Das VIII. Capitel.

Wer sie gewesen welche Poliarchus vmbgebracht hat. Gelanor vberredet den Timonides/ Poliarchus sey todt. Arsidas wird von dem gantzen Geheimnuß berichtet.

Das VIII. Capitel.

GElanor/ als er Poliarchus Pferd loß gebunden/ vnd es mit der Spißruten geschmissen/ Feldt einzulauffen wohin es köndte/ setzte er sich auff das seine/ vnd machte sich auff den Weg welchen er jhm fürgenommen. Als er nicht weit von [53] dem Walde war/ in dem Poliarchus den andern Tag zuvor gestritten hatte/ sahe er drey Sänfften bringen/ mit vielen Reisigen begleitet/ vnd nach jhnen auch ein zimbliche Anzahl zu fusse. Ihn verlangete zuwissen was diß für ein Auffzug sey/ vnd als er herzu kam wardt er innen/ daß es Todten-sänfften vnd Trawer Leute waren. Er erschrack daß jhm dergleichen stracks zu anfange begegnete/ vnd fragte von eynem auß dem hintersten Hauffen/ was für ein Begräbnuß gehalten würde. Dieser antworttete/ sie solten die Leichen der Gesandten auff- heben/ welche Poliarchus für zweyen Tagen wieder das Recht der Völcker entleibet hette. Gelanor wardt bestürtzt/ vnd bekümmerte sich bey sich selbst wannher doch solche Verleumbdung keme/ vnd was für Schelmstück darhinter steckten: darmit er aber eigent- liche Gewißheit hette/ ritte er mit den Leuthen fort/ biß er den Cör- per dessen/ den Poliarchus als er geflohen fornen am Walde vmb- gebracht/ siehet mit weheklagen vnd weinen in die Sänffte legen. +

[Druckausgabe S. 42]
Da war er schon vorgewissert/ daß die Räuber welche den Poliar- chus ehegestern angetastet/ eben die Gesanden seyn müsten/ welche Lycogenes zum Meleander abgefertiget. Aber warumb/ redte er wieder sich selbsten/ hat man mit der Rache so geeilet? warumb ist Poliarchus nicht fürgefordert worden? stehet es dann Abgesandten frey die Leute auff der Strassen anzugreiffen? stelt dann der König Frembden ehe glauben zu als seinen eigenen Leuten? Es [54] ge- bührete sich vielmehr daß man dem Vberwinder Verehrungen we- gen seiner Stärcke/ vnd den Gesandten so vber einer so vbelen That vmbkommen/ den Galgen an statt deß Begräbniß geben solte.

Wie er in dieser billichen Betrachtung war/ vberlieff jhn ein sol- cher Zorn/ daß jhm Farbe vnd Sprache vergieng/ vnd er sich nur muste von dem Spectakel weg machen/ weil er so hefftig darüber er- grimmet war. Derentwegen verfluchte er die Feinde/ vnd gab dem Pferdt die Sporen den nechsten Weg wo der König war/ zu. Als er zimblich weit in den Tag zu der andern seitten deß Walds hinnauß geritten/ kam jhm viel Volcks entgegen: dann es war die grosse Strasse/ vnd damals auch darumb weniger ledig/ weil der König sein Läger nicht ferrn darvon hatte. Vnter andern begegnete jhm Timonides/ der Fürnämbsten einer an dem Königlichen Hofe/ wel- cher in ängsten war wegen deß Poliarchus Vnglück/ vnd allenthal- ben herumb jrrete zuerforschen wo er blieben were. Dieser als er den Gelanor erkandte/ Ihr kompt eben zurechte/ rufft er. Wo ist aber Poliarchus in dem Tumult? Er Gelanor war seines Fürsatzes jnndenck/ schlug die Augen nider/ thäte auch als er den Timonides kaum kundte ansehen/ vnd sagte: Poliarchus ist hin. Da war der Jammer vnd die Liebe beym Timonides stärcker/ als die für Augen schwebende Gefahr. Er bliebe gantz verstarret/ wie einer der etwas sagen wil; nachmals hub er mit tieffen Seufftzen an: O den vn-[55] glückseligen Meleander/ vnnd Sicilien mit jhm! Mit diesen Worten wandte er den Zügel. Welches dem Gelanor ein sonderliches Hertz machte/ als er sahe/ daß der erdichtete Todt seines Herrn solch trewes Verlangen vnd vnverborgenes Mitleiden erweckte. Timoni- des war nicht weit/ da kehrte er sich wider auff jhn zu/ vnd fragte: Wie ist doch der stattliche Mann vmbkommen? ist es lange? vnd wer sind sie die jhn entleibt haben? Auß Furchte/ sagte Gelanor/ wegen deß Königlichen Befehls hat er bey finsterer Nacht durch den Fluß Himera setzen wöllen; aber das Wasser/ so wegen vielen Re- gens gestiegen ist/ hat jhn/ wie sehr er sich gewehret/ vmbgerissen/

