Das XVII. Capitel.

Theocrine offenbahret sich der Argenis/ vnd bekennet daß sie ein Mann sey/ welcher wegen deß Geschreys von jhrer Tugendt diese List sie zu gesehen gebraucht habe: Er sagt/ daß er Poliarchus heisse/ vnd macht sich heimlich auß dem Castell: Der König läßt Theocrinen suchen.

Das XVII. Capitel.

HErr/ sagte Selenisse im erzehlen/ fasset euch ein Hertz. Dann dieses was ich euch wil offenbahren/ wann jhr nicht sehr beständig/ würde euch alsbaldt zu der hefftigsten Entrüstung bringen. Theocri- ne/ so von dem Kampffe [536] hitzete/ anders mit den Augen sahe/ vnd vns fast am gantzen Gesichte vnbekandt war/ nam die Argenis bey der Handt/ vnd hieß beynebenst mich auch folgen. Wie wir so weit kommen/ daß sie die andern nicht kundten reden hören: Ich dancke + + +

[Druckausgabe S. 325]
den Göttern/ sagt sie/ daß sie den Fleiß meiner Liebe/ durch sol- chen nützen Betrug in dieses Kleidt vnd Hauß gebracht haben. Euch/ Princessin/ vnd ewrem Vatter ist diese List zu statten kom- men/ welche ich glückhafft von den Mördern habe loß gemacht. Wegen solchen Außganges kan mir billich verziehen werden. Dann was soll ich es länger verbergen/ weil dieser Kampff doch erwiesen hat/ daß ich ein Mann sey? Ich habe euch betrogen/ vnd mit grös- serer Künheit geliebet/ als jhr gerne hettet sehen mögen; Ich habe in Weibliche Beschönung/ ohn die ich hierein nicht kommen were/ zwar wieder gebühr mich verborgen. Aber es ist Entschüldigung gar genug/ daß ich die lange Zeit vber/ als ich vmb euch gewesen bin mich mit Sitten vnd Art einer Jungfrawen also vergliechen habe/ daß man mir auß keiner Vnbescheidenheit etwas anders abmercken können. Ich habe an den Männern an jetzo erwiesen/ was ich an den Jungfrawen zuthun vermocht hette/ wann ich nicht zu redlich we- re. Meine Meinung ist nicht/ diese meine Kräfften oder Ehrbarkeit zuloben. Es ist mir genug/ Princessin/ wann ich vmb beyder willen Vergebung bey euch erlange. Dann jhr möget wissen/ daß ich bey- des dem Stande vnd Würden nach einer kö-[537]niglichen Vermäh- lung nicht vngemäse bin/ auch bloß ewers herrlichen Beruffs we- gen mich von einem frembden Vfer hieher gewaget habe. Damit ich euch aber sehen/ vnd ewerer Sitten geniessen möchte/ habe ich mich/ gleichsam auff Rhat der Götter/ für ein weibes Person auß- gegeben/ meines Vettern Grawsamkeit/ der Mutter elendt/ vnd alles vbrige ertichtet. Ich scheide nun kräncker ab/ als ich bin her- ein kommen. Dann wie wenig ist das jenige/ was ich von ewerer Tugendt zuvor habe sagen hören? Jedennoch wardt ich dadurch gezwungen.

Radirobanes/ so durch diese Worte hefftig verwundet wardt; Ich bin todt/ Selenisse/ sagte er; ich bin todt! Wer ist dann dieser Achilles im Rocke? Welche Thetis hat diesen Betrug angegeben? Es ist auß mit mir! Ist es dieser/ den Argenis noch jetzt liebet? Er ists/ sagte die Alte. Vnd daß jhr es nicht für ein gemeines Geheimniß + + + + +

