Das III. Capitel.

[861] Meleanders vnd Timonides Gespräche die Gesandten vnd Secretarien deß gemeinen Wesens betreffendt.

Das III. Capitel.

Meleander entschloß sich weißlich dem Archombrotus einen ge- trewen vnd erfahrnen Mann/ gleichsamb als einen Abgesandten an die Hyanisbe zuzugeben. Dann also kündte er Bericht einziehen/ was nicht allein der Feindt/ sondern auch Hyanisbe mit jhrem Sohn zu- thun gesonnen were. Die vnbeständigkeit der Dinge/ vnd erfahrung im regieren hatte sein ohn diß wachend Gemüth sehr fürsichtig ge- macht. Doch war er in keinen Geschäfften behutsamer als in er- wehlung deren Personen/ welchen er eine Absendung an außlän- dische Könige oder Völcker anvertrawete: in Meinung/ sie weren wie die Adern/ so nach jhrer Beschaffenheit eine verborgene Krafft der Gesundheit oder Kranckheit auß vnterschiedlichen örtern jhrem Lande zueigneten. Er hatte erfahren/ wann diese Leute mehr für

[Druckausgabe S. 514]
jhr Privatwesen/ als für jhren Herren vnd Redligkeit sorgen/ daß deß Vatterlands Güter/ Würden/ vnd Anschläge durch jhr Still- schweigen oder Einwilligung verrahten werden. Wann sie aber vn- ruhige Köpffe/ oder mit hoffärtiger Vnwissenheit beladen sindt/ daß sie eines theils mit hartem Widerfechten/ anders theils mit auff- mutzung deß [862] Vnglücks grösser als es ist offtmals Empörung erwecken/ die erstlich vnvonnöthen ist/ nachmals auß vngleicher stimmung/ vnd wann sich die Vrsachen mehren/ nothwendig auff einen Auffstandt hinauß läufft. Gesetzt auch/ sagte er/ daß sie friedfertig sind; Wann sie nicht ein wachendes Aug haben/ vnd den Betrug/ welchen man bey jhnen anzubringen vermeinet/ mercken können/ so werden sie nit allein hinder die Anschläg derer Völcker zu denen man sie geschickt hat/ nicht kommen/ sondern sich durch einen blinden Schein vnd ertichtete Einwilligung betriegen lassen/ vnd also/ in dem sie nichts warhafftiges vnd eigentliches berichten/ jhre Herrn mit böser Einfalt hinder das Liecht führen. Vber dieses sahe Meleander auch zu/ damit ein Gesandter sich der Natur deß Königs oder Volcks zu dem er verreisen solte wol bequemen köndte: weil jhm nicht vnbewust war/ daß die gleichheit der Sitten bey erlan- gung der Freundschafft vnd Gunst viel schaffet/ vnd daß die Men- schen sich für denen welchen sie holdt sind/ vbel zuhüten vermö- gen. In betrachtung dieser Sachen gab er viel genawer Achtung/ wen er also zu erforschung deß Fürhabens der Könige abfertigen/ als wem er die fürnembsten Kräfften in seinem Sicilien vertrawen solte. Vnd in diesem ließ er keine Freundschafft noch Einbietung etwas gelten; ja er pflag sich auch zu erzürnen/ im Fall jemand/ wann er vber solcher Erwehlung war/ seine Freundt oder Verwand- ten fürschlagen wolte.

