Das III. Capitel.

[21] Archombrotus wird gewar/ daß Poliarchus in die Argenis ver- liebet sey. Von den Fewern die in Sicilien plötzlich auffgesteckt wurden. Wannher dieser Gebrauch kommen. Timoclee schickt zu- erfahren/ was es bedeuten solle.

Das III. Capitel.

Archombrotus hatte deß Poliarchus Gesprächen begierig zugehöret. Vnd als er Meleanders Theil recht gesprochen/ auch wider die Auff- rührischen hefftig geredet hatte; Aber deß Königes Tochter/ sagte er/ welche jhm dieser Rauber zuentführen vermeinet hatt/ in was für einem Alter ist sie/ wann ich so viel fragen mag? Ich habe war- lich in Africa zum offtern sagen hören/ daß sie eine von den schöne- sten vnd tugendhafftigsten Fürstin sey/ die jetzt leben/ vnd Arge- nis heissen soll. Vber diesen Worten fangen dem Poliarchus die Augen etwas zitternde anzulauffen: redte auch nicht so frisch vnd behertzt/ als zuvor/ vnd antwortete kürtzlich/ sie möchte nahe bey zwantzig Jahren seyn. Archombrotus ward jnnen/ daß sich Poli- archus so gehlinge veränderte/ vnd kriegete ein hefftiges Verlangen zu erforschen/ was für ein Vngewitter sein Gesichte vberschwem- +

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met hette. Derenthalben/ damit er sehen [22] möchte/ ob diese Be- wegung auß dem erwehnen der Princessin/ oder einem andern heim- lichen Anliegen käme/ hub er widerumb an vom Lycogenes/ vnd dem Frieden der damals vnterhanden war/ zureden. Als er nun spü- rete/ daß Poliarchus nicht mehr so Ernst von Gesichte außsehe/ vnd zu sich selber kommen were/ brachte er das Gespräch wider auff die Argenis/ vnd fragte eigentlichen nach jhrer Gestalt vnd jhrem Thun vnd Lassen. Aber er war auch gegen diesem Donner nichts beständiger als gegen dem vorigen/ vnd antwortete seine zitternde Sprache zu bergen auffs kürtzeste jhm möglich war. Wie nachmals Archombrotus zuwissen begehrte/ was der König für stattliche Freunde hette/ vnd auff welchen die Regierung deß ge- meinen Wesens beruhete; Es hat mit Sicilien/ gab er zur Antwort/ keinen so vbelen Zustandt/ daß man nicht etliche noch finden mö- ge/ die jhres Ansehens/ vnd deß Königs Freundschafft würdig seynd. Vnter welchen Cleobulus der fürnembste ist/ sehr weise vnd vernünfftig im Rathgeben: ingleichem Eurimedes vnd Arsidas stattliche Obristen/ vnd die nicht wenigern Verstandt als Hertze haben. Vber diese seynd zween Außländer/ dessen Priesterstands welcher Purpurfarbe träget/ die Sicilien mit Trewen beygethan sind/ Iburranes vnd Dunalbius/ die sich jetzo höchlich bemühet haben/ daß der König mit dem Lycogenes nicht wider seine Hoheit Friden eingehen möchte. Ich wolte noch andere erzehlen/ die sich kein Vnglück von der [23] Beständigkeit gegen dem Könige haben abwenden lassen. Aber wann jhr euch ein wenig bey Hofe werdet auffgehalten haben/ so werdet jhr sie durch das Gerüchte vnd jhre Tugend von den andern leichtlich vnterscheiden lernen.

Es gieng schon zimblich spatt in die Nacht/ vnd die Ruhe war jhnen auch Müdigkeit halben von nöthen; derentwegen hielten sie nach gesegnen mit dem reden jnne. Nichtsdestoweniger liessen doch die Sorgen zwischen dem wachen vnd schlaffen die Gemüther nicht ruhen. Archombrotus stalte jhm die Gefahr für Augen/ von welcher er kurtz zuvor gehöret hatte; vnd war jhm nichts mehr zu- wider/ als daß es sich zu einem Frieden ansehen liesse. Dann wie würde er nun Mittel haben sich in der Schlacht zubefinden? bey welcher Gelegenheit/ vnd mit was für Waffen köndte er demMele- +

