Das II. Capitel.

[10] Poliarchus vnd Archombrotus machen Freundschafft zu- sammen/ vnd kehren bey der Timocleen eyn. Die Rebellion vnd Auffstand deß Lycogenes: vnd was es für einen Zustandt mit Sici- lien habe: warumb auch Poliarchus sich von Hofe begeben.

Das II. Capitel.

INdem Poliarchus solches erzehlete/ kamen sie in der Frawen Gute an/ welches nicht weit von Phthinthia an dem Flusse Himera auff der einen Seiten benanntes Wasser/ auff der andern dicke Stauden vnd gleichsam einander vmbfangende Bäume vmbringeten. Das Hauß so von Ziegeln vnd in die Länge gebawet war/ lag deß Was- sers vnd der Felder halben/ vberauß lustig: hierzu kam der Waldt/ vnd etliche nahe Hügel/ welche die Gelegenheit deß Orts noch an- muhtiger machten. Der Leute vnd deß Gesindes war viel/ vnd ver- hielten sich ehrbar vnd keusch/ nach den Sitten der Frawen/ welche jhren Mann schon vor etlichen Jahren verlohren/ vnd durch gutes Gerüchte die Hoheit jhres Standes vermehret hatte. Diese machte damals dem Gespräche jrer Gäste ein Ende/ vnd bate freundlich/ die Armut der geringen Behausung nicht zu verschmehen. Sie +

[Druckausgabe S. 17]
giengen in das [11] Hauß/ da dann die Höffligkeit der Wirthin/ vnd der späte Abendt sie bewegte/ daselbst das Abendmal zu nemen/ vnd vber Nacht zu bleiben. In dem nun das Gesinde zu Tische an- richtete/ wusche Poliarchus seine Wunden mit gewässertem Essige/ damit sie sich nicht mit Geschwulst entzündeten; hernach bestrie- che er sie mit Oele/ in welches wilde Rauthen Blüte vermischet war; in Meinung daß es sicherer sey so gemeine vnd vngekauffte Mittel zu ergreiffen/ als sich auff die Artzneyen derselben Leute zu ver- lassen/ die offtermals die Schmertzen mit vnnötigem Säumnüß er- längern/ vnd vnter dessen die vnbillichste Belohnung hinweg ne- men. Als das essen fertig war/ satzten sie sich zu Tische; vnd wie eine Rede die andere gab/ vnterstunde sich Timoclee von dem fremb- den zu fragen/ wie er hiesse/ von wannen er were/ vnd auß was für einem Anschlag oder Fall/ er in dieser Insel angeländet hette? Er sagte/ daß er der Nation ein Africaner were; seinen Namen vnd Ge- schlechte belangend/ so were der jenigen/ so Gewalt vber jhn hetten/ Meinung/ daß er solches/ biß auff die Zurückkunfft verschweigen/ vnd sich in dessen Archombrotus nennen solte; Er were auch von dem Winde wider seinen Willen/ in Sicilien nicht verschlagen wor- den: sondern hette jhm diese Reise dahin zuthun fürgenommen/ sich mit Gesellschafft mannhaffter Leute/ welche dem Geschrey nach/ bey diesem Könige sich befinden solten/ zu ergetzen. Es kame dem Poliarchus vnd der Timocleen nichts [12] wunderlichers für/ als daß er/ der Geburt auß Africa/ so schöne weiß von Gesichte war. Er hatte keine auffgelauffene vberhangende Lippen nicht; so stun- den jhm auch die Augen nicht tieff in die Stirne gebogen. Es ware vber diß auch eine Anzeigung eines hertzhafftigen Gemühtes/ daß er sich die Liebe der Tugendt/ so weit ausser seinem Lande ziehen las- sen. Er ingleichen fragte nach der Mahlzeit den Poliarchus auff rechte Trew/ wannher doch die Räubereyen in Sicilien so gemeine im schwange giengen? Wer dieser Lycogenes sey/ auß dessen Läger er zuuor gemuttmasset/ daß die Räuber/ so jhn angefallen/ kom- men weren? was es mit dem Königreiche für einen Zustandt/ vnd was für Kriege es darinnen hette? Poliarchus/ weil sie allein waren (dann sie hatten sich zu Ruhe/ vnd beyde in ein Kammer begeben) hube an jhm also zu sagen: Es hat viel Tugenden/ Archombrotus/ die zu Lastern werden: vnd was mehr ist/ so kan man offtmals spü- + +