[863] Damals gedachte er sonderlich fleissig nach/ welchen er wol erkiesen solte/ der jm mehr als dem künfftigen Fürsten Archom- brotus möchte getrew seyn. Es vergiengen zwen Tag mit diesem ge- heimen Bedencken. Letztlich entschloß er sich die Sach dem Timo- nides anzubefehlen/ vnd als er jhn zu sich beruffen/ fieng er an: Wann man euch erst vnterrichten muste/ was für Sorge vnd Trew einem Abgesandten obliege/ so wolte ich euch mit dergleichen schweren Last nicht beladen. Ich wil daß jhr mit dem Archombrotus in Africa verreiset/ vnd Hyanisben in meinem Namen begrüsset; +

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hernach so lange bey jhr verharret/ biß jhr von mir einen an ewere Stelle bekommet. Was jhr diese Königin von dem Kriege/ jhrem Sohne/ vnd der newen Verwandtschafft berichten sollet/ werdet jhr heute vom Cleobolus vernehmen. Einer Sachen erinnere ich euch selber/ daß jhr keine Gunst der Meinigen fürsetzet. Was daselbst für- lauffe/ was sie wöllen/ oder thun können/ werdet jhr mir vnfehlbar zuwissen machen. Ihr dörfft euch nit besorgen/ daß diese Trew euch möchte verfänglich seyn; im Fall jhr schon etwas schreibet wieder den Willen derer die jhr nicht gern beleydigen woltet: dann es ist schon eine lange Zeit/ daß ich schweigen gelernet habe.

Timonides war nicht mehr frölich vber den angetragenen Wür- den/ als er bekümmert war wegen der Gefahr die er bey vollfüh- rung dieses Ampts für zugehen sahe. Er wuste (dann er war deß Arsi-[864]das vnd Nicopompus bester Freundt) daß Archombrotus der Argenis nicht gefiele. Köndte er nun dieses Ampt mit jhrer bey- der Gunst verwalten? Geriehte er dann in deß einen Vngnade/ so be- sorgte er/ das Gedächtniß der Beleidigung würde bey der Beleydig- ten Person länger wehren/ als die Gunst bey der andern welcher er gedienet hette. Darumb sagte er also zum Könige: Ich zweiffele an Ewerer Majestät Verschwiegenheit nicht/ Großmächtigster König; ich trage auch keine Beysorge/ daß Hyanisbe oder die Mohren et- was begehen werden/ daß sie verdeckt vnd von mir wolten vnge- schrieben haben. Das Glück aber/ wie auch die Zeiten vnd Men- schen/ ist vnbeständig; vnd mit einem Worte/ jhr seyd Könige. Solte sich was dergleichen begeben/ so wirdt mein Leben nicht allein in eweren/ sondern auch in deß Cleobulus Händen stehen/ bey wel- chem/ als dem Obristen Secretar/ die Abgesandten jhre Schreiben auff eweren Befehl müssen abgeben lassen. Ich zweifele zwar an eines solchen Mannes Trew gantz vnd gar nicht; wie aber wann jhr einem andern solches Ampt/ oder er es selbst seinen Beygesetzten anvertrawete? Wann auch dieses schon nicht möchte geschehen: so wirdt es doch mehr als genug Straffe seyn/ daß es geschehen köndte. Diese Furcht/ fieng der König drauff an/ ist nicht ohn Vhrsach. Doch wann sich was solches zutrüge/ so könnet jhr die Schreiben + + + +

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sicherlich allein an mich richten. Timonides aber; Diese vnge- wöhnliche Art/ sagte er/ nur [865] bloß an euch zu schreiben wirdt sie nicht jederman verdächtig seyn? oder wirdt Cleobulus keinen Zorn mit mir auffschlagen/ wann ich jhm gleichsamb mit Zweiffel an seiner Auffrichtigkeit vnsere Sachen nicht vertrawen werde?

