Das XIV. Capitel.

Deß Dunalbius Gespräch von Heucheley der Poeten vnd Hoff- leute/ welche der Fürsten Sitten verderben. Gleicher Betrug der Argenis vnd Selenissen gegen einander.

Das XIV. Capitel.

IN dem nun Dunalbius/ Antenor vnd Nicopompus entweder der stoltzen Thorheit zu gedencken vberdrüssig waren/ oder es für einen Spott hielten/ daß Sicilien einem solchen Beyständter solte zudancken schüldig seyn/ lächelte Hieroleander/ vnd/ was würdet jhr gesagt haben/ fieng er an/ wann jhr den Menschen diesen Mor- +

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gen gesehen hettet? Er wardt durch eine Gottlose Heucheley auff- geblasen/ vnd lobete gegen den Seinigen ein Getichte so jhm zu Ehren geschrieben worden/ wel-[513]ches der Poet nicht würde auff- gesetzet haben/ wann jhn nicht entweder Apollo rasende gemacht/ oder er geglaubet hette/ daß dieser dem er die Verß schriebe nicht bey Sinnen were. Er erzehlete jhnen etliche die jhm einfielen/ welche die Götter aller jhrer Gewaldt vnd Herrligkeit beraubeten/ vnd dieselbe dem Radirobanes zueigneten. Sie lachten sämptlich vber der Gotteslästerlichen Schrifft des Poeten. Wiewol Nicopom- pus/ der auch ein Poet/ jhn etlicher massen entschuldigen wolte: Dann die Natur der Poesis sey also beschaffen/ daß sie die Ohren zu Vergnügen/ neben der Warheit her spatziere/ vnd zwar vmb so viel destomehr/ weil sie weiß daß man jhr nicht glaubet/ vnd alles was sie erdencket/ mehr ein Spiel ohne Boßheit/ als eine vnvorschämte Lüge zu nennen ist. So bringe es auch die Zeit also mit sich/ daß die Poeten in Erhebung der Könige gar zuweit außschreitten. Dann es würde dem Radirobanes nicht allein ein solcher Dunst für das Ge- sichte gemacht. Wie offt würde auch der andere (vnd gab mit Ge- sichte vnd Geberden zu verstehen/ daß er Meleandern meinete) mit dergleichen Schmeichlerey herumb geführet? Letztlich so würden alle Fürsten vnter einer solchen Versehung gebohren/ daß sie an diesem Leime zum wenigsten etliche Federn lassen musten. Aber/ sagte Dunalbius auß Trewhertzigkeit gegen das gemeine Wesen/ in dem jhr vnvorsichtigen Vnterthanen mit ewerem vbermeßigen Loben macht/ daß Könige jhre Laster [514] lieb gewinnen/ so mercket jhr nicht/ daß jhr Vrsach seyd an ewerm vnd jhrem Elendt. Dann mit was für ewerm grossen Schaden geschihet es/ wann jhr Regenten dahin vberredet/ daß sie keine Schew tragen zu- thun was sie wöllen; sondern angewehnen sich nach Gefallen sel- ber zu lieben vnd vber sich zu verwundern; sonderlich wann jhr vor langer Zeit her alle jhre Zuneigungen auff Fuchsschwäntzerey vnd Rühmen gerichtet habt? Sie mögen jhnen Glückseligkeit einbil- den wie sie wöllen/ so sindt sie doch billich zu beweinen/ wann sie + + + +
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solcher jhrer Leute hinderlist nicht entgegen gehen/ vnd dasselbe zu ehren vnd zu billichen mit Fleisse anfangen/ nicht was andere in jhnen/ sondern was sie in andern loben. Dann die vbrigen hat der Glantz jhres Purpurs dermassen verblendet/ daß sie auch dieses nicht wissen/ was sonsten ein jeder weiß/ außgenommen sie alleine; weder was für Sitten/ noch für Befleissung/ noch Weise bey den Menschen ansehen/ gute Kunst oder Haß zu bringen pflegen. Welch ein böse Gewonheit! Es ist ein listiges Thun die jnnerliche Bewe- gungen der Könige erforschen/ wo sie nämlich jhre Natur vnd Be- gier hin leite; hernach aber/ vngeachtet der Götter vnd Menschen/ alles was sie lieben oder begeren/ herauß streichen; entweder damit man jhnen wegen annemmung gleicher Sitten