[Druckausgabe S. 43]
vnd/ so viel ich bey dem scheine der Sternen abnemmen können/ mit sich in das nechste Meer geschwemmet. Timonides schrey wider- umb kläglich/ vnd eilete bald auff den König zu/ daß er den grossen Verlust anmeldete. Als er so wütete/ kömpt jhm Arsidas entgegen/ welchem einig vnd allein die heimblichen Anschläge zuvertrawen Poliarchus dem Gelanor erlaubt hatte. Diesem erzehlet Timonides auff ein Eyl die jämmerliche Zeitung; vnd als er fragte/ wo Gelanor were/ zeigte er jhn daß er gleich von ferren käme/ vnd jagte das Pferdt mit vollem rennen auff das Königliche Läger zu. Arsidas eylete zum Gelanor/ grüste jhn mit wenigen Worten/ vnd fragte nach seinem Herren. Er sagte/ er hette geheime Sachen mit jhme zu reden; derentwegen [56] were es an offener Strassen nicht rahtsam. Arsidas solte sich ein wenig auff die seitte begeben/ er wolte jhm/ wann er niemanden sehe/ bald folgen. Arsidas gehorchte jhm/ vnd schöpffte jetzund gute hoffnung/ weil Gelanor den Tod deß Poliar- chus so gar nicht geklagt hette.

Sie kamen in einem entlegenen Thal nicht weit von dannen zu einander/ da fienge Gelanor erstlich an: Herr Arsidas/ Poliarchus lebt; aber er begehrt daß es niemandt wisse ausser euch. Er liegt in einem heimlichen Gange vnter Timocleen Hause/ welcher Frawen er sich anvertrawet hat. Ich bin aber von jhm zu euch geschickt worden/ daß jhr mich berichtet/ was dieses Vngewitters Vrsach sey/ vnd daß ich euch auch selber/ wann jhr jhn in seinem Vnfall nicht verschmähen wollet/ zu jhm hin geleitet. Arsidas sagte/ er schewe keine Gefahr nicht: Gelanor solte jhn nur zu der Höle führen/ vnd jhm den Poliarchus zeigen/ welchen zu sehen er verlangen trüge. Man muß aber/ antwortete Gelanor/ der Timocleen Diener zube- triegen künstlich vmbgehen/ damit sie nicht jnnen werden/ daß Po- liarchus daselbst verhälet liege/ vnd eines so fürnemmen Herrens Leben in Gewalt geringer Leute gerahte. Ich wil voran/ vnd seinen Todt mit eben solchem klagen beweinen/ wie ich gegen dem Timoni- des thäte; jhr werdet ingleichem schon alle mit denen jhr zu reden kompt auff diese Art herumb zuführen wissen. Also wird Poliarchus deß Lebens sich nicht zu besorgen [57] haben/ wann man jhn für todt wirdt halten. Auff den Mittag könnet jhr bey Timocleen einkeh- ren/ gleichsam als jhr im fürüber reisen wegen der Hitze etwas woltet außruhen. Es wirdt auch niemandt keinen Argwohn darauff werffen/ wann jhr schon bey der Frawen einsprechet; weil jhr von langer Zeit her miteinander bekandt seidt. Diß muß ich euch auch

[Druckausgabe S. 44]
andeuten: Ihr werdet einen iungen Edelman da antreffen/ welcher vorgestern erst in Sicilien ist angelanget/ vnd auß Africa kömpt/ wo er gerade zu bekennet. Er wird euch in allem ein genügen thun/ wann jhr seine ritterliche Gestalt vnd löblichen Verstandt erkennen werdet. Dieser ist deß Poliarchus vertrawter Freundt/ welchem er auß der Kundtschafft die sie in einem eintzigen Tage zusammen ge- macht haben/ biß auff das euserste beystehet. Für diesem dürfftet weder jhr noch mein Herr euch keines Argen besorgen.

