Der König stellet Opfferung an zu Ehren der Pallas; heiliget jhr seine Tochter. Poliarchus kompt nach Hofe in Gestalt eines Ritters. Argenis vnd er sagen einander Heyrath zu.
Das XIX. Capitel.
AVff dieses wolte Meleander dem Schloß/ in welches die Mörder kommen können/ nicht mehr trawen/ vnd begleitete durch einen newen Anschlag seine Tochter nach Syracuse; nicht so sehr auß Haß gegen dem Lycogenes/ als auß Danckbarkeit gegen der Pallas. Es naheten sich herzu fünff Tage deß Festes/ auff dem man dieser Göttin Geburtstag zu begehen pfleget. Als sie nun herzu [549] kommen/ machte sich der König in den Tempel/ vnd fieng nach zu- sammenruffung deß Volcks also an zureden: Es were jhnen be- wußt/ alles das/ was er von der Pallas Gutthat gegen jhn sagen möchte. Jedoch köndte er der Göttin weniger Belohnung für jhre Hülffe nicht erzeigen/ als wann er jhm belieben liesse/ offtmals jhrer zu erwehnen. Hernach erzehlte er die Hinterlist wieder jhn vnd die Argenis; doch ohne Entdeckung derer die an der Vbelthat schüldig weren; sagte auch kein böses Wort vom Lycogenes. Pallas were in Menschlicher Gestalt/ vnd verdeckt vnter der Theocrinen Namen/ jhm in der Gefahr beygesprungen. Diese hette mit jhrer Göttlichen Gewalt vnd Handt die tödtlichen Streiche auffgefangen: daß die Rauber durch Vberfallung der Göttinn weren vmbkommen. Welches Pfandt werden wir jhr nun einstellen können/ zu Bezeu- gung deß Gedächtnüß jhrer geleisteten Hülffe/ als eben das jenige köstliche Pfandt/ welches sie mir erhalten hat? Meine Tochter Ar- genis/ sage ich/ welche ich zu jhrem Dienste eigenthümblich geben wil. Dieselbe nemme ich als der Obriste Geistliche in Gegenwart
Als der König auffgehört zu reden/ gieng Ar-[550]genis/ wie ge- ordnet worden/ zum Vatter; die Zeichendeuter aber stunden vmb- her. Der König hielte ein weisses Kleidt/ in welches alle die Histo- rien gesticket waren/ so der Pallas beym Volcke Ehrerbietung machen. Dieses warff er seiner Tochter so für jhm kniete vber. Wo jhr/ sagte er/ der Göttin nicht seyn könnet/ wann ich euch nicht zu- vor meiner vätterlichen Gewalt vber euch erlassen habe/ so wil ich euch hiemit von meiner Macht loß vnd frey sagen. Die einige Hey- raht sol euch auß dem Dienste der Pallas entnemmen. Vnsere Vn- terthanen sollen euch an allen Märckten jhr opffern sehen. Auff diese deß Meleanders Worte fieng das aberglaubige Volck an zu- weinen/ zu frolocken/ vnd Glück zu wündschen. Hernach/ als sie wieder nach Hofe vmbkehrten/ worden sie von der gantzen Stadt begleitet. Bald darauff ward dieser Ceremonien Newigkeit in allen Häusern die Nacht vber mit Fressen vnd Sauffen bestetiget.
Radirobanes/ so durch einen hitzigen Eyfer entzündet wardt/ vnd/ Sagt mir/ Selenisse/ fieng er darzwischen an/ kundte denn Ar- genis leyden/ daß jhr Vatter so lange betrogen ward? Entschüldigte sie sich nicht den heiligen Zieraht anzunehmen? Benam sie deß Königes Gemüte solche vngereimte Gottesfurcht nicht? Gestandt sie/ daß man den Poliarchus vnter der Pallas Namen feyerte? zwar ich [551] ward vnwillig/ sprach die Alte/ daß deß Glückes Spiel so weit kommen were. Wann ich mich aber der Begier meiner Pflege- tochter wiedersetzet hette/ welche schon bekandt hatte daß sie dem Poliarchus günstig were/ so würde es mit mir nicht wol auß- geschlagen haben. Es were dem Meleander auch nicht lieb gewesen/ wann man jhn von seinem Irrthumb zurück gewiesen hette. Dann welch eine Ehre war es jhm/ daß er durch eine Göttin gerettet worden? Vber diß wolte er seine Tochter beym Priesterthumb ha- ben/ nicht allein in Betrachtung der Andacht/ sondern damit das Volck gewohnte diejenige zusehen/ vnd sich vber jhr zuverwundern/ welche in kürtzen zum Zepter gelangen solte. Durch dieses Mittel + + +
[552] In wehrender Zeit kam Poliarchus/ seiner Zusage nach/ als ein Ritter nach hofe. Mit jhm war niemandt als der so sich zuvor für seinen Vetter außgegeben. Damals nannte er jhn nach verkehr- tem Zustande vnd Namen Gelanor/ vnd hielte jhn als seinen frey- gelassenen Diener. Erstlich ist er zum Eurimedes kommen/ vnd mit jhm/ von wegen seiner stattlichen Natur/ vnd sonderlichen heimlichen Zuneigung welche fürneme Männer gegen einander haben/ stracks in Freundtschafft gerahten. Kurtz hernach als er durch jhn für den König kommen/ hat er vermeldet/ er were auß entlegenen Landen angelanget/ vnd wolte es jhm für Glückselig- keit halten/ wann er in eines solchen Fürstens Hofe in Tugend möchte vnterwiesen werden. Der König/ welcher Theocrinen nicht offt gesehen hatte/ kante jhn/ wegen veränderter Rede vnd Klei- dung dermassen nicht/ daß er also mit jhm Gespräche hielte/ als ob er jhm gantz frembde/ vnd erst jetzt in Sicilien kommen were. Doch verwunderte er sich vber seinem Antlitz; vnd weil alles in jhm ein sonderliches Außsehen hatte/ vermochte er destoleichtlicher den Weg zukünfftiger Hoheit zutreffen.