Meleander wardt verwirret vber diesen Worten/ fieng an allein zu spatzieren/ vnd gedachte/ daß eben diß was Timonides für sich sagte/ zu der Könige Sicherheit selbst dienete. Als er jhm nun die Gewalt deß obristen Secretarien zu Gemüth führte/ erwoge er nicht ohne Schrecken/ wie viel er zuthun vermöchte/ wann jhm der Gesandten Schreiben zukämen. Daß die Geschäffte in seinen Händen stünden/ vnd er dem Könige nichts erzehlete als was jhm gefiele. In solcher Freyheit aber was für Freundschafft mit den Außländern köndte er nicht vber einen Hauffen werffen/ wann er wolte? oder welchen Betrug vnd Vnrecht köndte er nicht zum besten drehen/ wann er were bestochen worden? Würde er gleich mit fürsichtiger vbelthat die Vntrew/ deren man jhn außdrücklich zu bezüchtigen vermöchte/ meyden: so köndte er doch die Sach selber wie er wolte/ wenden/ vnd klein oder groß machen/ als ob der Gesandte eben dieses von jhm begehrt hette. So daß die Sachen/ welche der Abgesandte den Secretar/ vnd dieser den König berichten wirdt/ beydes einerley vnd vngleich seyn werden. Alle Ding können mit einem gringen leicht oder schwer gemacht werden; vnd auß dem ernsten oder vnbesorg- ten Gesicht deß jenigen der vns ein ding [866] erzehlet/ drücken wir vns geschwinde das Bildnüß deren Sachen die wir erstlich hören ein. Die benachbarten Fürsten pflegen auch Leute von solchem An- sehen entweder mit Geschencken zuversehen/ oder/ welchs am mei- sten zuthun vermag/ mit heimlichem Vernehmen gleichsam als jhres gleichen dermassen zu ehren/ daß sie schwerlich mercken/ daß man jhrer zu einer vnbillichen Dienstbarkeit begehret. Wann sie derwegen sich also entweder gäntzlich einnehmen lassen/ oder zum wenigsten jhre geschwächte Trew dessen Fürsten Anschlägen/ den sie mit vngebürlichem Bündnisse lieben/ nicht entgegen setzen/ vnd dieses der Gesandte bey den Außländern mercket/ wie kan er den König warnen? wirdt er demselbigen seine Schreiben zuschicken/ welchen er verklaget? wirdt er jhn seine eigene Laster dem König anzeigen/ vnd wider sich mit scharffen Worten reden heissen? Es geschiehet selten/ möget jhr sagen; vnd es mangelt an andern Her- ren nicht/ durch welche ein Gesandter solche Verrätherey dem

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nigkan zuwissen machen. Diese Verrichtung aber einer so hohen Beklagung ist sehr schwer (weil entweder der Kläger oder beschul- digte darüber vntergehen muß) wann man sie den jenigen vertraw- et/ welche/ im Fall sie schon gantz verschwiegen sind/ vnd nichts sagen/ jedennoch zuviel reden; vnd nicht viel lieber den vnschuldi- gen Brieffen/ so stumm sindt/ vnd nicht wissen was in jhnen stehet/ auch nur einig von dem Könige können gelesen vnd verdruckt wer- den. Wie wann ferrner die La-[867]ster verborgen oder gering sindt/ oder der Gesandte selber daran zweifelt? Sol er mit verhaßter Ange- bung deß obristen Secretarien guten Namen beleydigen/ vnd Leute anstifften die jhn beym König angeben? Es köndte keine Sach ru- hig/ kein solches Ampt sicher seyn. Vnd ein Gesandter würde offt- mals nicht so sehr auff seine schuldige Pflicht als auff diese Freund- schafft sehen. Wann auch schon der Secretar ein auffrichtiger Mann/ vnd dennoch wie offtmals geschiehet/ mit dem Gesandten/ der dem König sein Gutbedüncken offenbahren wil/ wegen vollfüh- rung der Sachen nicht einer Meinung ist; wie kan es recht fürge- bracht werden/ weil er durch diesen allein dem König seine Gedan- cken zuwissen macht? Dann der Secretar wirdt nicht wider sich selbst reden; wirdt nicht nachlassen seine Meinung zubehaupten/ wirdt das was wider jhn ist nicht verfechten: sondern geneigter seyn den Gesandten zuhassen/ als sein Gutachten dem Fürsten zu offenbaren.

