Das XIII. Capitel.

[507] Poliarchus krieget Hoffnung durch das Gespräch deß Arsi- das. Er macht sich nach Epeircte in deß Nicopompus Behausung. Arsidas berichtet die Argenis von deß Poliarchus Ankunfft.

Das XIII. Capitel.

Arsidas merckte daß Poliarchus jrrete; darumb erklärete er jhm alles eigentlich/ daß Meleander vnd Argenis weit anders gesonnen weren/ als zwar Radirobanes verhoffte/ vnd das Volck außspreng- te. Also wardt Poliarchus allgemach von seiner jrrigen Meinung gebracht/ vnd begehrte nach geschöpffter Hoffnung von jhme we- gen deß Zustands in Sicilien Bericht einzunehmen. Im vbrigen wolte Arsidas/ daß sich Poliarchus ohn alles Bedencken bey dem König vngeschewet einstellen solte. Er führte jhm zu Gemüthe/ wie die Feinde nunmehr gedämpffet/ wie Timonides zu jhme ab- gesandt worden were/ wie er solche Gunst bey dem Meleander/ solche Liebe bey der Argenis/ vnd so geneigte Gemüther bey seinen

[Druckausgabe S. 308]
alten Freunden hette. Was hette er sich vnter so scharffen Wa- chen zu beförchten? oder warumb wolte er als ein ritterlicher Mensch sich [508] mehr auff Verbergung/ als auff offentliche Tu- gendt verlassen? Aber Gelanor war im Wege/ vnd erinnerte den Herren seiner in Africa gethanen Zusage/ daß er mit niemanden reden wolte/ biß er erstlich den Arsidas/ hernach die Argenis ge- sehen hette. Poliarchus bekandte auch selber/ daß er ohn Verlet- zung seiner Hoheit sich offentlich nicht entdecken köndte. Er muste vorhin in sein Vatterland schiffen/ vnd sich also außstaffieren/ wie er für dem Meleander erscheinen wolte. Es were die einige Argenis/ mit welcher er durch Hülffe deß Arsidas zureden wündschte. Zum wenigsten/ sagte Arsidas/ werdet jhr den Nicopompus nicht für ver- dächtig halten. Dann wie kan ich seine Auffrichtigkeit genugsam loben? Alle seine Gedancken gehen dahin wie er euch ehren möge/ vnd vernimbt es mit Frewden wann er euch loben höret? Bey die- sem habe ich an jtzo mein Losament/ vnd jhr könnet sicherer nicht verborgen bleiben/ als in seinem Hause. Poliarchus hatte hierüber kein Bedencken/ wie dann auch Gelanor nicht darwieder war. Als sie derwegen ein wenig geruhet hatten/ machten sie sich bey Nachte auff den Weg/ vnd kamen mit der Morgenröthe nach Epeircte in deß Nicopompus Behausung/ welcher vber jhrer Ankunfft sein Weinen für Frewden nicht lassen kundte. Als es aber besser in den Tag war/ gieng Arsidas zu der Argenis; weil sie aber nebenst dem Vatter vnd Cleobolus mit Geschäfften beladen war/ kundte er sie in Geheim ehe [509] nicht anreden/ biß sie dem Radirobanes zu entfliehen in den Waldt gieng.

Als sie auß deß Arsidas Bericht erfuhr/ daß Poliarchus kommen were/ legte sie allen Kummer von sich/ vnd frewete sich/ vngeach- tet jhrer beyder Gefahr/ mehr/ als solche vngewisse vnd kurtze Glückseligkeit verdiente. Wie sehr sie aber verlangete/ muste sie doch deß Abendts erwarten/ biß Poliarchus ohn Hinderung nach Hoffe kundte gebracht werden. Ich wil/ sagte Argenis/ in meinem Spatziergange seyn/ durch den man in den Garten kömpt. Es wird niemandt euch vnd dem Poliarchus auffmachen/ als Selenisse. Ge- het mein Arsidas/ vnd kommet in Zeiten. Also gieng sie in vollen Frewden zur Selenissen/ vnd wolte sie mit Offenbahrung deß Ge- +