vnd Reden gefalle; oder daß man jhre Scham beyseit thue/ vnd sie jhm verbinde/ weil man jhnen den Weg zu leben gemacht [515] vnd gebahnet habe/ welchen sie/ weil er zu Lastern leitet/ vnd wenig rühmlich ist/ Schande halben zuvor nicht suchen dörffen. Was ists dann Wun- der/ wann Fürsten durch den hefftigen Sturm solcher schmeichele- rey dahin getrieben werden/ wozu sie genugsam von sich selbst ge- neiget sind/ daß sie hernachmals nur solchen Worten glauben wie man jhnen fürbläwet? Weil sonderlich niemandt sich finden wil/ der sich wider solche vnbilliche Gewalt legte. Dann weise Leut welche sie zu jhren Angelegenheiten gebrauchen/ die tragen ent- weder ein Bedencken vergebliche Warnung zu thun/ oder wissen daß eine Artzney so zur Gesundheit dienet/ vnangenehm ist/ vnd lassen also dem Wesen seinen Lauff; oder machen ja einen Vnter- scheidt zwischen denen Lastern die dem König vbel anstehen/ vnd denen die dem gemeinen Wesen zum Schaden gereichen. Sindt also zufrieden/ wann sie dem Regiment nur ein wenig zu rechte helffen/ eröffnen aber dem Fürsten die Augen nicht wider/ damit er seinem vbelen Zustandt/ vnd dem Betrug der Heucheler begegnen könne. Wer hat Königen jemals mit verständigen Worten in das Gesichte gesagt/ wann sie geitzig sindt/ wann sie auß vbermässiger Lust zur Jagt sich vmb den gemeinen Nutzen vnbekümmert lassen/ oder die Zeit in der sie leben/ mit schädlichen Exempeln jhres ärgerlichen Lebens anstecken/ oder durch vnbesonnene annemmung allerhandt Freundschafft jhnen der [516] Vnterthanen Wiederwillen auff den Hals laden? Wir befleissen vns auch die Nahmen der Tugenden sel- +
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ber mit solchen Lastern zu beflecken. Man heisset diese Sachen eine Sorge für das zukünfftige/ eine Gewonheit zur Arbeit/ eine De- muth/ eine Freygebigkeit. Vnd diese Laster wachsen durch solche Lügen nicht allein/ sondern auch geringere Sachen. Ja wann sie etwan was verstendiges fürbringen/ so erhebet sich ein solches Frolocken/ welches doch nur zum Scheine geschiehet/ daß mir in Warheit/ welches andern nicht wiederfahren ist/ die Augen vor Scham offtmals gezittert haben. Ich sahe daß sie keine Schew trü- gen so greifflich zu schmeycheln/ vnd daß Fürsten auch nur nicht vnwillig worden/ wann man jhrer so leichtfertiger weise spottete. Was ist ein solch Spiel anders als eine Comedie/ da man beyderseit mit außdrücklicher Höhnerey dieselbigen lobet/ welche man bey sich selber/ wegen jhrer blinden Thorheit/ vernichtet vnd auß- lacht? Wann die Götter den Königen nicht hetten grössern Ver- stand vnd Geist verliehen als gemeinen Leuten/ wie viel würden jhrer wol auß disem Garne entreissen/ welches die Gewonheit sel- ber angenehm macht/ weil es stracks vmb jhre Wiegen gestellet wird/ vnd es jhnen vnwissend ist/ daß man sie damit befleckt habe? Aber Könige stehen nicht allein in dieser Gefahr: viel von vns lie- gen in vnserem Priuatzustande an königlicher Kranckheit darnie- der. Wir sind Könige gegen denen die für vns zuthun haben/ [517] ja gegen dem Könige selber/ der doch das/ was wir begehren/ in sei- nen Händen hat. Diesen versuchen wir mit Heucheley vnd verder- ben jhn mit Eitelkeit/ in dem er selber Lust hat zu dem/ wormit Könige betrogen werden. Den Radirobanes belangend/ dessen hof- fertiger Glauben vns auff diese Klage geleitet hat/ so macht die Gü- tigkeit deß andern/ daß wir seine grobe Fehler zuentschüldigen nicht Vrsache haben. Ihr seyd elende Leute/ jhr Sicilier/ wann jhr die Argenis zu seiner Heyraht zwinget.