Meleander/ als jhm Timonides da er zum wenigsten darauff ge- dachte/ dieses zu Gemüth führete/ fieng er an Mittel wider solche Gefahr gäntzlich zu suchen. Cleobulus zwar war von solcher Tu- gendt/ daß man sich von jhm nichts arges zubesorgen hatte. Könige aber sollen nicht allein das gemeine Wesen für sich/ sondern auch für jhre Nachkommenen versichern. Vnd es ist thörlich gehandelt/ wann man eines einigen Menschens Auffrichtigkeit so sehr ehret/ daß man einem offentlichen Ampt/ welches er [868] verwaltet/ grosse vnd freye Gewalt einräumet: als ob es vnfehlbar allezeit auff trewe Leute kommen müßte: da es vielmehr deren Verwegenheit/ so entweder durch Einbietung oder Irrthumb darzu gelangen mit seinen Kräfften stärcken wirdt. Derowegen nam er jhm für/ den Gesandten erstlich mitzugeben/ so offt sie dem Secretar schrieben/ auch an jhn den König selbst etwas außzufertigen; nicht weitläufftig/ noch von + + +

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grosser Wichtigkeit/ es sey dann daß etwas solches fürlieffe/ wel- ches sonst keinem andern mußte vertrawet werden. Also köndte es dem Könige nicht verdrüßlich seyn ein kurtzes vnd gemeiniglich nicht wichtiges Schreiben zu lesen: der Secretar aber/ dem der Inn- halt desselben verborgen were/ würde das jenige/ was der Gesandte jhm zuwissen gethan/ trewlich berichten. So köndte man jhn auch durch diese vnverdächtige weise dem Könige offtmals zu schreiben anklagen ehe er es jnnen würde/ vnd daß dem Gesandten keine Feindschafft darauß erwüchse. Welches also anzustellen were/ daß der König die vberschickten Schreiben gleichsamb ob gemeine Wolfahrt daran gelegen/ alsbaldt lese/ vnd sie niemanden liesse zu Gesichte kommen. Dann solcher massen köndten nicht allein die Abgesandten sich nichts zuförchten haben: sondern es würde auch kein Mensch erfahren/ ob sie wichtige oder nur gemeine Sachen berichtet hetten; damit der König desto besser Mittel habe etwas zu bergen vnd auff Anschläge seiner Sachen zugedencken.

[869] Dieses aber muste gemach vnnd gemach angestellet wer- den/ daß es Cleobolus fast nicht jnnen würde. Wie dann jetzo durch den Abschiedt deß Archombrotus sich zu diesem Anfange gute Ge- legenheit eräugete: weil man es dafür halten würde/ es geschehe auß Liebe gegen dem jungen Herren/ vnd wölle er seiner Gesundtheit wegen von dem Timonides allzeit Bericht einziehen. Darumb be- fahl er jhm in Geheim/ wo etwas vorfiele/ daß der König allein wis- sen dörffte/ als solte er es nur bloß jhm vertrawen. Auff daß aber die Brieffe nicht verdächtig weren/ wann er sie selten vnd gleich- sam auß der Ordnung schickte/ so köndte er jhm so offt als dem Cleobolus selber schreiben. Bey solcher Anordnung ließ er es ver- bleiben; vnd als kurtz hernach Cleobolus darzu kam/ befahl er dem Timonides offtmals Brieffe zuwechseln/ nicht allein mit dem Cleo- bolus/ sondern auch mit jhm selber/ vnd von der Gesundtheit vnd Zustande deß Archombrotus zuberichten. Wolte also eben der- gleichen fürgeben/ so offte er einen Gesandten in frembde Lande abfertigte:biß der Gebrauch durch die Gesandten selber mehr vnd mehr einwurtzelte/ in dem sie es jhnen für eine Ehre halten wür- den/ wann sie Schreiben mit dem Könige wechseln dörfften.

[870: Kupfer Nr. 19]

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[Druckausgabe S. 519]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),