fuhr/ vnd die Dorffleute fragte/ ob sich etwan vmb selbiges Vfer eine frembde Flotte sehen lassen/ oder ob Leute durch Vngewitter zu jhnen weren verworffen worden. Er war vber vergebener Arbeit müde/ vnd vermochte sonderlich die Hitze nicht zu erdulden/ wel- che der Windt von Mittage an der seitten deß Landes mit sich brach- te; als er zu gutem Glück an die Mauritanischen Gräntzen/ vnd in ein Vfer/ das einen kleinen Port hatte kam/ darvon ein vierthel Meil wegs eine Statt lag. Es trug sich ohngefehr zu/ daß der Verwalter selbiger Provintz/ ein ritterlicher vnd verständiger Mann als einer zu finden/ an dem Vfer spatzierete. Dieser/ wie er den Arsidas/ auß dessen Gesichte vnnd Kleidung man wol spürete daß er ein Fremb- der were/ ersahe/ gieng er freundlich zu jhm/ vnd fragte jhn/ bey- +

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destragenden Ampts halben/ wie auch auß Höffligkeit/ von wan- nen er käme/ vnd was er zuverrichten hette. Vnd als Arsidas/ damit er mit langer Befragung verschonet bliebe/ weil er ein Gallier Schiff hatte/ sich schlecht wegk einen Gallier nennete/ vmbfieng jhn der Verwalter also baldt/ vnd/ Es ist genug/ liebster Freundt/ sagte er/ zu vernemmen daß jhr ein Gallier seydt. Wir sindt noch in allem verbunden. Ich bitte/ [888] ziehet kecklich in diese Statt ein/ vnd/ ewere Reise stehe gleich wohin sie wölle/ so ruhet doch zuvor von der Arbeit deß Meeres auß/ vnd versorget ewere Gallere mit newem Proviandt. Arsidas wardt bestürtzt vber solcher vnverhofften Leut- seligkeit bey einem frembden vnnd vnbekandten Volcke. Derhalben ließ er seine Leut an das Landt steigen; gieng also mit dem Ver- walter/ der jhm die Oberstelle gab/ in die Stadt/ vnd wardt von allen geehret. Als er sich hernach besorgete/ wann sie in weiteres Gespräche kämen/ möchte er sich verrahten daß er kein Gallier we- re/ vnd also darfür angesehen werden/ als ob er die Ehrerbietung/ welche sie einem andern anthun wöllen/ mit Vnwarheit an sich ge- bracht hette/ erzehlte er kürtzlich; er sey zwar ein Sicilier: weil er sich aber Schiffer auß Gallien gebrauchte/ vnd vber dieses den Kö- nig in Gallien suchte/ habe er sich/ wann er gefraget worden/ vnter die Gallier gerechnet. So suchet jhr den jenigen/ sagte der Verwal- ter/ ohn dessen Beystandt wir Mohren sämptlich in frembde Dienst- barkeit gerahten müssen? Dieses war dem Arsidas ein Wunder- werck/ der nichts von dem was Poliarchus allda außgerichtet hatte noch zur Zeit wußte. Derhalben damit weder der Verwalter noch er länger jrreten/ fragte er freymütig/ was sich newes zugetragen/ vnd was die Mohren von den Galliern für Wolthat empfangen het- ten. Dann/ weil die Vngestümmigkeit der [889] Winde jhn an dem eussersten Theil von Africa herumb geführet/ vnd er nun lang hin vnd wider gejrret hette/ trüge er hierumb kein Wissenschafft. Da fieng der Verwalter an jhm alles begierig zu erzehlen; wie hoffärtig Radirobanes Krieg angekündiget; wie ein König auß Gallien durch Zulassung der Götter mit seinem Heere gleichsamb als zu bestimb- ter Zeit ankommen were; wie der Krieg fortgegangen/ vnd wie mancherley Fälle sich in kurtzer Zeit begeben hetten. Sonderlich hielte er sich mit prächtigen Worten auff in erwegung wie Radiro- banes geblieben; was für ein harter Kampff; wie das Glück eine + +
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weile so zweiffelhafftig gewesen; vnd der Siegsherr nicht wenig verwundet worden. Als er aber in Erzehlung so weit kommen/ daß der Gallier König den Radirobanes auff die Erden geworffen habe/ kundte Arsidas seine Frewde weiter nicht anhalten/ sondern sagte mit solcher veränderung deß Gesichts/ daß man darauß wol spürete/ seine Fröligkeit müßte nicht ertichtet seyn: Ist dann Radirobanes erlegt? Der König in Sardinien? der vnlängst von Sicilien hinweg geschieden? vnd zwar vom Könige in Gallien? welcher/ damit ich nicht vergeblich froh sey/ wie heist er/ mein Freundt? Er hat zwey Namen/ fieng der Mohr an; welches mich vnd andere zum offtern betrogen hat. Dann zuweilen wirdt er Poliarchus/ zuweilen Astiorist von den seinigen genennet. Arsidas wardt durch diese Rede ver- sichert/ vnd [890] empfandt solche Frewde/ daß die Mohren so jhn begleiteten fast zu eben solcher rührung deß frölichen Gemüts ge- bracht worden. Er vergaß aller Sorgen vnd Arbeit. Er fragte allein/ als ob er mit den Göttern redte/ was für Verhängnüß/ vnd was für Zufall diese Könige so Hauptfeinde gegeneinander gewesen in Afri- ca getrieben; oder welch Gott es so geordnet hette/ daß das Blut/ so dem Hasse der Sicilier vergossen werden sollen/ den Africanern zum besten were auffgeopffert worden. Hernach kam er von solcher Be- trachtung zu sich selber/ vnd fragte/ wo sich Poliarchus nach die- sem Siege hingewendet. Juba aber (so hieß der Mohr) gab jhme den Bescheidt/ er lege noch wegen grösse der Wunden kranck in der Hauptstatt Mauritanien/ dahin man auff der Post zu Roß zum wenigsten guter vier Tagreisen hette.