Alß sie dermassen sich vnterredet/ reiseten sie von einander. Ge- lanor zwar den nechsten Weg auff Timocleen zu/ Arsidas aber/ der lenger Zeit hatte/ die grosse Strasse nur Schritt für Schritt. Aber Ti- monides/ der sich betriegen lassen/ trug die Tragoedie weiter vnd weiter. Dann welchen Bekandten er nur antraff/ sagte er daß Poliar- chus todt were. So daß dieses Geschrey vielen zu Ohren kam/ die es mit vnterschiedenem Gemüte/ aber doch sämptlich mit grosser Be- wegung/ auffnahmen. [58] Meleander hatte jhm fürgenommen nach Magella vber den Fluß Hypsa zureisen/ dahin seine Tochter Arge- nis auff sein Geheiß von Siracuse kommen war. Die Soldaten/ die schon zum fortzuge auffgeboten waren/ packten jhre Sachen zu- sammen; vnd der König gieng vnter dessen/ biß die bequeme Stunde fort zu ziehen käme/ auff den Feldern nahe dem Walle spatzieren. Er war mitten vnter den Fürnehmsten des Hofes/ vnd wuste wol daß in Beschönung der Trew vnd Auffwartung viel Feinde vmb jhn her giengen: da kam gleich Timonides zurück ins Läger/ vnd be- richtete die Freunde was er von des Poliarchus Tode vernommen. Ehe er das Wortt außgeredet/ kömpt das Geschrey stracks vnter die Soldaten. Vnd sie glaubten es auch leichtlich. Zu letzt vnterstehet sich Timonides für den König selber zugehen/ vnd redet jhn vor Leide vnd wehmut also an: Herr/ wir haben dem Lycogenes viel zu dancken: Poliarchus ist dahin. Vber diesen Worten verstumte der König gantz vnd gar/ vnd wuste er nicht wohin er sein Hertze len- cken solte. Der Vnfall vnd Verlust deß jungen Herrens erschreckte vnd bekümmerte jhn destomehr/ weil jhm als dem Verursacher solches Todes die gantze Schuld auff dem Halse bleiben würde. Er vermochte sich auch in die Lenge des Weinens kaum zu enthalten/ vnd stalte seinem Gemüte schmertzlich für/ den vbelen Zustandt der seinem Reiche hinfort zuhienge. Er dürffte aber zu diesem mal + +

[Druckausgabe S. 45]
so offenbarlich seine [59] Trawrigkeit nicht entdecken/ weil etzliche von deß Lycogenes Freunden zu gegen waren/ die auff sein Gesichte/ auff die Augen vnd alle Worte Achtung gaben. Derhalben bezwang er sich selber/ daß er weder ein Zeichen der Frewde/ noch des Lei- des von sich gab/ vnd fragte nur wie er were vmbkommen; gieng darauff in das Gezelte/ in denen gewissen Gedancken/ daß deß Po- liarchus Vntergang keiner gerne hörete/ der nicht auch wolte/ daß der König zugleich mit jhm außgerottet were. Viel von den Solda- ten kundten auß Schew für dem Könige sich kaum bezwingen/ daß sie nicht offentlich weineten. Die Bestendigkeitt derselben/ welche von den Fürnembsten dem gemeinen Wesen mit Trewen beygethan waren/ vermöchten jhre Seufftzer nicht anzuhalten/ vnd beklagten diesen Verlust vngeschewet. Alle jhre vertrewliche Reden waren von dem vbelen Zustande vnd der Trübseligkeit jhrer Zeiten. Diese vnterschiede der König mit grossen vleiß bey sich selbst von den andern/ als welche er für würdig hielte/ denen er sich vertrawen möchte. Doch schämete er sich auch sie anzuschawen/ in Meinung daß sie jhm nicht zum besten wolten; als den sie eine Vrsach an Poliarchus Todt zuseyn meineten.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),