[Druckausgabe S. 18]
ren/ daß einerley Art deß Gemühtes/ wie es die Zeit mit sich bringt/ bald für eine Tugend/ bald für ein Laster gehalten wird. Meleander/ wie ich vermeine/ daß jhr wisset/ ist seinem Vatter vnd Vorfahren in Besitzung deß Königsreichs Sicilien nachgefolget/ ein Mann eines sehr gelinden vnd glimpfflichen Gemühts; der aber weder auff jetzi- ger Zeit Boßheit/ noch auff die Sitten der Menschen sonderlich Ach- tung gibet/ vnd anderen also glaubet/ wie jhn seine Tugendt ver- sichert/ daß man jhm auch glauben [13] vnd trawen solle. Vnd ich bin der Gedancken/ daß jhm seine grosse Glückseligkeit geschadet habe. Dann/ als er Anfangs seiner Regierung alles in friedlichem Wesen befunden hat/ hat er seine Begierden vnverholen außgelas- sen; die zwar wol erträglich gewesen/ vnd vielen Fürsten gemeine sindt/ dennoch aber seine gar zu grosse Güte so weit an den Tag ge- geben haben/ als ob er dem Vnrecht/ so ihm selber angethan würde/ mit Ernst nicht begegnen könte: In dem er nemlich dem Wayd- werck/ mehr als sich geziemet/ nachgehangen/ vnd in desselben vnterschiedene Art das Jahr eyngetheilet hat: Item daß er allerhand Leute/ ohn Vnterscheidt/ in seine Freundschafft gezogen/ vnd jhnen viel mehr auß sonderlicher Zuneygung/ als auß bedachtsamen Rathe grosse Ehr angethan: daß er gar zu freygebig gewesen; die Geschäffte geflohen/ vnd sie gemeiniglich denen anvertrawet hat/ die jhn am wenigsten mit Trewen gemeinet. Ich wolte wünschen/ geehrter Gast/ daß man dieses verschweigen dörffte. Aber es ist doch besser/ daß jhr mit Warheit von allem berichtet werdet/ als daß jhr es durch das gemeine Geschrey/ welches falsch vnd ertichtet ist/ erst erfahren sollet. Dann die Feinde gehen weiter/ vnd machen das Vbel grösser als es ist. Vnd dannher entspringt dem frommen Kö- nige alles Vnheil; fürnemlich aber auß Neide vnd Ehrgeitze deß Lycogenes/ der auff alle seine Fehler ein Auge hat. Dieser/ weil er von dem Stamme der alten Könige her-[14]rühret/ so ist er mit der andern Stelle niemals zu frieden gewesen; ein Mann von Rhat vnd That/ vnd der jhm bey dem Volcke sonderliche Gunst zu machen weiß: im vbrigen darff er an Grawsamkeit/ Meineyde vnd Hoffart bey aller Gelegenheit/ keinem auff der Welt zuvor geben. Er hat sich nicht viel mühen dörffen den Meleander/ so einen auffrichtigen Fürsten/ vnter dem Scheine der Freundschafft/ zu betriegen. Dann in dem der König/ nach beygelegten Sorgen sein Gemühte rühig er- getzen wil/ so erfüllet dieser den Hof mit Leuten seines Anhangs/ theilet die fürnembsten Aempter/ als er Fug vnd Recht darzu hette/
[Druckausgabe S. 19]
vnter seine Freundschafft auß/ so daß hernach niemand in dem Königreiche bliebe/ der jhm nicht verbunden were. Letzlich bringet jhn seine Thorheit vnd Ehrgeitz so weit/ daß er fast offentlich wi- der den König die Waffen ergreiffet. Meleander wurde dessen sehr langsam gewahr/ vnd als der Krieg sich schon zu regen begundte/ fienge er erst an nachzudencken wer er were/ vnd zu was Ende er Kron vnd Scepter angenommen habe. Er ist ein König/ der keinem er sey wer er wolle/ an Muthe vnd Hertzhafftigkeit nachgibet/ auch von solchem Verstande/ daß er nicht anders hat können vmbgangen werden/ als durch den Vberfluß seiner Güttigkeit. Ich kan euch nicht gnugsam erzehlen/ wie stattlich er seine Weißheit/ vnd Stärcke an den Tag gegeben/ seyt er durch anderer Leute Laster nach seinen Tugenden zugreiffen gezwungen ist [15] worden. Doch wiewol jhm deß Lycogenes böser Anschlag gnugsam bekannt war/ so wolte er doch eine Zeitlang