[Druckausgabe S. 326]
haltet/ Meleander weiß es noch selber nicht. Im vbrigen hub er an/ er köndte sich nicht länger auffhalten/ weil der König durch solche verdächtige Stärcke hinter den Betrug kommen möchte. Er wolte in kürtzen wiederumb zum Könige gelangen/ aber als ein Soldat; vnd mich zu Syracuse oder bey Hofe allzeit besuchen/ so offt ich von dem Castell käme. Sein Name were Poliarchus/ vnd er begehrte nicht länger zu Leben/ als er der Argenis gefiele. Gedencket nun mit Fleisse nach/ Herr/ wie vns beyden müsse gewesen seyn. Wann euch als einen Mann nur die erzehlung [538] beweget/ wie müssen wir andern erschrocken seyn/ welche bey dem Verlauff selber wa- ren? Hernach sagte er der Argenis etwas weniges in ein Ohr. Ich glaube/ daß er sein Landt vnd Geschlechte gemeldet/ vnd die Jung- fraw vmb Verschwiegenheit gebeten habe; wie dann auch von jhr geschehen ist. Dann dieses ist das einige Geheimnis/ welches mir Argenis nicht hat vertrawen wöllen. Ich hatte damals/ wie allzeit/ die Schlüssel zum Castell bey mir; welche er nam/ vnd/ Gehet zum Meleander/ sagte er/ ich wil der Guardie vnd Wache ruffen/ wann ja mehr Verrhäterey vorhanden were. Es waren so finstere Wol- cken/ daß man keinen Stern nicht sahe. Er/ als er das Thor auffge- macht/ vnd eine Fackel in der Handt hatte/ schrie er stracks an der Schwelle deß Schlosses/ es weren Mörder beym Könige eingebro- chen; die Soldaten solten zu Hülffe vnd auff jhre Wache kommen; die Gefahr were groß; vnd sie hetten die That fast schon vollendet. Als er dieses etliche mal hellen lautes wiederholet hat/ ist er in dem Finsterniß weit ausser Weges gegangen; die Wache aber/ so zu- nechst dem Schlosse war/ erregte einen grossen Tumult vnter sich. Sie lieffen eilend zu Hülffe wie sie stunden vnd giengen; Etliche da- mit sie sich durch das Anziehen nicht säumeten/ kamen halb nackendt vnd nur mit jhren Waffen gelauffen. Die Mawren hatten sie schon vmbringet; Vorhoff [539] vnd Saal waren voll von Solda- ten. Als sie den Feind allenthalben mit Liechtern vergeblich suchten/ besorgeten sie sich/ sie weren entweder durch ein Gespenste in Vn- vorsichtigkeit herumb geführet/ oder durch Betrug von jhrer Schildtwache weggebracht worden. Die fürnemsten Befehlshaber/ vnd vnter jhnen Eurimedes kamen mit den besten Knechten in deß Königes Zimmer/ in welchem ich vnd Argenis waren. Vnser Weh- +
[Druckausgabe S. 327]
klagen/ vnd deß Königes verbleichtes Gesichte/ sonderlich aber die zwey todten Cörper zu vnsern Füssen/ versicherten sie daß es nicht eine geringe Sache were. Derhalben tratten sie vmb den König; Weil sie jhn aber vnverletztet vnd ausser der Gefahr sahen/ küsse- ten sie jhm die Handt/ vnd redten sämptlich mit vielem Nachfragen dermassen durch einander/ daß sie also gar nichts erfuhren. Einer fragte nach den Mördern; der andere/ wie man sie in einem vnbe- wehrten Frawenzimmer Hause hette bestehen können/ viel suchten mit angezündeten Fackeln/ ob nicht etwan ein Feind noch verbor- gen lege. Sie fragten auch neben bey den Gefangenen auß/ zwick- ten jhn auff die Backen/ vnd satzten jhm Degen auff die Brust. Meleander hielte dafür/ man muste mit seiner Straffe nicht so leichtlich verfahren/ vnd gab ihn dem Eurimedes in Verwahrung.

Als er nun vnter seinen Leibtrabanten sicher war/ kam er in der Argenis Schlaffgemach/ da Theocrine/ wie er von vns verstanden/ die Meuchelmörder [540] gleichsfals erleget hatte. Wie sie die zwey Cörper allda funden/ vnd sahen daß die Wunden mehr als tödtlich eingedrungen waren/ fragten deß Königes Freunde noch hefftiger/ wer jhnen doch mit solcher Stärcke begegnet were. Nach dem wir aber sagten/ daß es mit einer Jungfrawen Hand geschehen were/ sahen sie stillschweigendt (dann für Wunder kundten sie nicht re- den) vmbher/ vnd waren die Vberwinderin zu sehen begierig. Der König befahl selber sie zu ruffen; vnd weil wir jhn erinnerten/ daß zwene von den Raubern beflohen/ vnd er auch wuste/ daß einer auß seinem Zimmer entriessen were/ hieß er sie durch das gantze Schloß suchen/ vnd herzu bringen. Sie mögen aber durch das Thor wo die Besatzung hienein gelassen worden/ oder vber die Mawer wegkommen seyn; es wardt nur endtlich dem Könige angemeldet/ daß man weder sie noch Theocrinen finden köndte. Meleander fragte nach den Mördern nicht so viel; daß aber Theocrine weg were/ kundte er nicht leiden. Als er derhalben noch andere gewisse Perso- nen alles durchsuchen ließ/ rufften sie Theocrinen/ daß man es im gantzen Castell hörete. Argenis vnd ich wusten/ daß er bey Gele- genheit der Nacht vielleicht schon weit von dannen were/ vnd jhnen schwerlich antworten würde. Daselbst ward ich zum ersten jnnen daß Argenis liebete/ weil sie das jenige was wir beyde wusten also verbarg/ daß sie mich fast selber betrog.

[541] Das vbrige von der Nacht wardt mit solchem Tumulte zu- gebracht. Mit Auffgange der Sonnen worden Cleobulus vnd andere

[Druckausgabe S. 328]
Geheime trewe Räthe auff der Post verständiget/ was dem Könige begegnet were; darauff sie sich eilends einstelleten; vnd als sie der König zu Befragung deß Gefangenen von sich schickte/ fieng er wieder die Vmbstehenden also an: Wiewol die Meineidigen Leute an mir vnd den Göttern sich höchlich vergrieffen haben/ vnd die Ver- brecher billich herfür gesucht/ vnd zur Straffe gezogen werden; so begehre ich doch nicht so sehr mich zurechen/ als die jenige zu se- hen welcher Tugend mich erhalten hat. Theocrine sey wo sie wölle/ so kan ich mich für glücklich nicht halten/ so lange ich nicht gewiß weiß/ ob sie an sicherem Orte sey. Ihr Götter! jhre grosse Stärcke wird sie ja nicht vnter die Mörder gebracht haben. In dem er so re- dete/ vnd fragte/ sagten die Kundschaffer wieder/ man könte kei- nen Fußstapffen von der Theocrine weder im Schlosse/ noch auff benachbartem Felde sehen. Wann jhr etwas böses wiederfahren were/ so hette man sie ja entweder verwundet/ oder/ welchs die Götter verhüten wolten/ todt vnd auff Stücke zerhawen finden sollen.




Zitierempfehlung:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: Hybridedition der deutschsprachigen Werke des Martin Opitz. , hg. von der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2018ff. URL: (abgerufen am: )

Zitierempfehlung der Druckausgabe:

Martin Opitz, Martin Opitz. Gesammelte Werke, in: George Schulz-Behrend und (Hrsg.),