Vnter diesem reden waren sie in die Statt kommen/ vnd als Arsi- das sich bey denen so der Weg kündig befragte/ wo er zu mußte wann er nach Hoff wolte (dann die Winde hatten sich widerumb er- haben/ vnd er besorgte sich/ es möchte ein newes Vngewitter ma- chen/ daß er/ den Poliarchus/ welchen er kaum gefunden/ zum an- dern mal verliere) wolte Juba jhn nicht von sich lassen/ biß er zu- vor dem Gott der Bewirthung mit jhm geopffert hette. Es war grosse Hitze/ vnd Arsidas/ den man vnter die Schattichten Sommerläuben deß Gartens geführt hatte/ erwartete deß Mahls/ in dem jhm Juba mit an-[891]genehmen Gesprächen von der Schlacht vnd deß Poli- archus Siege vnterhielt/ biß die kostbarlichen Speisen auffgetragen/ +

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vnd also jhre Reden geendet worden. Arsidas/ der sich vber der geschwinden Herrligkeit wunderte/ sahe doch nichts so fleissig an/ als daß auff den Schalen allerley Epffel also mit Eyß vmblegt waren/ daß ein Theil darvon vber dasselbige herauß gieng/ etliche darunter verborgen lagen/ vnd doch durch das klare gefrorne Wasser jhre natürliche Farbe sehen liessen. Dieses kam jhm frembd für/ vnd er wuste nicht was er gedencken solte. Dann es waren ausser Zweifel newe Epffel; so pflegte es aber in selbigen Monaten nicht zu gefrie- ren. Damit er derhalben nicht durch eine vergebene Fürbildung be- trogen würde/ begriff er erstlich das Eyß: vnd als er die Kälte in den Fingern empfandt/ daß jhm ausser Zweifel war/ es were recht ge- frornes Wasser/ beiß er auch in die Epffel/ die gleichfals jhren na- türlichen Geschmack hatten/ außgenommen daß es jhm von der Kälte in den Zähnen wehe thäte. Juba hatte seine Lust an der Ver- wunderung deß Gasts/ vnd/ weil er vber dem seltzamen Wesen ver- stummete/ bath er jhn sich lustig zu machen/ vnd jhm wol zuseyn lassen. Arsidas aber fragte lachendt/ auß welchem Scythien mit Africanischen Bäumen vermenget er diese Speise bekommen hette. Damit jhr euch/ fieng Juba an/ noch mehr wundern könnet/ so wis- set/ [892] daß diese Aepffel noch auff den Bäumen gestanden wie jhr in den Garten kommen seydt/ vnd dieses Eyß damals noch Wasser war/ vnd auß dem Brunnen lieff. Arsidas wardt vber dem duppelten Ebenthewer bestürtzet/ vnd fragte vom Juba/ durch was für Zaube- rey/ oder in welcher Hölen sich die Natur so plötzlich veränderte. Es ist/ sagte er/ bey vns eine newe Art mitten im Sommer Winter zumachen; von welcher ich erzehlen wil wann jhr werdet getrun- cken haben. Es wartete ein Egyptischer Knabe auff mit Wein in einem Becher/ der auch von Eyß gemacht war. Als er jhn außge- truncken hatte/ vnd der Diener jhn wider den Boden warff/ ver- droß es den Arsidas/ daß er das Geschirr fallen lassen/ welches zwar nicht viel werth/ aber doch im Sommer sehr bequem were. Seydt nicht vnwillig/ sagte Juba: So offt jhr trincket/ so offt habt jhr einen solchen Becher. Es were eine Schandt/ wann wir einen zweymal auffsetzten. Arsidas aß nichts weiters/ vnd war nur begierig zu er- fahren/ durch welche Kunst man der Natur so nahe köndte kom- men: als man allerley Formen von Ertze/ Teller/ Becher/ Schüs- seln/ vnd was sonsten zur Taffel von nöthen herzu brachte. Hier- +
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innen/ sagte Juba/ wirdt das Wasser zu Eyß gemacht. Dann man decket eine Form also zu/ daß die Ränder vber einander gehen; auß- genommen daß ein klein Bächlein gelassen wirdt/ durch welches man [893] das Wasser hinein kan bringen; wie man auß Zinn oder Bley etwas zugiessen pfleget. Hernach setzen wir es in ein höltzern Gehäuse/ dessen Boden wir erstlich mit schwartzem vnd nur halb- zerstossenem Saltze/ hernach mit Schnee bestrewen/ welchen wir allzeit bey der Handt haben/ vnd den gantzen Sommer vber in Gru- ben vnversehret erhalten. Auff die Formen selber hernach/ wann sie in den Gehäusen stehen/ strewen wir gleichfals etlich mal Schnee/ vnd werffen auch so offt Saltz darzwischen. Also nimbt das Wasser/ so in dem Ehrenen Gefässe zum Eyß bereitet ist/ die kälte deß vmbhergelegten Schnees an sich/ vnd kan wegen vermischung deß scharffen Saltzes nicht zerschmeltzen: fürnämlich in schattichten Orten/ als wo Wein oder Oel gehalten wirdt. Innerhalb dreyen Stunden gefreuret das Wasser/ vnd/ wann wir etwan Epffel hinein gelegt haben/ wie jetzundt/ darüber jhr euch verwundert/ so bleiben sie im Eyß behangen. Solche äusserste Kälte ist hernach denen an- genehm so sich erhitzet haben: sonderlich auch jhrer Newigkeit wegen; dann ich weiß nicht/ wer doch newlicher Zeit so hart vnd artlich vppich gewesen ist/ der diese Wollust erfunden hat.