seines Rechtens sich gegen jhm nicht gebrau- chen/ der Meynung/ daß es gar gnug were/ wann er seines Feindes Rathschlägen zuvor käme/ vnd jhm seine Kräfften beschnitte. Er hat auch offtmals gehoffet/ oder zum wenigsten begeret/ von diesem vndanckbaren Menschen eine Rewe solches Verbrechens zu erzwin- gen: Lycogenes aber/ dem es vnleydlich zu seyn schiene/ daß je- mand seyn solte/ der jhn wider zu Gnaden nehmen könte/ vnter- stande sich offentlich vbel von jhm zu reden. Vnd was jhn noch be- hertzter machte/ war dieses/ daß der König seine einige Tochter in Erbschafft deß Königreiches zu setzen gesonnen war. Wolt jhr es glauben/ mein Archombrotus? Der böse Mensch hat sich dörffen vnterfangen sie zu rauben/ vnd mit Gewalt zu heyrathen. Es ligt an dem Außgange deß Wassers Albe ein Schloß/ da der König seine Tochter verwahret hielt; Dahin schickte er heimlich etliche Solda- ten/ welche jhm die Princessin sampt dem Könige/ so ohngefehr in dieser Festung vber Nacht lage/ zuführen solten. Meleander hat geglaubt/ es sey durch Schutz der Mineruen diese Hinterlist zu rück gegangen: Dann die Rauber auff frischer That betretten/ vnd vmb- gebracht sind worden. Darumb hat er zur Danckbarkeit der Göttin so viel Ehr angethan/ als er erdencken mögen. Dann er ließ eine Müntze pregen/ auff welcher [16] eine Eule standt: vnd wann er opffert/ oder auff Bancketen sich erlustigen wil/ so setzt er keinen andern Krantz als von Oelzweigen auff. Was auch noch höher zu +
[Druckausgabe S. 20]
achten ist/ so hat er seiner Tochter/ biß sie verheyrathet werde/ dem Heyligthumb der Göttin fürzustehen befohlen. Ihr werdet sie auff allen Festtagen in heyliger Tracht vnter den Priestern vnd geist- lichen Jungfrawen der Göttin gewöhnliche Feyerung begehen se- hen. Dennoch hat diese grosse Frömmigkeit den Krieg nicht gestil- let. Dann auff dieses deß Lycogenes Verbrechen/ welches sich mit keiner Entschuldigung verdecken läst/ ist zwar nicht eine gehlinge/ aber doch eine grosse vnd mit reiffem Rathe erwogene Empörung erfolget. Er wandte zu Behelligung seiner Waffen eyn/ die Beschüt- zung beydes deß gemeinen Wesens/ vnd dann seiner Person selber: klagte bald/ wie jhn der König ohne Schuld vnd Vrsach einer Ver- rätherey geziehen/ vnd hinrichten zu lassen gemeynet were: bald fienge er an/ daß er das Vnrecht/ so den Vnterthanen geschehe/ länger nicht anschawen könte/ vnd mit offentlichem Kriege der jenigen Tyranney widerstehen müste/ die Meleandern auff so grawsame Rathschläge leitteten. Er hatte viel seiner Creaturen vnd andere so jhm anhiengen. Oleodemus/ Eristhenes/ Menocritus/ welche vber die fürnembsten Prouintzen gesetzt waren/ stimmeten mit jhm vber eyn. Viel auß lauter Leichtfertigkeit wider den Mele- ander: Es begaben sich auch viel [17] auff der Rebellen Seite/ in Meinung Lycogenes thete alles zum besten/ vnd hette sich wider die Vngerechtigkeit der Tyranney zur Wehre gestellet. Derentwegen ward er auffgeblassen/ begab sich zu Felde/ vnd begerete eine Schlacht zu lieffern. Der König/ so auch viel Volckes auff dem Fusse hatte/ schlug es nicht ab. Es ist heute der funffzehende Tag/ daß wir nicht weit von hier auff den Geloischen Feldern ein Treffen gethan haben. Die Schlacht war strenge/ in dem jene nicht weniger mannhafftig für jhr Verbrechen/ als wir für allgemeine Wolfarth stritten. Letzlich wie die Nacht herbey kam/ neygete sich der Sieg auff deß Königes Seiten/ vnd Lycogenes/ der sein Volck in solcher Vnordnung sahe/ ließ zum Abzuge blasen; damit die Flucht einen Schein deß Krieges Gerhorsams von sich geben solte. Meleander war auch selber nicht gesonnen/ dem zerstreweten Feinde weiter nach zu setzen; entweder daß er deß Blutes seiner Vnterthanen ver- schonete/ vnd sich vergnügete an erhaltenem Siege; oder daß er sich für der Nacht vnd allerley hinterlist befährete. Es kan auch sein/ weil seine fürnemeste Leute dem Lycogenes nit abgünstig waren/ + +
