Das V. Capitel.

Argenis schickt nach dem Gobrias/ der sie wegen deß Poliarchus Ankunfft versichert: Der Princessin Erfindung/ damit sie die Gallier in den Sicilischen Hafen bringen kan.

Das V. Capitel.

NIcht lange hernach spatzierte Argenis in den Garten/ der zu jhrem Glück gantz ohne Volck war/ weil sich Meleander auff die Jagt be- geben hatte. Weil sie diese Einsamkeit also bequem befandt/ befahl sie Timocleen/ einen auß der Wacht nach dem Gobrias zu senden/ damit er zu jhr in den Garten käme. Er blieb vmb der Argenis vnnd seinentwillen nicht aussen: vnd nach etlichen gemeinen Fragen/ die er jhr laut beantwortete/ stelleten sie sich mit Fleiß/ als ob sie auff allerley Reden geriehten/ vnnd giengen gemach von den andern besonders. Alsdann sagte Gobrias zu jhr: Hochgeehrte Princessin/ jhr seydt nicht allein werth Sicilien vnd ewer Gallien/ sondern auch alle Königreiche der Welt zubesitzen. Verzeihet meinem Könige daß ihr mich ehe sehet als ihn. Die Vrsache [880] seines Säumnisses ist das verdrießliche Vngewitter/ welches jhn auß seinem Weg hie- herwerts anders wohin verschlagen hat. Wir selber sindt an Africa geworffen worden; Ich/ sage ich/ vnd Arsidas/ der mir den Tag für der Vngestümmigkeit auffgestossen ist. Vnd er zwar suchet ewern Poliarchus an den Lybischen Stranden/ in Meinung seine Gesand- schafft die jhr jhm befohlen zuverrichten. Ich aber bin hieher geschif- fet/ entweder/ wann der König schon allhier were/ mich zu seinem Heer/ das sehr groß ist zuschlagen; oder/ da man seiner noch gewär- tig seyn mußte/ euch vnterdessen diese Flotte zuvbergeben. Wir er- warten allein ewers Befehls. Vnser Leben stehet zu ewern Diensten; dann ich weiß/ daß jhr allein die jenige seydt/ in welcher man mei- nen König verachten oder ehren kan.

Auff dieses vberantwortete er jhr deß Arsidas Schreiben/ welches eben fast dessen Innhalts war/ was er jhr erzehlet hatte. Als sie es

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gelesen/ wie die Liebe niemals ruhig ist; Aber/ fieng sie an/ was sol- len wir gedencken wo ewerer König hinkommen sey? Wann er dem Sturm entronnen were/ vermeinet jhr daß er weniger würde fleissig gewesen seyn als ein anderer der mich seiner Ankunfft halben be- richten muß? Darauff wuste Gobrias/ wiewol er auch nicht ausser Forchten war/ viel einzuwenden/ damit er jhr den Argwohn deß Schiffbruchs außredte. Dann er ist nicht nur/ sagte er/ mit einem oder zweyen Schiffen in der See. Er wird von mehr als Fünff-[881] tzig langen Schiffen vnd Galleren begleitet. Wann auch gleich die Vngestümmigkeit das Hauptschiff (welches die Götter nicht zulas- sen wolten) zerschmettert hette; würden so viel Schiffer vnd Solda- ten nicht Hände vnd Achseln darbieten/ damit sie jhren liebsten König auff das nechste Schiff bringen köndten? Es ist aber nicht zuglauben/ daß die gantze Flotte vertruncken sey; oder daß die so entgangen weren die trawrige Zeitung vns nicht längst solten kundt gethan haben. Das vnbilliche Geschrey pfleget den Menschen viel eher böse als gewündtschte Sachen zu Ohren zubringen. Letzlich/ auff daß wir vns mit vnrechter Furchte nicht selbst beleydigen/ so schawet diese Galleren an welche ich führe. Sie sindt auff eben einer See mit dem Könige gefahren: dennoch ist keine von jhnen durch den Sturm vberwältiget worden. Derhalben seydt versichert/ daß der König entweder in weiter entlegene Oerter gelanget ist; oder seine Schiffsrüstung/ so durch den Windt mag beschädiget seyn/ jr- gendt an einem Ende wiederumb ergäntzet. Dann er bereitet sich nicht allein zum Schiffen/ sondern auch zum Kriege. Ihr werdet in wenigen Tagen das Sicilische Vfer von behertzten Leuten bedeckt sehen/ die eweren Feinden/ wann jhr solche allhier habet/ freymütig verweisen werden/ daß sie die Tugendt so bey jhnen gebohren ist weniger ehren als wir Außländer. Die Princessin wardt durch die- [882]sen behertzten Trost zwar muhtiger gemacht/ stund aber doch noch deß Poliarchus wegen in Kummer. Sie begehrete vber diß heff- tig den Gobrias weiter zufragen beydes vor dem was er wuste/ vnd was er nicht wuste. Dann in dem sie vom Poliarchus redete/ zwang sie die Liebe seiner Tugendt sich so wol an geringen/ als an wichti- gen Sachen zuergetzen. Aber es wolte weder der Zeit wegen seyn/ weil es schon tunckel vnd abendt wardt/ noch auch jhrer Leute halben/ welche sich vntereinander befragten/ was sie doch mit dem Gallier reden muste. Darumb/ als er seine Dienste auffs new an- +
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trug: Ich/ sagte sie/ wil in reiffes Bedencken nehmen/ was zu ewe- res Königes Geschäfften diene. Gesellet jhr euch offtmals zum Euri- medes/ gegen dem ich ewerer erwehnen wil. Erdencket euch aber billiche Vrsache auß dem Vfer nicht zuweichen; wie ich dißfals bey dem Vattern gleichfals das meinige thun kan. Ich wil auch schon auff Mittel bedacht seyn/ wie jhr euch offtmals vnd ohn Argwohn mit mir besprechen könnet.