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ander seinen Muth vnd Stärcke bezeugen? So betrachtete er auch mit Lachen stillschweigend/ daß Poliarchus/ der so fertig were zu streitten/ vnd allerley Glück zuversuchen/ ein solch schrecken empfunden von dem blossen Namen einer Jungfrawen. Dann er vermeinte/ daß er ausser seiner Tugendt vnd Dapfferkeit nichts hette/ dadurch er jhm entweder Glücks oder Stands wegen auff solche Heyrath dörffte rechnung machen. Im Fall nun/ sagte er bey sich selber/ diese privat Person eine Lieb auff die Argenis eines Königs Tochter werffen darff/ wer wil zweiffeln/ daß Amor vns das Gedächtnuß aller Gefahr vnd Vnglücks auß den [24] Sinnen reisse? daß die Liebhaber sich schwerer Sachen vnterfangen/ vnd die geringsten groß sindt so bald sie geliebet werden? Hergegen machten dem Poliarchus/ der seltzame Anschläge für sich hatte/ die Forcht vnd Hoffnung allerley widerwärtige Gedancken. End- lich vberfiel sie der Schlaff alle beyde: als sich in dessen gemach vnd gemach von dem hin vnd wider lauffen der Leute ein Getüm- mel durch das gantze Hauß erregte: stracks hernach kamen et- liche Diener für die Kammer/ die meldeten/ daß jhre Fraw/ die Timoclee/ bald würde bey jhnen seyn. Sie stunden erschrocken auff/ vnd waren von dem ersten Schlaffe etwas verdrossen; als sie aber sich recht besinnen kundten/ legten sie die Kleider nur vber- hin an/ vnd giengen Timocleen entgegen. Sie/ nach Entschuldigung/ daß sie jnen/ welche ohne diß müde weren/ Vnruhe machte/ sagte: Ihr Herren/ es ist was wichtiges vorhanden; vnd das darumb desto mehr zu fürchten ist/ weil man wegen der Nacht nicht wissen kan was es seyn mag. Man sihet auff allen Hügeln der Felder ein liechtes Fewer auffgerichtet/ welches niemals zu geschehen pfleget als auff Befehl deß Königes/ vnd wann allgemeiner Wolfart halben ge- schwinden vleiß anzukehren von nöthen ist. Als sie dieses gesagt/ führte sie beyde zu öberste auff das Hauß welches nicht zugespizet war/ sondern mit Bley also gedecket/ daß man auff der Fläche deß Daches sich zur Wollust vmbschawen kondte. Es war gantz nicht gewölcket am Himmel/ vnd [25] der Mondt/ welcher offtmahls mit seinem Liechte verhindert daß man den Glantz deß Fewers nicht se- hen kan/ schiene damals nicht: so das sie bey heller Nacht von ge- meldtem Altane die Fewer/ welche allenthalben von den Hügeln leuchteten/ gar wol sehen möchten. Sie hatten sich aber nicht lange vmbgeschawet/ als sich von den Leuten so vmb selbige gegend vnd +
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in benachbarter Stadt wohneten ein Tumult vnd Geschrey erhub: welches wegen stille der Nacht jhnen schrecklicher als sonst zu Ohren kam. Die zwene Gäste befohlen/ daß man die Thore zum Hause vleissig verwahren solte/ damit nicht etwan Räuber bey wehrendem Geläuffe ihre Gelegenheit einzufallen ersehen möch- ten. Timoclee aber sagte/ man könte nicht so bald erfahren/ was es doch sey das durch solche offentliche Zeichen angedeutet wurde. Phthinthia lege nicht weit von dannen: vnnd wan es sie für gut be- findeten/ so wolte sie einen jhrer Diener dahin senden/ der dessent- wegen nachfragen solte. Sie liessen es ihnen gefallen/ giengen an das Thor/ vnnd schickten ein Gesinde fort mit Befehl/ von diesem Schrecken rechten Bericht einzuziehen/ vnnd eilendts Antwort zu sagen waß es anlangendt sey. Vnter dessen spatzirten sie bestürtzt auff den Saal/ machten ein Fewer auff/ vnd als die Fraw bey ihnen in der Mitten saß/ Fragten sie/ was dieses für ein Gebrauch in Sici- lien were/ vnnd worzu die Nacht Fewr dieneten. Dann/ sagete Poliarchus/ es ist vber ein Jahr daß ich nun in Sici-[26]lien bin/ vnd habe dergleichen zuvor doch niemahls gesehen. Habt jhr nicht achtung drauff gegeben/ sagte Timoclee/ daß auff der Spitzen eines jeglichen