Diese Rede gefiel dem Poliarchus dermassen wol/ daß er sich kaum erhalten kundte. Er wündschte den Dunalbius zu vmbfangen/ weil er von dem Außgange deß Radirobanes so auffrichtig gevrtheilt hette/ vnd gedachte jhn jhm zuverbinden/ daß er ins künfftig mehr Lehren von solcher Freyheit auß jhm bringen könte. Er nahm jhm auch für/ alle diese Personen der Argenis anzubefehlen/ vnd sich jhrer Trew in allem was jhn angienge zugebrauchen. Als die Gäste hinweg waren/ kamen Nicopompus vnd Arsidas wieder zu jhm/ be- +

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gleiteten jhn zum Bette/ vnd wolten nicht ehe von jhm gehen/ biß er fürgab als ob jhn der Schlaff vberfiele; damit sie auch ruheten/ vnd er mit seinen Sorgen allein sich destobesser vberwerffen könte.

Selenisse vnd Argenis (wer kan der Thorheit der Menschen ge- nug nachsinnen?) giengen dieselbige Nacht auff einerley Betrug vmb/ wie sich nemlich eine der andern/ so bald es Tag würde/ möchte [518] wegstellen. Dann Selenisse suchte Gelegenheit/ wie sie ohne Vermerckung der Argenis mit dem Radirobanes zu Rede käme; vnd Argenis wündtschte Selenissen weg zubringen/ damit sie nicht erführe daß Poliarchus kommen were. Selenisse/ welche darfür hielte/ daß jhre Vntrew nirgend besser als vnter dem Schat- ten der Freyheit köndte verborgen bleiben/ fieng selber vom Radiro- banes an zu reden/ vnd sagte/ wie er sehr gebeten hette/ daß sie sich möchte auff folgenden Tag eben an vorigem Orte vnter den Bäw- men finden lassen/ er begehrete jhr etwas wichtiges zu vertrawen/ vnd hernach von jhr zur Argenis geführt zu werden. Argenis hub stracks an: Gehet/ Mutter/ wohin es euch gefält. Aber lasset mir auch Zeit/ mich auff das jenige gefast zumachen/ was ich jhm sa- gen/ vnd wie ich Antwort geben sol/ wann er seiner Gewonheit nach mich bitten wird. Darumb were mir lieb wann jhr gar früh zu jhm gienget/ vnd jhn mit Worten so lange auffhieltet/ biß ich nach gutem Bedencken selber in den Garten käme. Selenisse sagte/ sie hette nichts bessers erfinden können/ vnd lachte sie bey sich selber auß/ daß Argenis jhr Zeit vnd Gelegenheit sie zuverrahten gegeben hette. Sie wuste aber nicht/ daß sie auch betrogen würde/ vnd daß sie nicht darumb so sehr auß den Augen gehen möchte/ damit sie zum Radirobanes käme/ sondern vielmehr daß sie den Poliar-[519] chus nicht sehen solte. Es war frü/ vnd viel giengen der Hitze deß Tages für zukommen im Kühlen spatzieren. In Beschönung solcher Lust wartete auch Radirobanes im Garten auff die Fraw/ vnd be- kümmerte sich kaum so sehr vmb die Argenis/ als vmb Theocrinen. Die Alte war auch fleissig/ vnd hatte sich mit dem Tage auß dem Bette gemacht. Ich gehe/ sagte sie/ den König von Sardinien zusu- chen. Wann er so verliebet ist wie er mich berichtet hat/ so wird er schon lange auß Vngedult der Ruhe hin vnd wieder gehen. Wir Al- ten aber (fieng sie was lachende an) müssen die Mühe für die Ju- gend ertragen/ welche jhre eigene Sorgen nicht erkennet/ vnd nach +

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eines andern seinen nicht fraget. Da bate sie Argenis noch einmal/ sie wolte vom Radirobanes eher nicht gehen/ biß sie selber in den Garten käme. Dann sie wolte lieber/ daselbst/ als in jhrem Zimmer mit dem Radirobanes reden. Dieses war Selenissen sehr ange- nem/ in Meinung Argenis begehrte nur die geringe Zeit noch für jhre vorige Liebe/ welche sie zuvor verlassen muste/ wann sie dem Radirobanes rechtschaffen gefallen wolte.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),