Es war der Tag/ an dem zu Anfange deß Marcktes Argenis zum Tempel gehen muste/ als wir beyde wusten/ daß Poliarchus bey Hofe were. Derhalben waren wir in grossen Engsten: Sie zwar auß Empfindung vnmässiger Frewden; ich aber auß Schrecken vnd Zweiffel/ daß sie nicht et-[553]was begienge/ welches sich jhrer Sitten/ vnd meiner Warnung nicht geziemete. Aber die Tugendt bey- + +
[555] Wir kehreten zurück nach Hofe. Fraget nicht/ was ich vnd Argenis damals geredt haben. Vnser einiges Gespräche war vom Poliarchus. Letztlich sagte sie zu mir: Meine Mutter/ was werde ich Vbels thun/ wann ich meinen vnd meines Vattern Erhalter heiliger vnd lieber haben werde als die so jhn nicht kennen? Wann ich doch zum wenigsten jhn anreden/ vnd die eitelkeit meines Prie- sterthumbs mit jhm belachen solte? Ich wil schon sehen/ gnädig- stes Fräwlein/ fieng ich an/ daß es zuthun möglich sey/ vnd Mittel finden jhn zu euch zu bringen. Zu solcher Verheissung war ich destowilliger/ daß sie (weil keine Hoffnung der Gesundtheit war) mir nicht etwan jhre Kranckheit mit gefährlicher Schamhafftig- keit verbirge/ vnd/ wann ich jhr nicht etwas zuliesse/ auff andere vnd bessere Grieff bedacht were. Als ich von der Argenis herauß gieng/ sahe ich den Poliarchus mit meinem Sohne in der Fürkammer spatzieren gehen. Dann er suchte einen vnverdächtigen Zugang zu mir. Ich/ zum Scheine als gienge ich zu meinem Sohn/ grüßte den Poliarchus/ vnd gab jhm kürtzlich zuverstehen/ er wolte auff den Abendt in eben diesem Ort sich befinden lassen. Was sol ich viel Wort machen? Als ich jhn heimlich zur Argenis geführet/ hielte er sich so ehrbar vnd züchtig/ daß ich meinete/ er were widerumb Theocrine worden. Sie redeten niemals miteinander (dann er kam offtmahls wider) daß [556] ich nicht were darbey gewesen. Der junge vnd darzu verliebte Mensch hat nichts vnzimliches oder ver- wegenes begangen; ohne daß er eines males solcher Reden sich vnterfangen hat; Er were auß Königlichem Geblüte/ vnd gedächte in dem Privatstande länger nicht zu bleiben/ als jhm die Liebe ge- gen Argenis würde zulassen; von derselben wüntschte er in Bündt- nuß vnd zum Breuttigam auffgenommen zu werden. Daß er in die Helle werde auffgenommen/ sagte Radirobanes. O der närrischen Freyheit deß weibischen Menschens! Ich glaubte nicht/ hub die Alte an/ daß die Princessin Rede würde finden jhn zu beantwortten/ vnd wolte schon anfangen jhre Stelle zuvertretten. Sie aber/ zu er- weisen/ daß sie/ als in einer plötzlichen Sache/ sich lange be- dächte/ nam das Hertze jhm also hergegen zusagen: Die Götter/
Dieses sagte er mir damals; vnd war in seinem Thun nicht weni- ger bescheiden/ als in den Worten; so daß er nach diesem heim- lichen Vernehmen eben dieselbige Erbarkeit behielt/ welche er zu- vor erwiesen hatte. Er lebte bey Hoff. Kauffte etliche Knechte. Sein Stall stundt voll Pferdt/ welche er sonderlich liebte: vnd kundte man wol mercken/ daß er müßte Reich seyn. So brachte er jhm auch mit [559] seiner guten Natur/ mit allerley Vbung vnd erweisung der Stärcke bey aller gelegenheit vieler Gunst zuwegen. Welcher an- sehenlichen Thaten halben er vom König nicht minder als anjetzt Archombrotus/ wie jhr sehet/ geliebet wardt. Vmb all seine Sachen wußte der einige Gelanor: Seine andere Leute/ die er in Sicilien zu- sammen gelesen/ wusten nicht wer jhr Herr were. Also kam er offt- mals zur Argenis/ gleichsamb auß Höffligkeit/ welche ohn allen Verdacht war; er war auch offtmahls hinder aller wissen bey der Argenis/ außgenommen daß ich allzeit mußte darbey seyn. Ihr würdet gesagt haben/ es spielten Bruder vnd Schwester mit ein- ander/ vnd ich were jhre Mutter. Ich bilde mir ein/ als schawete ich jhn zum Opffer kommen/ welches der Pallas/ die es nicht verdienet/ zu vergeltung seiner Tugendt gebracht wardt; als die Fürsteherin Ar- genis die Pallas nennete/ vnd den Poliarchus meinete; sich von dem Bilde der Göttin/ als ob es ohngefehr widerführe/ zu jhm wend- te/ vnd das Gebett auff jhn richtete; er ingleichem/ dem die Co- +