Das XI. Capitel.

Gelanor kompt zu der Timocleen zurück/ erdichtet seines Herren Todt die Leute im Hauß zubetriegen. Arsidas besucht den Poliar- chus/ vnd vberredt jhn auß Sicilien sich wegzumachen.

Das XI. Capitel.

Poliarchus hatte gleichsfals keine bessere Nacht wegen Ruhe vnd sicherheit/ weil in Timocleen hauß sonderlich ein newe Empörung +

[Druckausgabe S. 58]
sich erregte. Dann als Gelanor vom Arsidas wegkommen/ ist er auff [80] Timocleen gerade zugezogen: da er dann bey jhren Dienern seines Herren Todt listig beklaget hat. Timoclee halff die Comedien artlich vollführen/ vnd fragte vor jhren Leuten was Poliarchus für ein Ende gehabt. Er aber log bey jhr destofreyer/ weil jhr alles be- kand war. Zu diesem wuste auch Archombrotus mit ertichteter Trawrigkeit sein Gesichte vnnd Stimme wol zuverändern. In dessen kam Arsidas; welchem Timoclee/ wie sie seiner Ankunfft berichtet worden/ biß an das Thor entgegen gieng. Vnd als er sich entschüldi- get/ daß er in Zuversicht alter Kundschafft jhr zu zusprechen ausser dem Wege gereiset were/ die Fraw sich auch bedancket/ vnd es für eine sonderliche Freundtschafft angezogen/ giengen sie in das Hauß/ vnd gaben sich in Archombrotus Gesellschaft/ welchen Arsi- das/ als einen Frembden/ erstlich begrüssete. Es war Zeit das Mittagsmahl zunehmen/ mit dessen Kostbarkeit die Sicilier andere Griechen vbertraffen. Als dieses verbracht/ vnd das Gesinde zum Essen gieng/ so das Timoclee Archombrotus vnd Arsidas allein vor- blieben; Ich weiß/ Arsidas/ (fieng sie an) daß jhr guten Dienst zu leisten hieher kommen seynd/ vnd den Poliarchus/ wiewol er in Vnglück stecket/ suchet vnd liebet. Er ist alhier/ wie euch Gelanor sonder Zweiffel berichtet hat. Ich frage an jetzo nicht was für Vr- sachen jhn in solche Noth setzen/ vnd hoffe solches von euch zuver- nehmen in seiner Gegenwart. Die Götter/ sagte Arsidas/ wöllen vns die Gnade ver-[81]leihen alles in geheimb zuhalten: im vbrigen wirdt das was wir anjetzt verborgener Weise angeben allen Zeiten nachmals offenbar werden. Aber der Zustandt eweres Hauses ist in Vngewißheit. Wirdt es Glauben halten/ vnd wann es die Sicher- heit wirdt zulassen/ dieses werthe Pfandt welches jhme anvertra- wet ist der gantzen Welte vnvorletzet wiedergeben/ so wirdt es der Lateiner Landt/ darinnen Saturnus verborgen gelegen/ an Ruhm bey den Nachkommenen vbertreffen. Wo hergegen dieser Ortt vnter der Erden auff das Grab des Poliarchus deutet/ so wird er befleckt seyn/ vnd die offentliche Schmach wirdt in dieser Hölen vnd Hellen- grufft alles das finden/ was man in Sicilien von den Furien erzehlet.

Es war schon eine Fackel beyhanden/ welche als sie angezündet/ gienge Timoclee darmit für jhnen her auff den Poliarchus zu. Nach dem sie nun nicht lange gegangen waren/ sehen sie jhn von dem Küssen auffstehen/ weil jhn das Liecht welches sie brachten er- weckt hatte. So bald er Arsiden erblickt/ vnd die andern gegrüsset/