Arsidas/ dem diese Erzehlung wolgefallen/ vberlude den Magen zusehr mit den Epffeln/ welche das Eyß hefftig kalt gemacht hatte; tranck auch begierig auß den allzeit newen Bechern/ weil jhn [894] die grosse Kälte/ wie zugeschehen pfleget/ mehr vnd mehr zum Trincken reitzete: wiewol Juba jhn bißweilen vermahnete/ gar zu- viel were schädlich/ vnd hette man sich in Acht zunehmen. Als sie aber von der Tafel auffgestanden waren/ vnd Arsidas die jenigen außlachte/ welche das Wasser nur Warm trincken/ fühlete er daß jhm die Adern von der vbermässigen zu sich genommenen Kälte also verstarreten/ daß er fast den Geist selbst mit sampt den Speisen herauß gegeben hette. Juba erbarmete sich nit allein seiner/ sondern stundt auch in Forchten/ man möchte darfür halten/ er hette jhm einen bösen Trunck beygebracht: schonete also keines Fleisses nicht/ tröstete den Arsidas/ vermahnete die Aertzte/ vnd redte bald dessen/ baldt seine eigne Diener mit gebürlichen Worten an. Wie +

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aber das Geschrey gemeiniglich sich mehr mit bösen Sachen trägt/ so wardt auch zeitlich außgebracht/ Arsidas lege im Tode. In dem seine Leute vnd Diener in Sorgen sindt/ ersahe seiner Knechte einer auß der Euboeischen Colonien die Neapolis in Campanien ge- bawet haben/ Zeit vnd Gelegenheit zustelen/ vnd brachte nicht ein geringe Beuth darvon. Arsidas hatte ein Säcklein von subtiler Leinwadt/ welches er allzeit vnter seinen Kleidern verwahret hielt. Der Grieche war lange Zeit in Meinung gewesen/ er müßte was köst- liches darinnen haben. Wie man nun dem Krancken/ der von sich selbst nicht wuste/ [895] das Kleydt ablegte/ gieng er hinzu als ob er jhme auffwarten wolte/ nam das Thun zu sich wie er es nicht jnnen wardt/ vnd in dem die andern mit trewen Diensten vnd Sorgen beladen waren/ machte er sich auß dem Hause.

[896: Kupfer Nr. 20]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),