[Druckausgabe S. 309]
heimnisses jhrer Glückseligkeit theilhafftig machen: aber sie er- kandte auß dem Lobe deß Radirobanes/ daß sie were vntrew wor- den. Wie sie derhalben jhr wiederumb mit List begegnet war/ vnd Hoffnung gemacht hatte/ als were sie dem Radirobanes geneigter worden; legte sie sich an das Fenster welches in den Garten gieng. Alsdann kamen jhr zwey schwere Sachen ein; deß Poliarchus An- kunfft/ vnd der Selenissen Falschheit. Weil derhalben jhr Gemüte zwischen Zorne vnd Frewden stundt/ kundte sie sich nichts gewis- ses entschliessen. Die Sache wolte aber Verzug nicht leiden/ damit Selenisse deß Poliarchus nicht jnnen würde/ wann er zu bestim- ter Zeit käme. Sie wuste der [510] Alten auff diese Nacht nichts zu- schaffen zu geben; vnd befand nichts für rahtsamer/ als daß sie dem Arsidas durch einen Diener entbieten ließ/ sie köndte die Bilder/ welche jhr auff den Abend hetten sollen gebracht werden/ zu diesem mal nicht schawen. Er solte morgen sehr frü nach Hofe kommen/ aber doch ohne den Künstler. Arsidas verstandt leichtlich/ daß etwas darzwischen käme/ welches die Princessin an jhrem Gesprä- che mit dem Poliarchus verhinderte; weil sie aber solches nicht offentlich sagen dörffen/ als hette sie dieses wegen der Bilder vnd deß Mahlers erfunden.

Fieng er also mit Zuziehung deß Nicopompus/ den Poliarchus an zutrösten/ welchem solch Säumniß als der Todt war. Sie brachten allerley lustige vnd seltzame Reden herfür/ vnd stilleten seinen Schmertzen mit Erzehlung baldt seiner/ bald der Argenis Tugen- den/ oder was für lächerliche vnd verdrüßliche Sachen dem Radi- robanes auffgestossen weren. In dem sie jhm aber solche gute Ge- sellschafft leisteten/ wurden sie durch etliche Freunde verhindert. Dann Dunalbius hatte jhm denselbigen Abendt das Nachtessen in deß Nicopompus Hause bereiten lassen. Mit jhm kamen Antenor/ der von seinem Tempel in die Stadt angelanget war/ vnd Hiero- leander. Als sie zur Thür hienein tratten/ vnd Nicopompus sich be- klagte/ daß er den Poliarchus verlassen muste/ wie dann auch Arsidas bey einem solchen grossen Gaste nicht [511] verbleiben köndte/ (dann Dunalbius begehrte auch jhn bey sich zuhaben) hieß Poliarchus sich beyde zu Frieden geben. Sie solten hin gehen/ vnd wol abessen/ damit Dunalbius nicht merckete/ daß sie durch etwas Geheimes von jhrer Fröligkeit abgehalten würden. Er liesse +

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sich durch den Nicopompus auff eine seiten der Taffelstuben führen/ da er der Gäste Gespräche vernemmen kundte. Vnter dem Essen lief- fen allerley/ aber doch nur gemeine Reden für/ welche nichts zu- bedeuten hatten/ wann sie gleich von jhren Auffwärtern auffge- fangen würden. Als sie aber nach Abnemung der Speisen allein waren/ fieng Nicompompus mit Fleisse an deß Poliarchus zuerweh- nen; daß er/ der in der Nähe stackte/ gar wol hören kundte/ in was für Ehren er bey männiglich were; weil sie sämptlich/ vnwissend daß er zur Stelle war/ von jhm sagten was jhnen vmbs Hertze war. Sonderlich vnterließ Dunalbius nicht den stattlichen jungen Men- schen zuloben/ vnd wuste seine gantze Tugendt zu erzehlen. Ante- nor vnd Hieroleander ingleichen rühmten einer vmb den andern baldt seine Stärcke/ bald seine Höffligkeit; wie ferner in dem frö- lichen jungen Gemüte so eine grosse Lebhafftigkeit deß Geistes vnd scharffer Verstandt/ ja alles das zufinden were/ was man an dem Alter zuloben pfleget. Arsidas aber/ weil er wuste daß Poliarchus wieder den Radirobanes eyferte/ so brachte er die Rede auff den Bürgerlichen Kriege wieder den Lycogenes/ zu welchem Poliar- chus [512] dem Könige mit seinem kämpffen so ein guten Anfang gemacht hatte. Hernach aber kam er gemach vnd gemach auff die Sardinier/ vnd den Radirobanes; fieng darneben an vertrewlich vber seinen Außschreitungen zu lachen. Dann dieser König hielte sich gewaltig hoffärtig gegen den Seinigen/ vnd war jhm viel ent- fahren/ darauß man die Eytelkeit seines Gemüts vnd angenom- mene Tugenden wol erkennen kundte.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),