[Druckausgabe S. 59]
fiel er jhm vmb den Halß: Lobte nachmals höchlich solche Trewe Freundtschaffdt/ vnd fragte ob er den verbrochnen vnd zum Tode verdammten Poliarchus auch kennete. Sehet jhr/ fieng er weiter an/ diese Fraw? Wo es eine Schande ist mich zu verbergen/ so kan sie sich nicht entschuldigen; wann aber diese Entweichung zuer- haltung meines Hauptes dienet/ so habe ich jhr mein Leben zu [82] dancken. Sie hat mich bezwungen/ in solchem Vngewitter mich bey jhr jnnen zuhalten. Aber sagt mir/ Arsidas/ was für Vbelthat hab ich begangen/ daß ich gantz Sicilien so verhaßt bin? Ist der König nit mehr Meleander? ist er ein Cercyon oder Busiris worden? oder habt jhr andern Sicilier das Bildnuß der Taurischen Dianen/ vnd versöhnet dieser Göttin grimmigkeit mit dem Blut ewerer Gäste? Worauff Arsidas nach weitläufftiger Bekla- gung deß Meleanders Zustands/ jhm zuverstehen gab/ was für Auffruhr deß Lycogenes Gesandten in dem Königlichen Läger erregt hetten/ vnd nebenst jhnen etliche vntrewe Räthe deß Köni- ges. Daß der König/ von solchem Vnglück vberwunden/ weil sich die Sache zu einem Auffstand angelassen/ vnd gesagt worden/ Poliarchus wolte auß der Insel fliehen/ der offentlichen Fewer wegen letztlich hette einwilligen müssen. Poliarchus hörete dem Arsidas nicht ohne Entrüstung zu/ vnd wolte jhm gantz zitternde auß Vnge- dult allzeit in die Rede fallen. So bald er nun auffgehört/ kriegte er Timocleen bey der Hand: Ich ruffe euch/ sagt er/ zu Zeugen an/ (dann obwol die Götter allenthalben zugegen sind/ jedoch straffen sie nicht stracks die so zu Vnrecht bey jhnen schweren/ noch helffen denen alsbald die sie zu rechte anruffen) euch/ sage ich/ nemme ich zu Zeugen. Ihr seyd bey dem Verlauff gewesen. Ihr habt mich ge- sehen streitten. Hab ich jhnen fürgewartet? hab ich jemandt ge- sucht mit dem ich schlagen wolte? hab ich sie angefallen als [83] sie auff vns kommen sind? Sie haben mich angerennt ehe ich mich besorget. Muste ich derentwegen mir das Leben von jhnen nehmen lassen/ oder/ da ich obsiegte/ gantz Sicilien wider mich in den Harnisch bringen? Worauß kan man mutmassen/ daß ich sie mit fleiß angetastet? Ich war alleine; ich hatt eine Fraw bey mir/ wel- che mir zu streitt wenig helffen mochte. Ihr Gesind vnd mein Die- ner waren/ in Meinung man hett sich in diesem Wald nichts zube- + +
[Druckausgabe S. 60]
fahren/ so weit vorhergereiset/ daß auch kein Geschrey von vnserm kämpffen jnen zu Ohren kommen. Woran hat aber das böse Glück den König geleitet/ die jenigen/ so von seinen Rebellen vnd an belei- digung der Majestät schuldigen Leuten zu jhm abgeordnet worden/ gleichsam als rechtmässige Gesanden zu ehren/ auch das Blut der seinigen der Feinde böser Begier auffzuopffern/ vnd seine Ehr jrem vnzimlichen Ansuchen nach zu setzen?

Sein Schmertzen vnd Gewissen trieben jhn noch mehr zu sagen/ als jhn Arsidas versicherte/ daß er bey allen Leuten in gutem Ge- rüchte were/ vnd die gantze Welt/ ohne allein die so Lycogenes be- stochen/ sagen mußte/ es sey dieses ein solche That/ so wenig jhres gleichen habe/ daß ein einiger Reisender/ vnd der zum streitten nichts außgerüstet/ so vielen Räubern siegende auß den Händen kommen: vnd daß die Soldaten sie hefftig außlachten/ in dem sie klagten/ daß jhrer Fünffe oder mehr von einem allein geschlagen worden. Aber wir haben jetzt von etwas anders zu reden/ Poliar- chus. Sicilien/ wie [84] es heutiges Tags damit beschaffen/ ist ewerer Tugend nicht werth. Entäusert euch eine zeitlang darvon/ vnd machet daß der König nicht gezwungen werde/ euch entweder mit jhm vnd dem Reich nachtheiliger Gerechtigkeit zuschützen/ oder den Feinden mit seiner höchsten Schande zuüberlassen. Er hat euch bißher noch so beleydiget/ daß er kan entschuldiget werden. Dann die Straffe deß Todschlags zu leyden/ oder denselbigen recht- mässiger weise vnd persönlich entschuldigen ist dermassen bräuch- lich/ daß man sagt/ als Mars den Halirrhothius erwürget/ hab er seine Sache im Areopagus selber außgeführet. Wann jhr nun wegen Geleits vnd billicher Verhör gesichert weret/ so riethe ich/ daß jhr euch ewerm Gegentheil gestellen woltet; dann es ist bißher weiters nichts geschlossen worden/ als daß jhr soltet fürkommen; vnd jhr habt so gute Sach/ daß euch auch die vngerechtesten Leut recht ge- ben müssen. Aber der Haß vnd Grimm ewerer Feinde würde deß Außspruchs nicht erwarten/ vnd das Werck mit List oder Gewalt treiben. Ich kan es ohn Schrecken kaum sagen: Mein Poliarchus/ machet euch auß dem Staub/ vnd gebt zu/ daß diese Insel nicht gar +

[Druckausgabe S. 61]
müsse verflucht seyn. Poliarchus sagte/ da es jhm möglich were/ so wolt er weichen: vnd daß dieses vndanckbare Land nach solcher Gutthat jhm weniger nicht erweisen köndte/ als wann es jhm einen sichern Abzug gestattete. Auff den König/ wiewol er jhm vbel loh- nete/ were er darumb destoweniger zornig/ daß er spü-[85]rete/ wie jhn das Vnglück selber mit Ergetzung seiner Feinde zum genügen straffete.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),