Nachdem er hinweg kommen/ vnnd Timoclee fragte/ was er doch begehret hette; Nichts sonderlichs/ sagte Argenis: es sey dann daß er sich noch nicht eröffnen/ vnd mir alsbaldt zum ersten mal hat be- schwerlich seyn wollen. Er lobte die grosse Ehre so man jhm an- thete/ vnd bath daß eines von seinen Schiffen/ darauff er seine köst- lichsten Sa-[883]chen hette/ in den Port allhier möchte eingenom- men werden: es solte vber zwey Tage nicht stehen bleiben/ jnner welcher Zeit das jenige/ was vom Vngewitter daran zerbrochen wor- den/ wiederumb könte gemacht werden. Er suchte mich also/ daß ich jhm hierinnen beym Könige wolte beförderlich sein. Mit diesen Worten gieng die Princessin wieder in jhr Zimmer; vnd nach Er- forderung deß Eurymedes begehrte sie/ er wolte den Frembden in Acht nehmen. Damit sie jhn auch destoartiger betriegen köndte; Wir müssen/ sagte sie/ auff Geschencke bedacht seyn/ die dem sei- nigen am Werthe vnnd Schönheit nicht weichen. Schawet jhr nur zu/ in dem wir vns dessentwegen bemühen/ daß er nicht darvon reise. Ihr könnet jhn wol mit Verheissung einer Jagt/ oder eines seltzamen Spectackels auffhalten. Ich begehre noch einmal/ gebet Achtung/ Eurymedes/ daß er nicht vnvorsehens auffbreche. Als sie jhn mit solcher Erinnerung von sich gelassen/ vnd jhr die Nacht vnter dem Scheine der Ruh Freyheit jhren Sorgen nachzuhängen gegeben hatte/ fieng sie an allen Außgang zubedencken; zwar mutig/ vnd klagte mit mehrer Hertzhafftigkeit dann zuvor/ vnd als einer Köni- gin gehöret. Daß Poliarchus/ wo er anders noch lebete/ gewiß kom- men würde/ könte sie auß deß Gobrias Flotte/ vnd deß Arsidas Schreiben sicherlich glauben. Derhalben müsse sie auff Mittel ge- dencken/ wie sie auch sich [884] selber jhm zu Gute lebendig er- hielte. Were er aber todt/ so wolte sie alsdann erst gleichfals ster- ben. Aber durch was für Wege vnd vnder welcher Beschönung solte sie deß Gobrias Flotte an dem Sicilischen Vfer erhalten? Nichts- destoweniger were jhr dieser Schutz zu fortstellung jhres Fürhabens von nöthen. Dann jhr Anschlag war dieser: Wann Archombrotus