[Druckausgabe S. 21]
daß er Beysorge trug/ sie möchten sich auff seine Seiten wenden/ wann er jhn biß auff das eusserste verfolgen wolte. Dann Lycogenes hat noch nicht alle die jhm anhangen zu Vollbringung seines bösen Fürhabens gezogen/ vnd es sind derselben nicht in geringer Anzahl vmb den König/ die bey einem [18] Theil die Waffen haben/ vnd bey dem andern das Gemühte. So ist dem Meleander sonsten auch alles zu entgegen: Die Räthe sagen jhre Meynung nicht trewlich: man trägt die Anschläge den Feinden zu/ vnd ist sich nicht weniger bey Hofe als ausser demselbigen fürzusehen. Derentwegen ob er gleich eben das Feld/ welches der Feind bey wehrender Schlacht innen hielte/ erhalten hat/ so wil er doch nichts desto weniger Frie- den machen nach dem Rathe welchen man ihm hatt eyngeschwät- zet. Er hat seinem Siege auch selber nicht trawen können/ vnd li- get noch jmmer zu/ als ob der Krieg sich nichts zu stossen/ zu Felde. Nach heimlicher Vnterhandlung beyderseits/ worden vom Lycoge- nes Gesanten zum Könige abgefertiget. Ihr Fürgeben war/ Vrlaub zu bitten die Todten zu begraben: in der Wareit aber giengen sie darauff/ wie sie eines Bundnüsses vnd Friedens erwehnen möchten: welches dann so angenehm war/ daß die abgesandten/ in Meynung als der König sich für jhrem Theile fürchtete/ dem Siegesherren auch Bedingungen vnd Gesetze des Friedens fürschreiben dürfften. Mich betreffendt/ so bin ich der Gedancken/ daß Meleandern der Friede/ er geschehe auff was Weise er wolle/ gefalle/ damit wann er vollzogen ist/ die jenigen so sich dem Lycogenes anhängig ge- macht/ zerstrewet werden/ vnd sich nicht so leichte widerumb ver- binden mögen. Also wird man Zeit gnug haben auff newe Mittel zu sinnen/ wie sie selber entweder an einan-[19] der zu hetzen/ oder nach Verleschung deß Auffstandes bey dem Volcke verhaßt zu ma- chen/ vnd durch jhre eygene Boßheit zu stürtzen sind; oder auch/ wie sie jhrer vnrühigen Empörung satt werden/ vnd sich von sol- chem Auffruhr dem Könige zu vnterthänigem Gehorsam eynstellen mögen. Ich für meine Person hab nicht für thuelich befunden/ daß man mit so hoffertigen Leuten/ vnd die sich an der Majestet deß Königes vergriffen haben/ einigen Friede eyngehen solte. Aber ich fürchtete/ daß ich nicht/ wann mich der König/ wie er pfleget/ zu Rathe einer so wichtigen Sache erforderte/ meiner Jugendt vnd Ge- + +
[Druckausgabe S. 22]
schlechte vieler Mißgönner Neydt auff den Halß ziehen möchte. Dann ich bin so wol frembde als jhr seyt/ Archombrotus/ vnd bin auß keiner andern Vrsache dem Meleander zu gezogen/ als daß sein Vnglück ein Exempel ist/ für dem alle Völcker ein Abschew tra- gen solten. Dann sie nimmermehr ohne Krieg seyn werden/ wanns frey wird stehen sich wider die Gebrechen seines Fürsten auffzuleh- nen/ vnd seiner Güte mißzubrauchen. Bey wehrender solcher Frie- denshandlung/ mit der ich gar nicht zu frieden bin/ habe ich mir Anlaß genommen nach Agrigent zu reysen. Ich trage sonderliche Lust zu guter Rüstung vnd Waffen: nun werden solche nirgends besser gefunden/ als welche daselbst ein frembder Meister von Lipara zu schmieden pfleget.

[20: Kupfer Nr. 2]




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),