Hügels Stangen auffgerichtet sind in der Lenge eines Mast- baumes/ auff welchen zu oberste gleichsam ein Keficht mit Eiser- nen Schienen beschlagen ist? Poliarchus sagt: Ja/ er hett es gese- hen. Dise gemeine Bäwme sprach sie/ sind zu dem Ende dahin ge- setzt/ daß man Fewer darauff legen kan/ vnd dem Volck auß Be- fehl des Königes zu wissen thun/ wessen sie sich in Eyll verhalten sollen. Solches nennet man Post- oder Lauff-Fewer. Die so sie zum ersten sehen/ zünden auch auff jhren Hügeln die Leuchten stracks an/ vnnd von diesen werden die so weiter wohnen in gleichem ge- warnet/ biß diese Flamme mit vnglaublicher Geschwindigkeit die gantze Insel durchlauffen hat. In dessen stellet sich das Volck in die Rüstung/ bereittet zu verrichten was jhm anbefohlen wird. Zu- gleiche lest der König in der nechsten Stadt kundt thun was seine Meinung sey: von dannen reitten die Bürger mit frischen Pferden auff die benachbarten Städte/ welche es den Andern weiter vnnd weiter mit Ebenmessiger Willfärigkeit anmelden. So daß durch diese vleissige Vorrichtung gantz Sicilien nach blossem wincken deß Königes in einem Augenblick auff den Beinen ist. Man pfleget aber solches Fewer ohne grosse erhebliche Vrsachen nicht anzu- zünden: vnnd habe ich es nicht mehr dann einmahl gesehen/ [27]
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als man auff diese Weise etzliche Mörder suchte/ welche sich an deß Königes Person vergreiffen wollen. Helffen die Götter/ daß sie nicht zu diesem mal einer mehr trawrigen Vrsache/ vnd schon voll- brachter That halben mögen angezündet worden sein. Poliarchus kundte diese Vrsache noch nicht billichen/ vnnd sagte lachende: Meine Fraw/ ich vermeinete jhr würdet diese Gewonheit noch her- bringen von den alten Ceremonien der Kertzen/ welche Ceres/ als sie jhre Tochter verlohren bey dem Dampffe ewers Berges Etna an- gezündet soll haben. Was hat aber dieser Tumult für Nutz hinder sich? oder was hilfft es den Fürsten/ wann er sein Geschäffte lieber bey Furchte der Nacht/ als am Tage durch seine Leute verrichtet? Dieser Gebrauch/ antworttete die Fraw/ ist nicht so vergeben als jhr wol meinet/ mein Poliarchus: sonderlich wann man sich besorget/ daß nicht eine feindtliche Schiffsmacht heimlich in der Insel ab- stossen möge. Dann die Befehlichshaber vber die Porte/ wann sie durch solche fackeln gewarnet werden/ beschliessen die Einfahrten mit Ketten/ vnd halten die Stewerknechte bey den Rudern in aller Bereitschafft/ da es ja von nöthen thete/ die schiffer auff den Feindt zuführen. So bleibet auch ein jeglicher vom Volcke bey sei- ner Fahn vnnd Obristen/ daß der Feindt/ wan er schon mit List außgestiegen were/ die Insel doch ohne widerstandt nicht vberfallen könne. Es ist auch noch eine Vrsache dieser Fewer: wann nemb- lich ein V-[28]belthäter/ dessen Straffe zum Exempel dienen soll/ entweder aus Sicilien entrinnen/ oder durch behelff der Berge vnnd Zuthun der Seinen sich verhölen will. Dann in fall diese Fewer schon einmahl angestecket sindt/ so ist keinem erlaubet fortzusegeln: vnd der/ welcher den Schuldigen herberget vnd hauset/ macht sich den Gesetzen nach gleichen Verbrechens vnd Straffe theilhafftig. Von solchen der Timocleen Reden kamen sie auff andere/ vnd hat- ten allerley Gedancken/ was doch dieser Aufflauff bedeuten möchte. Poliarchus befahrete sich alles Bösen: weil er wuste/ wie beym Ly- cogenes keine trewe Ader/ vnd Meleander leichtlich zubetriegen were; angesehen sonderlich/ daß die meisten seiner Leute nicht auffrichtig mit jhm vmbgiengen: vnd dann auch/ daß jhm sein grosses Gemüte denen nicht liesse Vntrew zumessen/ für welchen er doch sich vorzusehen billich Vrsach hette.

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[Druckausgabe S. 27]



Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),