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ehe zurück käme/ als man vom Poliarchus etwas gewisses hörete/ so wolte sie heimlich zu diesen Schiffen fliehen/ vnd also entweder sich in Gallien machen/ oder ein Bündnüß vnter den Siciliern anstiff- ten/ durch dessen Vermittelung sie sich der Heyrath darzu sie der Vatter zwingen wolte/ entbrechen köndte. Endlich ertichtete sie jhr die Sache nicht vbel solcher massen. Deß Morgends frühe gieng sie zum Meleander/ beklagte sich wegen der geringen Kräfften Siciliens/ mit Fürgeben/ man hette sich zu besorgen/ Radirobanes/ wann er vernemen würde/ daß Archombrotus mit den fürnemsten Kräfften der Insel in Africa were/ möchte sie widerumb zu entführen ent- weder selbst kommen/ oder ein theil seines Volcks Sicilien einzuneh- men plötzlich vbersetzen. Sey derwegen nichts sicherers/ als die Gallier/ so durch etwan einen gnädigen Gott dahin geführet wor- den/ in Bestallung zunehmen/ damit sie die Vfer in Verwarung hielten/ vnd also/ wann je Krieg einbrechen wolte/ mit vergiessung frembden Bluts Sicilien weniger Gefahr darauff stünde. [885] Es were vmb einen Monat zuthun/ jnner dem man vom Archombrotus vnd Radirobanes was gewissers erfahren würde. Die Gallier/ (wie sie gehört hette) weren noch seyt deß Vngewitters zum schiffen nicht außgerüstet/ vnd würden gern vernehmen/ daß sie vmb Be- soldung sich noch so eine kurtze Zeit solten auffhalten. So sindt jhrer vber dises (sagte sie) nicht so wenig/ daß sie nicht helffen köndten; auch nicht so viel/ daß sich die Sicilier für ihnen fürchten dörfften/ wann sie jhre Hülffe in Meineydt verkehren wolten. Nach- dem sie den Vatter mit solchen Wortten beweget hette/ erforderte sie stillschweigendt den Cleobulus/ vnd hernach den Eurymedes. Diesen erzehlte sie jhre Furchte wegen deß Radirobanes; zeigete der Gallier Beystandt/ den man vmb geringes Geldt erkauffen köndte. Als sie das Wiederspiel behaupteten/ daß nämlich fremb- den wenig zutrawen were/ vnd es der Insel an Leuten nicht mangel- te/ fuhr Argenis frey herauß/ vnd/ wann man/ sagte sie/ dieses we- gen Sicilien nicht thun wil/ so wil doch ich/ daß man es meiner Furchte halben thun solle. Ich habe den König allbereit auff meine Meinung gebracht. Wirdt jhn jemandt zu was anders bereden/ der wisse/ daß er mir keinen Gefallen thue. Weil sie nun solches so heff- tig trieb/ vnterstundt sich keiner von jhnen jhr mit besserem Rhate verdrüßlich zuseyn. Ja sie schwätzten dem Könige mehr vnd mehr +
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ein/ sonderlich in der Argenis Beywesen/ das man den Gobrias vmb die [886] Verwachung deß Vfers ersuchen solte. Weil jhr dann/ sagte der König/ es also rhatsam zuseyn vermeinet/ so könnet jhr jhn anreden/ Eurymedes/ vnd euch befragen/ ob er sich so lange hier auffhalten dürffte. Hernach wöllen wir vns wegen der Bestal- lung entschliessen. Eurymedes/ als er dem Befelch nach lebete/ hatte nicht viel Mühe den Gobrias zubereden; welchem wol wissendt war/ daß dieser Fundt von der Argenis herrührete. Derhalben ver- hieß er den Dienst seiner Flotte auff einen Monat; wolte aber von der Besoldung gantz nicht hören. Dann damit er destolieber were/ entbote er ohn alle Entgeltung seine Hülffe/ vnd begehrte nichts mehr als Freundschafft.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: 8.4.2025)

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),